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21 Mai 2010

Firmen verdienen an Pfandschlupf

UMWELTGESETZGEBUNG

Weniger Müll und ein wenig Umweltschutz

Pfand auf Einwegverpackungen lenkt weniger als gedacht

Jan Osterkamp

Das Einwegflaschenpfand hat den Müll auf den Straßen
reduziert und das Recycling gefördert. Die ökologisch
vorteilhaften Mehrwegsysteme profitierten weniger als
gehofft.

Seit mehr als sieben Jahren unterliegen Einwegverpackungen
einer Pfandabgabe, die vor allem die ökologisch vorteilhaften
Mehrwegsysteme stärken sollte - und das möglichst, ohne die
Wirtschaft und die Verbraucher dabei unnötig zu stören. Ob
dies gelungen ist, haben jetzt Wissenschaftler des
bifa-Umweltinstituts im Auftrag des Bundesumweltamts
untersucht. Sie bewerteten die ökologischen und ökonomischen
Folgen der Entscheidung. Ihr Fazit: Der Gesamtnutzen der
Pfandpflicht ist noch schwer zu bewerten - immerhin aber
würde es sicher schaden, sie wieder abzuschaffen. Der
Umweltschutz könnte indes stärker profitieren, wenn einem
insgesamt transparenteren System ein wenig unter die Arme
gegriffen würde.

Mehrweg ist gut - und PET besser als Glas

Bereits seit Anfang der 1990er Jahre hatte die bundesweite
Verpackungsverordnung Mehrweggetränkeverpackungen wegen ihrer
ökologischen Vorteile zu fördern gesucht. Seit 2003
unterlagen Einweggetränkeverpackungen dann auch einer
Pfandpflicht, mit der die Gesetzgeber die Marktteilnehmer in
eine ökologisch wünschenswerte Richtung lenken wollten: So
sollten Getränke nicht nur in größerer Zahl zur Verringerung
der Umweltbelastung in Mehrweg- oder "ökologisch
vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen" abgefüllt werden -
angedacht war zudem, durch die Pfandpflicht dafür zu sorgen,
dass die wieder eingesammelten Einweggetränkeverpackungen
möglichst sortiert erfasst und deshalb auch möglichst
kostengünstig und effizient recycelt werden können.
Insgesamt, so die Idee, dürfte dies zudem dazu führen, dass
deutlich weniger Verpackungsmüll die Umwelt verschmutzt.

Letzteres scheint gelungen, konstatieren nun die
Wissenschaftler des bifa-Instituts. Sie hatten zuvor eine
Vielzahl verschiedener Einzelstudien zusammenfassend
ausgewertet und Fachgespräche und Interviews geführt - etwa
mit Vertretern der Getränkeindustrie, Packmittelherstellern,
Entsorgungsunternehmen, Umwelt- und
Verbraucherschutzverbänden oder den für die Abfallwirtschaft
zuständigen Landes- und Bundesministerien. Die Erhebung
zeige, so die Studienleiter, dass die Pfandpflicht auf
Einwegverpackungen eindeutig zu weniger Müll auf Straßen und
Plätzen geführt hat. Außerdem würden sich die Einwegbehälter
aus Plastik oder Aluminium nun besser verwerten lassen, da
sie mehr und sortenrein gesammelt werden.

Noch schwer zu bewerten, so die Forscher, seien
Sekundäreffekte, die die Pfandpflicht nach sich gezogen haben
könnte: etwa die Bedeutung des Pfands als Zusatzeinkommen für
sozial Benachteiligte. Insgesamt aber sei das Einwegpfand
ökonomisch gesehen für die vor Jahren grundsätzlich kritisch
eingestellten Unternehmen mittlerweile lohnend - vor allem,
nachdem die Investitionen für den Aufbau einer
funktionierenden Rücknahme-Infrastruktur ja nun geleistet
sind. Handel und Abfüller streben sogar vermehrt
Einwegsysteme an, weil sie zum Beispiel durch die so
genannten Pfandschlupf-Erträge oder den Verkauf der
Sekundärrohstoffe unter dem Strich Geld einnehmen. Genau dies
war aber nicht im Sinne der Erfinder des Systems: Eigentlich
sollte das Pfand auf Einwegverpackungen ja die ökologisch
vorteilhaften Mehrwegsysteme stärken.

"Nach wie vor ist Mehrweg die richtige Entscheidung für die
Umwelt"

(Jochen Flasbarth)

Gelungen ist dies nur beim Verkauf von Bier, wo sich die
Mehrwegquote oberhalb des auch vor dem Einwegpfand schon
hohen Niveaus stabilisiert hat. Schlechter sieht es bei den
nach neuen Umweltbilanzen unschlagbaren
Plastik-Mehrwegflaschen aus: Mehrweg-PET-Flaschen verbrauchen
bei der Produktion und beim Transport noch weniger Energie
als Mehrwegglasflaschen; leider setzten sie sich aber im
Handel nicht so durch wie erwünscht. Der Präsident des
Bundesumweltamts, Jochen Flasbarth, hofft hier weiter auf die
Verbraucher: "Nach wie vor ist Mehrweg die richtige
Entscheidung für die Umwelt."

Die Studie liefert auch mehrere Vorschläge, um das jetzige
Pfandsystem zu verbessern. So soll Transparenz helfen: Alle
Verpackungen sollten mit einem klaren "EINWEG" oder "MEHRWEG"
gekennzeichnet werden, um die informierte Verbraucherwahl zu
erleichtern. Eine Werbe- und Aufklärungskampagne soll
gleichzeitig möglichst viele Menschen noch einmal über die
Vorzüge von Mehrwegsystemen informieren. Als weniger viel
versprechend bewertet die Studie einige in der Diskussion
stehenden Alternativen zum derzeit praktizierten Pfandsystem.
So könnten zum Beispiel handelbare Zertifikate für
Einwegverpackungen das Pfand zwar ergänzen oder ersetzen.
Dies würde aber womöglich größeren Marktteilnehmern mehr
nützen - und am Ende dem Wettbewerb um ökologische und
ökonomische Effizienz dann eher schaden.

Eine zurückhaltende Absage erteilen die Studienleiter
übrigens einem weiteren Alternativvorschlag, den der
Naturschutzbund NABU in die Debatte geworfen hatte: Die
ökologisch nachteiligen Einwegverpackungen mit einer
Zusatzsteuer zu belasten. Dieser Weg einer Steuererhöhung sei
in der Öffentlichkeit einfach zu schwer vermittelbar -
zumindest sollte abgewartet werden, wie ein den
NABU-Vorstellungen ähnliches Vorgehen, das in den
Niederlanden nun umgesetzt wird, sich in der Praxis bewährt.
(jo)