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14 November 2008

füttern die Dinosaurier ...

FINANZKRISE

diese Krise beginnt auch die Branchen der erneuerbaren Energieträger zu verunsichern. Obwohl es eigentlich nicht an Appellen fehlt, die gerade in der Krise auf den verstärkten Ausbau der neuen Energieträger und auf mehr Klimaschutz setzen. Diese könnten sich, so die Argumentation, als Jobmotoren erweisen und somit der Rezession entgegen wirken.

Vielleicht fehlt es ja diesbezüglich an klaren Vorgaben seitens der Regierungen. In Deutschland scheint man jedenfalls fürs erste lieber neue Geländewagen und andere Spritschleudern fördern zu wollen, frei nach dem Motto: "Wir halten am Altbewährten fest und füttern die Dinosaurier."

Jedenfalls macht sich bei einigen in der Branche ein wenig Panik breit. Der chinesische Solarzellenhersteller JA Solar Holdings kündigte am Mittwoch an, das seine Verkäufe weniger stark wachsen würden.

2008, so die Vorhersage würden die Einnahmen zwischen 850 und knapp 880 Millionen US-Dollar liegen, also rund 150 Millionen USD niedriger, als bisher erwartet. 2009 wären es dann "nur" noch 1,5 bis 1,7 Milliarden USD, statt der bisher erwarteten 2 bis 2,2 Milliarden USD.

Es geht also lediglich um eine Verlangsamung des Wachstums. Dennoch verloren die Aktien des Unternehmens nach der Ankündigung weitere 30 Prozent an Wert. Insgesamt das Unternehmen seit September bereits 90 Prozent an Börsenwert verloren.

Zu Schaffen machen den Chinesen, deren Hauptabnehmer in Deutschland und Spanien sitzen, nicht zuletzt die Währungsturbulenzen. Der chinesische Yuan ist ziemlich fest an den Dollar angelehnt, weshalb die jüngste Abwertung des Euro gegenüber der US-Währung auch die chinesischen Exporte nach Euro-Land verteuert.

Zusätzlich zu schaffen macht dem Solarunternehmen auch, das es 100 Millionen USD abschreiben muss, die in einem Geschäft mit Lehman Brothers investiert worden waren. Darüberhinaus wurden mehrere Dutzend Millionen USD in Aktien- und Derivatengeschäften in den Sand gesetzt... .

New York Times. Irak Krieg ist VORBEI!!!

PARODIE IN MILLIONENAUFLAGE

Falsche "New York Times" verkündet Ende der Kriege in Irak und Afghanistan

Es war eine so perfekte wie spektakuläre Parodie. Eine Aktivistengruppe hat eine gefälschte "New York Times" in Millionenauflage in US-Metropolen verteilt - mit Nachrichten aus einer Zukunft, von der sie träumen: Die Kriege sind vorbei, George W. Bush wird angeklagt, Condi Rice outet sich als Lügnerin.

Sie sah täuschend echt aus - nur was in der angeblichen Sonderausgabe der "New York Times" zu lesen war, ließ die Leser stutzen. Die Kriege im Irak und in Afghanistan seien beendet, das US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba geschlossen worden, George W. Bush werde wegen Hochverrats angeklagt, stand da zu lesen.

New Yorker mit falscher "Times"-Ausgabe: Perfekte Fälschung
AP

New Yorker mit falscher "Times"-Ausgabe: Perfekte Fälschung

Es war eine erstaunlich professionell gemachte Zeitungsparodie, die an diesem Mittwoch in einer Auflage von 1,2 Millionen Stück unter anderem in New York, Los Angeles, San Francisco, Chicago, Philadelphia und Washington auf den Markt kam.

Aktivisten und Aktionskünstler um die Gruppe "The Yes Men" ließ von gut tausend Helfern jenes 14-seitige Werk verteilen, das auf den Nationalfeiertag 4. Juli 2009 datiert - es sollte ein Blick in eine bessere Zukunft sein, wie sie sich die Macher der falschen Zeitung erträumen. Sogar die "New York Times"-Internet-Seite bauten sie mit ihren erfundenen Nachrichten nach.

Unter anderem ist in der unechten "New York Times" (siehe PDF) zu lesen, die frühere US-Außenministerin Condoleezza Rice habe sich für die Lügen über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak entschuldigt. Eine Öl-Steuer solle Umweltstudien, den Ausbau von Fahrradwegen in New York und die Einführung einer nationalen Gesundheitsvorsorge finanzieren. Lösungen für die wirtschaftlichen Probleme und den Klimawandel seien auf dem Weg, Obergrenzen für Managergehälter eingeführt. Sogar offenbar gefälschte Anzeigen der Öl- und Bankenindustrie waren im Blatt.

Das "New York Times"-Motto "All the news that's fit to print" ("Alle Nachrichten, die es wert sind, gedruckt zu werden") verwandelten die "Yes Men" in "All the news we hope to print" ("Alle Nachrichten, die hoffentlich einmal gedruckt werden"). Sechs Monate lang hätten sie an der Zeitung gearbeitet, teilten sie mit. Die Idee sei bei einem Bier entstanden.

"Ich denke, es ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Diskussion, was wir erreichen wollen", sagte Mitbegründer Igor Vamos der "Albany Times Union". Er selbst schrieb nach eigenen Angaben für die falsche "New York Times" einen Bericht über das weltweite Verbot von Massenvernichtungswaffen. Einer der Urheber des Projekts, der sich als "Wilfred Sassoon" ausgab, sprach von rund 30 beteiligten Autoren. Dem New Yorker Kunsthochschullehrer Steven Lambert zufolge haben auch drei Journalisten der echten "Times" mitgemacht. Lambert pries die Parodie als vollen Erfolg: "Die Zeitung zeigt eine Vision dessen, was möglich ist, wenn wir alle zusammenarbeiten."

Von der "New York Times" gab es erst nur einen knappen Kommentar: "Das ist eindeutig eine gefälschte Ausgabe der 'Times'. Derzeit versuchen wir, mehr darüber herauszufinden", sagte Sprecherin Catherine J. Mathis. In einem Artikel auf der Webseite wurde dann über die "elaborierte Falschmeldung" berichtet - der Text begann so: "Sorry, Leute, diese Zeitung ist nicht kostenlos. Und der Irak-Krieg ist noch nicht vorbei."

Die Ausgabe war auf den Straßen ein Erfolg. Prompt wurde in Internet-Videos dokumentiert, wie die Zeitung entstand und wie die falschen Nachrichten aus der Zukunft aufgenommen wurden:

Die Initiatoren teilten mit, sie wollten die neue Regierung des künftigen US-Präsidentin Barack Obama ermuntern, ihre Wahlversprechen zu halten. Das mit Spenden finanzierte Projekt solle "Druck auf die Leute ausüben, die wir gewählt haben, das zu tun, wofür wir sie gewählt haben", sagte ein Journalist, der seinen echten Namen nicht nennen wollte.

http://www.lacoctelera.com/myfiles/revuyon/the_yes_men_manager_of_the_.jpghttp://www.machineanimalcollages.com/Images/GregGraphics/YesManDow.jpghttp://www.timeout.com/img/2855/w513/image.jpghttp://www.montaraventures.com/pix/yesmen.gif

Die "Yes Men"-Aktivisten (mehr auf SPIEGEL WISSEN...) hatten sich Ende der neunziger Jahre zusammengeschlossen. Die Globalisierungskritiker gerieten schon durch eine gefälschte Internet-Seite der Welthandelsorganisation WTO in die Schlagzeilen. Als vermeintlich legitime WTO-Mitarbeiter wurden sie zu Konferenzen und Vorträgen eingeladen, bei denen sie dann als satirische Kritiker auftraten. Ihre Aktionen wurden 2003 in dem Pseudo-Dokumentarfilm "The Yes Men" beleuchtet.

plö/AP/dpa

http://arusha.org/pic/arusha/YesMenPoster.jpg

09 November 2008

1918 revolution SHEHR LESBAR

Der zweite Tag

November 1918 in Deutschland: »Die größte aller Revolutionen« -- die heute fast vergessen ist und mit der größten Niederlage endete

Von Klaus Gietinger


»Man kann sie die größte aller Revolutionen nennen, weil niemals eine so fest gebaute, mit soliden Mauern umgebene Bastille so in einem Anlauf genommen wurde.« Mit diesen Worten feierte Theodor Wolff, Chefredakteur des liberalen Berliner Tageblatts, am 10.11.1918 die Revolution, die einen Tag zuvor stattgefunden hatte: Sie ist als Novemberrevolution in die Geschichte eingegangen. In der heutigen Öffentlichkeit spielt sie so gut wie keine Rolle, und auch in historischen Büchern führt sie ein Mauerblümchendasein. Dabei beziehen sich mindestens zwei geschichtliche Ereignisse in Deutschland direkt auf sie: Hitlers und Ludendorffs Versuch, am 9.11.1923 das Ganze wieder umzukehren, und, als dies 1933 gelungen war, am 9.11.1938 den Juden jegliche Schuld in die Schuhe zu schieben und sie dafür -- einstweilig -- mit einem großen Pogrom büßen zu lassen.

Gegen den Krieg

Der 9.11.1918 war fast unblutig verlaufen. Doch Wolffs Namensvetter, der Dramatiker Friedrich Wolf, machte später in seinem Stück »Die Matrosen von Cattaro« klar, welcher Tag einer Revolution wichtig ist: der zweite, und der fiel, wie zu zeigen sein wird, nicht nur mit dem Datum 10.11. zusammen.

Die Novemberrevolution war eine direkte Reaktion der Unterschichten auf den im wesentlichen vom deutschen Imperialismus verschuldeten Ersten Weltkrieg. Die unrühmlichste Rolle hatte dabei die Führung der SPD gespielt. Denn spätestens seit dem Tod des Parteivorsitzenden August Bebel 1912 steuerten die oligarchischen Leitungen der SPD und der Gewerkschaften unter Gustav Bauer und Carl Legien auf die Akzeptanz des Krieges und des imperialistischen Kriegskurses der herrschenden Schichten und der Militärkaste zu.

In einer von der SPD-Geschichtsschreibung heute noch unterschlagenen Rede gab Gustav Bauer am 29.11.1913 die Marschrichtung vor: »Die Kriegsfrage ist kein prinzipielles, sondern ein taktisches Problem. Es gilt für das Proletariat der einzelnen Länder abzuwägen, ob der Krieg Vorteile bringen könnte oder nicht, und danach ist ihr Verhalten einzurichten.«1 Krieg müsse man also akzeptieren, wenn er für die Arbeiter was bringe, und da man nicht sagen könne, ob es ein Angriffkrieg sei oder nicht und müsse man immer mitmachen. Diese Erkenntnis setzte der Vorstand unter Friedrich Ebert im August 1914 konsequent in die Tat um. Er stützte ohne Wenn und Aber den Kriegskurs des halbabsolutistischen deutschen Imperialismus und zog mit der Parole vom »Verteidigungskrieg gegen den russischen Bären«, die -- wie wiederum neuere Untersuchungen beweisen -- gar nicht kriegsbegeisterten, sondern eher ratlosen und resignierten Arbeitermassen auf seine Seite. Kritiker dieses Kurses wurden mit rassistischen Beleidigungen belegt und schließlich, allen voran Karl Liebknecht, aus Fraktion und Partei geworfen. Es entstanden zwei Parteien: die Ebertianer, genannt Mehrheitssozialdemokraten (MSPD), und die Kriegsgegner, genannt die Unabhängige Sozialdemokratie (USPD). MSPD-Kader und rechte Gewerkschafter überboten sich dabei in chauvinistischen und annexionistischen Sprüchen, reisten im Kriegsgebiet umher, lobten die Greueltaten der deutschen Armee in Belgien oder setzten sich für die dauerhafte Besetzung Polens ein, weil die Juden dort unter deutschem Protektorat besser geschützt seien. Daher schien ihnen jeder Massenstreik gegen den Krieg ein absolutes Übel.

Dem entgegen stand seit 1916 die USPD mit einem rechten Flügel, dem der Massenstreik ebenfalls suspekt war, der aber unbedingt Frieden wollte. Dann ein radikaler, sehr lautstarker linker Flügel, die Spartakusgruppe mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sowie Wilhelm Pieck. Und schließlich gab es noch eine Gruppe, die in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar war, die aber über ein hervorragendes Netzwerk in den Betrieben verfügte: die Revolutionären Obleute unter der Führung des Metallarbeiters Richard Müller und zeitweise des Klempners Emil Barth.

Neuere Untersuchungen zur Rolle dieser Bewegung innerhalb der Betriebe belegen, daß sie bei den Massenstreiks wie beim Ausbruch der Revolution eine wesentlich wichtigere Rolle gespielt haben, als ihnen bislang zugestanden worden ist.2 Während die BRD-Geschichtsschreibung die Rolle der USPD, der Obleute und die von Spartakus fälschlicherweise marginalisierte, überschätzte die DDR-Geschichtsschreibung die Rolle der Gruppe um Luxemburg und Liebknecht.

Unterschiedliche Taktiken (FOTO Die erste Nummer der Roten Fahne vom 9. November 1918)

Beide radikale Gruppen, Obleute wie Spartakus, arbeiteten zeitweise zusammen, hatten aber unterschiedliche Taktiken, was immer wieder zu Konflikten führte. Die Obleute waren Praktiker, Netzwerker, die innerbetrieblich agierten und die Öffentlichkeit scheuten, vorsichtig auf die Stimmungen innerhalb der Arbeiterklasse horchten, deswegen aber keineswegs gewaltlos vorgehen wollten. Sie machten im Laufe des Krieges eine deutliche Radikalisierung durch.

Liebknecht und Luxemburg wiederum waren (auch aus dem Gefängnis heraus) Öffentlichkeit suchende, auf der Klaviatur der politischen Bühne spielende Menschen, die, stark theoretisch geformt, auf sich steigernde Massenaktionen qua Streik hofften.

Liebknechts heroische Tat vom 1. Mai 1916 -- er ließ sich auf dem Potsdamer Platz bei einer illegalen Massenaktion gegen den Krieg verhaften -- entbehrte nicht einer gewissen Eitelkeit, war aber gleichwohl ein Fanal gegen Krieg und Imperialismus. Diese Aktion machte ihn einerseits unglaublich populär (ähnlich wie Luxemburgs Zuspruch bei den Massen nach ihrer Verurteilung wegen ihrer Antikriegsrede in Frankfurt 1914 gewachsen war), hatte aber andererseits durchaus Einfluß auf die folgenden Massenaktionen. In mehreren großen Streiks seit 1916 erschütterte die von Richard Müller und den Revolutionären Obleuten praktisch geleitete, von Luxemburg und Liebknecht theoretisch und mythisch angefeuerte Arbeiterklasse den »Kriegssozialismus« der deutschen Militär- und Rüstungsmaschinerie.

Als im Januar 1918 schließlich bei einem Streik, angeleitet von den Obleuten und bestärkt von Spartakus und den Linken in der USPD, 400000 Werktätige die Arbeit niederlegten, wußte die MSPD-Oligarchie, daß nun ihre Stunde gekommen war. Sie mußte sich an die Spitze der Bewegung stellen, um diese zu brechen. Ebert und Philipp Scheidemann schlossen sich dem Streik an. Um den Kontakt zu den Massen nicht zu verlieren, riefen sie aber just während dieses Streiks dazu auf, weiter Waffen zu produzieren, um ihre Brüder draußen nicht wehrlos zu lassen. Sie wollten nicht den Krieg, sondern den Streik liquidieren (siehe jW v. 26.1.2008).

Der Streik scheiterte, zeigte den Obleuten und Spartakus aber, welche Massen zu bewegen sie in der Lage waren, den MSPD-Führern jedoch, daß sie ihre Basisarbeit verstärken mußten. Konsequent wurde daher der Kontakt zu den Betriebsgruppen wiederhergestellt, um mit dem Netzwerk der Obleute gleichziehen zu können. Konsequent wurde auch auf eine Beruhigung der Arbeiter hingearbeitet, antirevolutionäre Politik gemacht, mit dem Hinweis, daß man die Herrschenden zu immer mehr Zugeständnissen und die SPD zu immer mehr Machtbeteiligung bringen werde.

Je mehr sich Ende Oktober die Lage zuspitzte und die Arbeiter immer kriegsmüder wurden, umso unermüdlicher erklärten die MSPD-Funktionäre in den Betrieben, daß durch ihren Eintritt in die Regierung im Oktober 1918 das Reich demokratisch geworden und der Frieden in greifbare Nähe gerückt sei.

Tatsächlich gelang es ihnen lange Zeit, beruhigend zu wirken, so daß der russische Botschafter Adolf A. Joffe nach Moskau berichtete, daß mit einer Revolution in Deutschland nicht zu rechnen sei, da die Arbeiterklasse noch stark »scheidemännisch« und Spartakus einflußlos sei.

Wann losschlagen?

Gleichwohl arbeiteten die Obleute weiter daran, die Revolution vorzubereiten, welche sie nicht wie Spartakus in sich steigernden Wellen, sondern in einer einzigen gut vorbereiteten Aktion aus einer bewaffneten Friedensdemonstration heraus verwirklichen wollten.

Nach dem abgebrochenen Januarstreik konnte das Militär zuschlagen und durch Masseneinberufungen und Verhaftungen der Bewegung einen schweren Schlag versetzen. Sowohl die Ob- als auch die Spartakusleute waren ihrer Führung beraubt. Richard Müller wurde einberufen, wichtige »Spartakisten« überwacht, so daß die Kontakte beider Radikalbewegungen abbrachen.

Als Liebknecht dann im Oktober 1918 -- ein Beruhigungszugeständnis der bröckelnden Militärdiktatur -- entlassen wurde (Luxemburg war bis zum 9.11. in Breslau gefangen), intensivierte sich der Kontakt von Obleuten und Spartakus wieder, und es kam auch sofort zu erneuten Reibereien. Liebknecht wollte losschlagen, Barth, der Müller vertrat, aber erst das Signal geben, wenn er sich sicher war, daß die Arbeiterklasse in ihrer Mehrheit mitmachen würde. Beide Argumentationsstränge waren fundiert. Mißlang die Aktion, insbesondere das Heimatheer (also die in den Kasernen in und um Berlin -- denn in Berlin würde die Sache entschieden -- stationierten Einheiten) auf die Seite der Revolutionäre zu ziehen, war alles extrem gefährdet. An einen offenen Straßenkampf war bei der unzureichenden Bewaffnung der Revolutionäre nicht zu denken. Verschlief man aber den entscheidenden Tag, konnten sich die Herrschenden formieren und zurückschlagen. Womit Liebknecht wiederum Recht hatte. Doch die Obleute (die allein stimmberechtigt waren) entschieden am 2. November, die Revolution vom 4.11. auf den 11.11. zu vertagen. Liebknecht geriet in Rage, war aber machtlos.

Der Aufstand der Matrosen, der just am 2.11. in Kiel seinen ersten Höhepunkt erreicht hatte und der die Seekriegsleitung daran hinderte, in einer Selbstmordaktion die deutsche gegen die überlegene britische Flotte auslaufen zu lassen, brachte einen neuen Impuls. Rasch hatten die Matrosen die verblüfften Offiziere überwältigt, sich mit den streikenden Werftarbeitern verbündet und ihre verhafteten Kameraden befreit sowie ankommende Truppen zum Überlaufen bewegt. In Windesweile verbreitete sich qua Eisenbahn -- so wie es Marx und Engels im Kommunistischen Manifest prophezeit hatten -- die Revolution über das ganze Reich.

SPD-Oligarchie wiegelt ab (FOTO Terror gegen links: Regierungstruppen in Berlin (Anfang 1919))

Doch die Revolution hatte nicht nur, wie Rosa Luxemburg hoffte, an die Kasernentore gepocht, sondern sie war von Teilen der bewaffneten Macht selbst losgetreten worden. Die Matrosen schwärmten aus, trugen die revolutionäre Welle ins ganze Land. Nur in Berlin stießen sie auf entschiedenen Widerstand. Das Oberkommando in den Marken und der Kriegsminister hatten die Eisenbahnverbindungen blockieren lassen, den Telegrafen- und Kommunikationsverkehr gekappt und ankommende Matrosen durch Greiftrupps verhaften lassen. Gleichwohl genügte dies nicht mehr. Der Geist der Revolution schwebte auch über der Hauptstadt, trieb die Arbeiter zu neuer Unruhe und Handlungsbereitschaft. Wieder und bis zuletzt versuchten die SPD-Oligarchen, die Massen zu beruhigen, es bloß nicht zur Revolution kommen zu lassen. Man log, verkündete am 4.11. im Vorwärts, das preußische Dreiklassenwahlrecht sei abgeschafft, die Herrschaft des Kaisers beseitigt (während dieser daran dachte, mit seinem Frontheer gegen die Revolution zu marschieren), der Krieg jeden Moment beendet, aber man solle Ruhe bewahren und nicht auf die Straße gehen.

Ebert, der in Tränen ausgebrochen war, als ihm die Oberste Heeresleitung (OHL) verkündet hatte, daß der Krieg verloren sei, machte sich nun große Sorgen, daß die Basis »die Durchführung unseres Parteiprogramms von uns verlangt«. Deutschland sei »nicht reif für die Republik«. Und um die »Monarchie zu retten«, müsse der Kaiser abdanken, der jetzige Kanzler Max von Baden »unter der Regentschaft der Kronprinzessin« weiter machen: »Die Firma aber kann und muß erhalten bleiben«. Als sich aber die noch Mächtigen in der »Firma«, also Militär und Kaiser, störrisch zeigten und die Massen trotz Beschwichtigung auf die Straßen gingen, blieb Ebert und Scheidemann nichts anderes übrig, als selbst die Macht an sich zu reißen, um die soziale Revolution in letzter Minute köpfen zu können. Ebert versicherte dem Noch-Kanzler Max von Baden: Er hasse die soziale Revolution »wie die Sünde«. Ein Republikgegner, ein Monarchist, ein Hasser der Revolution: Das war übriggeblieben von der einst revolutionären Partei. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Parallel zu dieser ungemein geschickten Aktion der MSPD-Kader liefen die Massenaktionen der Arbeiter ab, die, das ist eine weitere wichtige Erkenntnis der jüngsten Forschung, weder weitgehend MSPD-gesteuert noch total spontan erfolgten. Im Zuge der sich ausbreitenden Matrosenrevolte und der Zunahme der revolutionären Stimmung innerhalb der Betriebe, gaben die Revolutionären Obleute schließlich am 8. November dem Druck Liebknechts, Piecks und der linken USPD unter Georg Ledebour nach, vereinbarten für den nächsten Tag, die Revolution auszulösen und die Demonstrationszüge zu bewaffnen. Dies war, wie Ottokar Luban und Ralf Hoffroge belegen, ein wichtiges psychologisches Moment, um nicht völlig wehrlos gegen vielleicht schießendes Militär bzw. schießende Polizei zu sein, der man das eher zutraute. Gleichwohl verhielt sich letztere human, was ihr später von der Gegenrevolution, so Hauptmann Pabst, vorgeworfen wurde und zur Schaffung einer schießwütigen rechtsputschistischen Truppe, der Sicherheitspolizei (Sipo), führte, wofür im Sommer 1919 Wolfgang Heine (MSPD) und Pabst blendend zusammenarbeiteten.

Doch zurück zum 9.11. Fast unblutig wurden die Kasernen erobert, gelangte die Stadt in mehreren Revolutionszügen, angeleitet von Liebknecht, Müller und dem späteren Chef der Volksmarinedivision, Leutnant Heinrich Dorrenbach, in die Hände der Revolutionäre. Doch wieder war die MSPD-Führung schneller. Scheidemann rief vom Reichstag aus -- gegen entschiedenen Widerstand des Monarchisten und Antirepublikaners Ebert -- die Republik aus, noch bevor Liebknecht zwei Stunden später vom Schloß aus die Sozialistische Republik proklamieren konnte. Während die Sozialisten die Massen und die Straße in der Hand hatten, hatten sich die Führer der SPD der Regierung bemächtigt, geschickt die Bewegung auf der Straße -- zum Großteil auch ihre Anhänger --, ausnutzend, den Machtapparat an sich gerissen.

Auch in den Betrieben, bei den Arbeitern und, dies war entscheidend, bei den Soldaten des Heimatheeres -- das Frontheer stand ja hauptsächlich noch in Frankreich -- konnten sie ihren traditionell maßgeblichen Einfluß geschickt geltend machen (die USPD als Partei tat da gar nichts) und so den zweiten Tag der Revolution vorbereiten. Den Thermidor. Dies war die Taktik.

Eine übereilt und von Richard Müller und den Obleuten schlecht vorbereitete Sitzung der Arbeiter- und Soldatenräte am 10.11. im Zirkus Busch brachte die erste für die Revolution wegweisende Entscheidung. Der Versammlungsleitung durch die Revolutionären Obleute gelang es nicht, einen über der Regierung stehenden Aktionsausschuß, getragen von einer revolutionären Arbeiter- und Rätemacht, zu installieren, weil die SPD-Kader mit der alles niederwalzenden Parole von der Einheit der Arbeiterklasse -- die sie im Krieg zerstört hatten -- mächtig punkteten. Zwar konnte die MSPD-Führung ein oberstes Organ, den Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte, nicht verhindern. Doch mit ihrer Einheitsparole und der qua Tumult und ungeprüften Mandatsträgern durchgesetzten »Drittelparität« -- sieben SPD-, sieben USPD- und 14 Soldatenräte, die fast immer für die MSPD stimmten -- hatten sie praktisch eine Übermacht von zwei Dritteln in diesem Gremium, das zudem im Laufe der Revolution immer mehr an die Seite gedrängt wurde. Gleichzeitig gelang es ihnen, in der Regierung, die mit drei USPDlern und drei MSPDlern besetzt war, durch geschicktes Agieren vor allem Eberts, die oft schwachen und gerne zu faulen Kompromissen bereiten USPD-Männer Hugo Haase, Wilhelm Dittmann und häufig auch Emil Barth zu übertölpeln. Letzterer wurde dann schließlich von den Revolutionären Obleuten wegen dieser unglücklichen Rolle ausgeschlossen. Liebknecht und Richard Müller hatten eine Regierungsbeteiligung grundsätzlich abgelehnt.


Weitere Rückschläge

Dieser zweite Tag der Revolution fand die Fortsetzung in vielen weiteren »zweiten Tagen«:

10.11. -- Ebert gelang durch telefonischen Kontakt mit der OHL, der obersten kriegführenden Instanz im besetzen Spa, auch die militärischen Köpfe auf seine Seite zu ziehen. Ebert dachte nicht daran, die OHL, die zu diesem Zeitpunkt militärisch praktisch ohnmächtig war, abzusetzen oder gar zu bestrafen und durch eine revolutionäre Militärorganisation zu ersetzen. Im Gegenteil. Die OHL, das war ihm schon zu diesem Zeitpunkt klar, würde die »bolschewistischen« Spartakisten und USPDler und die Massen auf der Straße zur Räson bringen. Das war nur eine Frage der Zeit.

18.11. -- Die OHL hatte einen Plan dafür in der Tasche, wie man die Arbeiter- und Soldatenräte mit brutalster Gewalt beseitigen konnte. Ebert, der genau durch diese Massen an die Macht gekommen war, stimmte allein und ohne Wissen der anderen Regierungsmitglieder diesem Plan zu. Er bedeutete blutigen Bürgerkrieg: Die heimkehrenden Fronttruppen sollte, angeführt von monarchischen Offizieren, die Räte entmachten, entwaffnen und Widerspenstige sofort exekutieren. Als dieser Putsch am 10. Dezember mißlang, weil u.a. die Soldaten nach Hause gingen, kam es einen Monat später zur nächsten Provokation:

24.12. -- Da die Zerschlagung der kampfstarken, im November 1918 entstandenen Volksmarinedivision mißlang, willigte Ebert ein, präfaschistische Freikorps aufzustellen, ließ dafür seinen Freund Gustav Noske kommen, der wiederum mit den alten Generälen und vor allen Dingen mit Hauptmann Waldemar Pabst die brutalsten Verbände aus dem Boden stampfte. Noske (MSPD) gab die Parole aus, auf jeden zu schießen, »der der Truppe vor die Flinte kommt«.

5. bis 15.1. -- Der zweite Aufstand der Arbeitermassen, diesmal noch ungesteuerter als im November, entzündete sich. Er sah zuerst wie eine zweite Revolution aus, wurde aber im Blut erstickt und mit den Morden an Luxemburg und Liebknecht durch Pabst und seine Truppe (inklusive klammheimlicher Genehmigung Noskes) endgültig begraben. Dies war die Geburtsstunde des deutschen Faschismus aus der Gegenrevolution.

Ermordete Revolution

Die Novemberrevolution mißlang, weil die erste Revolutionsregierung nicht wie in Rußland unter Alexander Kerenski bürgerlich war, sondern sozialdemokratisch und damit die Radikalisierung der Arbeiterschaft bremsen, die Arbeiter verwirren, belügen und hinhalten konnte. Außerdem waren die Arbeitermassen vom wilhelminischen Staat, durch militärischen Drill und eine vereinssozialistische Tradition so autoritär geprägt, daß sie ihrer Regierung die Parolen von Sozialisierung, Entmachtung des alten Militärs und Abschaffung des imperialen Herrschaftsapparates glaubten. Auch dachten sie wirklich, der Sozialismus ließe sich qua Nationalversammlung einführen und der Krieg und die Konterrevolution per Akklamation liquidieren. Als sie ihren Irrtum 1919/20 merkten, war es zu spät. Die SPD-Führung selbst verlor auch parlamentarisch immer mehr an Einfluß, stimmte völkische Töne an und sah sich trotzdem Umsturzversuchen von rechts ausgeliefert -- von denen, die für sie gemordet hatten. Die SPD-Führungstruppe ließ schließlich, als es im März 1920 zum Kapp-Putsch, zum rechten Staatsstreich, kam und als Gegenreaktion zum Aufstand gegen rechts, nachdem sie gerettet ward, die weiter kämpfenden Massen von den Militärs zerschlagen, die eben noch geputscht hatten. Das Ganze endete schließlich 1933 im deutschen Faschismus, nicht zwangsläufig aber doch wesentlich vorbestimmt, durch den »zweiten Tag« der Novemberrevolution. Der erste Tag war großartig, der zweite schließlich grausamer denn je.

1 Rede Gustav Bauers vor der SPD-Reichstagsfraktion, zit. n. Karlludwig Rintelen, »Links blinken und rechts abbiegen«, in: Sebastian Haffner u.a., Zwecklegenden. Die SPD und das Scheitern der Arbeiterbewegung, Berlin 1996, S.59 (dort auch die ganze Rede Bauers)

2 Neueste Forschungen und Literatur zur Novemberrevolution: -- Ottokar Luban, »Die Novemberrevolution 1918 in Berlin -- Tatsachen wider das gängige Geschichtsbild«, in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung H. 1, 2009-- ders., »Die Rolle der Spartakusgruppe bei der Entstehung und Entwicklung der USPD Januar bis März 1919«, in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, H. 2, 2008, S. 69--75-- ders. »Demokratische Sozialistin oder .blutige Rosa.? Rosa Luxemburg und die KPD-Führung im Berliner Januaraufstand 1919«, in: IWK, Jg. 35 (1999), H. 2, S. 176--207-- Ralf Hoffrogge, Richard Müller. Der Mann hinter der Novemberrevolution, Berlin 2008-- Annelie Laschitza, Die Liebknechts -- Karl und Sophie. Politik und Familie, Berlin 2007

Vom Autor erscheint im Januar 2009 eine Biographie des Luxemburg-Mörders Pabst: Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst -- eine deutsche Karriere, ca. 580 S., geb., ISBN 3-89401-592-3, Edition Nautilus, Hamburg 2009, 39,90 Euro
Klaus Gietinger referiert am 10. Januar 2009 auf der XIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin zum Thema

Die Panik im Finanzkasino und ihre Folgen

von Heiner Flassbeck

Wenn ich in den vergangenen Jahren an den unterschiedlichsten Plätzen in der Welt über Island gesprochen habe, wurde ich immer angeschaut, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Island, sagten die Zuhörer, warum redet der über Island, ein Miniland im Nordmeer, das niemanden interessiert. In diesen Wochen sind die deutschen Zeitungen voll von Geschichten über Island, weil da offenbar ein ganzes Land von den Finanzmärkten in den Ruin getrieben wird.

Warum hat niemand sonst darauf geachtet, warum hat kein Finanzminister dieser Welt Alarm geschlagen, warum hat kein Forschungsinstitut vorher erklärt, dass das nicht gutgehen kann? Die Antwort ist einfach: Weil die Meisten schon gar nicht mehr hinschauen und wenn sie hinschauen, schauen sie gleich wieder weg, weil es ja so peinlich wäre, wenn man sagen müsste, da macht ein Markt vollkommenen Blödsinn, da läuft etwas fundamental schief, obwohl es der globale Finanzmarkt mit all seinen smarten Bankern ist, der da das Ruder in der Hand hat.

Ein anderes Beispiel: In Deutschland hatten wir mal so etwas wie einen Generationenvertrag. Die Gesellschaft insgesamt sollte dafür sorgen, dass mit Hilfe einer wachsenden Wirtschaft und steigender Einkommen eine angemessene Rente für die Alten im Land gezahlt wird. Das aber war plötzlich altmodisch. Wir wollten individuell werden und ansparen, unser Geld also selbst mit Hilfe der Finanzmärkte in die Zukunft transportieren und nicht auf ein staatliches Versprechen für die Zukunft setzen.

Wenn jeder sein Geld am Aktienmarkt investiert, so die wunderbare Idee, erzielt man höhere Erträge und man hat wirklich etwas in der Hand. Dass man aber Geld gar nicht in die Zukunft transportieren kann, hat niemand gesagt. Dass das Geld immer da bleibt, dass wir es nur anderen Leuten in die Hand geben, die damit ihr Glück versuchen oder sich im Glückspielen versuchen, wollten wir nicht wahrhaben. Man hätte ja sagen müssen, die Banken sind auch nicht besser als der Staat, die können auch nur etwas versprechen und wenn sie ihr Versprechen nicht halten, gibt es keine Rente. Wer hätte so was schon sagen wollen in den modernen Zeiten der Individualität? Jetzt aber muss wieder der Staat einspringen, weil die Spieler in den Banken das schöne Geld verzockt haben. Das ist die Logik der modernen Finanzwelt: Zuerst verdammt man den Staat, und am Ende bettelt man, dass der Staat die Zeche zahlt.

Und tatsächlich: Jetzt, wo alles zusammenzubrechen droht, greift, vor allem in den Vereinigten Staaten, der Staat hart und konsequent durch. Man hat erkannt, dass der Markt sich nicht selber heilen kann. Das System ist instabil. Nur .Vater Staat. kann die Finanzkrise unter Kontrolle bekommen.
Der Glauben an den Markt

Dabei waren gerade die USA, was den Glauben an die Finanzmärkte betrifft, immer hochgradig dogmatisch. Erst im Angesicht der Krise handeln sie nun so pragmatisch, wie es schon lange vorher erforderlich gewesen wäre. Vor der Krise dagegen glaubte man bedingungslos an die Kraft der Märkte. Frei nach dem Motto: Die kriegen das von allein hin, die funktionieren und regulieren sich quasi von selbst. Das war aber auch in ihrem eigenen Denken ein systematischer Fehler: Der berühmte Liberale Friedrich August von Hayek hat die Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Systems stets damit begründet, dass hier Millionen von Marktteilnehmern zusammentreffen, die alle über unterschiedliche und voneinander unabhängige Informationen verfügen, die der Markt dann in einen einheitlichen Preis für ein Gut verwandelt. Keine Regierung dieser Welt sei zu einer solchen Effizienz in der Lage.

Was aber weder in den Wirtschaftswissenschaften noch in der Politik verstanden wurde: Die Kapitalmärkte funktionieren anders als der Handel mit Kartoffeln und Maschinen . wie wir angesichts der gegenwärtigen Finanzmarktkrise eindringlich erleben. Bei den .wirklich großen Spielen. um Zinsen, Wechselkurse, Aktien, Immobilienpreise und Rohstoffe kommt eine Handvoll privilegierter Akteure zusammen, die alle nicht mehr wissen, als der Staat weiß. Alle sind ferngesteuert von ein paar Informationen, die, für jeden zugänglich, permanent über die Bildschirme jagen und von allen Beteiligten in ähnlicher Weise gedeutet werden.

Wenn also bestimmte Ereignisse eintreten, wie beispielsweise eine Rohstoffpreishausse, oder sich irgendwo Zinsdifferenzen zwischen Staaten auftun, dann springen fast alle Spieler gleichzeitig auf diesen Zug und versuchen, sich eine goldene Nase zu verdienen. Das geht genau so lange gut, bis sie den Preis oder den Wechselkurs so weit weg von dem Wert getrieben haben, den die reale Welt, also die richtigen Menschen, zu verkraften in der Lage sind, bis es nicht mehr geht. Dann kollabiert das ganze Spielsystem, das meist nichts anderes ist als ein Kettenbriefsystem, bei dem jeder versucht, nicht der Letzte zu sein.

Dieses Spiel im großen Kasino namens Finanzmarkt wird dadurch noch absurder und natürlich riskanter, dass die gierigen Finanzmarktzocker und ihre Banker die eigenen Gewinne dadurch in die Höhe jubeln, dass man den Großteil der Spekulation mit Schulden finanziert. Man leiht sich also zu dem Geld, das man ohnehin schon in der Tasche hat, noch viel mehr Geld dazu und investiert es in Anlagen, die eine etwas höhere Rendite erbringen als der Zins, den man den anderen Banken oder den braven Anlegern zahlt. Das ist der große Hebel, mit dem Banken, Hedgefonds und sogenannte Private-Equity-Fonds die Rendite auf das Eigenkapital in ungeahnte Höhen treiben können, wenn sie nur genügend Kredit bekommen.

Das Schlimme ist, dass niemand gesehen hat, dass hier Spiele gespielt werden, bei denen immer der eine nur gewinnen kann, was ein anderer verliert. Wären alle Spekulanten mit dem geliehenen Geld lediglich ins Spielkasino gegangen, wäre der Spuk schnell zu Ende gewesen, genauer: Man hätte ihnen gar kein Geld geliehen. Die Methode, die Renditen mit Schulden zu heben, funktioniert für das gesamte globale Finanzsystem nur dann eine Weile, wenn alle Spieler bestimmte Objekte finden, bei denen sie sich mit einer gewissen Plausibilität einreden können, sie würden hohe Renditen bei geringem Risiko bieten, weil die Preise für immer steigen oder der Wechselkurs immer in eine Richtung geht, weil die Zinsdifferenzen für immer bestehen bleiben.

So ein Objekt war der amerikanische Häusermarkt in den letzten zehn Jahren, so ein Objekt war auch Island, weil es scheinbar risikolos hohe Zinsen und eine starke Währung bot. In den 20er Jahren übernahmen diese Rolle Aktien neu aufgekommener Konsumgüterhersteller und in den 90er Jahren Aktien der Telekommunikation. Auch Unternehmen mit hohem Eigenkapitalanteil zu kaufen, ist neuerdings beliebt, weil man die Rendite allein dadurch hochjubeln kann, dass man Eigenkapital durch Schulden ersetzt. Letzteres tun sogenannte Private-Equity-Firmen, also Unternehmen, die genau das Gegenteil dessen tun, was ihr Name sagt: Sie vermindern nämlich systematisch das Eigenkapital, statt solches zur Verfügung zu stellen.

Das ist primitiv und kann doch kurzfristig hoch profitabel sein. Unterstützer gibt es viele. Die .Wissenschaft. hat über Jahre die .hohe Effizienz der Kapitalmärkte. gelobt, 1 die Politik ist wie bei der Rente vor den .Werteschaffern. in den Banken und Versicherungen in die Knie gegangen und die Öffentlichkeit hat sich einreden lassen, wenn man nur spekuliert, bräuchte man eigentlich nicht mehr arbeiten, man würde mit dem schnellen Geschäft an den Finanzmärkten quasi ohne Risiko reich werden.

Schließlich haben die Medien diese Kampagne in einer Weise mitgemacht, dass man den Verdacht haben muss, dass einige Spindoktoren daran gut verdient haben. Wie man der deutschen Öffentlichkeit gegen jede Vernunft weisgemacht hat, ihre Rente könnte wegen der Alterung nur mit dem großen Spiel an den Finanzmärkten sicher gemacht werden, war wahrlich genial. Dass auch öffentlich-rechtliche Sender dazu übergegangen sind, jeden Abend mehrfach in den Nachrichten dümmliche Meldungen aus dem Kasino zu übertragen, spricht Bände.
Der Schein des .Produkts.

Was wir endlich begreifen müssen: Banken produzieren nichts. Die Volksverdummung hat schon damit begonnen, dass man das, was Banken ihren Kunden anbieten, als .Produkte. bezeichnet. Das klingt so, als seien Banken ebenso innovativ wie Produktionsunternehmen und würden alle paar Wochen ein .neues Produkt. auf den Markt werfen. Banken machen aber immer das Gleiche: Sie leihen Geld über relativ kurze Fristen und verleihen es über längere Fristen. Dabei ist Geld zu verdienen, weil die Zinsen für lange Fristen meist höher sind als die für die kurzen. Dabei geht man aber auch ein Risiko ein, weil die pünktliche Rückzahlung von Krediten an die Banken über lange Fristen nie so sicher ist wie die kurzfristige Verpflichtung der Banken gegenüber den Einlegern. Insgesamt ist es ein Geschäft . aber sicher kein Bombengeschäft, bei dem man systematisch und auf längere Zeit Renditen von 25 Prozent erzielen kann, wie es noch immer von der größten deutschen Bank propagiert wird.

Wenn ein Anleger in den letzten Jahren zur Bank ging, wurde ihm in der Tat weisgemacht, dass richtiges Arbeiten sinnlos ist. Sein Geld muss man arbeiten lassen und wenn man keines hat, muss man es halt leihen. So hat man den Menschen in den 90er Jahren argentinischen Dollarbonds mit 15 Prozent Zinsen mit dem Hinweis verkauft, das sei vollkommen sicher, weil es ja vom argentinischen Staat garantiert wird. So hat man in Ungarn und in anderen Ländern Osteuropas den Menschen eingeredet, man könne sich ruhig in Schweizer Franken verschulden (weil da der Zins niedriger war), auch wenn man selbst nur ungarische Forint verdient. Und wenn dabei auch der ungarische Forint noch steigt, umso besser, weil das die Hypothek verkleinert. Dass mit dem Steigen der eigenen Währung aber die eigenen Arbeitsplätze obsolet werden, hat niemand gesagt.

Das ist nun zu Ende, und das ist gut so. In großen Teilen der Finanzwelt war jedes Gefühl dafür verloren gegangen, dass das .Spiel. mit dem ersparten Geld von Menschen, die nicht verstehen, was auf den Finanzmärkten geschieht, nicht nur moralisch verwerflich ist, sondern auch wirtschaftlich in eine Krise führen muss, sobald die Wetten in großem Stil nicht aufgehen. Das aber ist immer dann der Fall, wenn irgendwo ein Schock ausgelöst wird, wenn sich die Konjunktur zu überhitzen droht und die Zinsen von den Notenbanken hochgezogen werden . oder wenn einfach offensichtlich wird, dass es nicht nur Gewinner geben kann.
Privatisierte Gewinne, sozialisierte Verluste

Was ist zu tun? Die raschen Interventionen der Zentralbanken waren zwar angebracht, weil sonst weit größere Schäden gedroht hätten. Aber das darf nicht heißen, dass der Staat, nachdem er wieder einmal Banken und andere Spekulanten vor dem Schlimmsten bewahrt hat, zur Tagesordnung übergeht. Damit provoziert er nur die nächste Krise, weil die Spieler im Kasino dann damit rechnen, dass es schon nicht so schlimm kommen wird. Wer, wie die Deutsche Bank, mit 25 Prozent Rendite protzt, dem muss man auch abverlangen, dass er 25 Prozent Verlust hinnimmt, ohne nach dem Staat zu schreien.

Hier liegt das Dilemma der leider notwendigen Rettung: Eigentlich müssen bei den Banken endlich auch Verluste auflaufen. Die Manager und Investoren müssen merken, dass es so nicht weitergeht. Strafe muss sein, wenn auch dosiert.

Andernfalls bekommen wir das eminent große Systemrisiko nicht in den Griff. Heute haben die Banker jedes Gefühl dafür verloren, was ein kalkulierbares Risiko ist und was nicht . mit denkbar extremen Folgen, ohne dass sie je das Risiko trifft. Josef Ackermann etwa forderte noch eine Woche vor dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers, dass hohe Renditen erzielt werden müssen, weil die Erwartungen der Investoren wieder steigen. Ackermann hat bis heute nicht begriffen, dass in einer funktionierenden Marktwirtschaft niemand, aber auch wirklich niemand einen Anspruch auf eine bestimmte Rendite hat. Ein Unternehmen hat sich anzustrengen, und dann wird man am Ende sehen, wie viel Rendite dabei rausspringt. Die unendliche Gier der Investoren schon im Voraus befriedigen zu wollen, stellt das marktwirtschaftliche System auf den Kopf.

Der Schwachsinn mit den .Ansprüchen des Kapitals. hat aber schon viel früher angefangen. Bereits zu Anfang der 80er Jahre sprach der deutsche Sachverständigenrat von Ansprüchen, die man befriedigen müsse, wenn man vernünftige Angebotspolitik macht. Mit dem Ende des Keynesianismus waren alle Dämme gebrochen, alles, was dem Kapital diente und die Arbeiter knechtete war gut. Das beste Beispiel für die Perversionen, die dieses Denken hervorgebracht hat, ist die Tatsache, dass deutsche Großunternehmen jahrelang nicht wussten, wie sie ihre riesigen Gewinne anlegen sollten und sich in vollkommen unrentable Abenteuer stürzten, wie etwa der Chryslerkauf von Daimler oder ähnliche Transaktionen, statt für ihre Arbeiter die Löhne ordentlich zu erhöhen, so dass diese sich ein Auto der eigenen Firma kaufen konnten.
Kontrolliert die Banken und Agenturen

Dennoch kann der Staat heute vor der Dramatik der Krise nicht die Augen verschließen, weil ansonsten eine erhebliche Ansteckungsgefahr für gesunde Institute droht. Aber grundsätzlich muss der Staat den Banken schon lange vorher auf die Finger klopfen: nämlich dann, wenn sie mit völlig unrealistischen Renditezielen in aller Öffentlichkeit protzen.

Zum anderen muss die Politik beginnen zu verstehen, dass die großen Spiele, die da rund um den Globus gespielt werden, für die reale Wirtschaft vollkommen nutzlos sind. Dass die Hypothek eines amerikanischen Häuslebauers noch 23 Mal auf den internationalen Finanzmärkten in der Form irgendwelcher .Produkte. verscherbelt wurde, war ja sogar schädlich für das amerikanische Häuserbauen. Es schien nur deshalb eine Zeitlang den Markt zu beflügeln, weil man die Häuslebauer im Unklaren über ihre Zinsbelastung gelassen und die Anleger hinsichtlich der zu erzielenden Rendite systematisch getäuscht hat. Spiele am Devisenmarkt wie in Island, Ungarn oder Rumänien sind in aller Regel unmittelbar und in massiver Weise schädlich für die reale Wirtschaft, weil sie die Wechselkurse ebenso systematisch in die falsche Richtung treiben.

Kredit für die wirklich investierenden Unternehmen können auch Banken schaffen, die sich solcher Kasinoaktivitäten vollständig enthalten. Man sollte nicht vergessen, dass es zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders noch selbstverständlich war, das Zinsgebahren der Banken streng zu kontrollieren. Auch ein Land wie China hat sein noch größeres Wirtschaftswunder bei strenger Kontrolle des Staates über Soll- und Habenzinsen geschafft. Begreifen kompetente Wirtschafts- und Finanzpolitiker nun solche Zusammenhänge wieder, ist es ein Leichtes, die eklatanten regulatorischen Lücken zu schließen.

Auch die Lücken in der internationalen Finanzaufsicht sind offensichtlich. Die besten Vorschriften über die Hinterlegung von Bankaktivitäten mit Eigenkapital, wie sie beispielsweise bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich formuliert werden, nutzen nichts, wenn die Einschätzung von Risiken allein einer kleinen Gruppe von Ratingagenturen überlassen wird, die wiederum aufgrund von Unfähigkeit oder Unwissen die wildesten Derivatkonstruktionen mit hohen Qualitätsmerkmalen versehen. Auch hier müssen die staatlichen Organe selbst Hand anlegen und dafür sorgen, dass solche Ratings von nicht interessengebundenen Institutionen wie einer Finanzaufsicht kritisch überprüft und nötigenfalls korrigiert werden. Jedes medizinische oder chemische Produkt wird von staatlichen Aufsichtsbehörden genehmigt, nur die gängigen .finanziellen Massenvernichtungswaffen. (Warren Buffet) darf derzeit jeder vertreiben, ohne dass der Staat einschreitet.

Es ist ein Skandal, dass die Bankenaufsicht in vielen Ländern einschließlich Deutschlands geduldet hat, dass die Banken hochriskante Geschäfte außerhalb der Bilanzen laufen lassen. Dabei war doch klar, dass die Bank am Ende für Verluste bei diesen Geschäften haftbar gemacht würde.

Da aber die beteiligten Ratingagenturen sich ohnehin auf den rechtlichen Standpunkt zurückziehen, ihre Risiko-Einschätzungen seien eben nur eine Meinung, und sonst nichts, kann man eigentlich getrost auf sie verzichten. Besser überließe man es den Banken selbst, die Einschätzung der Risiken von allen in ihrem Besitz befindlichen Papieren vorzunehmen. Das würde immerhin dazu führen, dass auch Bankvorstände endlich (besser) verstehen, wovon sie reden.
Schließt das Wechselkurs-Spielkasino

Schließlich muss das größte Kasino . dasjenige nämlich, in dem internationale Währungen gehandelt werden . schlicht geschlossen werden. Es geht weniger denn je an, dass der wichtigste Preis einer Volkswirtschaft, der Wechselkurs, den kurzfristigen Gewinninteressen internationaler Spekulanten und Finanzhaie überlassen wird.

Insgesamt gesehen ist es eigentlich ganz einfach: Finanzmärkte braucht man, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass sie massiv reguliert werden müssen. Denn sie erzeugen gefährliche Spielzeuge, indem Leute in ihrer Gier nach kurzfristigem Gewinn auf unverantwortliche Weise mit dem Geld anderer Leute spekulieren in der Hoffnung, dass es genügend Dumme auf der Welt gibt, die nicht merken, wie sie von smarten Bankern über den Tisch gezogen werden.

In Zukunft muss jedes Prahlen mit extremen Renditen von der Finanzaufsicht, den Finanzministerien und den Zentralbanken sofort zum Anlass genommen werden zu prüfen, zu wessen Lasten die übermäßigen Gewinne des betreffenden Finanzinstituts gehen. Auch für die Gehälter von Vorständen und Aufsichtsräten müssen staatlicherseits Grenzen gesetzt werden, weil es ja offensichtlich ist, dass diese Vorstände und Aufsichtsräte systematisch eine Beteiligung des Staates an den Verlusten erwarten. Wäre das nicht so, würden sie viel gründlicher prüfen, woher ihre Gewinne kommen und mit welchen Risiken sie behaftet sind.

Nichts wird . und darf . mehr so sein wie früher

Noch ist das Ende der Finanzkrise bei weitem nicht absehbar. Wir werden es aber erst dann wirklich erreichen, wenn wir zu begreifen beginnen, dass Finanzmärkte ganz anders funktionieren als Gütermärkte. Dann begreifen wir nämlich auch sofort, dass Finanzmärkte niemals sich selbst überlassen werden dürfen. Erforderlich ist eine gewaltige Anstrengung, den gesamten Markt neu aufzustellen und die Regulierung ganz neu zu organisieren. Nichts darf mehr so sein wie vorher. Bestimmte Geschäfte mit sehr komplizierten Finanzmarktprodukten müssen einfach verboten oder mit so hohen Hürden versehen werden, dass sie sich nicht mehr lohnen.

Das jetzt konservative Zentralbanker die Verstaatlichung des gesamten Bankensystems diskutieren, zeigt den ganzen Irrsinn des Systems: Erst nehmen die Banken die Bürgerinnen und Bürger aus, indem sie wahnwitzige Renditen erzwingen und sich unglaubliche Gehälter leisten. Und am Ende ist der Staat gezwungen einzugreifen, damit diese Spielsüchtigen nicht das ganze System zugrunde richten.

Die langfristige Folge der Krise liegt bereits heute auf der Hand: der dramatische Einbruch des Wachstums. Es ist kaum vorstellbar, dass die amerikanischen Bürger so weiter konsumieren, wie sie es in den vergangenen zehn Jahren getan haben. Sie werden sich extrem zurückhalten, und auch die Banken werden sich, zu Recht, bei der Vergabe von Krediten stark beschränken.

Auch in Deutschland müssen wir uns deshalb auf eine ganz andere Zeit einstellen. Der Aufschwung war schon vorbei, als es an den Finanzmärkten erstmals so richtig gekracht hat. Schon damals hätten Politik und Europäische Zentralbank (EZB) dagegen halten müssen. Jetzt spricht alles dafür, dass es noch schlimmer kommen wird. Der Dollar wird vermutlich weiter sinken, und die gesamte Weltwirtschaft wird in eine tiefe Rezession abgleiten, wenn sie nicht schon längst darin steckt.

Hier beginnt die besondere Verantwortung Europas. Doch weder die EZB noch die deutschen Finanzpolitiker haben begriffen, was die Stunde geschlagen hat. Sie haben bis jetzt nicht zur Kenntnis genommen, dass Europa diesmal nicht mehr auf die USA als Lokomotive der Weltwirtschaft setzen kann, sondern selbst die Nachfrage steigern muss. Viel zu lange weigerte sich die EZB, die Zinsen rasch und nachhaltig zu senken, und die Hoffnung vieler Finanzminister, sie könnten mit einem blauen Auge bei der Staatsverschuldung davonkommen, lässt hier das Schlimmste befürchten. Viel zu lange wurde aufgrund einer Inflationsrate von drei Prozent der Zins hochgehalten, obwohl inzwischen jeder weiß, dass die Inflation bei fallenden Rohstoffpreisen im kommenden Jahr wieder zurückgehen wird. Jetzt zeigt sich nämlich auch: Die Preise an den Rohstoffmärkten waren spekulativ überhöht (wie ich bereits vor fünf Monaten sagte, auch dabei einsamer Rufer in der Wüste). Inzwischen ist es aber deutlich sichtbar.

Nach der Krise wird man das Mandat der Europäischen Zentralbank fundamental in Frage stellen müssen. Sie hat versagt, weil sie sich immer darauf zurückziehen kann, ihr einziges Ziel sei die Inflationsbekämpfung. Das führt zu einer dauernden überoptimistischen Einschätzung der wirtschaftlichen Lage, weil jede Gefahr eines Abschwungs in den Augen der Zentralbanker die .Gefahr. eines Drucks auf die Bank auslöst. Das ist, wie ich schon 1998 in der Krise des damaligen Bundesfinanzministers mit der Bundesbank gesagt habe, zwar das Verhalten von kleinen Kindern, die umso uneinsichtiger werden, je mehr man Druck auf sie ausübt, aber wenn Notenbanker sich wie Kinder verhalten, muss man sie auch wie Kinder behandeln. Das heißt, dass man ihnen das gefährliche Spielzeug einfach wegnimmt.

Doch nur wenn durch energische Expansionsmaßnahmen verhindert wird, dass die reale Wirtschaft in ein tiefes Loch fällt, kann man hoffen, dass die für die Stabilisierung der Banken aufgebrachten Milliarden nicht alle verloren sind. Nur bei einer Erholung der Realwirtschaft werden die jetzt wertlosen Papiere in den Tresoren der Banken wieder an Wert gewinnen.

Dann werden die staatlichen Bürgschaften nicht gebraucht, und der Staat wird . sollten seine Vertreter in der Bundesregierung zumindest in diesem Punkt Mindeststandards eingehalten haben . an dem Gewinn beteiligt sein. Wenn jedoch am Ende dieser Krise all jene Bürgerinnen und Bürger die Zeche zahlen müssen, die an der grassierenden Maßlosigkeit der Banken völlig unbeteiligt waren, wird die Demokratie in Deutschland gewaltigen Schaden nehmen.

1 Vgl. Heiner Flassbeck, Glasperlenspiel oder Ökonomie. Der Niedergang der Wirtschaftswissenschaften, in: .Blätter., 9/2004, S. 1071-1079.

05 November 2008

Grosse USA Scheisse -- klartext

George W. Bush führte die Welt nach der Überformatierung von "Nine/Eleven" zügig in die Alptraumwirklichkeit. Kriege, die als obsolete Konfliktlösungsmittel in der Geschichte versenkt schienen, wurden mit hohlem . und wie sich bald herausstellte . verlogenem Gerechtigkeitspathos wieder hervorgeholt. Politische Handlungsarmut versteckte sich hinter bellizistischer Hyperaktivität. Zwei Legislaturperioden wurden mit Wild-West-Aktionen verschenkt, während die Probleme zwischen Sozialem, Wirtschaft, Finanzen, und Klima eine ungleich komplexere Politik notwendig gemacht hätte.

Vom grotesk überzogenen Anspruch, das neue Rom mit welthegemonialer Großmannssucht zu markieren, ist nach den selbst gestrickten Katastrophen, die auf den WTC-Anschlag folgten, nichts anderes übrig geblieben als ein weltweit ramponiertes Image der USA. Auch diesmal hatten alle Kassandren zum Zeitpunkt des Amtsantritts von Bush die Zukunft schon gesehen. Bush wird als Präsident der politischen Bedeutungsverluste Amerikas in die "hall of fake and fame" eingehen.
Seine Fußabdrücke sind immens. Auch die Bundesrepublik ließ sich zu dubiosen Demokratieaufträgen hinter den sieben Bergen hinreißen. Diese Weltbefriedungskampagnen wären kaum auf die internationale Agendaliste gerutscht, wenn Bush und die Seinen nicht "Terror", "Freiheit" und "Demokratie für alle" im Öl der hegemonialen Denkungsart zusammengerührt und heiß gekocht hätten. Während alle auf den ultimativen Terror eingeschworen wurden, vollzog sich der wahre Schrecken vor der eigenen Haustür.

Eine horrende Staatsverschuldung, eine drohende Rezession und eine erbärmliche Krankenversicherung für große Teile der Bevölkerung beschreiben die kapitalistische Kummergesellschaft, die nun Obama kurieren soll. Die Finanzkrise ist die Mega-Hydra, neben der sich "Taliban and friends" trotz ihrer Stehaufmännchen-Qualitäten bescheiden bis beschaulich ausnehmen. "Lehman-Brothers" und Konsorten lieferten die westlichen Niederlagen frei Haus und ohne Kanonen, ohne dass diesmal - selbst bei kühnster Interpretation amerikanischer Internationalisten - der nur als Videobotschaft existierende Berggeist Usama bin Ladin dafür hätte verantwortlich gemacht werden können. Die bellizistischen Wahrnehmungs- und Handlungssysteme versagten überall, was zuvor als politisches Standardwissen bekannt war, aber von den inzwischen umfassend ideologisch diskreditierten Neocons noch einmal dem überflüssigen Praxistest unterzogen wurde.

Vom amerikanischen Internationalismus zum medialen "Interbanalismus"

In dieser politischen Sumpflandschaft, die nur noch hässlich-paranoide Blasen aufplatzen ließ, hatte Barack Obama vergleichsweise leichtes Spiel, als Heilsbringer zu erscheinen. Der Wahlkampf gegen McCain war gegenüber dem Kopf an Kopf-Rennen gegen die zu ehrgeizig agierende Hillary Clinton eher spannungsarm. Obama avancierte zum parteiübergreifenden Hoffnungsträger, weil er als smart federnder "Nobody" die beste Projektionsfläche für alle Wählerwünsche bot. McCain war dagegen von Anfang an mit Altlasten beschwert, die nicht nur aus den Weltbefreiungsaufträgen der Bush-Regierung resultierten. McCains eigene Geschichte, so glorreich sie auch als vorgeblich wertvolles Erfahrungswissen vermarktet werden sollte, war eine mindestens ebenso große Hypothek. Welcher Stimmungswähler verknüpft einen Vietnam-Veteranen mit dem politischen Frühling? Neubeginn heißt Geschichtslosigkeit. Der Makel fehlender außenpolitischer Bewährung Obamas war eher ein Vorteil, weil nicht nur die Bush-Regierung erwiesen hatte, zu welchen Eseleien erfahrene Außenpolitiker in der Lage sind.

Der medial sozialisierte Wähler braucht im Grunde nichts anderes als entwicklungsfähige Wunschlandschaften, die nicht durch allzu viele Fakten verbaut werden. Kongenial trifft sich, dass die "Leere" nicht nur im Fernsehen, sondern auch in der Politik das eigentliche, mesmeristisch aufladbare Medium ist. Medienästhetisch gab es diesmal noch viel mehr zu bestaunen. Im Grunde ist es dank Internet der erste US-Wahlkampf, der vom weitreichenden Verlust einer politisch programmatischen Zentralperspektive zugunsten von Akzidenzien, Banalitäten und Nichtigkeiten handelt.

Der vormalige kategoriale Unterschied zwischen Politik und Satire erodierte zeitweise, allerdings mit dem überraschungsfreien Umstand, dass Satire medienästhetisch überzeugender ist, wie es für alle verbliebenen Zweifler die Auseinandersetzung zwischen echter und falscher Sarah Palin (Tina Fey) in "Saturday Night Live" demonstrierte. Dass auch die beiden Hauptprotagonisten nun direkt in Satiresendungen um die Gunst unterhaltungsabhängiger Wähler werben, macht die Wege zwischen Politik und Komik kürzer. Für Sarah Palin, den aus dem republikanischen Ärmel geschüttelten Politik-Joker, führte dieser Weg vom Regen in die Traufe: Sie wurde nicht nur mit ihrem besseren Alter Ego, ihrem pointierten Satire-Ich konfrontiert, sondern der falsche Sarkozy rief sie an, was auf beiden Seiten der Leitung keinen allzu komischen Overkill provozierte.

Weniger schief als diese Satire war aber auch nicht Palins paradigmatische Selbstbeschreibung als "hockey mom" aus "real America", die, wie es ein fragiles Privileg der Republikaner zu sein scheint, gesicherte Wertwelten für einfach strukturierte Zeitgenossen repräsentiert. Ihre kapriziösen 150 000 Dollar-Klamotten sind in einer Barbie-Society, die It-Girls wie Paris Hilton und nicht "hockey moms" für das Ereignis hält, naturnotwendig wichtiger als die Frage, ob sie eigene politische Ideen besitzt oder wenigstens fremde leidlich artikulieren kann. Eine Sarah Palin-Echthaarperücke kostet nur 695 Dollar. Wenn es Menschen gibt, die so etwas jenseits von Halloween kaufen, muss man ernsthaft darüber nachdenken, ob Martin Heideggers Zweifel, dass die Demokratie die Herrschaftsform der Zukunft bleibt, nicht berechtigt sind. Eine solche Demo-Kosmetik ist wirklich gerecht, weil jede Partei nun Nebensächlichkeiten als echte Naturkatastrophen erlebt: Ein falsches Make-up, ein schiefes Lächeln, ein unterlassener Händedruck und Tausende von Stimmen sind weg.

Neben den öffentlichen Tränen Obamas über die tote Großmutter sind die im Windkanal der spin-doctors geglätteten Botschaften, die ihre Widersprüchlichkeit und Beliebigkeit selbst bei oberflächlicher Wahrnehmung leicht entfalten, unwichtig. Obamas Ankündigung, das Ansehen Amerikas dadurch wieder anzuheben, dass man mit guten Taten und gutem Beispiel vorangehe, hätten wohl die meisten der 43 Präsidenten vor ihm zu jeder Gelegenheit genauso formuliert.

Es ist diese fatale Nähe einer massentauglichen Politik und ihrer Rhetorik zu angeblich konkurrierenden politischen Positionen, die den demokratischen Glauben an die Unterschiede mächtig strapaziert. "Ich bin nicht gegen jeden Krieg. Ich bin gegen dumme Kriege", ist auch einer dieser Beliebigkeits-Sprüche, die die Berechenbarkeit einer solchen Politik in Grenzen halten. Für Wahlkämpfer ist das praktisch: McCain hat Obama, den zukünftigen Steuerreformator, bereits als Sozialisten geoutet. In dieser intentional verrotteten Rhetorik entstehen dann reale und eingebildete Gespenster, die seit je die größte Gruppe des politischen Personals stellen.

Messianische Politik

Wie US-Präsidentenbewerber zum Messias einer "Politik der Hoffnung" werden, erklärt der Film "Welcome, Mr. Chance" (1979) von Hal Ashby. Der autistische Gärtner Chance ist dank seines Nonstop TV-Konsums von so überragend banaler Denkungsart, dass er die steilste aller Karrieren macht. In einer Fernsehshow erklärt Chance der empfangsbereiten Nation seine Frohbotschaft: "Im Frühling wird es Wachstum geben."

Alle sind von dieser optimistischen Erkenntnis begeistert, auf die die Welt schon so lange gewartet hat. Nachdem der innere Machtkreis um den Präsidenten Mr. Chance als neuen Amtsinhaber "ausgekungelt" hat, geschieht das Wunder: Mr. Chance kann wie Jesus über das Wasser wandeln. Diese politische Movie-Theologie erfasst die Inthronisation von Obama zwar nicht ganz. Obama ist alles andere als ein Trottel und seine pflichtschuldigen Beteuerungen, ein Mann des Volkes zu sein, werden durch seine blendende Intellektuellen-Laufbahn eindrucksvoll widerlegt.

Doch auch Jesus Obama Superstar verkündet messianische Politik, die der berufsböse Rapper Nelly uns nun gleichermaßen staatstragend wie parareligiös erklärt: "Es ist das erste Mal, dass junge Leute in Amerika sich für eine Wahl interessieren. Er hat einer ganzen Generation einen Hoffnungsfunken gegeben. Wir müssen Gott für diesen Mann danken." Seitdem der Betriebsstoff von Börsen nicht mehr Realwerte, sondern Stimmungen sind, ist wohl göttlich geförderte Hoffnung die neue, einzig valide Währung. Die theonomische Aufladung des Barack Obama "Wir sind bereit, wieder zu glauben!" indiziert allerdings mehr als nur die mächtige Eruption einer multikulturellen Seifenblase. Auch jenseits der neokonservativen Republikaner mit methodistischem oder verquäkertem Revers sakralisieren nun die Demokraten um Obama politische Hoffnungen von Leuten mit entkräftetem Dispokredit und den übrigen Problemen der Menschheit.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und jeder Menschenfischer, im guten wie im bösen Sinne, tut recht daran, sich in schlechten Zeiten für dieses relativ kostengünstige Prinzip zu entscheiden. Hoffnung ersetzt vieles: Mit Hoffnungen kann man die Schäden eines Gesellschaftssystems, die Überflutung seines Hauses und die im Derivat verendete Ausbildungsfinanzierung der Kinder wenigstens vorübergehend zu kleistern. In Abwandlung eines Spruchs von Karl Kraus möchte man allerdings sagen: Ich brauche keine Politiker, die Hoffnung verkaufen. Seht nur zu, dass die Rahmenbedingungen meiner sozialen und ökonomischen Existenz gewährleistet sind. Für die Hoffnung sorge ich dann selbst. Zudem ist diese Währung leider schnell ausgegeben.

Irak milizen sind US Söldner -biometrisch erfasst

Böses Erwachen


Thomas Pany 03.11.2008

Was macht die irakische Regierung mit bewaffneten Milizen, wenn die USA nicht mehr bezahlen?

Der gestrige Tag war möglicherweise ein entscheidender für Iraks Zukunft. Der Erste jeden Monats ist Zahltag für die Sahwa, bekannt auch "Awaking"-Gruppen, bzw. "Söhne des Irak", "Concerned Local Citizens". Gemeint sind damit jene Gruppierungen – zu vier Fünfteln sunnitischer Herkunft -, die seit Ende 2006 für Schlagzeilen sorgen (siehe Das große "Erwachen" im Irak), weil man ihnen ein großes Stück der Verantwortung für die Wende im Irak zuschreibt. Der Erzählung, die in großen Linien geschrieben wird, zufolge, kämpften die Awaking-Sunniten zunächst als Insurgents gegen die US-Truppen und besannen sich seit General Petraeus und der Truppenaufstockung ("The Surge") eines Besseren und kämpften fortan gegen al-Qaida und deren Verbündete, die als foreign fighters der irakischen Patria schadeten.

Böse Zungen wandten gegen das allseits gelobte "Erfolgsmodell" schon immer ein, dass es die "Sahwa-Councils" vor allem zu den vielen US-Dollars und mitgelieferten Waffen wie auch wahrscheinlich manchen Versprechungen und Garantien drängte, um ganz unideologisch und pragmatisch ihre lokalen Machtansprüche zu festigen. Doch auch seriöse Medien zitierten reichlich unseriöse Gesellen, die sich nun quasi in den Diensten der USA befanden und sich über Waffen, Geld und ein neues Standing freuten, so etwa Awaking-Scheich Abu Abed, der sich laut Guardian durch Mafiamethoden auszeichnete
It's just a way to get arms, and to be a legalised security force to be able to stand against Shia militias and to prevent the Iraqi army and police from entering their areas. The Americans lost hope with an Iraqi government that is both sectarian and dominated by militias, so they are paying for locals to fight al-Qaida. It will create a series of warlords. It's like someone who brought cats to fight rats, found himself with too many cats and brought dogs to fight the cats.

Now they need elephants.

Ob die Sahwa-Mitglieder wieder zu gefährlichen Milizionären werden könnten, ist nun die große Frage - fast genau ein Jahr später: Denn ab 1. November 2008 sollten offiziell nicht mehr die Amerikaner, sondern die irakische Regierung für die Löhne der Sahwa-Söldner einstehen. Und es ist kein gut gehütetes Geheimnis, dass die Regierung Maliki den sunnitischen Lokalfürsten nicht sehr wohlgesinnt ist.

Zwar soll theoretisch alles gleich bleiben und "die gleiche Summe Geld an die selben Personen überwiesen werden, weiß das arabische Internet Magazin The National, aber viele fürchten, dass die Regierung Maliki die Versprechungen nicht hält und die Stabilität des Irak sich als prekär erweisen könnte:

If the Sahwa are not paid by November 1st there will be a problem. If they are not paid by November 2nd there will be a revolution [..] This is the most important moment for Iraq since 2005

Sheikh Mizher al Hamadani, Chef eines "einflussreichen Stammes in Mahmudiyah
Die Regierung betont, dass man an 94.381 Sahwa-Mitglieder weiter die Löhne ausbezahlen will – die Rede ist von "over 300 US dollars per fighter", bis sie andere Betätigungen gefunden haben (bislang sollen sie vor allem Checkpoints bemannen). Ein Integrationsplan sieht vor, dass ein Fünftel der Sahwa-Kräfte von der irakischen Polizei bzw. Armee übernommen werden. Der Rest , 80 Prozent (!), hat vor allem Aussichten auf Arbeitslosigkeit und äußert entsprechend Beunruhigendes, wie auch ein aktueller Bericht des Instituts for War and Peace Reporting meldet:


We sacrificed our lives to fight al-Qaeda in battles the US forces could not fight. What is the reward for offering all these sacrifices, to be disbanded? What will be our fate? Muhammad Rajab al-Muhammadi, Awakening-Ratschef in Anbar

Sollte die Regierung Mailiki die "Söhne des Irak" nicht ausbezahlen oder beschäftigen können, so befürchten manche, droht die Weiteraufnahme des Guerilla-Krieges. Manche fürchten, dass Mailiki die Milizen auflösen und Mitglieder verhaften werde. Die USA sollen vorgesorgt und einen 90-Tage-Notfall-Fond bereitgestellt, der einstweilen die Verpflichtungen erfüllen soll. Wie es weitergeht, wenn der Fond von amerikanischer Seite nicht aufgefüllt wird und sich Mailiki weigern sollte, richtige "Integrationsarbeit" zu leisten (angeblich sollen Sahwa-Mitglieder nur die hierarchisch untersten Jobs bekommen), gehört zu den spannenden Fragen der näheren Zukunft des Irak.


Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist auch ein Detail, das leider nur selten erwähnt wird: die biometrische Erfassung von Irakern, insbesondere verdächtigten Widerständlern durch die Amerikaner. Trotz mancher Schwächen und Fehler durch die Anwendung verschiedener biometrischer Technologien, die größere Mängel in der Kompatibilität demonstrieren, haben amerikanische Privat Contractors offensichtlich so gute Arbeit geleistet, dass der Weg zurück in die Untergrundarbeit für viele "Erwachte" nicht einfach ist. Zumindest in der Theorie.
That would be a hard fight as all of them have had their biometric information recorded by the U.S., and are well known by U.S. troops. To be effective they would have to move to rural areas away from the security forces, or leave their provinces to places they are not known. Otherwise most of them will end up dead.

US Roboter erschießen Iraker nach Gesichterkennungssoftware!!

Doch droht den mit den USA kooperierenden Söhnen des Irak ohnehin große Gefahr an Leib und Leben. Am Wochenende wurde ein Stammesführer, dessen Miliz gegen Al-Qaida gekämpft haben soll, samt Familie getötet. Nicht der erste Mordfall von Awakening-Führern, vielmehr eine Serie, die mit der damals symbolträchtigen Ermordung von Abu Risha, dem "Golden Boy von Anbar" (siehe Tödlicher Fototermin mit Bush), begonnen hat. Bekannt wurde vergangene Woche zudem der Fall des Bürgermeisters von Tal Afar, der 2006 von Präsident Bush als Zeichen für den neuen Irak gerühmt, in die USA fliehen musste, weil er seines Lebens nicht mehr sicher war.

US WAHLERGEBNIS GEFÄLSCHT

US WAHLERGEBNIS GEFÄLSCHT, aber nicht entscheidend

Beobachtern zufolge kam es zu größeren Irregularitäten bei der Wahl, am Erdrutschsieg Obamas können sie aber nicht rütteln

334 Wahlmänner für den Katharsis-Kandidaten Obama gegenüber 155, die der als Bush-Mann verstandene Kandidat McCain gewinnen konnte: Die Zahlen der New York Times künden von einem sehr deutlichen Sieg. Die großen Probleme für Obama kommen erst nach der Wahl - von Menschen und nicht von Wahlcomputern und anderen Wahl-Irregularititäten, wie im Vorfeld befürchtet wurde.

Und dennoch lief längst nicht alles glatt bei der historischen Wahl, wie erste Informationen zeigten. Beobachter von Election Protection berichteten von langen Schlangen und Problemen mit den Wahlmaschinen. Insgesamt über 200.000 Beschwerde-Anrufe meldete die "1-866-OUR-VOTE hotline" von Election Protection am Abend der Wahl, 80.000 Anrufe alleine am Wahltag.

Als alarmierend wertet die "überparteische Organisation für Wählerrechte" größere Unstimmigkeiten bei der Wählerregistrierung. Genaue Zahlen folgen erst später, so begnügt man sich einstweilen mit dem Fazit, dass "Wähler im ganzen Land beim Wahllokal eintrafen und feststellen mussten, dass ihre Registrierung nie durchgeführt worden war, dass ihre Namen von den Listen gestrichen wurden". Desgleichen werden falsche Informationen zum Ort der Wahllokale, Wahlzeiten und -regeln genannt, die Reformen nötig nachen würden. Angemahnt wird angesichts der langen Warteschlangen (bis zu sieben Stunden wurden aus Virginia gemeldet) überdies eine Verlängerung der Wahl, die an zwei Tagen stattfinden könnte.



Zwar, so das Blog von Election Protection, wurden angeblich junge Wähler per SMS und via Facebook manipuliert, aber letztlich ohne Erfolg; es sieht eher danach aus, als ob mehr Junge denn je an den Wahlen teilgenommen und sie vor allem für Obama gestimmt haben.
Von "tausenden problematischer Abstimmungszettel" in Ohio berichtete Slate mit einer eigenen Nachrichtenschiene, die sich mit Unregelmäßigkeiten bei der Wahl befasste. Bei CNN, auf das Slate verweist, heißt es dazu, dass die Probleme mit zehntausenden sogenannter provisorischer Wahlzettel "signifikante Auswirkungen" haben könnten. Danach sieht es zwar im Augenblick überhaupt nicht aus, aber man darf schon gespannt sein, was im Lauf das Tages noch an Informationen über die Leistung der Wahlmaschinen kommt.
Thomas Pany 05.11.2008



03 November 2008

UBS bank betrug - John Costas

John Costas

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John Costas

UBS has faced calls from investors and analysts to split its wealth management and investment-banking divisions as a way of improving efficiencies and unlocking value.

The bank has been criticised for poor performance, particularly as a result of the failure of Dillon Read Capital Management, the hedge-fund business started by star trader John Costas in 2005. Two weeks ago, Peter Wuffli was ousted as chief executive.

2006: beginnt mit UBS Hedge Fond in Immobilien zu investieren.


Der Flop der Topbanker


Sie waren angetreten, der Welt zu zeigen, wie man richtig Geld verdient. Doch John Costas und die 120 besten Trader der UBS produzierten mit dem Hedge Fund Dillon Read einen Verlust, der die Bank noch Hunderte von Millionen kosten wird. Chronologie einer Selbstüberschätzung.

Text: Erik Nolmans
Bild: Marc Wetli

Greenwich, Connecticut – das ist nicht nur der Millionärswohnort nördlich von New York, sondern auch das Hedge-Fund-Zentrum der USA. Angezogen von günstigen Steuern und der guten Zugverbindung nach Manhattan, haben sich in den letzten Jahren Dutzende von Finanzgesellschaften in Greenwich niedergelassen. Oft auch darum, weil die Finanzstars privat ohnehin hier residieren.

In Greenwich wohnt auch John Costas, ehemaliger Investment-Banking-Chef der UBS und bis vor kurzem Chef des bankeigenen Hedge Fund Dillon Read Capital Management (DRCM). Vor zwei Jahren machte er sich auf, einer wie sie zu werden, sich einzureihen in die Gruppe jener Hedge-Fund-Milliardäre, welche die noble Nachbarschaft prägen. «Der ausgeprägt unternehmerische Anreiz und die Möglichkeit, für die Bank Werte zu schaffen», sagt Costas im Gespräch mit der BILANZ, hätten ihn dazu bewogen, auf DRCM zu setzen. Die UBS gab ihm über drei Milliarden Dollar in Obhut mit dem Ziel, dieses Geld mit dem eigens gegründeten Hedge Fund DRCM tüchtig zu vermehren. Heute steht nicht nur er selbst, sondern auch die Bank vor einem Debakel, das die UBS in nächster Zeit Hunderte von Millionen Franken kosten wird, zählt man die jüngsten Verluste und die Kosten für die Auflösung des Fonds zusammen.

Costas’ Karriere hat mit dem DRCM-Debakel einen starken Dämpfer erhalten. Für den einstigen Vorzeigebanker, der die UBS in seiner Zeit als Investment-Banking-Chef von 2002 bis 2005 unter die Top Five der Welt brachte, ist dies eine neue Erfahrung.

Das Ende des Abenteuers kam überraschend: Am Mittwoch, 2. Mai 2007, zog UBS-CEO Peter Wuffli dem Hedge Fund den Stecker raus. Wufflis Abgesandter, Investment-Banking-Chef Huw Jenkins, hatte die Belegschaft von DRCM in ein Hotel in Manhattan gebeten, um die Botschaft zu verkünden: Der Hedge Fund werde dichtgemacht, die Aktiven wieder in die UBS integriert, das Geld externer Investoren zurückbezahlt. John Costas müsse das Zepter bei DRCM per sofort an Suneel Kamlani, den Stabschef der UBS Investment Bank, weiterreichen. Grund für die Sofortmassnahme war ein Verlust von 150 Millionen Franken, den Dillon Read Capital Management im ersten Quartal 2007 eingefahren hatte. Doch das war nur der unmittelbare Anlass: Costas und sein Team hatten DRCM auch zwei Jahre nach der Gründung nicht richtig zum Laufen gebracht – trotz den 3,5 Milliarden, welche die UBS dem Fonds vom ersten Tag an als Kapital zur Verfügung gestellt hatte. 250 Mitarbeiter beschäftigte DRCM und produzierte damit allein an Personalkosten mindestens 150 Millionen Dollar im Jahr. Nun kostet die Auflösung von DRCM die UBS nochmals 300 Millionen Dollar, rund 200 Millionen davon als Salär- und Vertragszahlungen für die gescheiterten Starhändler von DRCM. «Eine Überprüfung ergab, dass die Entwicklung von DRCM hinter unseren Erwartungen blieb», so Wuffli. «Für den Verlust im ersten Quartal 2007 übernehme ich die Verantwortung», sagt Costas, «doch bleibe ich stolz auf die sechs Quartale zuvor, in denen wir profitabel arbeiteten.»

Die Kommentare in der Presse nach dem Aus für DRCM waren vernichtend: «Ein Fiasko», urteilt der Nachrichtendienst Reuters; «eine grosse Peinlichkeit für die UBS», so die Londoner «Times»; «ein weiterer Rückschlag für die UBS in den USA», das «Wall Street Journal». Für die «Financial Times» war die DRCM-Pleite gar «ein hochgradiges Scheitern».

Umso mehr erstaunt die Reaktion vieler Mitarbeiter der Bank. Denn die Schliessung von DRCM bewirkte bei manchem UBS-Angestellten vor allem eines: Schadenfreude. Denn Dillon Read Capital Management – das war stets mehr als nur der firmeneigene Hedge Fund der UBS. Das war das Sammelbecken der Besten. Das Team von rund 120 internen Tradern, das John Costas bei der Gründung von DRCM um sich scharte, hielt sich für auserwählt – und liess dies jene Kollegen, die nicht zum Handkuss gekommen waren, mitunter auch deutlich spüren. Und nun sind es just diese Elite-Trader, die der Bank einen Millionenverlust bescheren – in einem boomenden Finanzmarkt notabene, in dem es derzeit schon fast ein Kunststück ist, kein Geld zu verdienen. Nun müssen die Elitekollegen, die einst mit wehenden Fahnen ausgezogen waren, wieder an ihre alten Pulte zurückkehren. Die Sticheleien dürften diesmal in umgekehrter Richtung ablaufen – die Reintegration des DRCM-Teams in die UBS wird wohl kaum ohne Friktionen ablaufen. Costas selber begleitet die Reintegration als externer Berater: «Ich werde nicht ruhen, bis die letzte Sekretärin aus meinem Team wieder gut untergekommen ist», verspricht er. Die Bank selber macht sich weniger um die Sekretärinnen als um die Trader Sorgen: Es wird damit gerechnet, dass nur 70 Prozent der DRCM-Leute wieder zur UBS zurückkehren wollen. Es ist offensichtlich, dass DRCM in der UBS wie ein Spaltpilz gewirkt hat.

Doch wie konnte sich die als besonders risikoscheu bekannte UBS auf ein solches Abenteuer überhaupt einlassen? Und wie kam der als besonders vorsichtig bekannte UBS-Chef Peter Wuffli überhaupt dazu, die Gründung von DRCM zu verantworten und damit die UBS zur einzigen Investmentbank der Welt zu machen, die Eigenhandelsbestände in Milliardenhöhe durch Dritte verwalten lässt?

Anfang 2005 sah sich Wuffli mit einem Problem konfrontiert: Eine Gruppe von Schlüsselleuten aus dem Investment Banking trug sich mit dem Gedanken, die Bank zu verlassen und selber unternehmerisch tätig zu werden. Es lockte die Welt der Hedge Funds, jener neuen Anlagegesellschaften, bei denen sich so leicht Geld verdienen liess (siehe «Teuer und gut» unten). Die Bank hatte schon wiederholt mitansehen müssen, dass gute Mitarbeiter zu Hedge Funds wechselten. Nun drohte gar der Abgang einiger Rainmaker der Bank, wie man die erfolgreichen Einzelfiguren nennt, die Millionen in die Bankkassen spülen. So liebäugelten etwa Costas’ wichtigste Teamleute, die Startrader Mike Hutchins und Kenneth Karl, mit der Welt der Hedge Funds.

Costas zauberte eine Lösung aus dem Hut, bei der man einerseits den Gründerplänen der Stars entgegenkommen und sie doch unter dem Dach der UBS behalten konnte: Die Bank sollte einen eigenen Hedge Fund gründen. Auch von der Kundenseite her liess sich das rechtfertigen. Hatten nicht institutionelle Kunden signalisiert, sie würden gerne mit der UBS zusammen in Eigenhandelsstrategien investieren?

Eine solche Gesellschaft wäre aber ein Fremdkörper in der Bank. Dass der Vorschlag bei Wuffli, der sonst so strikt an integrierte Organisationsstrukturen glaubt, auf offene Ohren stiess, hatte einen spezifischen Grund: Er hatte so etwas schon einmal gemacht, und zwar sehr erfolgreich. Ende der neunziger Jahre war Peter Wuffli vom damaligen Konzernchef Marcel Ospel nach Chicago geschickt worden, um den Bereich Asset Management der Bank zu leiten. In jener Zeit kam bei den Kunden vermehrt das Bedürfnis nach alternativen Anlagevehikeln wie etwa Hedge Funds auf. So beschloss Wuffli, in Chicago eine Plattform zu bauen für das rasch wachsende alternative Business der Bank. Die UBS bildete einen Bereich namens Alternative and Quantitative Investments und stellte dem Team in Chicago 400 Millionen Dollar als Anfangskapital zur Verfügung. Es sollte eine der erfolgreichsten Wertschöpfungsinitiativen der UBS werden. Unter dem agilen Leiter des Teams, Joe Scoby, entstand ein bankeigenes Hedge-Fund-Business, das heute rund 50 Milliarden an Anlagegeldern verwaltet.

Angesichts dieser Erfahrung zeigte sich Wuffli auch für Costas’ Pläne offen – zu offen. Denn die Business-Idee von Costas unterschied sich doch erheblich von den internen Hedge-Fund-Aktivitäten der UBS unter Joe Scoby. Während Scoby von der UBS nur das Gründungskapital bekam und der Rest der Milliarden im Korb von den vielen Kunden stammte, liefen beim Costas-Fonds parallel Investments von auswärtigen Anlegern und Eigenhandelsaktivitäten der UBS.

Auch sonst gab es so manchen Unterschied. Bei DRCM hatte die UBS von Anfang an mit 3,5 Milliarden Franken deutlich mehr Kapital drin als bei Scoby, der zudem schon bald zwei Drittel des Gründungskapitals der UBS zurückgeben konnte. Ungewöhnlich war auch die pekuniäre Grosszügigkeit der Bank: Um die Startrader um Costas bei Laune zu halten, soll die Bank gleich zu Beginn Bonusgarantien in Höhe von einer Milliarde Franken gesprochen haben. Grossverdiener waren die Kernfiguren ohnehin schon: In der Branche geht man davon aus, dass Hutchins und Karl je rund 40 Millionen Dollar im Jahr verdienten. Vorgesehen war, dass dieser Reibach nicht bald einbrechen sollte: Das DRCM-Modell sah vor, dass 40 Prozent der Performance des Fonds beim Management bleiben sollten – das ist selbst für Hedge Funds eine enorme Marge, denn üblich sind 20 Prozent. «Ein teures Spielzeug für Costas und seine Manager», urteilte das Londoner Branchenblatt «Financial News».

Konzept von Costas war, nebst den UBS-Milliarden neue Gelder von Investoren zu gewinnen und diese dann an den Eigenhandelsaktivitäten der UBS zu beteiligen. So sollte DRCM tüchtig wachsen. Dass dieses Konzept bezüglich Aufsichtsrecht und Risikomanagement bald auf unüberwindliche Hürden stossen sollte, wusste Wuffli im Moment des Entscheids nicht. Der UBS-Chef hatte den Entscheid nicht in seiner ganzen Tiefe ausloten können. Es ist heikel, wenn der Chef der Investmentbank den Job wechselt. Da kann man nicht mit externen Spezialisten reden, ohne dass dies in die Öffentlichkeit gelangt.

Nach der mit grossem Getöse erfolgten Eröffnung von DRCM im Sommer 2005 wurde es schon bald ruhig um Costas und seinen Hedge Fund. Im Frühling 2006 wurde Wuffli klar, dass die ganze Geschichte massiven Verzögerungen unterlag. Die ursprüngliche Idee, externe Investoren direkt an den Eigenhandelsbüchern der UBS zu beteiligen, warf einen Schwall regulatorischer, rechtlicher und technischer Probleme auf.

Costas sah ein, dass er sein Geschäftsmodell ändern musste. So trennte er die Bereiche und baute eine Art Parallelstruktur – mit einem Fonds für externe Investoren und einem für die UBS-eigenen Gelder. Dies führte aber zu Doppelspurigkeiten und erheblichen Ineffizienzen. «Die Komplexität des Gebildes führte zu Verzögerungen von rund einem halben Jahr», so Costas. Im Hedge-Fund-Business entscheiden aber die ersten zwölf Monate darüber, ob der Fonds bei den Kunden Anklang findet. In der Konzernzentrale in Zürich läuteten die Alarmglocken.

Die nächste Enttäuschung folgte auf dem Fuss. Im Herbst 2006, als Costas endlich den ersten Fonds für die externen Investoren lancierte, kamen nur gerade 1,5 Milliarden Dollar an Geldern zusammen – nicht gerade berauschend. Üblich ist, dass kleinere Fonds mit nur 30 oder 40 Leuten locker fünf oder sechs Milliarden generieren. «Es war peinlich», urteilt Finanzanalyst Christopher Wheeler von Bear Stearns, «sie haben nicht einmal genug Geld zusammengebracht, um mehr als den Break-even zu schaffen.»

Es erwies sich als Nachteil, dass John Costas und seine Leute keinerlei Track Record im Hedge-Fund-Business aufzuweisen hatten. Offenbar trauten ihm und seinen Elite-Tradern nur wenige Investoren eine entsprechende Geldvermehrung zu.

Nun war es für die UBS-Führung in Zürich klar, dass DRCM keine Erfolgsgeschichte werden würde. Anfang 2007 fanden die ersten informellen Gespräche zwischen Huw Jenkins, dem UBS-Investment-Banking-Chef, und Costas statt. In der Konzernleitung stieg das Unbehagen.

Just in dieser heiklen Phase rutschte der Fonds tief in die roten Zahlen. Die Trader hatten sich verspekuliert, Investments im US-Immobilienmarkt, sogenannte Subprime Loans, waren schiefgegangen. Sieben Jahre lang hatte die UBS in diesem Bereich verlässliche Gewinne produziert – und nun das. «Aus dem UBS-Trading-Floor entfernt, scheinen die Händler ihren Golden Touch verloren zu haben», giftelte die «Financial Times». Insider vermuten, dass mit dem Auszug aus Stamford auch die herrschende UBS-Disziplin verloren gegangen sei.

Im April herrschte Krisenstimmung bei der UBS. Drei ausserordentliche Konzernleitungssitzungen folgten kurz nacheinander. Noch versuchte John Costas DRCM zu retten. «Wir haben dem Group Executive Board Alternativen präsentiert», sagt Costas. Doch die Konzernleitung – und allen voran Peter Wuffli – glaubte nicht mehr an den Erfolg und zog die Notbremse.

UBS-Fiasko

Alles oder nichts


Wie kam es zu dem 40-Milliarden-Debakel der UBS? Warum musste Peter Wuffli wirklich gehen? Die Neuauflage des Buchs «Herr der UBS» gibt die Antworten. Ein Vorabdruck.

Text: Dirk Schütz
Bild: Katharina Lütscher

Wann das Unheil seinen Anfang nahm, lässt sich auf den Tag genau terminieren. Es war der 30. Juni 2005. An diesem Tag wurde die Gründung des UBS-eigenen Hedge Fund Dillon Read Capital Management (DRCM) bekanntgegeben. Peter Wuffli war auf dem Höhepunkt seiner Macht. Sein ehrgeiziger Stellvertreter John Costas, der vor allem in den USA das Investment Banking zu neuen Höhen geführt hatte und jetzt angeblich ein Angebot für den Chefposten des Rivalen Morgan Stanley besass, war jedoch nicht mehr zufrieden. Er wohnte in Greenwich im US-Bundesstaat Connecticut vor den Toren New Yorks, und zu seinen Nachbarn zählten Hedge-Fund-Manager, die mehrere hundert Millionen Dollar im Jahr verdienten. Da reichten ihm die geschätzten 40 Millionen Dollar nicht mehr, die er bei der UBS bezog. Jetzt wollte er ans noch grössere Geld, und Peter Wuffli, den Atem seines ehrgeizigen Vizes im Nacken, willigte ein – und das sehr grosszügig.

Costas durfte seinen eigenen Hedge Fund lancieren und dafür nicht nur seine beiden Schlüsselleute Kenneth Karl und Mike Hutchins mitnehmen, sondern insgesamt mehr als hundert der besten Mitarbeiter der Fixed-Income-Sparte, des Geschäfts mit verzinslichen Wertpapieren. Die Bank bezahlte den Grossteil der Einrichtungskosten, gab der neuen Abteilung mehrere Milliarden an Kundengeldern zum Spekulieren und richtete vor allem einen überaus grosszügigen Bonuspool für die neue Mannschaft ein. Im Markt kursierten Schätzungen über Garantiezahlungen von einer Milliarde Dollar für drei Jahre. Bei den zurückgebliebenen Investment Bankers schürte das ein ohnehin stark verbreitetes Gefühl: Neid.

Schon der Name war kein gutes Omen, denn der Kauf der New Yorker Investmentbank Dillon Read 1997 durch den Bankverein galt bankintern als Flop. Vor allem: Die UBS, die gerade mit ihrer One-Brand-Strategie weltweit zum Vorbild geworden war, gründete jetzt wieder eine neue Marke – und gewährte ihren Händlern in dem neuen Ableger viel grössere Freiheiten als im Mutterkonzern. Es war fast wie 1997, als der Aktienderivate-Händler Ramy Goldstein bei der Bankgesellschaft sein Team praktisch unbeaufsichtigt in Milliardengeschäfte gejagt und nach horrenden Verlusten die Bankgesellschaft in die Fusion mit dem Bankverein getrieben hatte.

Als Hauptinvestitionsfeld hatten die DRCM-Verantwortlichen den amerikanischen Immobilienmarkt ausgemacht, denn hier lockten hohe Renditen. Nach den Terroranschlägen vom 11.  September 2001 hatte der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan die US-Wirtschaft mit billigem Geld geflutet, und die niedrigen Zinsen hatten massenhaft Leute zum Hauskauf verlockt, die sich das gar nicht hätten leisten können. Diese Ramschhypotheken – sie wurden «Subprime» genannt – verpackten die Banken nun in neue Finanzprodukte und zogen mit ihnen einen regen Handel auf. Ganz vorn mit dabei: die Citigroup, Merrill Lynch – und der neue Fonds DRCM.

Als Nachfolger von John Costas im Investment Banking installierte Wuffli den Briten Huw Jenkins, und die Rolle Costas’ als stellvertretender Konzernchef übernahm Marcel Rohner, der weiterhin als Chef des Wealth Management über die Goldmine der Bank wachte, das Geschäft mit den vermögenden Privatkunden. Im Februar 2006 vermeldete Wuffli einen neuen Rekordgewinn von 11,3 Milliarden Franken.

Immer mehr gelang es ihm, sich als Mister UBS zu positionieren, und in der Aussenwahrnehmung war oft nicht klar, wer eigentlich der wahre Machthaber bei der Bank war. Ospel gab nur ein, zwei Interviews pro Jahr und trat noch an der jährlichen Generalversammlung auf. Wuffli dagegen leitete die Pressekonferenzen und hielt auch sonst den Kontakt mit den Medien. Endlich, so die Botschaft, stand er auf Augenhöhe mit Marcel Ospel. Jetzt wollte er mehr. Schon sein Posten als Finanzchef war ihm nach fünf Jahren monoton erschienen, jetzt hatte er auch fünf Jahre als erfolgreicher Konzernchef hinter sich. Zu gut kannte er zudem die Unwägbarkeiten der Märkte, zu gross war die Gefahr, dass durch einen Einbruch auch sein Stern zu sinken begänne. Peter Wuffli wollte Marcel Ospels Job.

Ospel konnte sich dem nicht verschliessen. Die Erfolge Wufflis waren offensichtlich, und dass mit Marcel Rohner dessen Nachfolger bereitstand, erhöhte den Druck. Wenn Wuffli und Rohner sich zusammentaten, musste er, Ospel, vielleicht sogar erstmals seinen Abschied ins Auge fassen. Also schien er mitzuspielen. Zumindest signalisierte er dem operativen Bankchef, dass er zum Ende seiner zweiten Amtszeit im April 2008 bereit sei zu gehen und dass er es als natürliche Lösung ansehe, dass Wuffli dann sein Nachfolger würde. Wuffli wähnte sich auf der Zielgeraden, den machtvollsten Posten der Schweizer Bankenwelt direkt vor seinen Augen.

Ospel unterrichtete 2006 sogar schon Vertraute von seinen Rückzugsplänen, und auch dem Verwaltungsrat gab er in diese Richtung weisende Zeichen. Er habe mit einigen Vertrauten eine unternehmerische Idee, die er umsetzen wolle, nannte er als Begründung. Wie ernst diese Pläne waren, konnten selbst enge Weggefährten nicht einschätzen. Immerhin war die Bank sein Leben, und ein Leben ohne die UBS erschien Marcel Ospel bis dahin schlicht nicht vorstellbar. Und natürlich gefiel ihm auch die bestürzte Reaktion seines engsten Umfeldes auf diese Rückzugspläne.

Also alles nur Koketterie? Einmal mehr war Marcel Ospel schwer zu durchschauen. Immerhin schien er einen letzten grossen Höhepunkt anzupeilen. Ende 2004 hatte er in einem Zeitungsinterview das Ziel ausgegeben, mit der Investmentbank weltweit die Nummer eins werden zu wollen – im Jahr 2008, dem Ende seiner zweiten Amtszeit. Sollte er dann wirklich abtreten, wollte er das mit diesem Triumph tun.

Doch plötzlich begann die Maschine zu stottern. Im Investment Banking musste die Bank im dritten Quartal 2006 einen heftigen Ergebnisrückgang vermelden – einen Gewinneinbruch von mehr als 20 Prozent. Zum ersten Mal seit drei Jahren lag die UBS unter den Erwartungen, und prompt stellten die Börsianer fest, dass die UBS-Aktie auch eine andere Richtung kannte: nach unten. Bei der Bekanntgabe der Drittquartalszahlen lösten sich sieben Milliarden Franken Börsenwert in Luft auf. Gleichzeitig legten die Kosten um fast vier Prozent zu. Ospel, von dem die meisten Mitarbeiter in den goldenen Jahren zuvor kaum je etwas gehört hatten, wurde daraufhin auf einer Mitarbeiterveranstaltung richtig laut: «Ich hasse es, wenn Wettbewerber an uns vorbeiziehen, die wir längst hinter uns glaubten.»

Die Investmentbank hatte richtig geklotzt, sicher auch von Ospels Nummer-eins-Ziel angetrieben. Traditionell lag ihre Stärke nach dem Kauf von Warburg im Aktiengeschäft, hier war sie in Europa die klare Nummer eins. Traditionell hatte sie aber auch schon immer grosse Probleme bei dem zweiten Ertragspfeiler einer jeden Investmentbank, dem Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren. FIRC nannte die UBS diese Sorgenkind-Sparte, eine Kurzform für Fixed Income, Rates and Currencies. Hier war der Aufholbedarf am grössten. Der neue Investment-Banking-Chef Huw Jenkins, von den aggressiven Vorgaben des Präsidenten angespornt, liess in eigenen Studien den Rückstand sogar genau beziffern: Sechs Milliarden Franken mehr Ertrag liessen sich hier generieren, wenn man zu den drei Marktführern aufschlösse.

Allerdings war diese Sparte, ohnehin nicht mit überdurchschnittlicher Fachkompetenz gesegnet, nach der Gründung von DRCM noch weiter ausgeblutet. Hundert der besten Leute hatte John Costas mitgenommen. Und die verbliebenen Händler sahen, wie Costas’ Leute, die ja noch immer zum selben Konzern gehörten, in grossem Stil in amerikanische Subprime-Papiere investierten. Wenn die vermeintlichen Cracks das taten, konnte das ja nicht falsch sein. Also legten auch bei der UBS in New York knapp 200 Mitarbeiter in grossem Stil los – und luden in grossen Mengen Subprime-Papiere in ihre Bücher. «Die Gründung von DRCM und eine Me-too-Strategie im Bereich Fixed Income» sollte der neue Konzernchef Marcel Rohner im Februar 2008 als Hauptgründe für das Debakel nennen, das sich hier anbahnte.

Allerdings: Im Herbst 2006 ahnte noch niemand etwas von den grossen Risiken, die sich hier anhäuften. Die Subprime-Papiere fielen schlicht durch das Risikoraster der als so konservativ geltenden Grossbank, und das aus zwei Gründen. Die meisten von ihnen waren von den Ratingagenturen mit dem besten Gütesiegel, einem Triple A, versehen und erschienen deshalb keinesfalls gefährlicher als Milliarden von anderen Positionen, die der riesige Geldkonzern in seinen Büchern führte.

Zudem wurden intern keine Limiten überschritten, denn im Vergleich zu den Gesamtaktivitäten war die Höhe der Position noch vergleichsweise klein: Zwar wurden insgesamt – bei DRCM und der Investmentbank – Subprime-Papiere für etwa 60 Milliarden Franken gekauft, doch in den Handelsbüchern der Bank standen Wertpapier­­positionen von mehr als 600 Milliarden Franken, und die gesamte Bilanz der Bank wies sogar einen Wert von mehr als 2300 Milliarden Franken aus. Nirgends blinkte eine Warnleuchte, weder in der Konzernleitung noch im Verwaltungsrat, der den Vizepräsidenten Marco Suter ins Risk Subcomm­it­­tee entsandt hatte, das oberste operative Risikogremium der Bank.

Doch Wuffli kam jetzt erstmals in seiner Amtszeit massiv unter Druck – und zwar von den neben Ospel mächtigsten Mitgliedern des Verwaltungsrates, den beiden Vizepräsidenten. Die Bilanz der Bank hatte sich in den letzten Monaten stark vergrössert, und Marco Suter stellte dem Konzernchef immer kritischere Fragen. Wuffli blockte total ab. Er weigerte sich kategorisch, die Grösse der Bilanz überhaupt als Steuergrösse anzuerkennen. Schnell gerieten Suter und Wuffli heftig aneinander. Diese Meinungsverschiedenheiten meldete Suter natürlich Ospel und dem Verwaltungsrat.

Und dann fiel Wuffli auch bei Stephan Haeringer in Ungnade. Der akribische Banker hatte schon immer gegen die hohen Kosten der Investment Bankers gestichelt, und als er jetzt den grossen Ausgabenanstieg im Investment Banking sah, stellte er harte Fragen. Um 20 Prozent hatte die Investmentbank die Zahl der Mitarbeiter im Jahr 2006 erhöht, die Kosten waren um etwa vier Milliarden Franken gestiegen, und in Vergleichen mit direkten Wettbewerbern lag die UBS bei ihren Kosten pro Mitarbeiter deutlich hinter der Konkurrenz. Haeringer hakte im Namen des Verwaltungsrats nach.

Wuffli tat auch diese Anfragen barsch ab. Immerhin wollte Ospel ja die Nummer eins werden im Investment Banking, und das ging nun mal nicht ohne Investitionen. Seine grossen Erfolge hatten sein diplomatisches Geschick kaum befördert, und ohnehin hatte der analytisch aussergewöhnliche Mann eine Neigung zum Starrsinn, wenn er von einer Sache überzeugt war. Er liess den Verwaltungsrat offen spüren, dass er der Bankexperte sei. Wie so oft in derartigen Situationen führten nicht nur inhaltliche Fragen zum Zerwürfnis, denn die hätten sich mit einer gewissen Kompromissbereitschaft gewiss lösen lassen. Es war mehr eine Stilfrage. Immerhin hätten die elf Verwaltungsräte nach Ospels Abgang ja Wuffli als ihren Chef akzeptieren müssen. Und da wuchs der Unmut über den sturen Bankchef. «Es gab Verwaltungsräte, die haben ganz klar gesagt: ‹Wuffli wird nie unser Präsident›», berichtet ein UBS-Intimus.

Das Kontrollgremium war eine klare Zwei-klassengesellschaft: Dem dreiköpfigen Präsidium standen die neun nebenamtlichen Mitglieder gegenüber, die allesamt nicht aus dem Bankgeschäft kamen und wohl auch deshalb von Wuffli kaum als Personen wahrgenommen wurden, die mit ihm auf Augenhöhe diskutieren konnten. Doch sie waren alle gestandene Persönlichkeiten und wollten sich nicht von Wuffli belehren lassen: Shell-Finanzchef Peter Voser etwa oder Peter Spuhler, Unternehmer und SVP-Nationalrat, dazu Serono-Mehrheitseigner Ernesto Bertarelli, der frühere BMW-Chef Helmut Panke, der einstige Ciba-Lenker Rolf Meyer oder Jörg Wolle, der Chef des Zürcher Handelshauses DKSH.

Wuffli wähnte sich seines Aufstieges aber weiter sicher – und Ospel beliess ihn in diesem Glauben. Im Januar 2007 traten beim Weltwirtschaftsforum in Davos erstmals beide gemeinsam beim UBS-Kundenabend auf. Bis dahin war das allein Ospels Domäne gewesen. Obwohl der analytische Wuffli kaum als Humorfan galt, besuchte er Anfang Februar 2007 sogar Ospels alljährlichen Vorfasnachts-Event in Basel. So viel Spass musste sein. Und auch die Zahlen waren weiterhin blendend. Im Februar 2007 konnte Wuffli für seine Bank einen neuen Rekordgewinn von 12,2 Milliarden Franken vermelden.

Doch dann wurde auf einmal die Truppe von John Costas zum Riesenproblem. Schon Ende 2006 waren erste deutliche Krisensignale aus dem amerikanischen Immobilienmarkt zu vernehmen, und viele Banken stiessen die Positionen ab, soweit das möglich war. Bei DRCM mit ihrer riesigen Menge an Subprime-Papieren spitzte sich die Lage dramatisch zu. Spätestens als Kenneth Karl, als Chief Investment Officer von DRCM der entscheidende Mann für die Anlageentscheide, im Februar überraschend die Firma verliess, war auch in der UBS-Zentrale im fernen Zürich klar, dass sich hier ein Debakel zusammenbraute. In einer Notfallreaktion schloss Wuffli im April Hals über Kopf den gesamten Fonds und integrierte die Positionen in die Bank zurück. Zwar bezifferte die Bank den Verlust aus dem Handelsgeschäft von DRCM auf lediglich 150 Millionen Dollar, doch aufgrund ihrer üppigen Garantien musste sie allein den Mitarbeitern bei der Schliessung mehr als 300 Millionen Dollar zahlen – und das trotz den Milliardenverlusten, für die diese im Nachhinein verantwortlich sein sollten.

Jetzt stellten die Verwaltungsräte, insbesondere der penible Haeringer, noch mehr Fragen: Warum war der Fonds so dramatisch hinter allen Vorgaben – Neugeldzufluss, Performance, Gewinnentwicklung – zurückgeblieben? Wie hatten die Händler weitgehend unkontrolliert so hohe Positionen eingehen können? Warum bezogen sie dennoch so üppige Boni? Zwar sah zu diesem Zeitpunkt noch niemand die gewaltige Dimension der Kreditkrise heraufziehen. Doch dass die Bank hier fahrlässig gehandelt hatte, war offensichtlich. Und es war zweifellos Peter Wuffli, der die Verträge mit Costas ausgehandelt hatte, auch wenn der Verwaltungsrat sie abgesegnet hatte.

Wuffli trat die Flucht nach vorn an. Einmal im Jahr befasste sich der Verwaltungsrat ausführlich mit der Nachfolgeplanung. Die nächste Sitzung fand im Juni in Valencia statt, weil das Verwaltungsratmitglied Ernesto Bertarelli dort mit seiner «Alinghi» den America’s Cup verteidigte, die begehrteste Segeltrophäe der Welt. Wuffli drängte auf eine Entscheidung und erhöhte den Druck auf Ospel. Der hatte dem Kontrollgremium ja schon von seinen Rückzugsplänen berichtet. Also liess Wuffli die Nachfolgefrage in Valencia traktandieren.

Eine Portion Machiavellismus war wohl auch dabei. Denn Ospel wusste zu diesem Zeitpunkt genau, dass Wuffli im Verwaltungsrat kein hohes Ansehen mehr genoss und kaum eine Chance hatte. Wenn er sich stark für Wuffli eingesetzt und vor allem seine beiden Vizepräsidenten überzeugt hätte, wäre ein Präsident Wuffli vielleicht noch immer möglich gewesen. Doch das tat er nicht, und die beiden Vizes pflegten ihre Abneigung zu Wuffli: Suter, weil er in ihm nach den heftigen Streitereien einen uneinsichtigen Sturkopf sah, und Haeringer, weil er ihn vor allem aufgrund des DRCM-Debakels für untragbar hielt. Zudem hätten beide Vizepräsidenten unter Wuffli um ihre Posten mit üppigen Millionenpaketen fürchten müssen. Ospel selbst hatte zu diesem Zeitpunkt längst signalisiert, dass er durchaus für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stehe.

Es kam, wie es kommen musste: Da sich neben den Vizepräsidenten auch die anderen Verwaltungsräte längst von Wuffli abgewendet hatten, votierte das Kontrollgremium geschlossen gegen den Antrag Ospels, Wuffli zu dessen Nachfolger zu ernennen. Ospel liess Wuffli mitteilen, dass dieser weiter operativer Konzernchef bleiben könne, aber als Präsident nicht in Frage komme. Wuffli, in seiner Ehre tief getroffen, entschied sich für den sofortigen Abgang und handelte mit Ospel umgehend sein Abgangspaket in Höhe von mehr als 30 Millionen Franken aus. Am 6.  Juli 2007 wurde sein bisheriger Stellvertreter Marcel Rohner zum neuen operativen Konzernchef ernannt.

Der Nachfolger Ospels hiess damit Ospel, und dass der gleich betonte, mindestens drei, vielleicht aber sogar sechs Jahre bleiben zu wollen, sprach kaum für grosse Vorfreude aufs vorgezogene Pensionärsdasein. Die Pressemitteilung liess wie schon im Fall des Abgangs von Luqman Arnold fünfeinhalb Jahre zuvor mehr Fragen offen, als dass sie Antworten gab. Dass sich der Verwaltungsrat längst mit Wuffli überworfen hatte, wurde aus Rücksicht auf die unbestreitbar grossen Verdienste des Bankchefs nicht erwähnt. Einmal mehr war die Kommunikation, gelinde gesagt, verbesserungsfähig.

Doch unbestritten ist: Die gigantischen Verluste, die noch kommen sollten, waren bei Wufflis Abgang noch nicht absehbar. Gewiss, die Positionen wurden in seiner Amtszeit als operativer Konzernleiter eingegangen, und deswegen trägt er sicher eine Teilverantwortung. Doch erst Mitte Juli, kurz nach seinem Ausscheiden, fielen die Marktwerte für die Subprime-Krise ins Bodenlose. Ospel soll von dem heraufziehenden Sturm erst am 6.  August erfahren haben, als er aus dem Sommerurlaub zurückkam und der neue Konzernchef Marcel Rohner zu ihm ins Büro kam und berichtete, dass es auf gewissen Positionen schlicht keine Liquidität mehr gab. Erst dann drang die Dimension der Krise auch in den Verwaltungsrat vor. Etwa 40 Prozent der verhängnisvollen Positionen waren von den DRCM-Händlern direkt eingegangen worden, und da die Händler in der Investmentbank ­diese imitierten, ist insgesamt der Grossteil des Fiaskos DRCM zuzuschreiben. Jetzt frassen sich die Positionen wie ein Krebsgeschwür in die vorher so gesunde Bank.

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Dunkle Wolken über der UBS.


Sauber- und Buhmänner

von Oliver Stock

Die Schweizer Bank hat mittlerweile 25 Milliarden Euro abgeschrieben, in den USA drohen Klagen von Behörden wegen angeblicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Was der UBS so schwer zu schaffen macht.


FRANKFURT. Heute um kurz vor neun nimmt es wieder seinen Lauf: das Ritual. Brady Dougan, der stets ein wenig überarbeitet aussehende Chef der Credit Suisse wird in dem großen runden Konferenzsaal der Bank in Zürich nach vorne gehen, auf die Teleprompter schauen und ohne eine Regung die Halbjahresbilanz der Bank verkünden. Sie wird bestenfalls durchwachsen ausfallen.

Anschließend wird es Fragen prasseln. Warum, so werden die Zuhörer wissen wollen, steht die Credit Suisse vergleichsweise besser da als die Konkurrenz von nebenan? Die UBS hat inzwischen 25 Mrd. Euro abgeschrieben. Und sie hat alle Hände voll zu tun, Klagen von Behörden in den USA abzuwehren, die sie der Beihilfe zur Steuerhinterziehung bezichtigen. Sind die einen tatsächlich die Buh- und die anderen die Saubermänner?

Rückblende: Anfang Juli 2007 kracht es im Verwaltungsrat der Bank. Bei einer Sitzung in Valencia, wo die UBS als strahlender Hauptsponsor der bedeutendsten Segelregatta, dem America?s Cup, auftritt, bläst ein Sturm Peter Wuffli vom Stuhl. Bis dahin hatte Wuffli als UBS-Chef die Bank wie kein zweiter verkörpert: unaufgeregt bis zur Langeweile, seriös bis zur Goldbrille. Doch in Valencia dämmert den Verwaltungsräten, dass Wuffli dem Druck, dem er ausgesetzt war, nicht standgehalten hat.

Die Schweizer hatten sich zum Ziel gesetzt nicht nur die Nummer eins unter den Vermögensverwaltern zu bleiben, sondern auch unter den Investmenthäusern eine ganz große Kugel zu schieben. Wuffli - und mit ihm der Verwaltungsrat - hatten deswegen Risiken in Kauf genommen, die sich jetzt rächten. Der UBS-Hedge-Fonds Dillon Read war abgestürzt. Wuffli hatte dem Chef des Ladens John Costas zuvor nahezu einen Blankoscheck ausgestellt, um für UBS und ihre vermögenden Kunden einen Teil des boomenden Marktes für alternative Investments zu erobern. Costas erhielt nicht nur eine Starthilfe von 3,5 Mrd. Dollar, sondern durfte rund um den Globus teure Händler anheuern. Bis zum März 2007 hatte er regelmäßig Gewinne abgeliefert. Im Frühjahr meldete Dillon Read den ersten Verlust: rund 150 Mill. Dollar, verspekuliert mit Hypothekenanleihen. Wuffli zog die Notbremse und löste den Hedge-Fonds auf. Die Rede war von 300 Mill. Dollar, die das kosten würde.

Noch niemals hatte sich die Bank so sehr verschätzt. Einer ihrer Fehler: Um schneller voranzukommen hatte sie dem A-Team um Costas ein internes B-Team gegenübergestellt, das versuchen sollte, Dillon Reads Gewinne noch zu toppen. Stattdessen toppte es dessen Verluste. Das Debakel war symptomatisch, für das was folgte: Eine Hiobsbotschaft aus dem US-Geschäft jagte die nächste. Die UBS, einst das Sinnbild Schweizer Vorsicht, hatte bei ihrer Anstrengung, die anderen Investmenthäuser einzuholen, fast jegliches Risikobewusstsein über Bord geworfen.

Der eilig eingesetzte Wuffli-Nachfolger Marcel Rohner dürfte nicht gewusst haben, auf was er sich einlässt. Und der einzige, der es wissen musste, Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel, hatte kein Interesse an der Aufklärung jener Vergangenheit, an der er beteiligt war. Er betätigte sich stattdessen als Strippenzieher, organisierte frisches Kapital, zunächst von einem Staatsfonds aus Singapur, was der UBS den Spitznamen United Banks of Singapor einbrachte, später dann von den übrigen geschockten Aktionären. Erst im Frühjahr 2008, als Ospel so unstürzbar wie ein chinesischer Parteichef schien, trat er ab. Sein Nachfolger Peter Kurer stammt aus seinem Umkreis. Einen personellen Neuanfang hat die UBS damit nicht geschafft.

Dazu kommt eine zweite Baustelle, die der UBS und dem Finanzplatz Schweiz, der je nach Schätzung zehn bis 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes beiträgt, schwer in Mitleidenschaft ziehen könnte. In den USA machen Justizministerium, Börsenaufsicht und Staatsanwälte mit vereinter Kraft den Schweizern das Leben schwer, indem sie ihnen nachweisen, dass sie US-Bürgern geholfen haben, Steuern zu hinterziehen. Die USA kommt dabei schneller voran als die EU, wo der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück zwar ins gleiche Horn stößt, aber aufpassen muss, dass er den Kollegen aus den EU-Ländern Österreich, Belgien und Luxemburg, wo ähnliche Regeln wie in der Schweiz gelten, nicht auf die Füße tritt. Der Schaden für die Banken ist immens: Die ersten vermögenden Kunden haben der UBS bereits den Rücken gekehrt.

All dies hat auch Credit-Suisse-Chef Dougan vom sicheren Schreibtisch gegenüber aus beobachtet. Er wird heute sein Pokerface aufsetzen. So wie vergangenes Jahr um diese Zeit, als er von einem "anspruchsvollen Marktumfeld" sprach und ansonsten mit keinem Wort das, was kommen sollte, schon mal an die Wand malte. Immerhin lässt ihn eine Gewissheit Ruhe bewahren: Den ewigen Konkurrenten von nebenan hat er bis auf weiteres abgehängt.

Ex-Trutzburg

Was war: Schweizer Banken sind mit mehr als drei Bill. Euro die größten Vermögensverwalter der Welt. Daneben haben sich die beiden Banken Credit Suisse und UBS als Investmenthäuser positioniert. Dieses zyklische Geschäft soll durch das stabile Vermögensverwaltungsgeschäft unterstützt werden.

Was ist: Die UBS hat im Investmentbanking 25 Mrd. Euro verloren. Der Vertrauensverlust schwächt das Vermögensverwaltungsgeschäft. Die Credit Suisse hat bislang rund 5,3 Mrd . Euro an Wertminderungen hinnehmen müssen. Die UBS steht in den USA im Mittelpunkt mehrere Prozesse unter anderem, wegen Steuerhinterziehung.

Was wird: Ob die UBS selbständig bleiben kann, ist angesichts eines abgestürzten Börsenkurses unsicher. Das Geschäftsmodell der Großbanken gerät dadurch ins Wanken. Der Druck auf das Bankgeheimnis schwächt den Bankenplatz.