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23 August 2009

endlich mehr geschichten aus der geschichte

07 September 1901:
Die Unterzeichnung des Boxer-Protokolls und die internationale Intervention in China

Mit der Unterzeichnung des Boxer-Protokolls mußte sich China verpflichten, Kriegsentschädigung im Wert von 330 Millionen Dollar bis 1940 zu zahlen (eine damals gigantische Summe), sich offiziell für die Ermordung des deutschen und japanischen Botschafters entschuldigen, eigene Befestigungen zu zerstören, zusätzliche Stützpunkte der Großmächte erlauben, Anhänger und Unterstützer der Boxer zu bestrafen und die "Politik der Offenen Tür" akzeptieren. Eine Intervention von mehr als 100 000 Soldaten aus elf imperialistischen Staaten (Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien, Spanien, USA, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Niederlande und Rußland) hatte zuvor Peking und andere Regionen Chinas erobert, wobei der Aufstand der Boxer und die Ermordung von Diplomaten und Missionaren als Vorwand gedient hatte. China wurde zwar keine Kolonie und das chinesische Kaisertum blieb die offizielle Regierung, tatsächlich verlor China die staatliche Souveränität. Die beteiligten imperialistischen Staaten sollten, nach dem sie China gemeinsam unterjocht hatten, ein Jahrzehnt später selbst übereinander herfallen (siehe 04. August 1914 Der Erste Weltkrieg beginnt).


Unterzeichnung des Boxer-Protokolls in Peking

China war Europa lange technologisch voraus. Die gesellschaftliche Entwicklung war schon um 250 v.Chr. vergleichbar mit Europa im späten Feudalismus. Die Chinesen waren schon im 15. Jahrhundert in der Lage umfangreiche Entdeckungsreisen bis nach Afrika zu unternehmen. Allerdings geriet China wiederholt in schwere gesellschaftlichen Krisen ('Mittelalter'). So mußten die Entdeckungsfahrten wegen der hohen Kosten eingestellt werden, was sicher stellte, dass nicht Europa von einer technisch überlegenen Macht "entdeckt" wurde. Trotz der technologischen Fortschrittlichkeit konnte sich in China keine kapitalistische Produktionsweise durchsetzen. Es gab keine bürgerliche Revolution vergleichbar mit der Englischen (1641-49; 1688), Amerikanischen (1773-83, siehe 16.12.1773: Boston Tea Party) oder Französischen Revolution (1789-94, siehe 14.7.1789: Der Sturm auf die Bastille und die Französische Revolution. In Europa setzte sich das Bürgertum durch, und wenn es auch nicht überall in der Lage war den Adel von der Macht zu verdrängen, konnte überall die kapitalistische Produktionsweise durchgesetzt werden. Chinas Bürgertum war nicht relativ unabhängig, wie das europäische Gegenstück in den Städten, sondern abhängig von der kaiserlichen Staatsbürokratie und deshalb unfähig einen gesellschaftlichen Fortschritt zu erkämpfen. Dadurch konnten Chinas Krisen nicht überwunden werden und die Wirtschaft und Staat befand sich im Niedergang, wodurch China anfällig für Invasionen wurde. Noch im 16. Jahrhundert erzielte China einen Exportüberschuß durch weltweite Exporte von Waren wie Seide und Porzellan, während die europäischen Händler China nichts zu bieten hatten. Die Briten änderten dies durch den Opium-Anbau in Indien, was ein Außenhandelsdefizit für China verursachte. Nach dem der Opium-Handel verboten wurde, erzwangen die Briten in den Opium-Kriegen (1840-42 und 1856-58) die Öffnung der chinesischen Märkte, auch für andere billige Industriewaren, wodurch der Niedergang der chinesischen Wirtschaft beschleunigt wurde. Zu der erzwungenen Öffnung der Märkte kamen auch die Eroberung von Stützpunkten wie Hong Kong (1842/43). Andere europäische Mächte folgten. So eroberte Frankreich Indochina (1885) und Kuangchouwan, Japan Formosa (1895), Großbritannien Weihaiwei, Nepal, Tibet, Bhutan und Burma (1886), Rußland Teile Sinkiangs, der Mongolei und der Mandschurei, sowie Dairen (Port Arthur) und Deutschland Kiautschou (1898). Die einzelnen Großmächten schufen für ihre Unternehmen Einflußzonen, die von den militärischen Stützpunkten aus kontrolliert wurden.

Die Kolonialisierung (z.B. Enteignung der Bauern Eisenbahnstrecken), christliche Missionierung und "Strafexpeditionen", z.B. deutscher Truppen im Bereich um Tsingtao zur Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen der Großmächte, schürten den Haß gegen die "ausländischen Teufel". Die Situation wurde zusätzlich durch die Korruption des kaiserlichen Staatsapparats und Hungersnöte angeheizt. Ab 1898 erhielt die "Miliz für Gerechtigkeit und Eintracht" oder "Fäuste für gerechte Harmonie" (Yihetuan), die im Westen als Boxer bezeichnet wurden, massenhaften Zulauf. Die Boxer glaubten, dass sie magische Kräfte hatten, die sie immun gegen Kugeln machen würden. Wie schon beim Tai Ping-Aufstand zwischen 1850-64 nahm die Bewegung religiöse Formen an. Die Boxer hatten ihren Ursprung in ländlichen Gebieten. Wer ihre Aktivitäten anfangs die Vertreibung der Ausländer und den Sturz der Ch?ing (Qing)-Dynastie verfolgte, war die Regierung in der Lage die Boxer zu beeinflussen, so dass "Unterstützt die Ch'ing, zerstört die Ausländer" der neue Slogan der Boxer wurde.


Propagandaplakat der Boxer gegen Ausländer

Ab dem Frühjahr 1900 kam es zu schweren Ausschreitungen gegen Ausländer (Missionare, Diplomaten, Geschäftsleute) und christliche Chinesen. Der chinesischer Staatsapparat war sich uneinig, wie mit den Boxer umzugehen sei. Während ein Teil sie wegen fehlenden eigenen Kräften tolerierte (z.B. die tatsächliche Herrscherin Tzu-Hsi, die im Namen des unmündigen Kaisers Kuang-Hsu regierte) und sogar förderte (viele Adelige im Umfeld der Kaiserin-Witwe Tzu-Hsi), gingen andere, z.B. der Gouverneur der Provinz Schantung Yuan Shikai aktiv gegen die Boxer vor. Im wesentlichen wurden die Differenzen im Umgang mit den imperialistischen Mächten deutlich.

Anfangs war der Schwerpunkt des Aufstands in der Provinz Schantung, später im Großraum Peking. Die Ausländer flohen in die Großstädte Peking und Tientsin. Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan, Rußland, USA, Italien und Österreich-Ungarn, später auch aus Niederlande und Portugal zogen im Golf von Petschili (Beizhili) zum Schutz ihrer Diplomaten Kampfschiffe zusammen. Damit befanden sich die Schiffe an der Mündung des Pei Ho, über den Tientsin erreichbar ist. Von dort gab es eine Eisenbahnstrecke und schiffbare Wasserstraßen bzw. Flüsse nach Peking. Ende Mai/Anfang Juni war eine kleine Zahl von Soldaten der Großmächte zum der Diplomaten nach Peking verlegt worden. Am 10.6.1900 brachen 2100 Marinesoldaten unter dem Befehl des britischen Vizeadmiral Edward Seymour in Richtung Peking auf, wurden aber von Boxern gestoppt, die die Bahnlinie nach Peking wiederholt vor und hinter Seymours Truppen zerstören. Diese mußten sich nach Tientsin zurückziehen, wobei beim Rückzug Seymour bei Kämpfen um ein Arsenal den Befehl "Germans to the front" an das deutsche Kontingent gab. Dieser Satz wurde in der deutschen Propaganda reichlich ausgeschlachtet.

Nach dem die Boxer Peking erreicht hatten und dort am 13./14. Juni Massaker an chinesischen Christen verübten, zerstörten britische, russische, deutsche und französische Kanonenboote am 17.6. die Forts von Taku, die den Zugang zum Pei Ho kontrollieren. Dies verursachte eine Eskalation der Situation. Am 20.6. wurde der deutsche Gesandte Klemens Freiherr von Kettler in Peking ermordet, die Belagerung des Diplomatenviertels begann und China erklärte den Kriegszustand gegenüber den Großmächten. Die kaiserlichen Truppen griffen aktiv in die Kämpfe auf Seite der Boxer ein. Nach Berichten in der westlichen Presse Ende Juni, dass alle ausländischen Diplomaten ermordet worden seien (was eine Falschmeldung war und im Widerspruch zu Berichten z.B. des US-amerikanischen Botschafters stand), versuchte u.a. Deutschland dies auszunutzen um seine Machtposition in Ostasien auszubauen und verlegte massiv Truppen nach China. Bei der Verabschiedung von Soldaten in Bremerhaven am 27.7. hielt Kaiser Wilhelm II seine berüchtigte Hunnenrede:
Zitat:
Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. [...] Wie vor tausend Jahren die Hunnen [...]

Ermordung von Mitgliedern der Boxer durch internationale Truppen, hier u.a. japanische Soldaten und in britischen Diensten stehende indische Sikh-Soldaten

Tientsin, wo das Ausländerviertel von Boxern belagert wurde, konnte am 14. Juli nach schweren Straßenkämpfen von den internationalen Truppen erobert werden. Diese Niederlage der Chinesen bewirkte, dass in Peking ein Waffenstillstand ausgerufen wurde und die Angriffe gegen das Diplomatenviertel für die meiste Zeit eingestellt wurden. Dieser Waffenstillstand hielt bis zum 4.August, als ca. 20 000 Soldaten (10 000 Japaner, 4000 Russen, 3000 Briten, 2000 US-Amerikaner, 800 Franzosen, 200 Deutsche und weniger als Hundert Italiener und Österreicher) mit dem Angriff auf Peking begannen. Waffentechnisch weit überlegen, konnten sie sich leicht gegen die Boxer durchsetzen, während die kaiserliche Armee passiv blieb. Am 14.8. entsetzten sie das Ausländerviertel in Peking und eroberten und plünderten Peking. Zu diesem Zeitpunkt war der Großteil der imperialistischen Truppen noch auf dem Weg nach China. Am 28.8. wurde auch die 'Verbotene Stadt' besetzt und geplündert. Schließlich befanden sich über 100 000 Soldaten unter dem deutschen Feldmarschall Graf Alfred von Waldersee in China, der am 17.10 sein Hauptquartier in Peking aufbaute. Die einzelnen Großmächte versuchen einzelne Regionen unter Kontrolle zu bringen, z.B. russische Truppen die Mandschurei und deutsche Truppen Teile der Provinz Schantung.


Großbritannien, Deutschland, Rußland, Frankreich und Japan streiten um den chinesischen Kuchen (zeitgenössische Karikatur)

Letztendlich setzte sich auf Betreiben der USA die "Politik der Offenen Tür" (also die gemeinsame Ausbeutung Chinas) durch, da sich die Großmächte nicht auf eine Aufteilung Chinas einigen konnten. Diese wurde China im Friedensvertrag (Boxer-Protokoll) aufgezwungen. China blieb bis 1949, als Mao Tse-Tung Gesamt-China (mit Ausnahme von Formosa/Taiwan) eroberte, Spielball im Kampf der imperialistischen Staaten.

(von max)
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11. September 1973:
Militärputsch Pinochets in Chile


Das letzte Foto Allendes vor seinem Tod bei der Bombardierung des Moneda-Palast

Heute vor 30 Jahren putschte das Militär unter der Führung von General Augusto Pinochet gegen den gewählten Präsidenten Chiles Salvador Allende, der auf "friedlichen Weg" den Sozialismus aufbauen wollte. Unter dem Beifall der bürgerlichen Rechten auf der ganzen Welt (inklusive der CDU/CSU), die die Militärdiktatur als Rückkehr zur Demokratie bezeichneten, wurden ca. 30 000 Menschen ermordet und Konzentrationslager aufgebaut, in denen die Anhänger der Volksfront eingesperrt und gefoltert wurden.


General Pinochet und Präsident Allende

In Chile kam es im Rahmen eines weltweiten Aufschwungs der Linken nach 1968 zur einer Radikalisierung zugunsten der sozialistischen Linken. Die Zahl der Streiks, Landbesetzungen und Demonstrationen der Studenten stieg stark an und bereite den Boden für den Wahlsieg bei den Präsidentschaftswahlen Allendes im November 1970. Allerdings erzielte Allende bei seiner Wahl lediglich 36% und das Parlament blieb in der Hand der Rechten. Allende war der Kandidat der Unidad Popular (Volksfront), der allen linken Parteien mit Ausnahme des MIR (Anhänger Che Guevaras) angehörten. Die wichtigsten Parteien in diesem Wahlbündnis waren die Kommunistische Partei, die wie alle anderen Partei der stalinisierten III. Internationale aufgehört hatte eine revolutionäre Politik zu verfolgen, und die Sozialistische Partei. Zu dem rechten Flügel der letzteren gehörte Allende. Der linke Flügel der Sozialisten stand dagegen meist weit links von der Politik der Volksfront und damit näher an den Positionen des MIR. Zu dem Programm der Volksfront gehörte die Nationalisierung der Schlüsselindustrien (u.a. Kupferminen in Besitz von US-Unternehmen), was aber keine Maßnahme in Richtung einer sozialistische Planwirtschaft war, sondern eine Maßnahme zum Erlangen wirtschaftlicher Unabhängigkeit innerhalb des kapitalistischen Systems von den USA. Weitere Punkte des Programms war eine Landreform zugunsten der Kleinbauern (im wesentlichen die Umsetzung eines Gesetzes der christdemokratischen Vorgängerregierung von Eduardo Frei) und die Anhebung des Lebensstandards. Das Programm wurde als friedlicher Weg zum Sozialismus propagiert.

Auf Grund der rechten Parlamentsmehrheit mußte die Volksfront ein Bündnis mit den Christdemokraten (PDC) schließen, wobei Allende garantieren mußte, dass Militär, Medien, Bildungswesen, Kirche und Polizei nicht angetastet würden, sprich der alte Machtapparat erhalten bleibe. Nach anfänglichen Erfolgen der Regierungen in Form von Lohnerhöhungen und Nationalisierung von Unternehmen, geriet die Politik Allendes bald in Probleme. Die ArbeiterInnen nationalisierten spontan weitere Betriebe, so dass die Regierung ihr Bündnis mit der Rechten gefährdet sah. Dazu stellte sich die Bourgeoisie und das Kleinbürgertum mehrheitlich gegen die Regierung und verstärkten durch Investitionsstops, Kapitalflucht und Warenhorten (Erzeugung einer künstliche Lebensmittelknappheit) die wirtschaftlichen Probleme. Anstatt den ArbeiterInnen angesichts steigender Lebenshaltungskosten zu helfen, bekämpfte die Regierung Streiks für Lohnerhöhungen. So denunzierte sie Streiks der Kupferbergarbeiter als faschistisch und unterdrückte diese mit Spezialeinheiten der Polizei.

Obwohl es immer deutlicher wurde, dass das Militär und die Bourgeoisie eine Bedrohung für den "friedlichen Weg zum Sozialismus" darstellten, verklärte die Volksfront das chilenische Bürgertum als demokratisch und antiimperialistisch und das Militär als verfassungstreu und patriotisch. Während die Militärs (darunter die spätere Führung des Putsches) in die Regierung geholt wurden, sorgte Allende für die Entwaffnung der ArbeiterInnen. Er erreichte damit, dass diese so wehrlos und politisch desorientiert gegen den kommenden Putsch waren.

Ein erster Versuch der Rechten die Regierung zu stürzen war ein Streik der Transortunternehmer im Oktober 1972, der die gesamte Versorgung in einem Land ohne größeres Eisenbahnnetz gefährdete. Als Reaktion wurden in den Betrieben die 'Cordones', eine Art embryonale Räte, aufgebaut, die auch die Versorgung wieder in Gang bringen konnten. Die Cordones hätten ein Schritt in Richtung einer sozialistischen Räterepublik sein können, aber es fehlte eine politische Organisation die diese Alternative voran gebracht hätte. Bei den Parlamentswahlen im März 1973 siegte die Volksfront angesichts fehlender linker Alternativen. Als Reaktion begannen die Militärs mit der Planungen eines Putschs. Ein Putschversuch am 29. Juni eines Panzerregiments unter Führung eines Offiziers, der Anhänger der faschistischen Organisation 'Patria y Libertad' war, fand keine keine Unterstützung des restlichen Militärs und stellte nicht mehr als bewaffnete Propaganda dar, um den Rest für Putsch zu gewinnen. Ab Juli begann die Armee Linke aus ihren Reihen zu entfernen. Dazu kamen Angriffe auf einzelne Fabriken und politische Organisationen, auf die aber die Regierung nicht reagierte und damit ihre Machtlosigkeit demonstrierte. Die Parole der Kommunistischen Partei damals war "Nein zur Gewalt von Rechts und Links". In Wirklichkeit ignorierten sie die Bedrohung durch die Militärs und die Rechte und phantasierte dafür über einen angeblichen linken Terrorismus, der nicht existierte.

Gegen den Putsch am 11. September 1973 unter der Führung des von Allende zum Oberbefehlshabers der Armee ernannten Augusto Pinochet gab es dann auch keinen koordinierten Widerstand. Der Putsch begann um 6:00 Uhr morgens in der Hafenstadt Valparaiso, die die Marine besetzt. Die Putschisten lassen die Nachricht darüber zum Präsidenten durchsickern, der sich daraufhin zum Präsidentenpalast La Moneda begibt - es ist eine Falle. Im Unklaren über das Ausmaß der Gefahr dementiert Allende anfangs Nachrichten über den Putsch und ruft die Bevölkerung zur Passivität auf, noch hofft er auf die Unterstützung des bisher regierungstreuen Pinochets. Das Militär riegelt derweil das Zentrum von den Vorstädten ab, und umzingelt den Palast. Als Allende die Gefahr erkennt, ist es zu spät - zusammen mit seinen Getreuen sitzt er in der Falle. Seine letzte Rede lautet:
Zitat:
Aus meinen Worten sprciht keine Bitterkeit, nur Enttäuschung. Die Verräter werden ihre moralische Strafe erhalten. Ich werde nicht zurücktreten. Sie können uns unterjochen, aber den Fortschritt nicht aufhalten. Ich danke ihnen, daß sie einem Mann vertraut haben, der der Sehnsucht nach Gerechtigkeit eine Stimme gegeben hat.
Nach dem Allende unter dem Bombardement durch die Armee Selbstmord begangen hatte und der Regierungssitz in die Hände der Armee gefallen war, rief die Gewerkschaften zu Widerstand auf. Der linke Flügel der Sozialistischen Partei und der MIR versuchten eine Verteidigung zu organisieren, aber dem Militär gelang es nach zwei Tagen jeden Widerstand mit äußerster Brutalität zu brechen.

Der Putsch fand mit Unterstützung der US-Regierung unter Nixon und dessen Außenministers, Friedensnobelpreisträgers und Kriegsverbrechers Kissinger statt. Aber obwohl die CIA beteiligt war, die US-Unternehmen wegen der Enteignungen zu den frühesten Gegner der Regierung zählten und militärische Hilfe in Vorbereitung des Putsches von 0,8 Millionen 1970 auf 10,9 Millionen Dollar 1972 erhöht wurde, kann der Putsch nicht durch einen äußeren (US-amerikanischen) Einfluß erklärt werden. Das Militär war mit Ausnahme von ein paar Einzelpersonen komplett auf Seite der Putschisten. Auch die bürgerlichen Parteien ordneten sich freiwillig unter. Die Nationale Partei (PN), die die Großgrundbesitzer und die mit ausländischen Kapital verbundenen Industriellen vertrat, löste sich freiwillig selbst auf und forderte zur Unterstützung des Putsches auf. Auch die Christdemokraten, die mit den kleineren Unternehmer verbunden waren, unterstützten die Militärs.

Die chilenische Bourgeoisie galt bis dahin im Gegensatz zu anderen herrschenden Klassen Lateinamerikas als demokratisch und Chile gehörte zu den ältesten Demokratien Lateinamerikas. Die Ereignisse zeigen aber, dass auch sie nicht bereit war die Macht abzugeben, auch wenn sie ihre Macht nur durch die Zerstörung der Demokratie erhalten konnte. Die europäischen Kommunistischen Parteien zogen aus diesen Ereignis die Lehre, dass es notwendig ist die Bürgerlichen nicht zu verprellen, statt zu realisieren, dass diese für den Kampf für den Sozialismus nicht zu gewinnen sind.

Diese historische Niederlage der Linken stellten einen Auftakt für die Durchsetzung rechter Wirtschaftspolitik dar. Der Diktator Pinochet ernannte mehrere 'Chicago-Boys' (Anhänger der Neoliberalen um Milton Friedman, die bei ihm in Chicago studiert hatten) zu seinen wirtschaftlichen Beratern. Die Militärdiktatur schuf die Möglichkeit für "wirtschaftliche Freiheit" und einer Regierung durch "Experten", sprich Möglichkeit die Interessen der Konzerne ohne Rücksicht auf Demokratie der Bevölkerung aufzwingen zu können. Das von Neoliberalen wie Friedman gefeierte wirtschaftliche Wunder Chile stellte ein Desaster dar. 1976 waren Löhne um 35% gesunken und sollten sich seitdem nicht mehr erholen, im ersten Jahrzehnt der Militärdiktatur stieg die Arbeitslosigkeit auf 30%. Der Anteil der Bevölkerung unter der offiziellen Armutsgrenze stieg im gleichen Zeitraum von 17% auf 40%. Die Politik der Chicago-Boys bewirkte, dass Chile die höchsten Schulden (pro Kapital) in Lateinamerika hatte. Die Ausgaben in Gesundheitssystem wurden von 1973-85 halbiert, was eine starke Zunahme von armutsbedingten Krankheiten wie Typhus, Diabetes und Hepatitis auslöste. Die Militärs setzten somit einen fallenden Lebensstandard für die Mehrheit und einen steigenden Reichtum für wenige durch.

(von max, mit Ergänzungen von Jack Crow)

Einen interessanten Artikel zu dem Thema war auch im tazmag vom letzten Wochenende, abzurufen hier
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16.-18. September 1982:
Massaker in Sabra und Shatila



Vom 16. Bis 18. September massakrierten rechtsextreme, christliche Falangen-Milizen die Bewohner der palästinensischen Flüchtlingslager Sabra und Shatila in Beirut. Dem war der Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon und die Besetzung Beiruts im Juni vorausgegangen. Zwar hatte es Ende August ein Waffenstillstandsabkommen unter Vermittlung der USA gegeben, doch nach der Ermordung des libanesischen Präsidenten am 14. September rückte Israel erneut ein. Die USA hatten Garantien für die Sicherheit der palästinensischen Zivilisten abgegeben, jedoch ihre Truppen vor dem Massaker bereits wieder abgezogen. Die israelische Armee umstellte die Lager und überließ es den libanesischen Rechtsextremen, die Bewohner zu ermorden. Zwischen 800 und 3500 Menschen wurden umgebracht und zahlreiche weitere verletzt. Diese Greueltat verursachte einen ungeheuren Proteststurm in Israel, allein in Tel Aviv gingen 400.000 Menschen auf die Straße und es wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt Der damalige israelische Verteidigungsminister und heutige Regierungschef Ariel Scharon wurden von dieser schwer belastet, für untauglich für Regierungsämter erklärt und war gezwungen zurückzutreten. Bis heute wurde niemand für dieses Verbrechen juristisch zur Verantwortung gezogen, und trotz des rechtskräftigen Urteils, das Sharon das Amt des Verteidigungsministers verbietet, konnte er Regierungschef werden.



Schon bei der Gründung Israels wurde Terror angewandt um die Palästinenser zu vertreiben. In den folgenden Nahostkriegen kam zu erneuten Vertreibungen. Die Palästinenser wurden über den Nahen Osten zerstreut. So bildeten sie die Mehrheit der Arbeiterklasse in den Golfstaaten, wo sie über keine Staatsbürgerrechte verfügen. Viele Flüchtlinge lebten in Lagern in Jordanien und Libanon. 1970 vertrieb König Hussein von Jordanien die PLO ('Palästinensische Befreiungsorganisation'), wobei 3000 Palästinenser getötet wurden ('Schwarzer September'). Die PLO verlagerte darauf ihre Operationsbasis in den Libanon. Dort existierte eine Schicht palästinensischer Kapitalisten, die bedeutenden Einfluß in der libanesischen Wirtschaft hatten. Allerdings versuchte die christlichen libanesischen Bürgerlichen (Maroniten) diesen Einfluß zu begrenzen. So gelang es ihnen mit Hilfe der herrschenden Familien in Saudi-Arabien und Kuwaits in den 60er Jahren die größte Bank Libanons, die im palästinensischen Besitz befindliche Intra-Bank, in den Bankrott zu treiben. Diese Erfahrungen bewirkte, dass auch bürgerlichen Palästinenser die PLO unterstützten um einen eigenen Staat zu erkämpfen. Die PLO wurde gleichzeitig abhängiger von den arabischen Staaten, die jeweils ihre Fraktion in der PLO besaßen. Die daraus resultierende Entwicklung der PLO nach rechts bewirkte, dass sie sich wie in Jordanien auch im Libanon isolierte. An statt die dortigen immensen sozialen Probleme aufzugreifen, die Libanesen und Palästinenser betrafen, beschränkte sich die PLO auf eine nationalistische Politik und Terrorismus, was es ihr auch unmöglich macht größere Unterstützung von der israelischen Bevölkerung zu erlangen.

1975 brach der Bürgerkrieg zwischen rechtsextremen christlichen Gruppen und den linken und moslemischen Gruppen aus. Die wichtigste christliche Gruppe war die Falange, die in den 30er Jahren von Pierre Gemayel nach faschistischen Vorbild aufgebaut wurde. In den 70er Jahren war sein Sohn Bashir Gemayel ihr führender Politiker, der sich die Unterstützung Israels sichern konnte (ein wichtiger damaliger Verbindungsoffizier war der spätere israelische Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elizier) . Die PLO verfolgte eine Politik der Nichteinmischung, obwohl die Palästinenser wiederholt das Ziel der Angriffe der Rechten waren. Der Einfluß der PLO reduzierte sich in Folge auf die Flüchtlingslager. Den Bürgerkrieg nahm Syrien zum Anlaß auf Seite der Christen mit 40 000 Soldaten einzugreifen. Trotz dem Einsatz einer multinationalen Friedenstruppe (MNF) schwelte der Bürgerkrieg letztendlich bis in die 90er Jahre weiter.

Das Ziel der israelischen Regierung war es der PLO auch die Basis im Libanon zu nehmen. Wiederholt griffen israelische Kommandos palästinensische Ziele im Libanon an. So wurde am 28.12.1968 auf dem Flugplatz von Beirut der Großteil der Flugzeuge der Middle East Airlines zerstört und am 10.4.1973 mehrere palästinensische Funktionäre und ihre Familien mitten in Beirut ermordet. An letzter Terroraktion war auch der spätere Regierungschef Barak beteiligt. Nach dem Einmarsch der israelischen Armee 1978 im Südlibanon und einer mehrmonatigen Besetzung, marschierte die israelische Armee am 6. Juni 1982 erneut im Libanon ein (der zynischer Name war 'Operation Frieden in Galiläa'). Als Vorwand wurde ein Attentat auf den israelischen Botschafter in London genutzt, tatsächlich war der Angriffskrieg aber schon lange im voraus geplant, was auch am Anstieg der Lieferung von US-Militärgütern um 50% im ersten Quartal 1982 im Vergleich zum Vorjahr sichtbar ist. Der israelische Vormarsch war Blitzkrieg-artig und schon am 13. Juni erreichte die israelische Armee die Vororte Beiruts. Dort wurde das moslemische West-Beirut am 3. Juli eingeschlossen. Die palästinensischen Flüchtlingslager wurden durch die israelische Marine und Luftwaffe bombardiert bzw. durch die vorrückende Armee zerstört. Den Höhepunkt erreichte die Angriffe auf die Zivilbevölkerung am 12. August ('Schwarze Donnerstag'), als Beirut elf Stunden lang einem Flächenbombardement ausgesetzt war und sogar der US-Präsident Reagan sich genötigt sah zu protestieren. Die überlebenden männlichen Bewohner wurden in Lagern eingesperrt. Mindestens 19 000 Tote und 30 000 Verwundete forderte der israelische Vormarsch.

Der Überlebende des Holocaust Dr. Shlomo Shmelzman begründete seiner Hungerstreiks als Protest gegen das israelische Vorgehen so:
Zitat:
Während meiner Kindheit litt ich unter Angst, Hunger und Erniedrigung, denn mein Weg führte mich vom Warschauer Ghetto in die Arbeitslager und nach Buchenwald. Heute, als Bürger Israels, kann ich die systematische Zerstörung von Städten, Dörfern und Flüchtlingslagern nicht akzeptieren. Ich kann die technokratische Grausamkeit der Bombardierung, der Zerstörung und der Tötung von Menschen nicht akzeptieren.

Ich werde zu vieler vertrauter Laute gewahr, Laute, die durch den Krieg verstärkt werden. Ich höre die Worte 'Scheiß Araber' und denke an 'Scheiß Juden'. Ich höre von 'abgesperrten Gebieten' und denke an Ghettos und Lager. Ich höre die Worte 'zweibeinige Tiere' und denke an die Worte 'Untermenschen'. Ich höre von der Notwendigkeit, den Belagerungsring enger zu ziehen, das Gebiet zu räumen, die Stadt mit allen Mitteln zu unterwerfen, und denke an das Leid, die Zerstörung, den Tod und das Morden... Zu viele Dinge in Israel erinnern mich an meine Kindhei
Am 14. August wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt. Die bewaffneten PLO-Einheiten zogen ab, während im Gegenzug die USA die Sicherheit der zurückbleibenden Zivilisten (vor allem Frauen und Kinder) garantierten. Dies sollte durch Einheiten der multinationalen Streitkräfte (MNF), u.a. US-Marines, französische Fremdenlegionäre und italienische Bersaglieri bewerkstelligt werden, die bis zum 21. September in Beirut bleiben sollten. Aber schon am 8.9. begannen die US-Amerikaner mit dem Abzug, am 11. folgten die Franzosen und am 13. die Italiener.

Am nächsten Tag, dem 14.9., wurde der neue gewählte Präsident, der Phalange-Führer Bashir Gemayel, ermordet, als eine Bombe das Falange-Hauptquatier zerstörte. Die Hintergründe sind unklar. Es gab Spekulationen, dass Scharon dahinterstand, da Gemayel sich gegen die Besetzung Südlibanons gewandt hatte. Aber auch andere Fraktionen der Christen, gegen die sich Gemayel blutig durchgesetzt hatte, und Syrien könnten verantwortlich gewesen sein.

Dieses Attentat nahm die israelische Armee als Vorwand auch das bisher von linken Milizen kontrollierte West-Beirut zu besetzen, was damit gerechtfertigt wurde, dass nur die israelische Armee dort die Sicherheit garantieren könnte. Die Flüchtlingslager in West-Beirut, darunter Sabra und Shatila, wurden von der Armee abgeriegelt, wobei die angebliche Anwesenheit von (später nie gefundenen) 2000 palästinensischen Terroristen als Begründung herhalten mußte.

Nach Sitzungen zwischen israelischen Militärs und Befehlshaber der rechtsextremen Milizen (darunter Elie Hobeika von der Falange, der 2002 ermordet wurde, nach dem er angekündigt hatte gegen Scharon auszusagen) marschierten am Abend des 16.9. die Milizen in die Lager ein und begannen das Massaker. Die israelische Armee hinderte die Rechten nicht daran, sondern unterstützte sie noch, indem sie ganze Nacht durch mit Leuchtgranaten und Leuchtbomben die Lager erhellten. Erst am 18.9. wurden die Massaker gestoppt, nach dem der israelische Befehlshaber den Milizen am Nachmittag des 17.9. bis fünf Uhr am nächsten Tag Zeit gegeben hatten sich zurückzuziehen!

Nach Bekanntwerden der Massaker in Israel kam es zur größten Friedensdemonstration in Israel, die das Land je gesehen hatte. 400.000 Menschen demonstrierten in Tel Aviv für ein Ende des Libanon-Krieges und sogar die Arbeiterpartei, die den Krieg bis dahin unterstützt hatte, sah sich gezwungen für diese Demonstration zu mobilisieren.

Als Reaktion wurden erneut multinationale Truppen in den Libanon geschickt, die aber im wesentlichen die israelische Besetzung absicherten und deshalb mit zu einer Kriegspartei wurden. Nach einem Bombenanschlag der Hisbollah 23.10.1983, bei dem 230 US-Marines und 58 französische Soldaten ermordet wurden, mußten sie sich wieder zurückziehen. Wiederholt kam es noch zu Bombardierungen des Libanons durch die US-Marine und die französische Marine. Auch Arafat mußte im Dezember 1983 den Libanon auf syrischen Druck verlassen und die PLO-Kämpfer wurden in verschiedenen arabischen Ländern interniert. An die Stelle der PLO trat die Hisbollah, die vom Iran unterstützt wurde. Ihr gelang es durch einen Guerilla-Krieg die israelische Armee 1985 zum Rückzug in den Südlibanon zu zwingen. Dort errichtete die Armee eine 40 Kilometer breite Sicherheitszone und ein Marionetten-Regime mit einer eigenen Armee (Südlibanesischen Armee, SLA), welches aber 2000, als Israel sich komplett zurückziehen mußte, sofort zusammenbrach.

Heute droht eine Neuauflage der blutigen Ereignisse von 1982, da der Friedensprozeß in Trümmern liegt und in der israelischen Regierung die die Oberhand erlangen, die eine erneute Vertreibung nicht nur Arafats, sondern aller Palästinenser fordern.

(von max)
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1. Oktober 1965:
Militärputsch Suhartos in Indonesien


Präsident Sukarno and General Suharto vor dem Putsch vom 1. Oktober

Am 1. Oktober 1965 putschte das indonesische Militär unter General Suharto gegen die Regierung Sukarno. Mit Unterstützung von den USA und Australien ging das Militär und moslemische Gruppen gegen die Kommunistische Partei Indonesiens vor und ermordeten zwischen einer halben und einer Million Kommunisten und deren Unterstützer. Die Putsch war ein Teil des Versuchs der US-Regierung die Kontrolle über Südostasien zu erlangen und den Einfluß der UdSSR zurückzudrängen und stellte den blutigsten Militärputsch der jüngeren Geschichte dar. Das Times Magazin berichtete über die damaligen Ereignisse:
Zitat:
Das Töten hatte ein solches Ausmaß erreicht, dass die Entsorgung der Leichen ein ernsthaftes sanitäres Problem im Norden Sumatras darstellte, wo die feuchte Luft den Gestank verfaulenden Fleischs trug. Reisenden aus diesen Gegenden berichteten uns, dass die Flüsse buchstäblich mit Körpern verstopft waren, so dass der Flußverkehr ernsthaft behindert wurde.
Indonesien ist sehr rohstoffreich und war deshalb eine begehrte Beute für die Kolonialmächte. Anfangs hatten diese es vorallem auf Gewürze, später auf Erdöl und Gummi abgesehen. Die Niederländische Ostindien- Kompanie eroberte Indonesien im 17. Jahrhundert und machte es zu einer niederländischen Kolonie. Großbritannien besetzte Indonesien zwischen 1811-16 und behielt danach Malaysia, während der Rest erneut an die Niederlande fiel. Dieses beutete die Bevölkerung und die Rohstoffe aus, während das Land selbst, z.B. das Gesundheits- und Bildungssystem, nicht entwickelt wurden. So war 1945 die Analphabetenquote 93%. Im Zweiten Weltkrieg wurde Indonesien 1942 von Japan besetzt. Die Unabhängigkeitsbewegung, die schon in den 20er Jahren unter kommunistischer Führung erste Aufstände unternommen hatte, wurde unter japanischer Besatzung stärker und kooperierte mit dieser. Am 17.8.1945 wurde die Unabhängigkeit während des Zusammenbruchs Japans ausgerufen. Niederländische Truppen mit britischer und japanischer (!) Unterstützung versuchten die ehemalige Kolonie zurückzuerobern, scheiterten am bewaffneten Widerstand. 1949 akzeptierte die Niederlande die Unabhängigkeit Indonesiens, konnte aber Besitzansprüche niederländischer Konzerne an großen Teilen der Rohstoffindustrie sichern.

Ahmed Sukarno wurde der erste Präsident. In der ersten allgemeinen Wahl 1955 wurde er bestätigt und ließ sich 1963 zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen. Sukarno war ein radikaler Nationalist und Begründer der Indonesischen Nationalpartei (PNI). Sukarno regierte im Namen von fünf Prinzipien: Glaube an einen einzigen Gott, Humanismus oder Internationalismus, Nationalismus oder Patriotismus, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Unterstützt wurde Sukarno von der Kommunistischen Partei (PKI). Diese war 1921 in Folge der Oktoberrevolution gegründet worden und gewann Unterstützung im Kampf gegen die Kolonialherren. Allerdings wurde auch die KPI wie die meisten anderen Parteien der III. Internationale Ende der 20er stalinisiert. Ihre Ideologie war in den 60ern maoistisch. Wie China selbst verfolgte sie das Prinzip des "Blocks der vier Klassen" (Arbeiterklasse, Bauern, Kleinbürgertum und nationale Bourgeoisie) und die zwei Stufen-Theorie. Diese besagte, dass in kolonialen und halbkolonialen Staaten erst die Stufe der bürgerliche Republik auf der Tagesordnung stünde und erst in ferner Zukunft der Sozialismus. Beide Theorien bedeuteten in der Realität die Unterordnung der Interessen der Bauern und ArbeiterInnen unter die Interessen der Bourgeoisie. Verbunden war dies mit einer Verglorifizierung des Staatsapparats als antiimperialistisch und demokratisch. Diese Ansicht, daß der Staat tatsächlich sowohl die Interessen der Unterdrücker wie der Unterdrückten vertreten könnte, führte zu einigen grotesken Einschätzungen. So sagte einer der obersten Führer der PKI, Njoto, einem Journalisten nur wenige Tage vor seinem Tod während des Putsches:
Zitat:
Die PKI ist immer der Ansicht gewesen, daß die indonesische Armee nicht dasselbe ist wie Armeen in den imperialistischen Ländern oder wie jetzt in Indien. Dies erklärt sich sowohl aus ihrer Entstehungsgeschichte wie auch aus ihren antiimperialistischen und antifeudalen Zielen, aber auch aus der Zusammensetzung ihrer Soldaten, die meistens aus der Bauernschaft und Arbeiterklasse kommen.
Die PKI wurde durch militante Kampagnen ihrer Bauern- und Industriegewerkschaften und antiimperialistischer Rhetorik zur größten Kommunistischen Partei nach der russischen und chinesischen. Sie hatte 1965 drei Millionen Mitglieder. Die mit ihr verbündeten Industriegewerkschaften bezifferten ihre Mitgliederzahl auf dreieinhalb Millionen, die Bauerngewerkschaften auf drei Millionen, die Frauenorganisationen auf eineinhalb Millionen und die Jugendorganisationen auf zwei Millionen.

Aber die Arbeiter und Bauern ließen sich nicht so einfach zurückhalten, wie es die nationalistische Ideologie Sukarnos oder die stalinistische Ideologie der KPI vorsah. 1957 und 1964 kam es zu einem massiven Bewegungen von unten. Trotz Unterstützung von der PKI konnte Sukarno diese Bewegung nicht kontrollieren oder stoppen. Niederländische, britische und US-amerikanische Plantagen, Betrieben und Banken wurden von Bauern und Arbeitern besetzt. Um die Bewegung zu spalten wurde Rassismus und religiösen Spaltungen geschürt, die heute noch Indonesien erschüttern (z.B. in Aceh). Nach einem gescheiterten Putschversuch im November 1956 und von US-Militär unterstützten Aufständen in den ölreichen Gebieten Sumatras und Sulawesis, bildete ein Putsch von angeblichen PKI-nahen Offizieren am 30.9.1965 den Anlaß für einen erneuten Militärputsch. Militärs ermordeten sechs hohe Generäle, u.a. dem Chef des Generalstabs. Der Putsch war nach Aussagen von überlebenden Beteiligten nicht von der PKI kontrolliert, sondern stellte einen Machtkampf innerhalb des Militärs dar. General Suharto, der damaligen Chef der Strategischen Armeereserve (Kostrad), war von den Putschisten selbst informiert worden und hatte entweder den Putsch toleriert oder selbst organisiert, um einen Vorwand zu besitzen um gegen die Kommunisten vorzugehen.

Die USA befürchten seit der Niederlage der Franzosen 1954 gegen die vietnamesische Unabhängigkeitsbewegung unter Ho Chi Minh den Verlust ganz Südostasiens. Indonesien wurde wegen seines Rohstoff- und Bevölkerungsreichtums als Schlüssel gesehen. Das militärische Vorgehen gegen Vietnam wurde intensiviert und der Botschafter Marshall Green, der schon bei der Errichtung der Militärdiktatur von Park Chung Hee in Südkorea geholfen hatte und 1975 bei dem Sturz der australischen Labor-Regierungen unter Whitlam half, geschickt um die Bemühungen zur Ausschaltung der Kommunisten zu koordinieren. US-amerikanische und australische Geheimdienstler und Militärs trainierten indonesisches Militär in Vorbereitung auf den Putsch, während die US-Regierung das Militär zum Putsch drängte und dem Militär Listen von PKI-Mitgliedern zur Verfügung stellte.

Gegen den Putsch Suhartos und die Massaker gab es kaum Widerstand. Suharto behielt Sukarno bis 1967 als Präsident. Sukarno rief, wie auch die PKI, Moskau und Beijing nicht zur Gegenwehr, sondern zur Ruhe und nationaler Einheit (also mit den mordenden Militärs!) auf. Das hielt Suharto nicht davon ab alle Organisationen der PKI zu zerschlagen und ihre komplette Führung zu ermorden. Tausende wurden in Konzentrationslager gesperrt. Der von den Rechten geschürte Rassismus entlud sich an Massakern an der chinesischen Minderheit.

Suharto errichtete eine Militärdiktatur, die durch ihr Vorgehen gegen die Gewerkschaften optimale Bedingungen für die westlichen Großkonzerne bot, die in Indonesien zahlreiche Sweat-Shops (Billigstlohnfabriken) aufbauten. Suharto konnte erst in einer Revolution, in der sich die Studenten mit den städtischen Armen verbündeten, in der Folge der schweren Wirtschaftskrise in Südostasien im Mai 1998 gestürzt werden.

(von max)
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14. Oktober 1943:
Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibór


Jüdische Partisanen-Einheit im Wald von Parczew, der sich einige der Entkommenen anschlossen

Am 14. Oktober 1943 um 16 Uhr begann der Aufstand der jüdischen Gefangenen im Vernichtungslager Sobibór. Ein Teil der Juden gelang es so zu entkommen, zu den Partisanen fliehen und dadurch den Krieg und Holocaust überleben. Dieser Aufstand ist ein Beispiel für erfolgreichen Widerstand in einer quasi ausweglosen Situationen und ein Beispiel dafür, dass es jüdischen Widerstand auch innerhalb der KZ gab.

Im Rahmen der "Endlösung der Judenfrage" wurden im Zuge der "Aktion Reinhard" drei Vernichtungslager - Treblinka, Belzec und Sobibór - errichtet. Die gesamte jüdische Bevölkerung in Polen plus der Juden, die aus anderen Ländern in Ghettos nach Polen gebracht wurden, sollten in dieser Lagern ermordet werden. Damals lebten in Polen ca. 2 284 000 Juden.

Den Oberbefehl bei der "Aktion Reinhard" hatte der SS-Brigadeführer Otto Globocnik, der direkt Himmler unterstand. Etwa 434 deutsche SS-Leute waren direkt an Aktion beteiligt, die meist davor am Euthanasie-Programm gearbeitet (d.h. gemordet) hatten. Sie waren neben der Gesamtplanung nur in leitenden Positionen in den Lagern beschäftigt, so dass es nur zwischen 20 und 30 SS-Leute pro Lager gab. Als Wachmannschaften wurden pro Lager um die 100 ukrainische Hilfstruppen, die speziell hierfür in dem SS-Trainingslager Trawniki ausgebildet worden waren, eingesetzt. Der erste Kommandant von Sobibór wurde der SS-Obersturmführer Franz Stangl (1908-1971), der zuvor in den Euthanasie-Anstalten Hartheim und Sonnenstein/Pirna tätig gewesen war.

Sobibór wurde Anfang 1942 in dünnbesiedelten Gelände bei Lublin nach dem Vorbild des ersten Vernichtungslagers Belzec errichtet. Das Morden sollte geheim bleiben, weshalb das Lager zusätzlich getarnt und abgeschirmt wurde. Sobibór lag direkt an der Bahnstrecke Chelm-Wlodawa um Transporte der zu ermordenden Menschen zu erleichtern. Die Transporte benötigten teilweise mehrere Tage, wobei die Häftlinge nicht versorgt wurden, so dass oft schon die Hälfte vor der Ankunft im Vernichtungslager starb.

Den Häftlingen wurde bei der Ankunft die Illusion vermittelt, dass es sich um ein Übergangslager zu neuen Siedlungsgebieten in der Ukraine handeln würde. Sie wurden tatsächlich aber meist sofort nach der Ankunft in die Gaskammern geschickt, die als Duschen getarnt wurden. Zuvor mußte Kleidung und Wertgegenstände abgegeben werden und Frauen wurden die Haare abgeschnitten, die, wie die persönlichen Besitztümer der Häftlinge, für eine Nutzung gesammelt wurden. Die Ermordung erfolgte durch das Einleiten von Motorabgasen. Nach der Ermordung wurden die Goldzähne der Häftlinge entfernt. Anfangs wurden die Ermordeten in Massengräbern vergraben. Ab Juni 1942 wurden Krematorien genutzt um die Spuren der Verbrechen zu beseitigen. Im Oktober 1942 gingen in Sobibor sechs neue Gaskammern in Betrieb, in denen rund 1.300 Menschen gleichzeitig umgebracht werden konnten.

Jüdische Häftlinge mußten bei der Ermordung, sowie der Ausschlachtung und Beseitigung der Leichen helfen. Dazu mußten sie für das Lagerpersonal als Schneider, Schuster, Schreiner oder persönlicher Arbeitssklaven arbeiten. In Sobibór arbeiteten 600 bis 1000 jüdische Zwangsarbeiter, wobei die Zwangsarbeiter, die bei der Ermordung helfen mußten, selbst in kurzen Abständen ermordet und durch neue Gefangene ersetzt wurden.

Das Lager Sobibór war das kleinste der drei im Zuge der "Aktion Reinhard" errichteten Vernichtungslager. Bis zu seiner Schließung kurz nach dem erfolgreichen Aufstand wurden hier etwas 250.000 Menschen ermordet, in Vergleich dazu wurden in Treblinka über 700.000 und in Belzec rund 800.000 umgebracht. Von den in Sobibór ermordeten Juden waren über 158.000 aus Polen, über 34.000 aus den Niederlanden, über 30.000 aus der Tschechoslowakei (d.h. aus dem Protektorat Böhmen und Mähren und aus der Slowakei), über 13.000 aus der Sowjetunion, über 10.000 aus Deutschland und Österreich und über 5.000 aus Frankreich.

1943 war die Mehrheit der Juden in Polen ermordet worden und die drei Vernichtungslager der "Aktion Reinhard" sollten geschlossen werden. Als Vernichtungslager wurde seit dem Auschwitz-Birkenau verwendet, dessen Kapazität ausgebaut wurde. Am 5. Juli 1943 ordnete Himmler die Umwandlung Sobibórs in ein Konzentrationslager an, in dem erbeutete Munition sortiert und gelagert werden sollte.

In Sobibór war inzwischen unter den Zwangsarbeiter die Nachricht von der Niederlage der Deutsche in der Schlacht von Stalingrad (September 1942 bis Februar 1943), dem Näherrücken der Front und der Aufstand im Warschauer Ghetto am 19.4.1943 bekannt geworden. Diese positiven Nachrichten motivierten gemeinsam mit der Befürchtung, dass das Lager aufgelöst und alle Überlebenden ermordet werden sollten, eine Gruppe von Häftlingen um Leon Feldhendler, ein ehemaliges Mitglied des Judenrats von Zólkiewka, Widerstand zu leisten. Nach zwei gescheiterten Ausbruchsversuchen kleinerer Gruppen wurde im September 1943 mit den Planungen eines Aufstands begonnen. Ausschlaggebend war dabei, dass eine Gruppe kriegsgefangener jüdischer Offiziere der Roten Armee in das Lager verlegt wurde. Diese waren noch nicht so demoralisiert wie die restlichen Gefangenen und verfügten dazu über militärische Erfahrung. Die militärische Planung übernahm einer dieser Offiziere, Alexander Petscherski. Dieser hatte das Glück gehabt, dass er aus einer Gruppe von 1200 Kriegsgefangenen einer der sechzig Männer war, die von der SS für Schwerarbeit und Instandhaltungsmaßnahmen ausgewählt worden waren.

Um zu verhindern, dass der Plan verraten werden würde, wurden nur ca. 10% der Häftlinge eingeweiht. Der Plan bestand darin, erst die Führungsstruktur des Lagers, also die SS-Leute, heimlich mit Hieb- und Stichwaffen zu ermorden, die Kommunikation aus dem Lager lahmzulegen, Waffen zu erbeuten und dann die Wachmannschaften zu überrumpeln.

Es gelang zehn von 17 SS-Leuten auszuschalten und mit deren Waffen das Waffenlager zu stürmen. Dazu wurden die Telephonleitung zerstört. Zwischen 300 und 600 Juden gelang es in der folgenden Verwirrung die Zäune des Lagers zu überwinden. Aber viele von ihnen starben in dem dahinter liegenden Minenfeld oder wurden von den Wachmannschaften erschossen. Etwa 150 Juden gelang es in kleinen Gruppen sich zu linken polnischen Partisaneneinheiten durchzuschlagen, wovon 53 bis zum Einmarsch der Roten Armee überlebten.

Nach dem Aufstand wurden die verbliebenen Juden und ein Teil der ukrainischen Wachmannschaft, denen Verrat vorgeworfen wurde, umgebracht. Das Lager wurde dem Erdboden gleichgemacht um alle Spuren zu zerstören und Bauernhöfe auf dem Gelände errichtet.

Ein Teil der verantwortlichen Nazis wurde nach dem Krieg verurteilt, andere, u.a. der erste Kommandeur von Sobibór Franz Stangl, konnte mit Hilfe der katholischen Kirche entkommen. Stangl, der insgesamt für den Tod von einer Million Menschen verantwortlich war, konnte schließlich von Simon Wiesenthal in Brasilien aufgespürt werden. Von dort wurde er 1967 in die BRD ausgeliefert, wo er 1970 wegen des Mordes an über 900.000 Juden im Vernichtungslager Treblinka zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt wurde und 1971 an Herzversagen starb.

(von max)
24. Oktober 1923:
Aufstand in Hamburg und der "Deutsche Oktober"



In den frühen Morgenstunden des 24. Oktobers stürmten mehrere Hundert Kommunisten unter der Führung von Ernst Thälmann, der später eine Schlüßelrolle bei der Staliniserung der Partei haben sollte, zwölf Polizeireviere in den Vororten Hamburgs und begannen auf das Stadtzentrum zu marschieren. Der Aufstand brach aber bald zusammen. Der Aufstand in Hamburg war Teil einer geplanten Offensive der KPD, die aber abgesagt wurde. Diese Nachricht hatte aber Hamburg nicht erreicht. Die revolutionäre Epoche in Deutschland von 1918-23 endete mit diesem Aufstand in einer Farce.

Das Jahr 1923 war vor schweren wirtschaftlichen Problemen und einer Polarisierung zwischen der Rechten und Linken gezeichnet. Im Juni 1922 begann die große Inflation. Zu diesem Zeitpunkt war ein Dollar 300 Mark wert, sechs Monate später bereits 8000 Mark. Der internationale Wert der Mark wurde alle sechs Wochen halbiert. Als schließlich die Währung stabilisiert wurde, wurde der Kurs der neuen zur alten Mark auf eins zu 10 000 Milliarden Mark festgesetzt! Die Preise stiegen nicht ganz so stark, die Auswirkungen auf die Löhne und Ersparnisse waren trotzdem katastrophal. Den Bergarbeiter war es gelungen die Löhne 1920 von 60% auf 90% des Standes von 1914 zu heben, aber Ende 1922 war ihr Wert auf weniger der Hälfte von 1914 gesunken. Im Spätsommer wurde die Währung und damit die Löhne komplett entwertet. Für ein Kilo Brot, was 1913 0,29 Mark kostete, mußten im November 1923 428 Millionen Mark gezahlt werden. Der durchschnittliche Lohn betrug nur die Hälfte des Minimums für die Versorgung ein vierköpfigen Familie.

Die Inflation war kein Naturereignis, sondern ein Versuch der Großindustrie die Zugeständnisse an die Arbeiter nach der Novemberrevolution rückgängig zu machen und die Löhne drastisch zu senken, sowie der Versuch der rechten Regierung unter Cuno, die ab November 1922 im Amt war, die Verschuldung aus dem Ersten Weltkrieg durch Gelddrucken zu zahlen und die Reparationszahlung an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu verringern. Industrielle wie Stinnes nutzten die Inflation dazu zum Ausbau ihres Imperiums, in dem sie mit durch die Inflation billigen Krediten Firmen aufkauften.

Zu den Versuchen durch die Inflation die Reparationszahlung zu senken, stoppte die Regierung Cuno auch noch die Kohlelieferungen, ebenfalls ein Teil der Reparationen, an Frankreich. Cuno hoffte mit Hilfe der britischen und US-amerikanischen Regierung eine Reduzierung durchzusetzen. Die rechte französische Poincaré ließ darauf im Januar 1923 ihre Armee zusammen mit belgischen Truppen in das Ruhrgebiet einmarschieren um die Kohleförderung selbst unter Kontrolle zu nehmen. Diesen Einmarsch wiederum suchte Cuno zum Anstacheln einer nationalen Hysterie auszunutzen um den Widerstand gegen seine Politik zu schwächen. Sie rief zum passiven Widerstand auf, der aber nach anfänglichen Erfolgen bald zusammenfiel. Ein Grund war die internationale Solidaritätskampagne der Komintern, der KPD und der Kommunistischen Partei Frankreichs, die in Frankreich gegen die Besatzung Proteste organisierten und sich mit der Parole "Schlagt Poincaré an der Ruhr und Cuno an der Spree" gegen die Besatzung und die deutsche Regierung stellte. Der Hauptgrund für den Zusammenbruch des Widerstands war die Zusammenarbeit der Industriellen im Ruhrgebiet mit der französischen Besatzungsmacht, während gleichzeitig ab April die Inflation sich zu einer Hyperinflation verschlimmerte.

Wegen der Hyperinflation begann ausgehend vom Ruhrgebiet eine Welle von Streiks, die sich bis Anfang Juli 1923 auf ganz Deutschland ausweitete. Der KPD gelang es massiv an Einfluß zu gewinnen. Eine deutschlandweite Versammlung der Betriebsräte Ende 1922, die unabhängig vom Gewerkschaftsbund ADGB einberufen worden war und die von der KPD dominiert wurde, gewann an Bedeutung. Ein Teil der Gewerkschaften, z.B. die Metallarbeitergewerkschaft in Stuttgart oder die der Eisenbahner in Berlin und Leipzig, waren unter Kontrolle der KPD. Dazu hatte der Aufruf zur Bildung "proletarischer Hundertschaften", eine auf den Betrieben basierende Miliz gegen die Rechte, und der "Kontrolkomitees", in denen die Betriebsräte mit Arbeiterhausfrauen zusammen gegen die Preissteigerungen vorgingen, einigen Erfolg. Dazu gewann die KPD 70 000 neue Mitglieder hinzu und erreichte ihre größte Stärke in der Weimarer Republik. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland war der Meinung, dass es so nicht weiter gehen konnte. Nicht nur die Situation der Arbeiter verschlechterte sich, sondern auch große Teile der Mittelschichten verarmten. Die Hochburg der Linken waren Sachsen und Thüringen, wo linke SPD-Regierungen an der Macht waren.

Nicht nur die Kommunisten, sondern auch die extreme Rechte, wenn auch in einem geringeren Umfang, gewann an Unterstützung hinzu. Die Rechte war insbesondere in Bayern, wo sie sich während des Kapp-Putschs an die Regierung geputscht hatte, stark. Hier plante Hitler, der von der Reichswehr und der bayrischen Regierung protegiert wurde, einen Marsch nach Berlin nach dem Vorbild Mussolinis. Auf dem Weg wollte er die Linke in Sachsen und Thüringen angreifen.

Um gegen die Rechte vorzugehen, plante die KPD einen deutschlandweiten Antifaschistischen Tag am 29.Juli, wozu die anderen Arbeiterorganisationen aufgerufen wurden diesen zu unterstützen. Angesichts der frischen Erinnerungen an den Kapp-Putsch und des Versagen der Cuno-Regierung erschien ein rechter Putsch wahrscheinlich. Allerdings verbot die SPD-Regierung im größten Land Preußen die Demonstrationen an diesem Tag. Die KPD scheute die Kraftprobe und hielt lediglich Massenveranstaltungen ab, wobei in Berlin alleine 200 000 teilnahmen.

Im August erreichte die Hyperinflation einen Höhepunkt und die KPD-dominierte Bewegung der Betriebsräte rief am 11. August einen Generalstreik gegen die Regierung Cuno und ihre Wirtschaftspolitik und zur Bildung einer Arbeiterregierung auf. Der Streik war vor allem in Berlin erfolgreich, weniger in anderen Regionen, aber Cuno konnte zum Rücktritt gezwungen werden.

Statt der rechten Regierung Cunos wurde am 13. August eine große Koalition unter Stresemann aus DVP (rechts-konservative Partei der Großindustrie), Zentrum (katholisch), DDP (liberal) und SPD gebildet, wobei die vier SPD-Minister der Regierung ein "linken" Anstrich verleihen sollte. Allerdings beruhigte die Bildung der neuen Regierung die Lage nicht. Die SPD war tief gespalten. Während ein Teil die neue Regierung als "kleineres Übel" unterstützte, wollte ein anderer mit der KPD eine Arbeiterregierung bilden. Bei der Vertrauensabstimmung für die neue Stresemann-Regierung enthielten sich 53 der 171 SPD-Abgeordneten.

Die KPD wollte die gewonnene Unterstützung nutzen um gegen die Rechte in die Offensive zu gehen und die Betriebsräte zur Basis einer Räterepublik machen. Deshalb trat die KPD im Oktober 1923 in die Landesregierungen von Thüringen und Sachsen ein um Kontrolle über deren Waffenvorräte zu erlangen. Ein Generalstreik gegen den drohenden Einmarsch der Reichswehr in Sachsen und Thüringen um diese Regierungen zu stürzen, sollte das Signal für eine deutschlandweite Offensive gegen die Rechte und die Reichswehr werden.

Am 20. Oktober 1923 marschierte schließlich die Reichswehr in Sachsen und Thüringen ein, vermied es aber die SPD zu provozieren. Die SPD-Mehrheit in der Regierung stellte sich darauf gegen den Generalstreik und bewaffneten Widertand, was angesichts der Politik der SPD in den Jahren davor niemand hätte überraschen sollen. Die KPD-Führung um Heinrich Brandler aber blies den geplanten Generalstreik ab. Diese Nachricht erreichte Hamburg nicht, wo der isolierte Aufstand unweigerlich scheitern mußte. Die Reichswehr stürzte nach Absage des Streiks die Regierung Sachsens und Thüringens, wobei weder die KPD, noch die SPD Widerstand leisteten. Hitlers Putschversuch am 9. November 1923 in München scheiterte, weil er keine Unterstützung der Reichswehr gewinnen konnte, die der Meinung war, dass Hitlers Methoden nach der Niederlage der KPD nicht notwendig war. Jahre später in der Folge der Weltwirtschaftskrise sollte die Reichswehr und die Mehrheit der Großindustriellen aber Hitlers Dienste in Anspruch nehmen.

Die KPD vergab 1923 ihre beste Chance für eine sozialistische Revolution. Ihre früheren Fehler während des Spartakus-Aufstands 1919 und der Märzaktion 1921, als die KPD isoliert und ohne größere Unterstützung vorging, hatte die Führung zu vorsichtig gemacht. Da die KPD nicht handelte, wird es niemals festzustellen sein, wie groß das Ausmaß der Unterstützung wirklich war. Bei den nächsten Reichstagswahlen im Mai 1924 konnte zwar die KPD ihren Stimmenanteil von 2,1% bei den Wahlen 1920 auf 12,6% steigern. Allerdings hatte die KPD durch ihren Mißerfolg und Inaktivität zu diesem Zeitpunkt schon große Teile ihrer Unterstützung verloren. Der Deutsche Oktober war das Ende der revolutionären Epoche in Deutschland. Die Niederlage der KPD leitete ihre Stalinisierung ein, wodurch sie von einer revolutionären Partei zu einem Instrument der Außenpolitik Stalins degradiert wurde.

Auf die Ereignisse des Jahres 1923 folgte eine scheinbare Stabilisierung der Weimarer Republik, die Goldenen Zwanzinger, die aber 1929 ein jähes Ende haben sollten.

(von max)
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25. Oktober 1929:
Der "Schwarze Freitag" und die Weltwirtschaftskrise



An diesem Tag kamen die Goldenen Zwanziger Jahre zu einem abrupten Ende. Die US-Börse fiel an einem Tag um ein Drittel. Reiche Spekulanten verloren alles und auch viele Mittelständler verloren ihr erspartes. Es entwickelte sich die bis dahin schwerste Wirtschaftskrise im Kapitalismus. Die Krise zog sich über mehrere Jahre hin. In den USA gingen 5000 lokale Banken Pleite, in Deutschland und Österreich ging je eine Großbank. Zwischen 1929 und 1932 fiel die Industrieproduktion weltweit um 29%. Am stärksten waren die USA, Polen und Deutschland betroffen. In den USA fiel die Industrieproduktion bis 1932 um 46%, im gleichen Zeitraum wurde in Deutschland die Industrieproduktion auf die Hälfte reduziert, in der Schwerindustrie fiel die Produktion sogar auf ein Drittel der Standes von 1928. Die Summe der Investitionen betrug 1932 nur ein Sechstel der Summe von 1928. Nach offiziellen Angaben waren 5,6 Millionen arbeitslos, was 30% der Arbeiterschaft entspricht. Es gibt Schätzungen, dass tatsächlich um die 10 Millionen arbeitslos wurden. In den USA war ebenfalls mindestens ein Drittel der Arbeiterschaft arbeitslos, in Großbritannien ein Fünftel. Nicht nur die Industriearbeiter waren betroffen, sondern große Teile der Menschen, die sich zu den Mittelschichten zählten, verarmten. Anpreisungen der Börse, wie von John J. Raskop, der in dem Artikel "Everybody Ought to be Rich" einen Plan entwarf, wie die Armen an der Börse reich werden könnten, entlarvten sich als lächerlich.

In den Jahren vor 1929 stieg die Produktivität insbesondere in Deutschland und den USA stark, wobei große Überkapazitäten aufgebaut wurden. Die deutschen Stahlwerke waren z.B. 1925 nur zu 60% ausgelastet. Der Anstieg der Produktivität hatte 1929 bereits eine Million Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet.

Ab 1925 stiegen die Aktienkurse auf den weltweiten Börsen massiv, was die hohen Profite in der Industrie widerspiegelte. Allerdings haben die Börsen die Tendenz die wirtschaftliche Entwicklung sowohl in der Aufwärts-, als auch in der Abwärtsentwicklung zu verstärken. Ende der 20er Jahre entwickelte sich so eine gewaltige Seifenblase, das Kurs-Gewinn-Verhältnis erreichte im September 1929 den Spitzenwert von 32,6. Die Aktien waren also massiv überbewertet. Als die konjunkturelle Entwicklung sich 1929 deutlich abschwächte und die Überkapazitäten der Konzerne deutlich wurde, löste dies Panik an den Börsen und massive Kursstürze aus.

Der Kauf der Aktien war oft durch Kredite finanziert. Um diese zurückzahlen zu können, verkauften Anleger ihre Aktien, worauf der Preisverfall dieser verstärkt wurde. Dadurch wurde der Finanzsektor nahe an den Kollaps gebracht. Durch die Reduzierung der Zahl der Banken und der damit verbundenen Zunahme der Größe der einzelnen Banken im scharfen Konkurrenzkampf in den Jahren zuvor, bedeute der Kollaps einer dieser Großbanken, dass eine Welle von anderen Unternehmen mit in den Konkurs gerissen wurden. Dies war die Ursache, warum die Krise, die 1929 begonnen hatte, 1931 immer noch keiner Erholung entgegenging, sondern sich statt dessen vertiefte, von einem Sektor des Kapitals auf den anderen übergriff und erst dann ein Ende fand, als Staaten intervenierten, um zu Beginn des Zweiten Weltkriegs eine Kriegswirtschaft aufzubauen.

Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise gingen die meisten Staaten zum Protektionismus und deflationärer Politik über, wodurch die Krise noch verschärft wurde. Mit Schutzzölle, Importquote und Abwertung ihrer Währungen versuchten die Regierungen die Konkurrenzfähigkeit ihrer Konzerne zu erhöhen. Der Welthandel, der im Vergleich zu der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nur relativ schwach gewachsen war, brach auf ein Drittel des schon geringen Standes von 1928 ein.

Die Wirtschaftskrise zerschlug die Illusionen der Liberalen und Sozialdemokraten. In Deutschland hatte der führende Wirtschaftstheoretiker der SPD, Rudolf Hilferding, angenommen, dass mit dem "Organisierten Kapitalismus", also durch Bildung von Großkonzernen und Kartellen, die Konkurrenz und Anarchie des Kapitalismus und damit seinen Krisen überwunden wären. Er sah ihn diese Entwicklung hin zu Monopolen sogar einen Schritt in Richtung Sozialismus.

Das Ende der sozialdemokratischen und liberalen Illusionen von einem stabilen Kapitalismus und das Scheitern der Sparpolitik bei der Bekämpfung der Krise, wie z.B. in Deutschland unter Brüning, bewirkte in vielen Ländern eine Radikalisierung. In Spanien wurde 1931 die Monarchie gestürzt und 1936 gelang eine Volksfront unter Beteiligung der Linken an die Macht, was wiederum einen faschistischen Putsch unter Franco auslöste (siehe hier). Im gleichen Jahr kam auch eine Volksfront in Frankreich auf einer Welle von Streiks an die Macht, während in den USA die Arbeiter sich das Recht auf Gewerkschaften erkämpfen konnten.

In Deutschland, was von der Krise durch den Rückzug von US-amerikanischen Kredite besonders stark betroffen war, gipfelte die Wirtschaftskrise in der ultimativen Barbarei ausgerüstet mit modernster Technik: der Nazi-Herrschaft und dem Holocaust (siehe auch hier).

(von max)
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24. Dezember 1814:
Friedensvertrag zwischen den USA und Großbritannien über den "Krieg von 1812"



In Gent, Belgien, unterzeichen Vertreter der Vereinigten Staaten und der britischen Krone einen Friedensvertrag, der den 1812 begonnenen Krieg zwischen den beiden Ländern beendet. Sämtliche eroberten Territorien werden zurückgegeben, und Pläne zur Festlegung der Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada gemacht.

Die USA hatte im Juni 1812 Großbritannien aus drei maßgeblichen Gründen den Krieg erklärt: Der US-Händler treffende britische Handelsboykott gegen das napoleonische Frankreich, die Pressung tausender amerikanischer Seeleute in die britische Navy, und die britische Unterstützung für den Siedlern feindlich gesonnene Indianerstämme im Gebiet der Großen Seen. Eine hauptsächlich aus Abgeordneten aus dem Westen und Süden bestehende Fraktion des Kongresses hatte diesen Schritt schon seit Jahren gefordert. Die als „War Hawks“ bekannten Politiker erhofften sich von einem Krieg mit dem mit Frankreich beschäftigten England territoriale Gewinne in Kanada und dem britischen Florida.
In den Monaten nach der Kriegserklärung begannen US-Streitkräfte drei Invasionsversuche in Kanada, die jedoch alle zurückgeschlagen wurden. Auf See war die junge US-Navy erfolgreicher: Die USS Constitution und andere amerikanische Fregatten errangen eine Reihe von Siegen über die stolze britische Seestreitmacht. Nach der Niederlage Napoleons in Europa 1814 waren die Briten jedoch in der Lage, größere militärische Ressourcen gegen die USA aufzubringen. Im August fiel Washington D.C., und britische Truppen brandschatzten das Weiße Haus, das Kapitol und andere Gebäude als Vergeltung für ähnliche Aktionen der US-Streitkräfte in Kanada. Die Briten mussten sich jedoch bald darauf zurückziehen, und das Schlachtenglück wendete sich wieder den Amerikanern zu: Am 11. September erlangte die amerikanische Navy unter Thomas Macdonough einen entscheidenden Sieg bei der Seeschlacht von Plattburg Bay auf dem Champlain-See. Eine starke britische Streitmacht unter Sir George Prevost musste gleichzeitig eine Invasion im Nordosten abrechen und sich nach Kanada zurückziehen.

Dies führte zur Aufnahme von Friedensverhandlungen in Belgien, und zum Friedensvertrag von Gent. Dieser Vertrag öffnete die Region der Großen Seen für die amerikanische Expansion, drängte die Briten auf dem amerikanischen Kontinent weiter zurück und wurde in Amerika als großer diplomatischer Sieg gefeiert. Die Überbringung der Vertragsergebnisse über den Atlantik dauerte fast zwei Monate – britische Soldaten führten in dieser Zeit die Kampfhandlungen fort und erfuhren beim Angriff auf New Orleans im Januar 1815 die erbittertst Niederlage des ganzen Krieges gegen eine US-Streitmacht unter Gen. Andrew Jackson. Die amerikanische Öffentlichkeit erfuhr nahezu zeitgleich von diesem Sieg und dem Vertragsschluß in Belgien – was unter dem Eindruck einer Kausalität das Selbstbewusstsein und den Expansionsdrang der jungen Republik weiter beflügelte.
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12. Januar 1904:
Der Hereroaufstand in Deutsch-Südwestafrika


Gefangene Herero werden gehängt

Vor 100 Jahren begann der Aufstand der Hereros (Ovaherero) in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, gegen die deutsche Kolonialherrschaft. Es kam zu Angriffen auf Polizeistationen, Stützpunkte der deutschen Kolonialtruppen ('Schutztruppe') und Siedlungen, Läden und Farmen, wobei 123 Deutsche umgebracht wurden. Die deutschen Truppen erlitten Anfangs mehrere Niederlagen. Daraufhin wurden die deutschen Truppen massiv verstärkt, die den Aufstand brutal unterdrückten. Von den ursprünglich ca. 80 000 Hereros überlebten innerhalb der deutschen Kolonien ca. 15 000, weshalb die Reaktion der deutschen Truppen auf den Aufstand als Völkermord charakterisiert werden muß. Auch bei dem folgenden Aufstand der Hottentoten (Nama) wurden die Hälfte der Aufständischen (ca. 10 000) umgebracht.

Die Wirtschaftskrise in den 1870ern bewirkte eine verstärkten Kapitalexport und einen Aufschwung des Kolonialismus. Die Eroberung von Kolonien wurde als Möglichkeit gesehen die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Das heutige Namibia wurden im Rahmen der Aufteilung Afrikas unter den Großmächten von Deutschland besetzt. Erste private Erwerbungen in den Jahren 1882 und 1883 wurden schließlich unter staatlichen Schutz gestellt und aus ihnen die Kolonie Deutsch-Südwestafrika aufgebaut. Der erste Reichskommissar war Heinrich Göring, der Vater des Nazi-Reichsfeldmarschals Hermann Göring.

Die deutschem Kolonien waren wirtschaftlich relativ unbedeutend, die deutsche Konzerne investierten z.B. stärker in britischen, als in deutschen Kolonien. Die wichtigsten Exportgüter aus Deutsch-Südwestafrika waren Diamanten, Kupfer, Wolle, Häute, Felle und Fleisch. Auch wanderten relativ wenig Deutsche in die Kolonien aus. Bis zum Ersten Weltkrieg waren es nur 23 000 Siedler, während im Vergleich von 1887 bis 1906 eine Million Deutsche in die USA auswanderten. Aber die Eroberung war ein Teil des Versuchs Deutschland zur Weltmacht zu machen. Die Kolonien waren neben der Funktion als Rohstofflieferanten und Absatzmärkte, hauptsächlich Handels- und Militärstützpunkte.

Neben diese wirtschaftlichen und geopolitischen Gründen für die Eroberung der Kolonien, gab es noch ideologische. Die rechten bürgerlichen Partei vertraten die Ansicht, dass es die Aufgabe der weißen Rasse sei, die Welt zu führen und zu zivilisieren.

Vor der deutschen Besetzung lebten mehrere halbnomadische Völker, die hauptsächlich von Viehzucht lebten, auf diesen Gebiet: u.a. die Hereros (Ovaherero), die Hottentotten (Nama) und die Bondelzwarts. Diese kämpften untereinander um die besten Weidegebiete. Die Herrschaft Deutschlands über Südwestafrika wurde mit einem "Teile und Herrsche"-Ansatz aufrechterhalten. Mit einzelnen Häuptlingen wurden Schutzverträge ausgehandelt und deren Truppen zur Unterdrückung der anderen Völker verwendet. Neben einer Polizeitruppe bildete die 'Schutztruppe' die militärische Basis für das Kolonialregime (in einem bemerkenswerten Anfall von Ehrlichkeit erhielten die heutigen deutschen Truppen in Afghanistan den gleichen Namen wie die Kolonialtruppe im Kaiserreich).

Gegen das deutsche Kolonialregime gab es zahlreiche Aufstände. Vor dem Hereroaufstand von 1904 gab es den Aufstand der Hottentoten unter Hendrik Witbooi 1893/94. Dazu gab es in den Jahren 1896 bis 1898 gab es mehrere kleinere Aufstände der Hereros und der Hottentoten. 1903 gab es im Süden der Kolonie einen Aufstand der Bondelzwarts, der ein Teil der Schutztruppe zu Beginn des Hereroaufstands band.

Die Ursachen des Hereroaufstand waren der Raub von Land für den Eisenbahnbau (eine 20 km breite Trasse wurden beschlagnahmt) für Aufbau der Kupferminen und für deutsche Siedler. Dazu kam, dass der Verkauf von Waren mit Krediten erfolgte, die mit Vieh zurückgezahlt werden mussten. Dabei wurden die Preise mit Hilfe der militärischen Überlegenheit der Siedler gewaltsam ungünstig angesetzt, was für die Hereros einen Verlust der Hälfte der Viehbestände bedeutete. Dazu kamen zahlreiche Mißhandlungen und Vergewaltigungen durch die Siedler, die von der Justiz kaum geahndet wurden. Bezeichnend für die Ungleichbehandlung durch die Justiz sind die Urteile bei Morden. Von 1894-1905 wurden sechs "Weiße" von "Schwarzen" ermordet. Es ergingen 15 Todesurteile! Fünf "Schwarze" wurden von "Weißen" ermordet. Die Mörder kamen mit Gefängnisstrafen von zwischen drei Monaten bis zu fünfeinhalb Jahren davon!

Als Reaktion befahl der Häuptling der Hereros Samuel Maherero am 11.1.1904 den Aufstand, der dann am 12.1.begann. Der Aufstand war relativ unorganisierte und unkoordinierte und brach in den verschieden Teilen im Norden Südwestafrikas verschiedenen Zeiten aus, so in Okahandja am 12.01., in Omaruru am 17.01. und in Otjimbingwe erst am 23.01.


Schutztruppen-General Lothar von Trotha
Der Gouverneur Theodor Gotthilf Leutwein, der eine Verhandlungslösung anstrebte, wurde bald als militärischer Oberbefehlshaber abgesetzt und durch General Lothar von Trotha ersetzt, der sich bereits bei der Niederschlagung der Wahehe in Ostafrika und bei der Niederschlagung des Boxeraufstands (siehe 07 September 1901: Die Unterzeichnung des Boxer-Protokolls und die internationale Intervention in China) den Beinamen "der Schlächter" verdient hatte. Die deutschen Truppen wurden von ca. 800 auf 14 000 verstärkt, von denen 1500 umkommen (die Mehrheit starb an Krankheiten). Die Kosten für den Vernichtungskrieg gegen die Hereros betrugen 585 Millionen Goldmark.

Durch die technische Überlegenheit (z.B. Artillerie, Maschinengewehre) zwangen die deutschen Truppen die Hereros zum Rückzug zum Waterberg, einem Hochplateau etwa 250 km nördlich von Windhuk. Dort wurden die Hereros am 11. August einkesselt. Beide Seiten erlitten während dieser Gefechte schwere Verluste. Einem Großteil der Herero gelang am 12.8. der Ausbruch. Ohne Wasser- und Lebensmittelvorräte versuchten sie durch die wasserlose Region Omaheke auf britisches Gebiet (Betschuanaland) zu entkommen. Die Mehrheit verdurstete und verhungerte. Nur wenigen gelang es jedoch, die Wüste auch zu durchqueren. Die Schutztruppe versperrte die Rückkehr und jagte mit einzelnen Patrouillen die Überlebenden, die entweder sofort umgebracht oder als Zwangsarbeiter verschleppt wurden.

Das deutsche Generalsstabswerk schrieb über die Situation vor
dem Ausbruch:
Zitat:
Sollten die Hereros indessen versuchen, hier durchzubrechen, so müsste ein solcher Ausgang der deutschen Führung um so erwünschter sein, als dann der Feind freiwillig in sein Verderben rannte.
und später:
[quote]Diese kühne Unternehmung zeigt die rücksichtslose Energie der deutschen Führung bei der Verfolgung des geschlagenen Feindes in glänzendem Lichte. Keine Mühen, keine Entbehrungen wurden gescheut, um dem Feinde den letzten Rest seiner Widerstandsfähigkeit zu rauben: wie ein halb zu Tode gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis er schließlich willenlos ein Opfer der Natur seines eigenen Landes wurde. Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: die Vernichtung des Hererovolkes[/url]
Nach der Darstellung des deutschen Generalstabs war es also der Plan die Hereros zu vernichten, in dem sie in die Omaheke gejagt wurden. Es gibt auch (rechte) Historiker, die diese "Omahekelegende" anzweifeln und den Völkermord als normalen Kolonialkrieg rechtfertigen. Es spielt aber eigentlich keine Rolle, ob es geplant war die Hereros in die Omaheke zu treiben und dort verdursten zu lassen oder ob die Hereros verzweifelt in diese flüchteten. Der deutsche Kriegsführung hatte auf jeden Fall die Vernichtung der Hereros als Ziel. Deutlich wird dies in den Äußerungen des deutschen militärischen Oberbefehlshaber von Trotha. Dieser schrieb am 2.10.1904 in einer Proklamation an die Herero:
[quote][...]Innerhalb der Deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück, oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers.[/url]
In einem Rapport an den Generalstab vom 4. Oktober 1904, der vom Chef des Generalstabes auch gebilligt wurde, formuliert von Trotha sein weiterreichendes Ziel:
Zitat:
Meine genaue Kenntnis so vieler zentralafrikanischer Stämme, Bantu und anderer, hat mir überall die überzeugende Notwendigkeit vor Augen geführt, dass sich der Neger keinem Vertrag, sondern nur der rohen Gewalt beugt. Deshalb halte ich es für richtiger, dass die Nation in sich untergeht, und nicht noch unsere Soldaten infiziert und an Wasser und Nahrungsmitteln beeinträchtigt. Außerdem würde irgendeine Milde von meiner Seite von Seiten der Herero nur als Schwäche aufgefasst werden. Sie müssen jetzt im Sandfeld untergehen oder über die Betschuanagrenze zu gehen trachten. Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes, den ich schon 1897 in meinem Bericht an den Reichskanzler für Ostafrika vorausgesagt habe.
Bundesarchiv Potsdam, Akten des Reichskolonialamtes 10.01 2089 Bl. 5/6
In Teilen der politischen Führung in Deutschland und Südwestafrika gab es Bedenken wegen von Trothas Vernichtungskrieg. Diese Bedenken waren aber weniger humanitär, sondern ökonomisch. Sie waren der Meinung, dass die Hereros als Arbeitskräfte noch notwendig wären. Nach einer erfolgreichen Intervention beim Kaiser ließ der Reichskanzler Fürst von Bülow General von Trotha in einem Schreiben vom 11. Dezember 1904 anweisen, "Konzentrationslager für die einstweilige Unterbringung und Unterhaltung der Reste des Hererovolkes" einzurichten. Die Überlebenden wurden in Konzentrationslagern an der kalten und feuchten Atlantikküste interniert, wo sie zu Tausenden starben. 1906 lebten von den in früheren Jahren auf etwa 80000 geschätzten Herero noch etwas 15000. Etwa 80% der Hererobevölkerung fielen der deutschen Kriegführung zum Opfer. Dies ist die Bilanz des ersten deutschen Vernichtungskrieges.

1907 wurde General von Trotha durch Gouverneur Friedrich von Lindequist ersetzt. Dieser ließ im Frühjahr 1908 die letzten Konzentrationslager öffnen und legte mit einer neuen "Eingeborenenverordnung" die Zukunft der Herero fest. Die Rindernomaden sollten in eine anonyme Masse von "freien Lohnarbeitern" verwandelt werden. Dafür wurden ihnen systematisch die Rechte geraubt. Der afrikanischen Bevölkerung wurden Reservate aufgrund ihrer "Stammeszugehörigkeit" zugewiesen - gerade einmal 60000 qkm von 835000 qkm Landesfläche. Den Hereros wurde der Besitz von Land und Vieh, sowie die gemeinsame Ansiedlung von mehr als zehn Familien verboten. Kriegsgefangenen Herero wurden zur Zwangsarbeit gezwungen, wobei die OMEG, ein Kupferbergbaukonzern, gegenüber anderen Unternehmen bevorzugt wurde. Anfang April 1906 standen 900 Männer, 700 Frauen und 620 Kinder als Zwangsarbeiter im Dienst der OMEG. Insgesamt waren die Arbeitsbedingungen katastrophal. Z.B. auf den Diamantfeldern bei Lüderitzbucht gab es eine jährliche Sterberate von durchschnittlich 15 Prozent, in einzelnen Fällen sogar bis zu 50 und 70 Prozent.

Angesichts der Brutalität der Deutschen schlossen sich die Hottentoten unter Hendrik Witbooi am 3.10.1904 auch zum Aufstand, nach dem sie anfangs noch Truppen den Deutschen zur Verfügung stellten. Der neue Krieg im Süden unterscheidet sich ganz wesentlich von dem Krieg im Norden. Während die Hereros sich immer wieder den Deutschen stellten und schließlich in der entscheidenden Schlacht am Waterberg vernichtend geschlagen wurden, stellen sich die Nama-Truppen im Süden nicht zu einem entscheidenden Gefecht, sondern verwickeln die Deutschen in einen endlosen Kleinkrieg mit über 200 Gefechten, wurden aber letztendlich auch geschlagen.

In Deutschland gab es gegen die Kolonialpolitik hauptsächlich Widerstand von Seiten des Zentrums und der SPD. August Bebel, der Vorsitzende der damals noch marxistischen SPD, verurteilte in einer Rede im Reichstag den Vernichtungskrieg gegen die Hereros:
Zitat:
Meine Herren, dieser Krieg ist auch von unserer Seite mit großer Rücksichtslosigkeit geführt worden. Es ist erklärt worden, die Eingeboren müßten vernichtet werden - nicht nur die waffentragenden Männer, auch Frauen und Kinder. [...] Nun sagt man - 'Ja, aber die Greueltaten der Eingeborenen!' - Diese Greueltaten leugnet niemand. Aber erst durch die Greueltaten von unserer Seite [...] ist das Volk der Eingeborenen zum Äußersten getrieben worden und hat seinerseits mit Greueltaten geantwortet! [...] Wenn es einmal vor der Geschichte ein Abwägen von Schuld und weniger Schuld gibt, dann kann es keinen Zweifel bestehen, daß das größere Maß Schuld auf unserer Seite ist. [...] Die gewaltigen Mittel, die das Reich bisher nach den Kolonien geworfen hat, sind in Wahrheit ausschließlich den großkapitalistischen Gesellschaften zugute gekommen, die dort Profite machen wollen.
Im Schatten des Nationalsozialismus und unter betreiben reaktionärer Kolonialromantiker ist der Völkermord an den Herero in Deutschland lange Zeit fast vollständig in Vergessenheit geraten. Zum Jahrestag ist er momentan wieder in den Medien, da nach jahrelangen Bemühungen um eine offizielle deutsche Entschuldigung und Wiedergutmachung die Herero nunmehr ihre Rechte einklagen wollen. Verklagt wurdenvor einem amerikanischem Gericht sowohl die deutsche Regierung (die Klage ist im Moment allerdings ausgesetzt) als auch drei deutsche, früher in Südwest-Afrika engagierte, Firmen, allen voran die Deutsche Bank. Die Bundesrepublik weist die Forderungen der Herero seit jeher zurück - zu mehr als der Anerkennung einer "besonderen Beziehung aufgrund unserer Verantwortung für die Kolonialgeschichte" (Außenminister Fischer) und dem Verweis auf besonders hohe Entwicklungshilfe hat es bisher nicht gereicht. Eine offizielle Entschuldigung - wie in den Fällen Polens, Russlands oder Israels geschehen - wird mit der Begründung verweigert, diese könnte "entschädigungsrelevant" werden. Der Eindruck drängt sich auf, die Wiedergutmachungsbereitschaft könnte abhängig von der Prominenz und Organisation der jeweiligen Opfergruppe sein.

(von max, letzter Absatz von Jack Crow)


17. April 1979:
Die erste reguläre Ausgabe der "tageszeitung" erscheint





"Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie", schrieb die "tageszeitung" in ihrer ersten täglichen Nummer - am 17. April 1979. Wer hätte schon gedacht, dass sich ein Blatt über längere Zeit am Markt halten würde, das sich heute wie damals als "links, respektlos und konzernunabhängig" definiert. Die taz warf sich wider die Mächtigen, für die Andersdenkenden auf den Markt - und ist seither so oft tot gesagt worden, dass es schon fast wie ein Stehsatz klingt. Der Grünen-Abgeordnete und taz-Mitbegründer Hans-Christian Ströbele hält das hartnäckige Überleben der Zeitung für das "größte Wunder" - die Leute, die das Blatt am Anfang täglich im Berliner Arbeiterviertel Wedding machten, hätten weder von Finanzen noch vom Zeitungmachen eine Ahnung gehabt, meint er.

Von Anfang an verstand sich die taz nicht als wirtschaftliches Unternehmen, sondern als alternatives Projekt, inzwischen ist sie - seit 1992 - genossenschaftlich organisiert und wird von mehr als 5000 Lesern, Mitarbeitern und Förderern erhalten. Um weitere Unterstützung wird auch auf der Web-Site geworben: "Wer hier mitmacht, findet eine politische Rendite wichtiger als finanzielle Gewinne." So muss es wohl auch sein, schrammte das alternative Blatt mit der Tatze als Logo doch mehr als einmal am finanziellen Ruin vorbei. Ende 1991 etwa wurde allen Mitarbeitern gekündigt - weil die Auflage auf 60.000 Stück gesunken war und viele der Redakteure das Modell der Selbstverwaltung mit niedrigem Einheitslohn für überholt hielten. Der ist inzwischen abgeschafft, Chefredakteurin Bascha Mika meint aber: "Wir können uns nie zurücklehnen." Müsste sie den Redakteuren anständige Gehälter zahlen, wäre man pleite. Inzwischen liegt die Auflage konstant bei knapp unter 50.000 Stück, auch wenn regelmäßige - meist höchst originelle - Rettungskampagnen versuchen, diese Marke zu knacken.

So kämpferisch wie einst klingt die taz inzwischen nicht mehr. Manche meinen sogar, sie sei ein wenig langweilig geworden, seit ihr nur noch ein Hauch von Anarchie anhafte. "Die Zeitung wird heute viel professioneller gemacht, die Zeiten der heftigen ideologischen und politischen Debatten sind vorbei", meint taz-Gründungsmitglied Michael Sontheimer ("Spiegel"). Die taz, das späte Kind der 68-er Generation, ist salonfähig geworden. Geblieben ist allerdings der besondere Humor der Zeitung, zu sehen in den Schlagzeilen - heute etwa: "Welteke wird abgetreten" - und verkörpert in der Satire-Seite "die Wahrheit".

Auch die heutige Jubiläumsausgabe ist wieder ein Highlight: Eine im komplett neuen Layout gestaltete Sonderausgabe feiert bereits den 50. Geburtstag - im Jahre 2029...

Eine Fotostrecke gibt es hier
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Wir haben uns vor Gott und unserem Gewissen geprüft, es muss geschehen, denn dieser Mann ist das Böse an sich.“
(Claus Schenk Graf von Stauffenberg)




Der 20. Juli 1944 ist zum Innbegriff und Symbol des deutschen Widerstandes gegen die Diktatur des Nationalsozialismus und die Schreckensherrschaft Adolf Hitlers geworden. Er ging als "Aufstand des Gewissens" in die Geschichte ein. 60 Jahre nach der Tat gelten Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitstreiter als deutsche Vorbilder.
Die Ereignisse vom 20. Juli 1944 bilden den umfangreichsten Widerstand von Deutschen gegen das Regime Adolf Hitlers in der Zeit des Nationalsozialismus . Die Beteiligten der Verschwörung stammen aus vielen Schichten der Bevölkerung und hatten vielfältige Kontakte zum Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke . Unter den 200 nach der Erhebung Hingerichteten sind 19 Generäle, 26 Obersten, zwei Botschafter, sieben Diplomaten, ein Minister, drei Staatssekretäre sowie der Chef der Reichskriminalpolizei; des weiteren mehrere Oberpräsidenten, Polizeipräsidenten und Regierungspräsidenten. Zum Ausgangspunkt des Machtwechsels wurde ein Attentat auf Hitler gemacht. Die von Claus Schenk von Stauffenberg platzierte Bombe tötete Hitler jedoch nicht. Diese Tatsache brachte den gesamten Plan zum Scheitern.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg, geb. 15.11.1907 in Jettingen/Schwaben. Seine Eltern waren der letzte Oberhofmarschall des Königs von Württemberg, Alfred Schenk Graf von Stauffenberg und Caroline geb. von Üxküll-Gyllenband. Seine Kindheit verbrachte er zusammen mit seinen Brüdern Berthold und Alexander vor allem in der Landeshauptstadt Stuttgart. Berufssoldat. Stauffenberg begann sich nach der Reichspogromnacht 1938 von der nationalsozialistischen Staatsführung zu distanzieren und wurde wegen der Deportation der Juden, der brutalen Besatzungspolitik während des Krieges aber auch wegen der unsachgemäßen militärischen Führung entschiedener Gegner der Nazis und schloss sich dem militärischen Widerstand an. Er trat als treibende Kraft für die Tötung Hitlers ein. 1943 wurde er in Afrika schwer verwundet. Verlust des linken Auges, der rechten Hand und zweier Finger der linken Hand. Zuletzt Oberst im Oberkommando des Heimat-Heeres, Berlin, Bendlerblock. Am 1. Juli 1944 wurde er Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres (BdE). Damit hatte er alle Möglichkeiten, die für den Fall innerer Unruhen vorbereitete Aktion "Walküre" auszulösen. Stauffenberg erarbeitete gemeinsam mit General Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Henning von Tresckow den Operationsplan "Walküre".


Vorgeschichte

Schon 1938 regte sich erster Widerstand in den Kreisen der Offiziere der Wehrmacht gegen die Kriegsvorbereitungen der regierenden Nationalsozialisten. Anlass war die Entlassung des Reichskriegsministers General Werner von Blomberg und die Affäre um Werner von Fritsch im Frühjahr. Dies nutzte Adolf Hitler zur Entmachtung der Wehrmachtsführung und zur gezielten Vorbereitung eines Krieges. Im Herbst trat der Chef des Generalstabes der Wehrmacht Generaloberst Ludwig Beck angesichts der sich ankündigenden Sudetenkrise zurück. Beck hatte von Adolf Hitler Aufklärung über dessen außenpolitische Ziele verlangt. Der Weg war frei für das Besetzen wichtiger Positionen mit Hitler ergebenen Admiralen und Generalen.
Georg Elser, ein Schreiner aus Heidenheim an der Brenz baut eine Bombe, mit der er versucht Hitler 1939 zu töten. Georg Elser wusste, dass Hitler am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller zum Gedenken an den Hitlerputsch vom 9.11.1923 eine Rede halten wird. Er ließ sich in den Bürgerbräukeller einschließen und innerhalb eines Monats höhlt er eine Säule aus um dort eine Bombe einzubauen. Die Bombe explodierte wie geplant, 60 Menschen wurden verletzt, 6 getötet - nur, Hitler war schon weg und unterwegs nach Berlin.
Georg Elser wurde beim Versuch über die grüne Grenze in die Schweiz zu flüchten festgenommen. Er gesteht im Verhör die Tat und wird Sonderhäftling im Konzentrationslager Sachsenhausen. 1945 kam er ins KZ Dachau, wo ihn Himmler am 9. April 1945 ermorden ließ.
Mehrere andere Versuche, Hitler zu beseitigen, schlugen fehl: 1943 versuchte der Offizier Henning von Tresckow , Hitler durch eine Sprengladung in dessen Flugzeug zu töten, der Zünder war jedoch defekt. Tresckow war auch der eigentlich Kopf der Verschwörung des 20.Juli, wurde jedoch kurz zuvor an die Ostfront versetzt.
Im Juli 1944 gab es seitens Stauffenbergs mehrere Versuche, das Attentat auszuführen. Es wurde jedoch mehrmals verschoben, da entweder Reichsmarschall Hermann Göring oder Heinrich Himmler (Reichsführer der SS) nicht anwesend waren.
Widerstand gegen Hitler leistete der "Kreisauer Kreis" ebenso wie die "Weiße Rose", das "Nationalkomitee Freies Deutschland" und der "Bund Deutscher Offiziere"; der einsame Attentäter Georg Elser wie der katholische Priester (später Kardinal) von Galen und Dietrich Bonhoeffer. Widerstand gegen Hitler - das war der Aufstand im Warschauer Ghetto ebenso wie der Kampf gegen den Diktator durch jene, die sich ausländischen Widerstandsbewegungen angeschlossen haben.
Doch keiner dieser Anschläge bzw. Aufstände war so nah dran erfolgreich zu sein, wie der des 20.Juli. Wäre Hitler bei diesem Attentat umgekommen, wäre der Staatsstreich mit hoher Wahrscheinlichkeit geglückt. Einige Hundert Militärs (wie der ehemalige Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck), Diplomaten (wie der langjährige Botschafter in Rom, Ulrich von Hassell), Verwaltungsexperten (wie der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister, Carl Friedrich Goerdeler), Sozialdemokraten (wie Julius Leber) und Gewerkschaftsführer (wie Jakob Kaiser, später Mitbegründer der CDU) standen zum Machtwechsel bereit. Stauffenberg selber sollte Staatssekretär in einem Kriegsministerium werden.
Neben dem Attentat selbst sollte der geheime Operationsplan „Walküre“ den Umsturz garantieren. Operation Walküre war ein von General Olbricht entwickelter Aufstandsbekämpfungsplan. Mitte des Jahres 1944 befanden sich etwa 7 Millionen Fremd- und Zwangsarbeiter auf deutschen Boden. Ein Aufstand hätte eine ernste Gefahr für die inner Sicherheit des Reiches bedeutet, darüber hinaus arbeitete die Mehrheit von ihnen in Rüstungsbetrieben und sicherte dadurch den deutschen Nachschub. Dass solche Ängste vonseiten der NS-Führung keineswegs unbegründet waren, zeigte der Aufstand im Warschauer Ghetto, der nur mit der äußersten Härte und Brutalität durch die SS niedergeschlagen wurde. Die Pläne der Operation Walküre sahen vor, dass im Falle eines Aufstandes das von General Fromm geführte Ersatzheer, welches sich aus Wehmachtseinheiten, die sich im Reich aufhielten, zusammensetzte, diesen Aufstand niederschlägt. Mit leichten Abänderungen, jedoch, war Operation Walküre ein hervorragender Plan zur Umsetzung eines Putsches. Tresckow und Stauffenberg überarbeiteten daraufhin Operation Walküre entsprechend für ihre Zwecke des Umsturzes.

Der 20. Juli 1944

20. Juli, ca. 7.00 Uhr: Stauffenberg fliegt gemeinsam mit seinem Adjutanten Werner von Haeften von Berlin zum Führerhauptquartier "Wolfsschanze" (Rastenburg).

10.15 Uhr: Oberst Graf von Stauffenberg trifft mit von Haeften im Führerhauptquartier . ein. Frühstück im Teehaus mit Rittmeister von Möllendorf (Adjutant des Lager Kdt., Oberstleutnant Streve). Aussprache mit General Fellgiebel (Chef der Wehrmacht. Nachr. Wesens) im Nachrichtenbunker. Dienstliche Unterredung mit General Buhle (Chef des Heeresstabes bei IOKW) und Generalleutnant von Thadden (Chef des Stabes beim Wehrkreisbefehlshaber I).

11.30 Uhr: Stauffenberg und von Haeften gelingt es nur, einen der beiden vorgesehenen Sprengsätze scharf zu machen.

12.35 Uhr: Stauffenberg betritt den Besprechungsraum. Das Gedränge verhindert, die Tasche mit dem Sprengstoff unmittelbar neben Hitler zu deponieren. Stauffenberg verlässt unter dem Vorwand, telefonieren zu müssen, den Raum, nachdem er seine Aktentasche in die Nähe Hitlers rechts neben Oberst Brand am Tischende abgestellt hat. General Schmundt oder Oberst Brandt (K. Adm. Voss) schiebt die Tasche auf die Hitler abgewandte Seite des die Eichenplatte tragenden Sockels des großen Kartentisches (neben den Stenografen Berger).

12.42 Uhr: Die Sprengladung detoniert in dem mit 24 Personen besetzten Raum. Vier Personen werden getötet, fast alle Anwesenden werden verletzt. Hitler befindet sich unter den 20 Überlebenden. Erich Fellgiebel (1886-1944) lässt an die Mitverschwörer in Berlin weiterleiten: "Es ist etwas Furchtbares geschehen: der Führer lebt!".

12.43 Uhr: Der wachhabende Leutnant der Wache 1 ordnet Sperre an. Schließung des Sperrkreises A durch den wachhabenden Leutnant.

12.44 Uhr: Stauffenberg und von Haeften passieren die Wache des Sperrkreises A.

12.45 Uhr: Auslösung des Alarms für beide Sperrkreises.
Stauffenberg wird an der "Außenwache" Süd durch Fw. Kolbe aufgehalten, erhält aber von Rittmeister von Möllendorf telefonisch die Erlaubnis zu passieren. Fahrt zum Flugplatz. (Unterwegs wirft von Haeften ein Paket mit Sprengstoff aus dem Wagen).

Gegen 13 Uhr General Fellgiebel verhängt Nachrichtensperre über das Führerhauptquartier offenbar bis 15.30 Uhr.

12.50-14.00 Uhr: In Berlin sollen unter dem Codewort "Walküre" alle Gestapo -, Partei- und SS - Dienststellen von der Wehrmacht besetzt werden. Fellgiebels nicht eindeutige Nachricht erreicht General der Infanterie Friedrich Olbricht. Er zögert, den "Walküre"-Alarm auszulösen. Nach der Bombenexplosion wird das Führerhauptquartier abgesperrt. Stauffenberg und Haeften können die Wachmannschaften täuschen und gelangen zum Flugplatz. Die beiden Attentäter starten zum Rückflug nach Berlin. Stauffenberg ist überzeugt, Hitler getötet zu haben.

13.15 Uhr, Rückflug Stauffenbergs und von Haeftens nach Berlin in einer He 111 (die auf Befehl des Generals Mertz von Quirnheim bereitgestellt worden ist).

15.00 Uhr: In Rangsdorf bei Berlin geben sie telefonisch die Meldung an die Bendlerstraße durch: "Hitler ist tot." Mertz von Quirnheim überredet den immer noch zögernden Olbricht, die Staatsstreicheinheiten zu alarmieren.

16.30 bis 17 Uhr: Stauffenberg telefoniert mit Oberstleutnant von Hofacker und berichtet ihm über das Attentat.
Die Aktion in Paris läuft an: Der höhere Nachrichtenführer, General Oberhäuser, erhält den Auftrag, den gesamten ihm unterstellten Funk- und Fernsprechverkehr zwischen Frankreich und Deutschland bis auf die Linie Berlin zu sperren und die Sender in Paris zu besetzen. Stadtkommandant von Groß-Paris Generalleutnant von Boineburg-Lengsfeld wird zum Befehlshaber General Carl Heinrich von Stülpnagel befohlen.

16.45 Uhr: Stauffenberg und von Haeften treffen in der Bendlerstraße ein. Der in das Attentat eingeweihte Generaloberst Friedrich Fromm (1888-1945), Chef der Heeresrüstung und Befehshaber des Ersatzheeres, verweigert die Zusammenarbeit und wird daraufhin festgenommen.

17.00 Uhr: Auf Initiative von Hitler und Joseph Goebbels wird im Rundfunk das Überleben Hitlers gemeldet. Fast gleichzeitig erhalten die Stabsoffiziere die Fernschreiben mit den Anweisungen der Verschwörer. Die überwiegende Mehrheit der Offiziere verhält sich angesichts der widersprüchlichen Meldungen abwartend.

18.35 Uhr, Major Otto-Ernst Remer, Kommandeur des Wachbataillons in Berlin, meldet sich bei Goebbels und wird von diesem mit Hitler verbunden; letzterer befiehlt dem Major, den Militärputsch sofort niederzuwerfen. Remer ist Hitler persönlich unterstellt. Er verlegt seinen Befehlsstand in das Vorzimmer Goebbels. Remer löst daraufhin die Absperrung des Regierungsviertels auf und beteiligt sich an der Niederschlagung des Staatsstreichs. Remer telefoniert mit Major Wackernagel (Cottbus), dieser meldet ihm, dass die Masse der Panzer Grenadier Einsatzbrigaden "GD" auf Königswursterhausen marschieren, um den Deutschlandsender zu besetzen.

22 Uhr, Oberst Stauffenberg gibt nach Paris an Oberst von Linstow durch: in Berlin ist alles verloren.

22.30 Uhr, der Sturm auf die SS-Unterkünfte setzte ein. Verhaftung des General Oberg. (Höherer SS- und Polizeiführer in Frankreich). Insgesamt werden 1200 Gestapo und SS-Offiziere in Paris verhaftet. Der deutsche Stadtkommandant lies bereits Sandsäcke im Hof der französischen Militärakademie als Kugelfang für die bevorstehenden Exekutionen der Hitlertreuen aufschichten. Später versuchten sowohl die Aufständischen als auch die Gestapo und SS-Einheiten den Vorfall in Paris zu vertuschen und runterzuspielen, da sich letztere Kampflos ergeben hatten und dementsprechend ernste Folgen zu befürchten hatten.

22.30 Uhr: Eine Gruppe regierungstreuer Offiziere verhaftet Stauffenberg und die Mitverschwörer. Fromm ordnet die sofortige Erschießung wegen Hoch- und Landesverrats an.

20./21. Juli: In der Nacht wird Claus Schenk Graf von Stauffenberg gemeinsam mit Werner von Haeften, Albrecht Ritter Merz von Quirnheim und Friedrich Olbricht im Hof des Bendlerblocks erschossen. Ludwig Beck wird Gelegenheit zur Selbsttötung gegeben. Er wird nach einem misslungenen Selbstmordversuch ebenfalls erschossen.
21. Juli: Die Leichen der Erschossenen werden auf einem Friedhof mit ihren Uniformen und Ehrenzeichen bestattet. Himmler lässt sie wieder ausgraben und ordnet deren Verbrennung an. Ihre Asche wird über die Felder verstreut.

Folgen des Attentats

Die Familien wurden in "Sippenhaft" genommen. Unglücklicherweise wurde die Verbindung der militärischen mit zivilen Widerstandsgruppen aufgedeckt. So wurden nicht nur der engere Kreis der Verschwörer vom 20. Juli verhaftet und nach Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof hingerichtet. Auch das weitere Umfeld der anderen Widerstandsgruppen war betroffen. Insgesamt wurden über 7.000 Personen verhaftet und bis Kriegsende wurden Tausende hingerichtet. Die Verfolgungswelle in Armeekreisen erreichte ein solches Ausmaß, dass die Kriegsführung gefährdet schien. Aber auch Beamte, Diplomaten und Weimarer Politiker wurden von Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Schnellverfahren abgeurteilt und hingerichtet. Andere prominente Opfer, wie Generalfeldmarschall Erwin Rommel, wurden zum Selbstmord gezwungen oder, wie Abwehrchef Canaris oder Dietrich Bonhoeffer, in KZ´s verschleppt und von der SS umgebracht. Keiner der Hauptbeteiligten und kaum einer der Mitwisser des Attentatversuchs vom 20. Juli 1944 überlebte.

Gründe des Scheiterns

Der wesentliche Grund für das Scheitern des Aufstandes ist zweifellos Hitlers Überleben. Viele Militärs fühlten sich, obwohl sie Hitler auf tiefste verachteten, an ihren Eid zum Führer gebunden. Tatsächlich gab es nur sehr wenige Verschwörer, die über eine ähnliche Entschlossenheit verfügten wie der Graf von Stauffenberg. Einige wechselten unmittelbar nach Bekanntgabe, das Hitler lebte, die Seiten. Dass der Putsch trotz Hitlers Überleben hätte Erfolg haben können, beweisen die Aktionen in Paris und Wien. Hätte sich Stauffenberg mit seinem Staatsstreich durchgesetzt, wäre der Krieg im Westen vermutlich umgehend zu Ende gewesen, vermutlich aber auch der Kampf im Osten. In den Fernschreiben, welche den Walküre Befehl enthielten, waren ebenso Direktiven erlassen in denen die KZ Wachmannschaften notfalls mit äußersten Mitteln zu entwaffnen gewesen wären. Der Umsturz hätte demnach auch viele ungarische Juden, welche gegen Ende des Krieges in den KZs massenweise ermordet wurden, gerettet werden können. Des Weiteren wären die Trägodien, welche sich in den deutschen Großstädten durch die flächenmäßige Bombardierung ereigneten, verhindert werden können. Dresden wäre nicht vernichtet worden und auch die Vertreibung der 15 Millionen Deutschen aus den Ostgebieten mit dem daraus resultierenden Tod von 2 Millionen hätte sich vermutlich nicht so ereignet. Man kann also zweifellos das Scheitern des 20.Juli als einer der größten Tragödien der Geschichte werten. Insgesamt starben in der Zeit nach dem Aufstand bis zum Kriegsende 4 Millionen Deutsche, 1,5 Millionen Rotarmisten, etwa eine halbe Millionen in den KZs und etwa 100000 amerikanischen und britische Soldaten.

Würdigung des Widerstands

In Deutschland scheint das Interesse am Widerstand gegen die Herrschaft Hitlers heute zu wachsen. Deutlich wird dies an Feierlichkeiten, in denen sich die politische Führung zur Tradition des Widerstandes bekennt. Ein Fernsehfilm über Stauffenberg wurde unlängst von siebeneinhalb Millionen Deutschen verfolgt. 60 Jahre nach dem Anschlag ist die Würdigung des Hitler-Attentäters Stauffenberg vielen Deutschen ein Anliegen. Seit Jahrzehnten erinnert die zentrale Gedenkveranstaltung im Innenhof des Bendlerblocks (Berlin) an Stauffenbergs Anschlag, der dem Ziel, Hitler zu töten, denkbar nahe kam.

Es ist Zeit, dass etwas getan wird.
Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein,
dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird.
Unterlässt er die Tat, so wird er zum Verräter vor seinem eigenen Gewissen.
(Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Frühsommer 1944)


Vergessen ist schnell, wie schwer sich die Deutschen mit der Würdigung dieser Tat über viele Jahrzehnte hinweg getan haben. Zunächst bestimmte die NS-Propaganda das Bild. "Ehrgeizzerfressene Offiziere" hätten versucht, ihn zu töten, verkündete Hitler schon in den frühen Abendstunden in seiner ersten Rundfunkansprache. Die meisten Deutschen machten in den folgenden Tagen aus ihrem Abscheu keinen Hehl. Stauffenberg wurde nur insgeheim von jenen bewundert, die wussten, dass Deutschland allein durch eine Niederlage von der NS-Herrschaft befreit werden konnte. Die meisten Zeitgenossen sahen in seiner Tat nur den Versuch eines hohen Offiziers, in letzter Minute die eigene Haut zu retten. Welcher Mut zur Tat gehörte, was Stauffenberg, schwer verletzt in Nordafrika, verheiratet, Familienvater, damit riskierte, wollten sie weder wissen noch würdigen.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wechselte die Perspektive der Deutschen bezüglich Stauffenberg nicht sonderlich. Er wurde zwar nicht mehr offen als Verräter diffamiert, geachtet wurde der Attentäter und seine Mitstreiter aber auch nicht flächendeckend. Während der 50er beschimpfte in Ostdeutschland die SED die Männer des 20.Juli als reaktionäre Agenten des US-Imperialismus, und obwohl es bereits Stauffenberg Briefmarken und Straßennahmen in der BRD gab, war die Hälfte der Deutschen nicht für die Namensgebung einer Schule nach einen der Attentäter des 20.Juli. Ende der 60er Jahre war immer noch ein Viertel der Bürger in der BRD der Meinung, dass die Attentäter des 20.Juli Verräter waren. Die 68er Generation störte sich an die politische Ausrichtung der Attentäter, welche sich nur begrenzt aus Demokraten zusammensetzte und sogar manchen Antisemiten und Kriegsverbrecher beherbergte. 60 Jahre nach dem Attentat, jedoch, hat sich der Blick der Deutschen bezüglich der Attentäter deutlich gewandelt. Laut Umfragen bewundert bzw. achten drei Viertel der Deutschen die Attentäter des 20.Juli, sowohl in Ost und West als auch Jung und Alt. In dem Hof des Bendlerblockes in dem 60 Jahre zuvor die Attentäter des 20.Juli standrechtlich erschossen wurden, werden heute Bundeswehr Soldaten vereidigt. Die inzwischen 2.Nachkriegsgeneration, welche frei von Schuldgefühlen ist, interessiert sich sehr für die Geschehnisse des 20.Juli, besonders über die menschliche Aspekte. Viele interessieren sich, wie aus dem begeisterten Mitläufer des Nationalsozialismus, wie den Grafen von Stauffenberg, ein erbitterter Gegner Hitlers werden konnte, wie die Attentäter mit sich gerungen haben einen Tyrannenmord durchzuführen und wie sie für ihre Überzeugung nicht nur ihre eigenen Leben aufs Spiel setzten sondern auch das ihrer Familien.

Deshalb ist die Erinnerung an den Widerstand wichtig. Denn den Opfern nationalsozialistischer Herrschaft wurde bewusst, dass es ein anderes Deutschland gab, das andere Werte verkörperte als die von den Nationalsozialisten proklamierten. Der Widerstand zeigte, dass es Kräfte in Deutschland gab, die sich dem Nationalsozialismus widersetzt hatten. Sie waren es, die den Deutschen die Rückkehr in den Kreis der zivilisierten Nationen erleichterten. So gesehen, war das Scheitern des Anschlags historisch folgenreich und keineswegs erfolglos. Die letzten Worte des Grafen von Stauffenberg sollen: „Es lebe das Heilige Deutschland!“ gewesen sein. Ob diese Worte nun der Wahrheit entsprechen oder nur eine Legende sind, kann vermutlich niemals ergründet werden. Seine Witwe meinte jedoch, dass es ihm, einem überzeugten Christen, ähnlich sehen würde.

(Ragnar)