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18 Januar 2010

Steuer Waffen Banken Mord Muenchen CDU CSU Diebe

Mord in München Polizei findet Manager tot im Lieferwagen
Mysteriöser Mordfall in München: Seit Tagen war der Finanzmanager Dirk C. spurlos verschwunden, am Wochenende fand die Polizei die Leiche des 36-Jährigen. Drei Verdächtige wurden bereits festgenommen.
München - Seine Leiche lag der "Abendzeitung" ("AZ") zufolge in einem Lieferwagen im Münchner Südwesten: Dirk C. ist tot. Der Münchner Manager starb im Alter von 36 Jahren und wurde offenbar ermordet. C. hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Die Familie ist schockiert und befindet sich derzeit in psychologischer Behandlung.

Dirk von Poschinger-Camphausen (36) war am Donnerstagmorgen auf dem Weg zur Arbeit verschwunden. Telefonanrufe, SMS - alles ließ der Finanzmanager unbeantwortet. Zu wichtigen Geschäftsterminen erschien er nicht. Voller Angst um ihren Mann schaltete die Ehefrau noch am gleichen Tag die Polizei ein. Doch alle Hoffnung war umsonst. In der Nacht auf Samstag fanden die Beamten zunächst das Auto des Vermissten. Die Überprüfung einiger im Umkreis abgestellter Wagen brachte dann die schreckliche Gewissheit: C. wurde tot im Laderaum eines Lieferwagens gefunden. Laut "AZ" hat die Polizei nach einer großangelegten Fahndung bereits drei Verdächtige ermittelt. "Die Männer wurden festgenommen", bestätigte ein Sprecher. Sie stehen unter dringendem Tatverdacht. Dem Bericht zufolge hatten es die Verdächtigen auf den Wagen C.s abgesehen, einen Audi A8. Diesen hatte der Finanzmanager zuvor offenbar im Internet verkaufen wollen. Dirk C. arbeitete als Manager bei der schwedischen Investmentfirma EQT Partners in München. Zuvor war er als Abteilungsleiter in der Frankfurter Filiale der US-Großbank Morgan Stanley tätig.

Dirk von Poschinger-Camphausen (36) hat alles, was Menschen glücklich macht. Top-Karriere: Absolvent der European Business School. Mit 31 Jahren Vice President bei der amerikanischen Bank Morgan Stanley. Seit einem Jahr Investment-Manager in der Münchner Beteiligungs-Gesellschaft EQT. Super-Gehalt.

Heile Familie: Er ist verheiratet, hat zwei Kinder.

Wunderbare Wohnung: Mitten im edlen Bogenhausen an der PrinzregentenstraÃ.e.Seit Donnerstag ist er weg. Am Nachmittag meldete sich seine besorgte Frau bei der Polizei. Ihr Mann habe die Wohnung um 9.30 Uhr verlassen, berichtete sie. Seither habe sie nichts mehr von ihm gehört.

In der Firma ist er weder am Donnerstag, noch am Freitag aufgetaucht. Wichtige Geschäftstermine am Donnerstag Nachmittag hat er nicht wahrgenommen. Sein Handy ist ausgeschaltet.So etwas habe er noch nie getan, erklärte die Frau.Ebenfalls verschwunden ist der Audi Aâ..8 quattro des Managers. Der Wagen ist noch nicht einmal ein Jahr alt. Wegen eines bevorstehenden Umzugs in die USA wollte Poschinger den Wagen verkaufen, bot ihn im Internet für 54â..000 Euro an.

Die Polizei nimmt das Verschwinden von Dirk von Poschinger-Camphausen sehr ernst. Streifenbeamte haben bereits Bogenhausen und das Isarufer nach ihm und dem verschwundenen Auto abgesucht. Gefunden haben sie nichts.Die Polizei will nicht ausschlieÃ.en, dass Poschinger Opfer eines Verbrechens geworden ist. Sie hofft jetzt auf Hinweise zum Aufenthaltsort des Managers.

Dirk von Poschinger-Camphausen ist tot. Der seit Donnerstag vermisste Finanzmanager ist ermordet worden. In der Nacht von Freitag auf Samstag fand die Polizei seine Leiche in einem Lieferwagen, der am Straßenrand im Stadtgebiet München abgestellt war. Übers Wochenende haben die Ermittler bereits drei tatverdächtige Männer festgenommen. Weil die Vernehmungen noch laufen, gab die Polizei am Sonntag noch keine Details zu den Umständen des Mordes und zum möglichen Motiv bekannt.

Unklar ist damit noch, inwieweit der gewaltsame Tod des 36-Jährigen mit dem Verkauf seines Audi A8 zusammenhängt. Von Poschinger-Camphausen hatte den teuren Oberklassewagen im Internet angeboten.

Das Fahrzeug war im südwestlichen Stadtgebiet abgestellt und wurde dort auch von der Polizei entdeckt, ganz in der Nähe des Lieferwagens, in dem die Leiche lag. Wie und wann genau der Manager getötet wurde, wollte Markus Kraus, Chef der Mordkommission, am Sonntag noch nicht sagen.

Dirk von Poschinger-Camphausen, der in der Schwabinger Niederlassung des schwedischen Finanzinvestors EQT arbeitete, hatte am Donnerstag gegen 9:30 Uhr seine Wohnung am Prinzregentenplatz in Bogenhausen verlassen. In seinem Büro in der Leopoldstraße unweit des Siegestores kam er aber nicht an.Kein Anruf bei Ehefrau Entgegen seiner Gewohnheiten meldete er sich auch nicht telefonisch bei seiner Ehefrau, zu einem wichtigen Geschäftstermin erschien der Manager ebenfalls nicht. Irgendwann war auch sein Handy ausgeschaltet. Seine Frau meldete ihn deshalb am Donnerstagnachmittag als vermisst.Weil die Polizei von Anfang an ein Gewaltverbrechen befürchtete, übernahm die Mordkommission die Ermittlungen. Nachdem erste Suchaktionen keine Ergebnisse gebracht hatten, entdeckte am Freitagabend eine Polizeistreife im Südwesten der Stadt den zur Fahndung ausgeschriebenen schwarzen Audi A8 Quattro. Dann dauerte es nicht lange, bis die Ermittler aufgrund von Überwachungen und "operativen Maßnahmen" einen ersten Verdächtigen festgenommen und den Lieferwagen mit dem Toten gefunden hatten. Der Vater zweier Kinder, der erst vor einem Jahr von Frankfurt nach München gezogen war, hatte seinen Audi A8 Quattro für 53.999 Euro auf einem Online-Portal zum Verkauf angeboten. Der knapp ein Jahr alte Wagen mit 232 PS war erst 3900 Kilometer gefahren worden, er verfügt laut der Anzeige über eine Top-Ausstattung. Wegen eines bevorstehenden Umzugs in die USA wolle er das Fahrzeug verkaufen, gab von Poschinger-Camphausen als Begründung an.


Am Freitag startete die Polizei die öffentliche Suche nach dem Manager, der als äußerst zuverlässig galt. Trotz seiner erst 36 Jahre hatte er eine beachtliche Karriere vorzuweisen. Ehe er 2009 zu EQT als Investment-Manager mit dem Titel eines Directors kam, war er vier Jahre lang als Vice Präsident in der Investment Banking-Abteilung von Morgan Stanley in Frankfurt tätig. Sein Arbeitsschwerpunkt: Transaktionen im Infrastruktur- und Energiesektor.Zuvor hatte der Manager vier Jahre lang in London für JP Morgan und für Dresdner Kleinwort gearbeitet. Von 1996 bis 2000 hatte er die European Business School in Oestrich-Winkel bei Wiesbaden besucht, die er als Diplom-Kaufmann abschloss. Er studierte auch im spanischen Navarra und an der US-amerikanischen Management-Hochschule Thunderbird in Arizona. In seiner Freizeit spielte er Tennis, war auf der Piste mit dem Snowboard unterwegs und reiste gern.Viele offene Fragen Bei der Familie von Poschinger-Camphausen handelt es sich um ein altes, bayerisches Adelsgeschlecht, das seit dem Mittelalter existiert. Im Besitz der weitverzweigten Familie ist auch der Riegsee bei Murnau. Eine Linie der Poschingers betreibt im Bayerischen Wald seit Jahrhunderten eine Glashütte. Nach einem Mitglied dieses Zweiges ist im Herzogpark die Poschingerstraße benannt, in der einst Thomas Mann wohnte.Dirk von Poschinger-Camphausens gewaltsamer Tod wirft viele Fragen auf, beginnend beim Verkauf des Audi. Warum versuchte ein gut verdienender und vielbeschäftigter Mann privat und im Internet seinen Wagen zu verkaufen, anstatt ihn einfach einem Händler zu übergeben und somit keine Arbeit damit zu haben? Hatten es die mutmaßlichen Täter allein auf den teuren Wagen abgesehen oder hatten sie womöglich eine Entführung geplant, die außer Kontrolle geriet?Der Getötete hatte im Internet seine komplette Adresse samt Telefonnummer angegeben. Warum ließen die Täter den Wagen ihres Opfers in München stehen, und warum vor allem parkte der Lieferwagen mit der Leiche unweit davon? Am heutigen Montag will die Polizei Einzelheiten ihrer Ermittlungen bekanntgeben.

Wenn man eine Wahl verliert, aber nicht die Macht, sie wirkungslos zu machen

Wolf Wetzel 18.01.2010

Freie und geheime Wahlen sind ein Wesensmerkmal einer parlamentarischen Demokratie. Was aber passiert, wenn sich der Wählerwille gegen mächtige Wirtschaftsinteressen durchgesetzt hat?

Die CDU-FDP-Regierung in Hessen ist am 18.1.2010 ein Jahr im Amt. Eine gute Gelegenheit, diese abstrakte Frage am konkreten Beispiel zu beantworten.

   


Wie man verlorene Wahlen dennoch gewinnt

Obwohl sich die hessische CDU im Wahlkampf 2008 ihre rassistische Kampagnen (z. B. die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsangehörigkeit 1999) mit dem Kampf gegen ausländische Kriminelle zu krönen wusste, die sie von einer Kuscheljustiz verhätschelt sah und mit Warnschussarrest[1] vor einer lebenslangen kriminellen Karriere retten wollte, verlor sie deutlich die Wahl. Ihr Wahlkampfmotto: "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen", eine bewusste Anspielung auf Undeutsches und Kommunistenangst ging nicht auf.


Bilder: Wolf Wetzel


Die SPD mit der Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti wurde stärkste Partei und hatte sogleich ein Problem: Auch mit den Grünen zusammen wäre sie auf eine Tolerierung durch die Partei DIE LINKE angewiesen gewesen. Genau diese schloss sie jedoch aus . in der Hoffnung, so den Einzug der LINKEN verhindern zu können. Um dennoch rot-grüne Politik machen zu können, brach sie ihr Wort und handelte ein Tolerierungsabkommen mit der Partei DIE LINKE aus.

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gab es schon viele Wortbrüche, ohne dass diese den jeweiligen Parteien geschadet hätten. Doch dieses Mal passierte etwas Ungewöhnliches: Eine parteiübergreifende Koalition aus Wirtschafts-, Partei- und Medienunternehmen fand sich zusammen, um den "linker Putsch gegen den Wählerwillen"[2] zu verhindern. Die Initiatoren, Unterstützer und Sponsoren der Wortbruch-Kampagne reichten von BILD, FAZ bis Frankfurter Rundschau, vom wirtschaftsfreundlichen Flügel der SPD bis zu unternehmensnahen Gewerkschaftsgliederungen.


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Wenn man also davon ausgeht, dass diese Große Koalition in puncto Wortbruch (eigene) Erfahrungen hat, dann ist es sicherlich näherliegend, davon auszugehen, dass es um ein politisches Programm ging, dessen Verwirklichung um jeden Preis verhindert werden musste. Und in der Tat störten einige SPD-Programm-Punkte einflussreiche Wirtschaftsinteressen und milliardenschwere Unternehmen in Hessen derart, dass sie gegen dieses wirtschafts- und standortfeindliche Regierungsprogramm mobil machten:

Die geplante Nordbahn am Frankfurter Flughafen sollte erst gebaut werden, wenn die Gerichte über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses entschieden haben. Auf das Instrumentarium des Sofortvollzuges soll also verzichtet werden.


Am Atomausstieg sollte festgehalten werden, gerade auch im Hinblick auf das älteste Atomkraftwerk in Biblis.


Der Ausbau regenerativer Energien sollte zügig und entschieden vorangetrieben werden.


"Zur Rache, Schätzchen"[3]

Die breit angelegte, parteiübergreifende Kampagne gegen den Wortbruch von Andrea Ypsilanti hatte Erfolg: Am 18.1.2009 wählten Hessens BürgerInnen richtig: 37,2 % der abgegebenen Wahlstimmen entfielen auf die CDU, die daraufhin mit der FDP eine Regierungskoalition einging. Deren Regierungsprogramm liest sich wie eine Darlehensrückzahlung an die zahlreichen und potenten Sponsoren der so erfolgreichen Kampagne:

Der Flughafen wird mithilfe des politischen Instrumentariums des Sofortvollzuges


ausgebaut . ohne die anhängigen Gerichtsverfahren abzuwarten.


Das Kernkraftwerk Biblis soll am Netz bleiben.


er Ausbau regenerativer Energien bleibt ein Feigenblatt.


Dass die neue, alte Regierung mit Wortbruch groß geworden ist und keine Scheu kennt, in dieser Tradition fortzufahren, belegt alleine die Entscheidung dieser Regierungskoalition, Revision gegen ein Verwaltungsgerichtsurteil einzulegen, das ein Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen festlegt. Die Ironie der Geschichte ist, dass sich das Gericht dabei auf nichts anderes bezieht, als das von der CDU-Landesregierung selbst abgegebene Versprechen, die Erweiterung des Frankfurter Flughafens an ein Nachtflugverbot zu binden!

Zweifellos ist der Machterhalt Motiv genug, eine Wahlniederlage nicht für das letzte Wort zu halten. Hatte die hessische CDU darüber hinaus noch ganz andere Sorgen, die politische Macht und Kontrolle zu verlieren? Was wäre passiert, was hätte passieren können, wenn die CDU ihre Macht 2008 verloren hätte? Ein zweiter, für bundesrepublikanische Verhältnisse doch ungeheuerer Vorgang bringt Licht in diese düstere Vorahnung.


Das System "Archipel Gulag"

Nachdem 1999 herauskam, dass die hessische CDU Millionen an Schwarzgeldern als jüdische Vermächtnisse auf ausländischen Konten getarnt hatte, versprach der hessische Ministerpräsident Roland Koch brutalst mögliche Aufklärung. Während Roland Koch und die hessische CDU im Traum nicht daran dachten, ihr Versprechen einzulösen, gab es einige, die das all zu wörtlich nahmen, wie z.B. das Banken-Team im Finanzamt Frankfurt V. Sie hatten z.T. jahrzehntelange Erfahrungen, waren Staatsdiener im allerbesten Sinne. Und sie waren erfolgreich, gefährlich erfolgreich:

So war Steuerfahnder Marco Wehner dabei, "als Frankfurter Steuerfahnder gegen den ehemaligen Schatzmeister der CDU, Walther Leisler Kiep ermittel(te)n. Das dunkelste Kapitel der Hessen-CDU."[4] Es ging um über 20 Millionen DM, die als illegale Kriegskasse für Parteizwecke genutzt wurden, und u.a. in der Liechtensteiner Stiftung Zaunkönig anonymisiert, also gewaschen wurden.

Sie ermittelten aber auch wegen Steuerhinterziehung gegen Großbanken: "Stapelweise Belastungsmaterial fand das Team bei Commerzbank und Deutsche Bank, die Kunden geholfen hatten, Geld vor dem Fiskus zu verstecken. 250 Millionen Euro zusätzlich aus Steuernachzahlungen der Banken verbuchte das Land Hessen wegen ihrer Erfolge, rund eine Milliarde der Bund."[5]

Doch nicht nur millionenschwere Privatkunden wurden via Transferkonten hiesiger Großbanken in Steueroasen geschleust. Auch Großfirmen wie Siemens nutzten diesen Schleichweg, um Schmier- und Bestechungsgelder über Liechtensteiner Konten außerbilanziell abwickeln: Deren Firmengelände in Offenbach und Erlangen wurden polizeilich aufgrund des Vorwurfes durchsucht, zwischen 1999 und 2002 mindestens sechs Millionen Euro Bestechungsgelder im Zusammenhang mit Auftragsvergaben an damalige Manager des italienischen Stromkonzerns Enel gezahlt zu haben. Im November 2006 teilte die Münchner Staatsanwaltschaft mit, Verantwortliche bei Siemens hätten sich "zu einer Bande zusammengeschlossen" und sich an der "Bildung schwarzer Kassen im Ausland"[6] beteiligt.

Man kann nur erahnen, um welche Summen es sich dabei handelt, wenn man davon ausgehen muss, dass die aufgedeckten Fälle nur die Spitze des Eisberges darstellen. Für etwas anderes braucht man hingegen keine Fantasie: Der Umstand, dass diese kriminellen Wege von Parteien, Banken[7] und Großfirmen gemeinsam beschritten wurden, schweißte zusammen: Ein Flächenbrand musste mit allen Mitteln verhindert werden.

2001 erließ das Finanzamt Frankfurt auf Anweisung des hessischen Finanzministeriums die Verfügung, nur noch Geldtransfers ins Ausland zu untersuchen, die die Summe von 500.000 Mark überstiegen. Damit wurden Geldtransfers unterhalb dieser Grenze für steuerrechtlich unverdächtig eingestuft[8], was einer Aufforderung gleichkommt, in Zukunft Steuerhinterziehung in gestückelten Teilbeträgen zu praktizieren. Auch Steuerfahnder aus der Bankengruppe protestierten gegen diese Verfügung. Sie befürchteten zu Recht, dass damit ein verfolgungsfreies Schlupfloch geschaffen werden sollte. Daraufhin wurde das in Gang gesetzt, was später als das System Archipel Gulag bekannt werden sollte.


Finanzminister Karlheinz Weimar


Zuerst versuchte man die unliebsamen Steuerfahnder durch Versetzungen zu disziplinieren: "Ein Teil von ihnen wird in die Servicestelle Recht versetzt . eine Geisterstation . Man nannte die Servicestelle Recht behördenintern auch Strafbataillon oder Archipel Gulag."[9] Dann machte man mit der ganzen Abteilung Tabula rasa und löste sie auf. Doch anstatt sich im Strafbataillon zu bewähren, klagten einige Betroffene gegen die Disziplinarverfahren (und gewannen diese später).

Doch dann passierte etwas, was man weder in der Oberfinanzdirektion, noch im hessischen Finanzministerium für möglich gehalten hätte, womit sie nicht rechnen konnten. Im Sommer 2003 trafen sich fast 50 Steuerfahnder, solidarisierten sich mit den Aussätzigen und verfassten einen gemeinsamen Brief an den Ministerpräsidenten Roland Koch:

Wir sind Steuerfahnder und Steuerfahndungshelfer des Finanzamts Frankfurt V und wenden uns an Sie, weil wir begründeten Anlass zu der Sorge haben, dass die Steuerfahndung Frankfurt am Main ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann, weil Steuerhinterzieher nicht in gebotenem Maße verfolgt werden können.

Der Brief wurde nicht abgeschickt, nachdem es einige mit der Angst zu tun bekamen. Dennoch gelangten der Brief und die Amtsverfügung aus dem Jahr 2001 in die Öffentlichkeit. Ein Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag wurde eingerichtet. Dank der CDU-FDP-Mehrheit im Untersuchungsausschuss verlief alles im Sande, dennoch schwelte es weiter. Im September 2004 erhielt der Ministerpräsident Roland Koch (CDU) auf dem Dienstweg ein Schreiben des Steuerfahnders Rudolf Schmenger, in dem er Führungskräften der hessischen Finanzverwaltung "Fälle von Strafvereitelung im Amt, falsche Verdächtigung, Verletzungen des Steuergeheimnisses, Verletzung des Personaldatenschutzes, Mobbing und Verleumdung"[10] anzeigte.

Jetzt reichte es nicht mehr, die aufsässigen Fahnder von brisanten Fällen abzuziehen, jetzt musste man sie als potenzielle Zeugen unglaubwürdig machen, für irre erklären. Mitte 2006 bekam der Adressant dieses Schreibens eine Aufforderung der Oberfinanzdirektion, sich medizinisch begutachten zu lassen. Es ist kein normaler, dafür ein außerordentlich zuverlässiger Arzt, der ihn untersuchen sollte: Psychiater Dr. med. Thomas Holzmann. Nach Auskunft der Landesregierung begutachtete dieser seit Oktober 2005 exakt 22 Fälle in der Finanzverwaltung - in zwei Dritteln dieser Fälle sei er zum Urteil Dienstunfähigkeit gelangt.

Auch in diesem Fall war sein Gutachten vernichtend: "Da es sich bei der psychischen Erkrankung um eine chronische und verfestigte Entwicklung ohne Krankheitseinsicht handelt, ist seine Rückkehr an seine Arbeitsstätte nicht denkbar und Herr Schmenger als dienst- und auch als teildienstunfähig anzusehen."[11]

Man beließ es nicht bei diesem Exempel, sondern ließ weitere Steuerfahnder vom Psychiater Dr. med. Thomas Holzmann begutachten. Die Begründungen könnten auch aus einem Frankstein-Film stammen: Aufgrund "paranoid-querulatorische Entwicklung (.), in deren Rahmen Herr M unkorrigierbar davon überzeugt ist, Opfer großangelegter unlauterer Prozesse zu sein"[12] . schrieb Psychiater Dr. med. Thomas Holzmann auch alle anderen dienstunfähig.

Man war auf der Zielgeraden der Psychiatrisierung von unliebsamen Zeugen angelangt. Denn nun stand ihrer Zwangspensionierung nichts mehr im Weg. Es ist vor allem der Hartnäckigkeit der zwangspensionierten Steuerfahnder zu verdanken, dass nach fast acht Jahren Risse im System Archipel Gulag auftreten: Im November 2009 verurteilte das Verwaltungsgericht Gießen[13] den Psychiater Dr. med. Thomas Holzmann wegen fehlerhafter und "vorsätzlich"[14] falsch erstellter Gutachten über hessische Steuerfahnder zu einer Geldbuße von 12.000 Euro und einem Verweis: "Weshalb der Gutachter von vornherein die vom Probanden geschilderten Ereignisse (.) für wahnhaft, also nicht der Realität entsprechend bewertet, ist an keiner Stelle des Gutachtens dargelegt und erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang."[15]


Vorläufiges Fazit

Wenn man die Wortbruchkampagne als ersten Schlüssel versteht und das System Archipel Gulag als zweiten Schlüssel dazunimmt, dann kann man ein Depot öffnen, dessen Inhalt beunruhigender nicht sein kann: Ein passgenaues und aufeinander abgestimmtes Räderwerk aus politischen Mandatsträgern, Direktoren aus Finanzämtern und dem hessischen Finanzministerium, Chefetagen in Banken und Großfirmen, die zwar Wahlen (temporär) verlieren können . aber nicht die Macht.