Stoppt den Überwachungsstaat! Jetzt klicken & handeln Willst du auch an der Aktion teilnehmen? Hier findest du alle relevanten Infos und Materialien:

25 Oktober 2009

SEEHOFER's VERRAT (Kopfpauschale)

Seehofers Verrat
Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag enthält eine verschärfte Form der Krankenkassen-Kopfpauschale

Die größte Überraschung in den nun zu Ende gegangenen Koalitionsverhandlungen war für viele Wähler, dass die schwarz-gelbe Koalition die Krankenkassen-Kopfpauschale einführen will . und zwar in verschärfter Form: Nun sollen ausschließlich die Arbeitnehmer einen Einheitsbeitrag zahlen, während die Abgabe für die Arbeitgeber weiterhin prozentual berechnet wird. Andernfalls hätte man ja Unternehmen belastet, die Niedriglöhne zahlen.

Überraschend war dieses Ergebnis nicht nur deshalb, weil die Union vor der Wahl kein Wort über solche Pläne verraten und stattdessen den zusammen mit der SPD eingeführten Gesundheitsfonds verteidigt hatte. Die FDP hatte sich diesmal kaum konkret zu gesundheitspolitischen Plänen geäußert und stattdessen eher Bürgerrechte in den Vordergrund gestellt.

Wichtigster Grund, warum praktisch niemand mit der Wiederkehr der Kopfpauschale gerechnet hatte, war jedoch, dass Horst Seehofer mittlerweile CSU-Parteichef und bayerischer Ministerpräsident geworden war. Der Mann, der 2004 scheinbar seine politische Karriere aufgab, weil er die damals geplante Kopfpauschale angeblich nicht mit verantworten konnte, würde (so die Wahrnehmung vor der Wahl) die Gefahr schon bannen - selbst wenn von Union und FDP wieder ins Spiel gebracht würde.

Dem war . wie man jetzt weiß . nicht so. Seehofer zeigte sich sogar öffentlich "zufrieden" mit dem Verhandlungsergebnis, nutzte nicht einmal den zeitlichen Spielraum aus und ließ sogar zu, dass der FDP-Politiker Philipp Rösler Gesundheitsminister wird. Rösler hatte die solidarische Krankenversicherung in der Vergangenheit öffentlich als "ungerecht" kritisiert, weil sie nicht nach den unterschiedlichen Krankheitskosten, sondern nach dem Einkommen berechnet wird.

Die Kopfpauschale, die nun nicht mehr so heißt, aber 2011 eingeführt werden soll, ist ihrer Natur nach nichts anderes als eine Kopfsteuer, eine Poll Tax, wie sie 1990 Margaret Thatcher zu Fall brachte. Auch im Bundestagswahlkampf 2005 galt das damals noch offen propagierte Modell als wichtigste Ursache dafür, dass Union und FDP verloren. Deshalb scheint nicht ausgeschlossen, dass sie letztlich auch Seehofer das Amt kosten könnte (auch wenn der in den nächsten vier Jahren keine Wahlen fürchten muss, weil seine CSU ja nur in Bayern antritt). Möglicherweise auch deshalb hat sein Rivale Guttenberg das Amt des Verteidigungsministers dem des Innenministers vorgezogen.

========================


Als Überraschung wird weithin gewertet, dass Wolfgang Schäuble in der neuen Regierung den Posten des Finanzministers erhalten soll. In Anbetracht der teuren und unverantwortlichen Wünsche der FDP war jedoch klar, dass Angela Merkel dieses Amt nicht den unsicheren Kandidaten überlassen konnte. Das Amt ist derzeit noch weitaus mehr als bislang höchst undankbar, niemand, der noch politische Karriere machen will, würde es wohl ernsthaft übernehmen wollen, denn die Folgen der Wirtschaftskrise werden die gesamte Legislatur spürbar bleiben und den Handlungsrahmen einschränken.

Schäuble, der Scharfmacher im Innenministerium, hat sicherlich gezeigt, dass er unbeeindruckt von Kritik seine Ziele durchzusetzen versucht. Jetzt muss er wohl das Bollwerk gegen FDP und CSU geben, um das sowieso überstrapazierte Staatssäckel einigermaßen wohlbehalten zu bewahren. Guttenberg, der junge Shooting Star der CSU, dürfte das Finanzministerium abgelehnt haben, auch das Innenministerium wollte er nicht. Dass er ausgerechnet in die Fußstapfen von Strauß treten und Verteidigungsminister werden wird, ist sicherlich überraschend. Aber irgendwohin musste der Mann. Da Jung sich als unfähig erwies, muss nun der eloquentere Adelige sehen, wie er den Druck abwehrt, mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken und an der Heimatfront für Ruhe zu sorgen.

Ansonsten ist höchstens noch der Arzt mit Migrationshintergrund, Philipp Rösler, eine gewisse Überraschung. Er soll nun zumindest im Gesundheitssektor die neoliberalen Vorstellungen der FDP vorantreiben und die Privatisierung des Gesundheitssystems einleiten. Bedient wird das Klientel der Ärzte, Apotheken, Privatversicherer und Pharmakonzerne, die breite Masse der Angestellten muss dafür büßen. Aber so haben es die Wähler offenbar gewollt . oder die Nichtwähler akzeptiert.

Ansonsten gibt es keine intelligente Postenverteilung, die irgendwie aufhorchen ließe. Posten mussten vergeben, Interessen bedient werden. Was ausgerechnet einen Niebel als Entwicklungsminister auszeichnet, dürfte ebenso geheimnisvoll sein, wie die Wiederbesetzung von Schavan als Bildungsministerin. Dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Justizministerin wird, war klar. Nun werden wir eine gewisse Achtung der Bürgerrechte erwarten können, sofern sie nichts mit dem Eigentum zu tun haben. Wenn es um das Copyright geht, schwindet die Liberalität. Brüderle im Wirtschaftsministerium, nun ja, Jung als Arbeitsminister ist sicherlich eine Fehlbesetzung, Norbert Röttgen (CDU) als Umweltminister ist höchstens skurril, auch der Mann musste untergebracht werden. Ramsauer (CSU) kriegt, was übrigbleibt: das Verkehrsministerium. Aigner und von der Leyen bleiben. Insgesamt: fad! Immerhin, die FDP innenpolitisch contained.
Florian Rötzer24.10.2009

==========================

Ab kommenden Mittwoch wird das Land von Union und FDP regiert . der Untergang des Abendlands ist allerdings ausgeblieben. Auf der Regierungsbank sitzen fast ausschließlich altbekannte Gesichter, der zu erwartende Kahlschlag wird erst nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen kommen, Steuersenkungen bleiben erst einmal aus und der Normalverdiener hat noch weniger Geld in der Tasche. Hätte es die SPD geschafft, Merkels Juniorpartner zu werden, hätte der [extern] Koalitionsvertrag wohl auch nicht anderes ausgesehen.

Weniger Netto vom Brutto

Manchmal geht es Spitzenpolitikern so wie ganz normalen Bürgern. Da hat man dem Filius zum Geburtstag eine brandneue Playstation versprochen, aber leider spuckt der Geldautomat nichts mehr aus. Um den totalen Gesichtsverlust abzuwenden, verschiebt man dann die Einlösung des Versprechens auf das nächste Jahr . dann aber ganz bestimmt. Natürlich glaubt der Filius schon lang nicht mehr an derlei Versprechungen, schon zu oft wurde er enttäuscht.

Guido "Steuersenkungen oder Tod!" Westerwelle hat dem Volk keine Playstation versprochen, sondern mehr Netto vom Brutto und natürlich Steuersenkungen in biblischem Ausmaß. Da selbst die FDP allerdings einsehen musste, dass ihr kreativer Plan, Milliardensummen in Schattenhaushalten verschwinden zu lassen, nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist, bleibt dem Normalverdiener nun weniger Netto vom Brutto und die biblischen Steuersenkungen sind nicht nur merklich geschrumpft, sondern auch um einige Jahre verschoben worden. Wer glaubt, dass Schwarz-Gelb nach einem Kassensturz 2011 tatsächlich die Steuern senken wird, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.

Kahlschlag ante portas

Selbst der blauäugigste FDP-Wähler hat nicht ernsthaft erwartet, dass die neue Regierung tatsächlich ihre finanziellen Versprechen umsetzen würde. Deutschland steckt in der Finanzkrise, an allen Ecken und Enden brechen die Steuereinnahmen selbst ohne Senkungen weg, gleichzeitig steigen die Ausgaben dank der schwächelnden Konjunktur und dem gierigen Bankensystem.
Anzeige

Dem Fiskus werden in der nächsten Legislaturperiode wohl rund 40 Mrd. Euro fehlen . für die in Aussicht gestellten Entlastungen in Höhe von 24 Mrd. Euro ist da natürlich kein Platz, wenn man nicht die Axt an nahezu jedem Haushaltsposten ansetzen will. Wohin die Fahrt nach den Landtagswahlen in NRW gehen wird, hat Michael Hüther, Advocatus Diaboli mehrerer neoliberaler Lobbygruppen, schon vorgegeben . um den Schuldenberg abzubauen, [extern] seien Kürzungen im Sozialbudget unausweichlich. Der angeschlagene und minder talentierte designierte Sozialminister Franz Josef Jung wird den Kassandrarufen der sogenannten Experten sicher nicht lange widerstehen können.

Erosion des Gesundheitssystems

Die solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems gehört ab dem kommenden Jahr zu den Reminiszenzen an eine längst vergangene Zeit, in der Politik noch mehr war, als die Erfüllung der Interessen des Kapitals. Bereits die Große Koalition hat die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen von den Lohnkosten entkoppelt . die letzte große Beitragserhöhung wurde ausschließlich von den Arbeitnehmern getragen, während der Anteil der Arbeitgeber nicht erhöht wurde. Unter Schwarz-Gelb soll der Arbeitgeberanteil nun endgültig eingefroren werden und die zu erwartenden massiven Beitragserhöhungen werden ausschließlich dem Arbeitnehmer aufgebürdet.

Die FDP wäre natürlich nicht die FDP, wenn sie diese künftigen Belastungen halbwegs solidarisch gestalten würde . die Kosten sollen über eine einkommensunabhängige Kopfpauschale erhoben werden, die Kassierin im Supermarkt muss demnach den gleichen Zusatzbeitrag zahlen wie der Manager. Ist das gerecht? Natürlich nicht, aber wer hat schon erwartet, dass das Land unter Schwarz-Gelb gerechter werden würde. Soziale Härten bei der Kopfpauschale sollen durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden . der Krankenversicherte wird somit vom Kunden zum Bittsteller, und woher diese Zuschüsse kommen sollen, weiß auch niemand.

Vom Terroristen- zum Bankerjäger?

Die schwerste Aufgabe im neuen Kabinett wurde dem alten Parteisoldaten Wolfgang Schäuble aufgebürdet. Was den Juristen Schäuble für das Amt des Finanzministers prädestiniert, ist eines der vielen Geheimnisse bei der personellen Zusammensetzung der neuen Regierung. Es ist zwar bekannt, dass sich Schäuble gut mit Koffern voller Geldscheine auskennt, mit der Hochfinanz hatte er jedenfalls bislang keine Erfahrungen.

Fachlichen Rat kann sich Schäuble vielleicht von Jörg Asmussen holen . es wird in Berlin nämlich [extern] gemunkelt, dass der parlamentarische Staatssekretär trotz seines SPD-Parteibuchs das wohl wichtigste Amt in der Exekutive behalten darf. Warum sollten die Finanzinstitute denn auch unter Schwarz-Gelb rigider überwacht werden, als unter der Großen Koalition?

Transatlantiker an die Macht

Ein Amt ganz nach seinen Vorstellungen konnte sich der bayerische Baron zu Guttenberg sichern. Als Verteidigungsminister wird der weltgewandte Unteroffizier der Reserve endlich seine transatlantischen Ambitionen in die Tat umsetzen können.

In Washington gibt es keinen neokonservativen Think-Tank, in dem der Name Guttenberg nicht ein genüssliches Zungenschnalzen hervorrufen würde. Guttenberg ist Mitglied der [extern] Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, einem Schwesterinstitut des Council of Foreign Relations, der [extern] Atlantik-Brücke und des [extern] Aspen Instituts und Sprecher des transatlantischen Forums der CSU. Als Verteidigungsminister ist von zu Guttenberg ein stramm transatlantischer Kurs zu erwarten.

Eine Aufstockung der deutschen Truppenpräsenz in Afghanistan und eine Ausweitung des Einsatzgebietes der Bundeswehr auf den Süden des Landes hat zu Guttenberg in der Vergangenheit bereits gefordert . nun kann er dies auch in die Praxis umsetzen. Damit läuft der Shooting-Star der Union allerdings Gefahr, beim Volk in Ungnade zu fallen. Guttenbergs parteiinterne Rivalen Seehofer und Söder werden dies mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen.

Adel verpflichtet

Das Kabinett Merkel II ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse. Noch nie saßen so wenige Politiker mit einfacher Herkunft am Futtertrog der Macht. Mit Ronald Pofalla gibt es nur einen einzigen Minister, dessen Eltern Arbeiter waren. Zu Zeiten der SPD-FDP-Koalition der Bonner Republik stellten Arbeiterkinder noch die Hälfte des Kabinetts. Dafür sind mit dem Baron zu Guttenberg, der Ministerpräsidententochter von der Leyen und dem Generalssohn de Maizière gleich drei lupenreine Vertreter des Großbürgertums Kabinettsmitglieder. Das Pendel schlägt wieder zurück . die relativ kurze Periode, in der es im Land die zarte Hoffnung auf eine gerechte Gesellschaft gab, die sich durch eine hohe soziale Mobilität auszeichnet, ist offensichtlich in den Annalen der Geschichte verschwunden. Die Postenbesetzung erinnert ansonsten mehr an das Spiel "Reise nach Jerusalem". Zwar durften alle Unionsminister auf der Regierungsbank bleiben, während aber die Damen auch auf ihrem alten Platz sitzen bleiben durften, mussten die Herren rotieren. Schäuble wechselt vom Innen- ins Finanzministerium, den freien Platz nimmt der ehemalige Kanzleramtsminister de Maizière ein, dessen Posten nun das Unionsfaktotum Pofalla bekommt. Da zu Guttenberg unbedingt Verteidigungsminister werden wollte, musste man für den Roland Koch-Initimus Franz Josef Jung einen neuen Posten finden . und welches Ministerium eignet sich am Besten für einen Juristen, dessen Kompetenzen eher dünn gesät sind? Richtig, das Ministerium für Arbeit und Soziales.

Die Verliererin der Koalitionsverhandlungen ist Ursula von der Leyen . sie wollte so gerne ins Gesundheitsministerium wechseln, gab bei den Koalitionsverhandlungen allerdings ein so schlechtes Bild ab, dass sie im Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Gerhard Schröder einst "Ministerium für Frauen und so Gedöns" nannte, verharren muss. Ihr Lieblingsprojekt, die Internetsperren, wurde ihr bereits im Vorfeld entzogen, so dass der unaufhaltsam scheinende Aufstieg der blonden Niedersächsin erst einmal gestoppt ist.

Fünf Ministerposten konnte sich die FDP sichern. Neben dem unvermeidbaren Außenminister Westerwelle gibt es künftig noch zwei alte, einen neuen und einen überflüssigen FDP-Minister. Justizministerin wird künftig Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Es ist zu hoffen, dass die bekennende Bürgerrechtsliberale den Raubbau an den Bürgerrechten aufhalten kann. Die undankbare Rolle, den Ärzten künftig zu erklären, dass man es mit seinen vollmundigen Versprechen nicht so ernst meinte, muss künftig Philipp Rösler wahrnehmen. Wirtschaftsminister wird erwartungsgemäß der joviale und wirtschaftsliberale Pfälzer Brüderle.

Die wohl abstruseste Personalentscheidung betrifft allerdings das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ausgerechnet Dirk Niebel, der dieses Ministerium eigentlich abschaffen und dessen Aufgaben an das Außenministerium ausgliedern wollte, wird nun neuer Entwicklungsminister. Ob er sein eigenes Ministerium nun abwickeln wird? Eigentlich war Niebel für das Arbeitsministerium vorgesehen und Jung sollte den reichen Onkel aus Deutschland mimen, der weltweit Geschenke verteilt. Dirk Niebel, der stets lautstark die Abschaffung der Arbeitsagentur, den Abbau des Kündigungsschutzes und die Ausweitung des Niedriglohnsektors propagiert, wäre für das Land allerdings doch eine Spur zu schrill gewesen.

Jens Berger 24.10.2009

========================


Koalition plant Erscheinenspflicht von Zeugen vor der Polizei

Autor des Artikels: Jens Ferner

Im Koalitionsvertrag von CDU/FDP findet sich dieser Passus:

Wir werden eine gesetzliche Verpflichtung schaffen, wonach Zeugen im Ermittlungsverfahren nicht nur vor dem Richter und dem Staatsanwalt, sondern auch vor der Polizei erscheinen und - unbeschadet gesetzlicher Zeugenrechte - zur Sache aussagen müssen.

Interessant dürften auch die geplanten Änderungen im Wiederaufnahmerecht sein:

Wir prüfen, inwieweit bei schwersten Verbrechen (Mord, Völkermord) eine Wiederaufnahme im Strafverfahren zu Ungunsten des Angeklagten in solchen Fällen verfassungsrechtlich möglich ist, in denen aufgrund neuer wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden (DNA-Analyse) nachträglich der Nachweis der Täterschaft geführt werden kann.

Quasi im Gegenzug wird allerdings geplant, den §153a StPO (Verfahrenseinstellung) auch bei Revisionsverfahren zur Anwendung kommen zu lassen.

==============================


Berlin (ots) - SPD Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat mit einer Kampfansage auf die Vorstellung des schwarz-gelben Koalitionsvertrages reagiert. In einem Tagesspiegel-Interview warf Steinmeier Union und Liberalen unter anderem vor, .die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen einseitig den Arbeitnehmern aufzubürden.. Die Menschen müssten künftig allein für neue Medikamente, höhere Arzthonorare und die Kosten des medizinischen Fortschritts aufkommen, bemängelte Steinmeier. .Das ist nicht sozial gerecht, dagegen wird die SPD kämpfen.. Nach den Worten Steinmeiers müssen sich die Arbeitnehmer unter der neuen Regierung auf Mehrbelastungen wegen steigender Sozialbeiträge und höherer privater Vorsorgekosten gefasst machen. Auch die Streichung sozialer Leistungen stehe bevor. .Schwarz-Gelb wird das zentrale Wahlversprechen brechen. Millionen Menschen werden am Ende weniger Netto vom Brutto haben..

Steinmeier hielt Union und Liberalen außerdem vor, in der Koalitionsvereinbarung bei etlichen Zukunftsfragen .im Ungefähren. zu bleiben und wichtige Entscheidungen an Kommissionen zu delegieren. Schwarz-Gelb beginne die Arbeit als .Koalition der Verunsicherung., sagte er: .Wenn nichts geklärt ist, muss man mit dem Schlimmsten rechnen..

Mit Blick auf die geplanten Steuersenkungen in Höhe von jährlich 24 Milliarden Euro appellierte der SPD-Fraktionschef an den künftigen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Koalition .auf den Weg einer seriösen Finanzpolitik zurückzuführen.. Er könne sich nicht vorstellen, dass .ein seriöser Mann wie Wolfgang Schäuble diese unverantwortliche Politik auf Dauer mitmacht..

Rückfragen bitte an:
Der Tagesspiegel
- Politikredaktion -
Telefon 0360-29021-14907

=================

Schwarz-gelbe Koalition

Tiger oder Ente?

Die schwarz-gelbe Koalition muss erst noch beweisen, ob sie ein Bündnis für den Aufschwung in Deutschland ist

Kommentar von FOCUS-Korrespondent Olaf Opitz

Die FDP feiert sich auf ihrem Parteitag, segnet den Koalitionsvertrag einmütig ab. Parteichef Guido Westerwelle empfängt stehende Ovationen für seine vielen Wahlerfolge in Bund und Ländern. Die Liberalen bejubeln ihre fünf neuen Bundesminister und acht parlamentarischen Staatssekretäre. Elf karge Jahre der Erneuerung in der Opposition sind vorbei. Westerwelle ist die unangefochtene Nummer eins, die künftig die Partei aus dem Dienstflieger des Außenministers nebenbei leiten muss. Der 47-Jährige wird die traditionelle FDP-Außenpolitik für Frieden und Abrüstung fortsetzen. Aber ist jetzt alles paletti?

Das beste FDP-Wahlergebnis und die stärkste Bundestagsfraktion aller Zeiten ergeben noch nicht gleich die erfolgreichste Regierung. .Schwarz-Gelb ist der Aufbruch., heißt es auf dem Konvent in Berlin. Mut zur Zukunft soll das neue Leitmotiv sein. Doch beide Prädikate muss sich die Koalition erst verdienen. Viele Kernforderungen konnte die FDP im Koalitionsvertrag durchsetzen, wenn nicht immer ganz, so zumindest oft im Ansatz. Es wird Steuersenkungen geben und einen Stufen-Tarif noch dazu. Hartz IV wird entschärft, die Bürgerrechte rücken wieder in den Blickpunkt, das Gesundheitswesen soll ab 2011 reformiert werden, und vor allem: Es fließen viele Milliarden in Bildung und Forschung. Deutschland soll wieder ein Land der Forscher, Ingenieure und Technologien sein. Kopfarbeit und Technik als deutsche Zukunft im Weltmarkt.

Eine weitere Botschaft nach Jahren des Abkassierens: Jetzt brauchen erst einmal die Arbeitenden in der Mitte der Gesellschaft Entlastung, Berufstätige und Familien an erster Stelle durch mehr Kindergeld, höhere Steuer-Freibeträge und mehr Netto vom Brutto.

Glaube und Hoffnung

Das klingt gut, allerdings wird vieles auf Pump finanziert. In der Krise regiert der finanzielle Vorbehalt mit. Das Risiko neuer Schulden tragen die künftigen Generationen. Die Arbeitsgrundlage der Koalition lautet vorerst eher Glaube und Hoffnung: Glaube an die Wirkung der Beschlüsse . Hoffnung auf Aufschwung und wirtschaftliches Wachstum.

Was wäre die Alternative? Noch mehr Steuererhöhungen wie in den Jahren zuvor, um Konsum anzukurbeln und Sozialstaat auszuweiten? Millionen Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst statt Jobs in Industrie und Forschung zu schaffen?

Da ist die Devise .Steuern wenigstens etwas senken und später mehr Sparen. schon besser. Die vorerst steigende Staatsverschuldung bleibt dabei der große Makel. Denn wehe, der Aufschwung kommt nicht. Schwarz-Gelb muss noch hart dafür arbeiten. Aber auch die Wirtschaft muss an die Zukunft glauben und jetzt anpacken.

Kein Ost-Minister im Bundeskabinett

Personell ist mit dem künftigen Kabinett eher ein mittelmäßiger Entwurf gelungen: Aus Alt mach Neu plus ein paar junge Modernisierer. Wolfgang Schäuble, Annette Schavan, Franz Josef Jung oder Rainer Brüderle stehen für Altbekanntes. Immerhin hat die FDP mit Philipp Rösler, Niedersachsens Wirtschaftsminister und liberaler Dynamo, zumindest ein Zeichen der Verjüngung gesetzt. Der 36 Jahre alte Arzt ist der Jüngste im Kabinett und hat die Chance, das Gesundheitssystem zu reformieren. Doch der Kampf mit den drei Lobbygruppen Ärzten, Pharma und Patienten wird hart werden.

Verlierer im Kabinett sind die Ossis . auch bei der FDP, die sich selbst als Partei der deutschen Einheit sieht. Ausgerechnet im 20. Jahr des Mauerfalls ist kein einziger der 15 Bundesminister im Osten aufgewachsen. Allein die Kanzlerin sieht sich selbst als das .Gesicht des Ostens., und das war.s dann auch.


So sollten sich die Liberalen bei allem Jubel über diesen schnellen Abschluss des Koalitionsvertrages darüber im Klaren sein: Eine Freundschaftsveranstaltung wird dieses Bündnis nicht, das haben schon die Hakeleien in den Verhandlungen bewiesen. Auch wenn sich jetzt Horst (Seehofer) und Guido (Westerwelle) duzen, der Konkurrenzdruck bleibt erhalten, und die Belastungen durch die Wirtschaftskrise wachsen. Die Koalition der schwarz-gelben Tigerenten muss sich erst noch beweisen. Erst dann wird sich zeigen, ob sie nach vier Jahren als dynamische Tiger oder lahme Enten wieder vor die Wähler treten