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04 Januar 2010

Klima-Faschismus - Antwort von Naomi Klein zu simpel

Klima-Faschismus - Antwort von Naomi Klein zu simpel


NAOMI KLEIN:

Kopenhagener Klimagipfel

Handzahm in die Katastrophe

Am neunten Tag des Klimagipfels in Kopenhagen wurde Afrika geopfert. Dabei war die Position der afrikanischen Gruppe - dem Verhandlungsblock der G-77-Staaten und aller afrikanischen Länder - von Anfang an klar gewesen: Eine globale Erderwärmung um 2 Grad Celsius entspräche einem Temperaturanstieg von 3 bis 3,5 Grad in Afrika. Die Pan African Climate Justice Alliance schätzt, dass dann weitere 55 Millionen Menschen von Hunger bedroht und 350 bis 600 Millionen unter Wassermangel leiden würden. Erzbischof Desmond Tutu drückte es folgendermaßen aus: "Wir stehen vor einer Katastrophe von gigantischen Ausmaßen. Bei dem global angestrebten Ziel von 2 Grad Celsius wird Afrika zum Backofen und verliert jede Hoffnung auf Entwicklung."

Für den Premierminister von Äthopien, Meles Zenawi, scheint das kein Problem zu sein. Er schaute auf dem Weg nach Kopenhagen bei Präsident Sarkozy in Paris vorbei und präsentierte "im Namen von ganz Afrika" (er war Vorsitzender der afrikanischen Verhandlungsgruppe) einen Plan, der das gefürchtete 2-Grad-Ziel vorsieht und den Entwicklungsländern ein Budget von 10 Milliarden Dollar pro Jahr zusichert, das für alles aufgewendet werden kann, was mit dem Klimawandel zu tun hat, vom Deichbau über Malaria-Behandlung bis hin zu Wiederaufforstungsprojekten.

Es ist kaum zu glauben, dass derselbe Mann vor nur drei Monaten verkündete: "Wir werden uns mit allen Mitteln gegen jede Vereinbarung stellen, die unseren Minimalanforderungen nicht Rechnung trägt. Wir werden nicht davor zurückschrecken, die Verhandlungen abzubrechen, wenn sie nur darauf hinauslaufen, unserem Kontinent weiterhin den schwarzen Peter zuzuschieben. Wir sind nicht bereit, eine globale Erwärmung zu tolerieren, die vermeidbar gewesen wäre." Und weiter: "Wir werden nicht als Bittsteller nach Kopenhagen gehen, sondern als vollwertige Partner an den Verhandlungen teilnehmen."

Klimagipfel in Kopenhagen -- Klimakonferenz Kopenhagen

Das Kopenhagener Abkommen zum Klimaschutz soll von 2013 an das Kyoto-Protokoll ablösen. Studien, Umweltszenarien, interaktive Grafiken zur Entstehung von Ozon, Hintergründe und mehr.

Wir wissen nicht, was Zenawi für seinen Meinungswechsel bekommen hat. Auch ist schwer nachvollziehbar, wie man eine Forderung von 400 Milliarden Dollar pro Jahr (den Betrag, den die Afrika-Gruppe ursprünglich vorgesehen hatte) auf 10 Milliarden zurückschrauben kann. Genauso wenig weiß man, was zwischen Außenministerin Hillary Clinton und der Präsidentin der Philippinen, Gloria Arroyo, vor sich ging, als sie sich wenige Wochen vor dem Klimagipfel trafen und danach die streitbarsten philippinischen Vertreter aus der Delegation entfernt wurden, die dann plötzlich handzahm war. Im Vorfeld des Gipfels war eine ganze Reihe solcher 180-Grad-Wenden zu beobachten, woraus man schließen darf, dass die G8-Mächte bereit waren, manches zu tun, um in Kopenhagen zu einem Abschluss zu kommen. Allerdings kann man auch davon ausgehen, dass dieses dringende Verlangen nicht aus dem Wunsch resultiert, einen katastrophalen Klimawandel zu verhindern. Die Verhandlungspartner wissen genau, dass die mageren Emissionsreduktionen, die sie vorschlagen, zu einer "dantesken Erwärmung von 3,9 Grad" führen werden, wie es Umweltaktivist Bill McKibben ausdrückte. Matthew Stilwell vom Institute for Governance and Sustainable Development - einem der einflussreichsten Ratgeber in den Verhandlungen - sagt, dass es nicht wirklich um Maßnahmen gegen Klimawandel gegangen sei, sondern um die Atmosphäre als Wertstoffquelle. Der Kohlenmonoxidausstoß, den die Atmosphäre vertragen kann, ist begrenzt; wenn die reichen Länder ihre Emissionen nicht drastisch reduzieren, verbrauchen sie auch die Anteilsrechte der Südhalbkugel. Es gehe also darum, so Stilwell, "den Himmel gerecht zu verteilen".

In Europa, wo das System seit Jahren im Einsatz ist, weiß man, wie viel Geld mit Emissionshandel zu verdienen ist. In den Entwicklungsländern dagegen, wo es noch keine Schadstoffrestriktionen gibt, sind sich die Regierungen nicht im Klaren darüber, was ihnen entgeht.

Stilwell stellt das Potenzial des Emissionshandels - 1,2 Billionen Dollar pro Jahr, schätzt der britische Wirtschaftsexperte Nicholas Stern - in Relation zum dürftigen Angebot von 10 Milliarden und bezeichnet dieses als den Versuch der reichen Länder, "Manhattan gegen Glasperlen und Wolldecken einzutauschen". Er fügt hinzu: "Deswegen wurde auch nichts unversucht gelassen, um die Staatsführer zu einem schnellen Abschluss zu bewegen. Man hat die letzte noch freie Rohstoffquelle erschlossen und kurzerhand den Reichen überschrieben."

Seit Monaten hatten NGOs darauf gedrungen, dass in Kopenhagen unbedingt ein Abschluss erreicht werden müsse. Aber nicht jeder Abschluss taugt etwas - am wenigsten der dort erreichbar scheinende, der die Klimakrise nicht bewältigen, sondern die Lage allenfalls verschlimmern kann, wenn das derzeit herrschende Ungleichgewicht zwischen dem Norden und dem Süden zementiert würde. Augustine Njamnshi von der Pan African Climate Justice Alliance verurteilt den 2-Grad-Vorschlag mit den Worten: "Man kann nicht von einer Lösung für das Klimaproblem sprechen, wenn dabei Millionen von Afrikanern sterben und die Armen weiterhin für die Umweltsünden der Reichen bezahlen."

Stilwell betont, dass es nicht zu spät sei, eine Katastrophe abzuwenden. "Ich würde lieber sechs Monate oder ein Jahr warten, bis die Wissenschaft nachgekommen ist und sich ein Bewusstsein für das Problem und ein politischer Wille gebildet haben, so dass die Führer der betroffenen Gesellschaften angehalten sind, ihre Interessen durchzusetzen." Zu Anfang des Gipfels war der bloße Gedanke an Verzögerung schon eine Umweltsünde. Dann aber haben viele einen Gang zurückgeschaltet und wollten alles lieber nicht zu schnell, aber dafür ordentlich machen.

Auf den Punkt brachte es Erzbischof Tutu, der zunächst darauf hinwies, was der 2-Grad-Vorschlag für Afrika bedeuten würde, und dann sagte, dass man "besser zu keinem Abschluss als zu einem schlechten Abschluss" komme. Es wäre vielleicht die einzige Chance, die eigentliche Katastrophe abzuwenden.

Von Naomi Klein, 1970 in Montreal geboren, erschien auf Deutsch zuletzt das Buch "Die Schock-Strategie: Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus". Unseren Text übersetzte Andrian Widmann.


Klima

Jetzt muss um es Plan B gehen

Von Michael Müller

Naomi Klein kritisiert in der FR, dass auf der UN-Klimaschutzkonferenz das "Zwei-Grad-Ziel" als Rettung der Welt ausgegeben wurde, obwohl es für weite Teile unseres Planeten bereits katastrophale Folgen hätte. Schon in den achtziger Jahren wies die Klimaforschung darauf hin, dass in ökologisch sensiblen Regionen die Aufheizung zwei bis drei Mal stärker sein werde als im Weltdurchschnitt.

Diese regionalen Folgen wurden 2007 im 4. Sachstandsbericht des Weltklimarates konkret beschrieben. Bei einer globalen Erwärmung um zwei Grad werden auf dem afrikanischen Kontinent, wo bereits rund 230 Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung leiden, die Ernteerträge bis zu 40 Prozent zurückgehen. In Asien werden rund 40 Prozent der 635 Millionen Menschen, die in Flussdeltas oder niedrigen Küstenzonen leben, von Hochwasser und steigendem Meeresspiegel existenziell betroffen sein. In Lateinamerika wird das Abschmelzen der Andengletscher die Trinkwasserversorgung und Energiebereitstellung von bis zu 100 Millionen Menschen gefährden.

Tatsächlich bedeutet bereits das Zwei-Grad-Ziel ein eklatantes Versagen der Politik, nicht frühzeitig und schon gar nicht konsequent gehandelt zu haben. In Kopenhagen, so Klein, wurde Afrika geopfert. Tatsächlich sind von der Aufheizung die Antarktis die pazifischen Inselstaaten und die ärmsten Weltregionen, in erster Linie Afrika und Bangladesh, am stärksten betroffen. Doch Kopenhagen legte sich nicht einmal auf dieses unzureichende Ziel fest. Die COP 15 droht als Sterbehilfe für das Weltklima in die Geschichte einzugehen, auch wenn es falsch ist, Klimaschutz allein an "Weltkonferenzen" festzumachen.

Klimawandel
Klimakonferenz Kopenhagen

Diskussion, Hintergründe, Studien, Umweltszenarien, interaktive Grafiken, Videos, Fotostrecken, Karikaturen und mehr.
Eine Folge des Kolonialismus'

Auch der Kyoto-Vertrag blieb weit hinter dem Notwendigen zurück. Doch die EU kann, wenn sie sich gegen die Wirtschaft durchsetzt und die Lasten des Umbaus gerecht verteilt, auch ohne einen solchen Vertrag weit mehr für den Schutz der Atmosphäre tun.

Warum kommt der Klimaschutz nicht voran, obwohl sich alle Regierungschefs dazu bekennen? Wo es im Vorfeld von Kopenhagen faktisch keinen Multi mehr gab, der nicht mit und für Green Tech geworben hat. Naomi Klein behauptet, dass die Industriestaaten die Atmosphäre als Wertstoffquelle zu Lasten der armen Länder nutzen wollen. Deshalb sei kein Abschluss immer noch besser als ein schlechter. Keine Frage, der Kapitalismus ist eine wesentliche Ursache für die Zerstörung des Klimas. Ohne mehr Demokratie und mehr Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd wird es keinen Fortschritt geben, denn die Klimagefahren sind eine Folge des Kolonialismus´, der die sozialen und ökologischen Folgen des maßlosen Gewinnstrebens auf Natur, Arme und Zukunft abwälzt.

Dennoch ist die Antwort von Naomi Klein zu simpel. Sie bleibt perspektivlos. Beim Emissionshandel lässt Klein wichtige Fakten weg, denn die Mehrheit der Europäer wollte in Kyoto kein Zertifikatesystem, sondern eine Energiesteuer. Sie hat den auch von mir kritisch gesehenen Emissionshandel aufgegriffen, um die USA, wo auch unter Clinton/Gore die Blockaden immer größer wurden, ins Boot zu holen. In Amerika wurde dieses Instrument nämlich im Clean-Air-Act gegen Schwefel und Stickoxide genutzt. Dennoch hat sich die kapitalistische Supermacht USA dem Kyoto-Vertrag und auch dem Emissionshandel verweigert, während in Deutschland, das zu wenig - aber mehr als andere Industriestaaten - für den Klimaschutz tut, heute knapp 55 Prozent der CO2-Emissionen vom Zertifikatehandel erfasst werden. Und das Umweltministerium gibt ein Drittel seiner Einnahmen daraus für Klimaschutzprojekte in der Dritten Welt aus.

Heute ist China der größte Emittent

Fürchten Sie sich vor dem Treibhauseffekt?

Kurz vor der nächsten Klimakonferenz in Kopenhagen ist auch der Treibhauseffekt wieder Thema. Haben Sie Angst davor?

Nein, das ist eine Erfindung von Forschern, die Geld für teure Supercomputer wollen.
Nicht wirklich, dann gibt es in Deutschland endlich mal schönes Wetter.
Ein wenig, die Wissenschaftler finden hoffentlich noch einen Ausweg.
Ja, ich möchte unseren Planeten auch für kommende Generationen erhalten.
Mir egal, ich kümmere mich nicht um Politik.

Die Geburtsfehler des Kyoto-Vertrages entsprangen der Angst Washingtons, dass ein anderes Abkommen den USA, damals weitaus größter Emittent, weitergehende Minderungen abverlangt hätte. Deshalb sollten die Reduktionsverpflichtungen in der ersten Phase auf die Industriestaaten beschränkt bleiben, die alle einen behutsamen Einstieg wollten. Trotz dieser taktischen Rücksichtnahme lehnte George W. Bush den Vertrag mit der Begründung ab, dass die Schwellenländer nicht einbezogen sind.

Vor 20 Jahren verursachten die Industriestaaten noch 74 Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen. Das hat sich völlig verschoben. Heute ist China der größte Emittent. Auf die Schwellen- und Entwicklungsländer entfallen bereits 52 Prozent des CO2-Ausstosses. Pro Kopf werden die Industriestaaten noch lange Zeit die Hauptverantwortlichen des Klimawandels bleiben, doch aus der Quantität der nachholenden Industrialisierung und wachsenden Weltbevölkerung entsteht eine neue Qualität der Naturzerstörung. Brasilien, China, Indien und Indonesien gehören zu den Top Ten der Klimasünder.

Das Scheitern von Kopenhagen muss vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um die künftige Weltordnung gesehen werden. Die Konflikte um Macht, Wachstum und Wirtschaftsinteressen spitzen sich zu. Kopenhagen stand nicht mehr unter der Regie von Nordamerika und Europa. Indien und vor allem China sind zu gleichberechtigten Akteuren aufgestiegen. Hinzu kam das selbstbewusste Auftreten Afrikas und der Inselstaaten, die nicht bereit waren, ihren Niedergang kampflos hinzunehmen. Die Reaktionen auf die Intervention Tuvalus, dem vom Klimawandel bedrohten Inselstaat im Pazifik, zeigten: Es geht um die Interessen der reichen Staaten und der Aufsteiger, nicht aber um eine faire und gerechte Weltordnung. Deshalb fand Tuvalu, dessen Bewohner bereits den völligen Umzug nach Australien oder Neuseeland planen, nicht die Unterstützung der Global Player, eine verbindliche Erwärmungsobergrenze bei 1,5 Grad Celsius festzulegen.


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