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06 Juni 2007

Schattenkabinett aus Gütersloh

Das Rezept der allgegenwärtigen gemeinnützigen Stiftung ist stets das
Gleiche: Die Gesellschaft soll wie ein Unternehmen geführt werden


Die Bertelsmann-Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet. Heute ist
sie der mit Abstand einflussreichste Politikberater im Land. Und da sie
offiziell als "gemeinnützig" agiert, ist auch gleich ganz oder teilweise
von Steuerzahlungen befreit.
   

Das ist kein unbedeutendes, sondern wichtiges Detail, denn während es
beispielsweise in den USA untersagt ist, dass eine steuerbegünstigte
Stiftung mehr als 20 Prozent der Anteile eines Unternehmens besitzt, hält
die Bertelsmann-Stiftung bereits 76 Prozent der Anteile der Bertelsmann
AG, einem der bedeutendsten Medien- und Dienstleistungsriesen weltweit,
und spart somit – ganz im Sinne ihres Stifters – einen Großteil der
Steuern für die jährlich etwa 18 Milliarden Euro Bertelsmann'schen
Konzernumsatz ein.

Das uneingeschränkte Stimmrecht in Sachen des Konzerns liegt dabei nicht
etwa bei der Stiftung, sondern bei den Mitgliedern der Familie Mohn, die
ebenso in der Stiftung selbst themensetzend und tonangebend sind.


Einzigartiger Machtapparat

Die Stiftung ist nicht etwa eine Förderstiftung, sondern arbeitet
ausschließlich operativ. Das heißt, mit den ihr zur Verfügung stehenden
Mitteln von etwa 60 Millionen Euro im Jahr, die sich aus einer
steuerfreien jährlichen Dividendenzahlung der Aktiengesellschaft an die
Stiftung speisen, unterstützt sie nicht etwa Non-Profit-Organisationen bei
der Erfüllung ihrer Aufgaben, sondern finanziert ausschließlich ihren, den
eigenen Interessen verpflichteten Organisations-, Forschungs- und
Beratungsapparat. Das unterscheidet sie auch maßgeblich von allen anderen
"Beratern" im Geschäft: Sie nimmt kein Geld, sondern hat eigenes. Die
Stiftung ist also nicht nur finanziell unabhängig, sondern unterliegt auch
keinerlei externen Kontrolle und verfügt zudem über einen sehr hohen Grad
an wissenschaftlichem Potential, Autonomie und Schlagkraft – sowie
vielfältigsten Kontakten hin zu Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und
Politik.

Inzwischen gehen StiftungsmitarbeiterInnen in allen Landesregierungen ein
und aus und kooperieren mit Kultusministerien, Kanzleramt und
Bundespräsident ebenso wie mit Kommunalverwaltungen. Die Experten der
Stiftung sind allgegenwärtig geworden und längst nicht mehr wegzudenken:
bei neuen Hochschulgesetzen, der EU-Verfassung, den Hartz-Gesetzen, der
Außenpolitik, geplanten Schulreformen, der Privatisierung von
Gesundheitssystem und Kommunalverwaltungen sind ihre "Beratungen" ebenso
maßgeblich und tonangebend wie auch bei der Etablierung einer Europäischen
Armee und anderem. Mehr und mehr gelingt es der Stiftung hierbei, selbst
zu definieren, was "Gemeinwohl" eigentlich meint – und zudem die Rolle der
dem Staat aufgrund fehlender Steuereinnahmen immer weiter abhanden
kommender eigener politischer Intelligenz einzunehmen, wodurch sie sich
unabdingbar macht und bereits weit in die Kernbereiche staatlicher
Souveränität vorgedrungen ist: Die Stiftung wird mehr und mehr selbst zum
"Staatsapparat" – ohne dabei jedoch demokratisch verfasst oder
kontrolliert zu sein.


Alter Wein aus neuen Schläuchen

Im Grunde kennt sie dabei nur ein einziges Rezept als Lösung aller
gesellschaftlichen Probleme, und seien sie noch so komplex: Die
Gesellschaft soll wie ein Unternehmen geführt, der Staat mehr und mehr
abgebaut werden. Das ist auch der große Traum des Firmenpatriarchen
Reinhard Mohn, den er selbst immer wieder formuliert: "Mit der Bertelsmann
Stiftung ist mir in 25 Jahren der Nachweis gelungen, dass die Grundsätze
unternehmerischer, leistungsorientierter und menschengerechter Gestaltung
der Ordnungssysteme in allen Lebensbereichen zur Anwendung gebracht werden
können [...] Die Übertragung des in der Wirtschaft entwickelten Modells
der "Unternehmenskultur" in andere Lebensbereiche ist möglich!" Nicht nur
wird mittels dieses "Geistes" Demokratie im Wirken der Stiftung primär als
"Ordnungssystem" begriffen und installiert – auch beschränkt sich ihr
Inhalt originär auf Mechanismen von "Konkurrenz", "Kennziffern",
"Zielvorgaben" und "Wettbewerb".


Vorparlamentarischer "Elitenkonsens": Eine Debatte findet nicht statt

Dank der eingesparten Steuergelder hat die Stiftung inzwischen ein
riesiges Politiknetzwerk aufgebaut, mit dem sie Einfluss auf politische
Entscheidungen nehmen kann und nimmt, lange bevor diese im Parlament
verabschiedet werden. Damit wird eine Art "Elitenkonsens" im
vorparlamentarischen Raum hergestellt, der kritische Stimmen bereits im
Vorfeld eliminiert und so dafür sorgt, dass es zu großen
gesellschaftlichen Debatten über viele Reformvorhaben gar nicht erst
kommt. Aufgrund der Einzigartigkeit der ihr zur Verfügung stehenden
Finanzen kann sie dabei als einziger "Politikberater" im Lande jahrelang
an einem Thema arbeiten und sich mit immer wieder neuen, aber in die
gleiche Richtung zielenden Argumenten ("Studiengebühren sind gerecht,
weil…) in die Debatte einmischen, vor Ort "Modellprojekte" realisieren, um
Vertrauen zu gewinnen, oder eben auch öffentliche Bedienstete – wie etwa
Richter des Bundesarbeitsgerichtes zum Thema der Reform des Arbeitsrechts
- auf eigene Kosten zu Veranstaltungen, Kongressen und ähnlichem laden.

Der Ansatz von Arbeit und Projekten ist dabei stets top-down. Kein
Stiftungsprojekt findet statt, das nicht der Prämisse
"wirtschaftsfreundliches Ergebnis" unterliegt. Die Stiftung ist stets
bemüht, die geförderten Projekte und Vorstellungen für Zwecke zu
instrumentalisieren, die "ihrem" Konzern dienlich sind.


Privatisierung der Kommunen

In den Kommunen hat die Stiftung sich beispielsweise längst zwischen
Verwaltung und die Bürger geschoben. Auf kommunalen Kongressen lockt sie
Stadtdirektoren, Kämmerer und Oberbürgermeister mit einer ganzen Palette
von Reformvorschlägen an – und legitimiert ihr Wirken dabei nicht etwa
über ein demokratisches Mandat, sondern über ihren Status als vermeintlich
gemeinnütziger Akteur. Als solcher rät sie den öffentlichen Kommunen zur
Teilprivatisierung ihrer Aufgaben – und dann übernimmt diese schließlich
die hochprofitable Dienstleistungstochter der Bertelsmann AG, Arvato. Ganz
im Sinne der Mohnschen "Gemeinnützigkeit".