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12 Dezember 2009

Google speichert - USA CIA NSA Spione lesen mit

aus dem Spiegel:

Googles neue Ankündigungen vervollständigen ein beunruhigendes Puzzle: Der Konzern überzieht den Globus mit einem unsichtbaren Netz aus Informationen, das schnell unverzichtbar werden wird. Der Eintrittspreis ist die totale Überwachbarkeit. Als eine Moderatorin des US-Fernsehsenders CNBC Google-Chef Eric Schmidt am Montagabend nach all den Daten fragte, die sein Konzern über Internetnutzer besitzt, sagte Schmidt einen denkwürdigen Satz: "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun." Wer aber "wirklich diese Art von Privatsphäre" brauche, müsse sich nicht über Suchmaschinen wie Google Sorgen machen, die solche Daten selbstverständlich speicherten. Sondern über die US-Behörden. Denn der Patriot Act erlaube unter Umständen auch Zugriff auf die Daten, die Google über seine Nutzer sammelt.

Schmidts Satz verrät gleich drei beunruhigende Haltungen: Erstens, so kann man ihn interpretieren, sind Sie selbst schuld, wenn Sie es heute noch wagen, Geheimnisse haben zu wollen. Zweitens weiß Google schon längst verdammt viel über Sie. Und drittens wird der Konzern all die Informationen, die er über Sie hat, nicht gegen Sie verwenden - denn das dürfen nur Regierungsbehörden.

Dieses Weltbild - "wer nichts zu verbergen hat, braucht sich doch keine Sorgen zu machen", kennt man aus totalitären Staaten. Dass es nun vom Chef des größten Datensammlers der Menschheitsgeschichte öffentlich vertreten wird, ist besorgniserregend. Zumal Schmidt den Satz in einer Phase der Google-Geschichte sagt, in der sein Unternehmen in bislang unbekanntem Tempo Innovation auf Innovation präsentiert: Google ist dabei, sich für die Zukunft absolut unentbehrlich zu machen, auch weit weg vom PC. Der Preis, den man für die stets kostenlosen und so unheimlich nützlichen Dienste des Unternehmens zahlen muss, ist aber spätestens jetzt klar: Wir alle sollen uns vom bürgerlichen Konzept der Privatsphäre verabschieden. Die Puzzleteile der Google-Strategie fielen in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren immer schneller an die ihnen zugedachten Plätze.

Die Suchmaschine und ihre brillant organisierte Refinanzierung über stets passende Werbung war der erste Schritt auf dem Weg zu globaler Dominanz. In seinem Kerngeschäft erscheint Google derzeit unangreifbar: In weiten Teilen der Welt ist die Suchmaschine unangefochtener Marktführer, ihr globaler Marktanteil liegt NetApplications zufolge derzeit bei knapp 85 Prozent (siehe Tabelle unten). Die Suchmaschine findet nicht nur, sie sammelt auch kontinuierlich Daten über alle, die sie nutzen - standardmäßig semi-anonym, nur verknüpft mit der IP-Adresse und benutzten Browser-Version. Wer will, kann allerdings Einspruch erheben.


Mit weiteren Google-Angeboten wie Google Mail, Text & Tabellen, dem Fotodienst Picasa, der personalisierten Startseite iGoogle und anderen wurden die Nutzer überzeugt, sich dem Konzern persönlich vorzustellen: Wer einen Google-Account nutzt, teilt dem Unternehmen standardmäßig alles mit, was er im Netz sucht. Wer das Mailprogramm oder den Kalender nutzt, speichert auch Persönlichstes auf den Servern des Konzerns. Und wer die Google Toolbar installiert, meldet fortan sein gesamtes Surf-Verhalten an Google weiter.


Mit dem Handy-Betriebssystem Android wurde der nächste Schritt auf dem Weg zur digitalen Weltherrschaft eingeleitet. Android ist nützlich, kostenlos, die derzeit einzige echte Alternative zu Apples iPhone-Software. Und Android funktioniert richtig nur dann, wenn man sich fest an Google bindet: Ohne Google Mail, Kalender, Text und Tabellen ist ein Android-Smartphone nicht besonders smart. Mit anderen Worten: An der Eingangstür zur mobilen Google-Welt muss eine persönliche Visitenkarte abgegeben werden. Mit der Anonymität des Internets ist es damit vorbei.


Seit Oktober 2009 ist Google nun auch ein Anbieter von Navigationssystemen bald vermutlich auch in Europa. Android-Handys haben in der Regel ein GPS-Modul, und der Konzern hat, heimlich, still und leise, mit Hilfe seiner Streetview-Fotoautos alle Daten gesammelt, die man für sogenannte Turn-by-Turn-Navigation braucht, wie man sie aus Auto-Navis kennt. Motorolas "Droid" ist in den USA das erste Telefon, das ein kostenloses Navigationssystem enthält. Nutzen kann man es nur, wenn man bei Google eingeloggt ist. Google besitzt nun nicht mehr nur Informationen darüber, was seine Intensivnutzer im Netz tun - sondern auch darüber, wo sie gerade sind, und wo sie hinwollen.


Am Montagabend, als Schmidt im Fernsehen den Satz über die womöglich überschätzte Privatsphäre sagte, wurden in den USA die vorerst letzten Puzzleteilchen vorgestellt: Künftig können Google-Nutzer auch eine visuelle Suche nutzen - wer seinem Handy etwas zeigt, soll erfahren können, was das ist. Gebäude oder Gegenstände sollen so identifizierbar werden - Personen noch nicht, wie Google-Chefingenieur Vic Gundotra bei der Vorstellung gestern auf Nachfrage hin erklärte. Er sagte wirklich "noch nicht" - es müssten zuerst noch Fragen hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre geklärt werden. Künftig will Google also auch wissen, was Sie gerade sehen.

Das Puzzle nähert sich damit seiner vorläufigen Vollendung. Wer ein Android-Handy der nächsten Generation sein eigen nennt, wird die Welt auf völlig neue Weise erfahren und sich in ihr zurechtfinden können: Google verknüpft die Weltwissensmaschine Internet mit realen Orten, Objekten und, irgendwann, womöglich auch Personen.

Der Konzern kann seinen Nutzern sagen wo sie sind, erklären, wo in ihrer Nähe sie ein Restaurant/ein Geschäft/eine öffentliche Toilette/einen Bahnhof finden, und wie sie dort hinkommen. Es kann Öffnungszeiten, Speisekarten, Fahrpläne, Preislisten vorhalten, dazu Restaurantbewertungen von Nutzern, Film- und Theaterkritiken, die lokale Wettervorhersage für das Stadtviertel, in das Sie gerade hineinschlendern. Irgendwann wird es Ihnen, nach einem Blick durch die "Google Goggles" getaufte Augmented-Reality-Brille im Handy das Baujahr des Oldtimers am Straßenrand ebenso mitteilen können wie, womöglich, den Berufsweg und gegenwärtigen Arbeitgeber ihres Gegenübers.

Die Welt wird mit einem ständig aktualisierten Netz aus Information überzogen - um es zu sehen, braucht man nur durch ein Android-Handy zu blicken. Es wird schwer werden, sich der Nützlichkeit und Attraktivität dieses Angebots zu entziehen. Für Google erschließt es neue Geldquellen: Bezahlte Suchergebnisse mit Ortsbezug werden dem Konzern stattliche Erlöse bescheren. Das bedenkliche Weltbild des Google-Chefs

Für seine Dienste verlangt der Konzern nur einen kleinen Preis: Sie müssen ein Telefon kaufen, einen Daten-Handyvertrag abschließen - und ihre Privatsphäre aufgeben. Denn am Eingang zur Welt der totalen Information wartet ein digitaler Türsteher, der Sie kennt. Er wird künftig nicht nur wissen, was Sie gerade wissen wollen, wem Sie E-Mails schreiben und was ihre nächsten Termine sind. Sondern auch, wo Sie sind, was sie sich gerade ansehen, wo sie hinwollen und, irgendwann, womöglich auch, wen Sie gerade getroffen haben. Alles in guter Absicht, versteht sich - all das soll ja nur dazu dienen, Ihnen noch passgenauer Werbung zu servieren. Außer, eine Regierungsbehörde mit berechtigtem Interesse fragt nach. Zum Schluss noch mal Eric Schmidts denkwürdiger Satz: "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun."