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24 Mai 2010

TOBIN TAX - Frankfurter Rundschau

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/?em_cnt=2634702&em_src=931490&em_ivw=fr_wirstart

Rettung des Euro

Neue Chance für Finanztransaktionssteuer

Von Markus Sievers

Berlin. Durch das große Euro-Rettungspaket bekommt die Finanztransaktionssteuer eine neue Chance. Führende Unionspolitiker sprachen sich am Dienstag für eine solche Tobin-Tax aus. Es wäre die nächste Kehrtwende, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dieses Instrument erst gefordert und dann verworfen hatte. Doch am Sonntag beschloss der EU-Ministerrat, eine globale Einführung dieser Steuer zu prüfen.

In jedem Fall wollen alle Fraktionen in den parlamentarischen Beratungen durchsetzen, dass sich die Finanzbranche in der ein oder anderen Form stärker an den Kosten der Krise beteiligen muss. Am Vormittag hatte das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf gebilligt, der die deutsche Beteiligung an dem 750 Milliarden Euro teuren Schutzschirm für kränkelnde Euro-Länder regelt. Am Nachmittag wurde nach Angaben von Teilnehmern sowohl in den Fraktionssitzungen von Union als auch der FDP deutliche Kritik daran laut, dass wieder allein die Steuerzahler haften sollen.

Erst kippen Banken - dann wackelt die Wirtschaft. Nun muss der Staat helfen. Reden Sie mit über Wege aus der Krise

"Wir wollen ganz klar eine Beteiligung der Finanzmärkte und auch derjenigen, die Verantwortung tragen", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Seine Fraktion wolle über eine Finanztransaktionssteuer debattieren, die Merkel vergangene Woche in ihrer Regierungserklärung abgelehnt hatte. Noch deutlicher wurde die CSU. "Wir glauben, dass eine Finanzmarkt-Transaktionssteuer eine der Möglichkeiten ist, den Risikohunger der internationalen Spekulanten zu hemmen", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt äußerte sich positiv über diese Steuer. Allerdings ist dies keineswegs Konsens in der Union. So wies Fraktionsvize Michael Meister auf die Bedenken des Internationalen Währungsfonds hin. Die FDP bekräftigte ihr Nein.

Dennoch gewinnt das Thema an Fahrt. Denn diese Steuer auf kurzfristige Finanzgeschäfte könnte nicht nur dazu dienen, Spekulanten zu stoppen und dem Staat Einnahmen zu verschaffen. Ein solcher Vorstoß böte der Koalition auch politische Vorteile. Denn dann könnte beziehungsweise müsste die SPD anders als beim Griechenland-Paket im Bundestag dem unpopulären Gesetz zustimmen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann deutete an, dass seine Fraktion das schwarz-gelbe Gesetz mittragen könne. Voraussetzung sei allerdings, dass die Transaktionssteuer komme.

Laut Kabinettsbeschluss wird Deutschland Garantien bis zu 147,6 Milliarden Euro für Kredite an strauchelnde Euro-Länder wie Spanien oder Portugal übernehmen. Zunächst einmal liegt der Deckel zwar bei 123 Milliarden Euro. Doch da viele Euro-Staaten selbst in großen Schwierigkeiten stecken, können sich nicht alle an einer möglichen Unterstützung für die besonders Schwachen beteiligen. Für den wahrscheinlichen Fall, dass einzelne Nationen ausscheren, sieht das Gesetz eine Ausweitung des deutschen Beitrages vor.

Neue Nahrung bekamen die Spekulationen über eine bevorstehende Ablösung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Wieder fehlte er gestern aus gesundheitlichen Gründen und verpasste auch diese wichtige Kabinettssitzung. Regierungssprecher beteuerten, Schäuble werde weitermachen und nächste Woche ins Amt zurückkehren.


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Berlin/Frankfurt - Die Euphorie hielt nur 24 Stunden: So lange durften sich Anleger, Banker und europäische Finanzminister über das Kursfeuerwerk nach Bekanntgabe des 500-Milliarden-Euro-Pakets der Euro-Länder und angebliche 250 Milliarden Euro des Internationalen Währungsfonds für in Not geratende Euro-Länder freuen.

Am Dienstag kehrte die Ernüchterung zurück: Die Börse in Tokio fiel um gut ein Prozent, Singapur um fast zwei, und in Frankfurt gab der Dax zeitweise gut ein Prozent nach. Auch an der Wall Street ging es erst mal wieder nach unten - nicht nur für Aktien, sondern auch für den Euro. Europas Währung fiel um fast ein Prozent und wurde mit unter 1,27 zum Dollar niedriger gehandelt als vor Bekanntgabe des Hilfspakets.

Auch wenn sich die Kurse wieder etwas erholten - eine Rolle für die zurückgekehrte Nervosität an den Märkten spielte, dass der Internationale Währungsfonds Luft aus der Ankündigung der Europäer ließ, er werde Euro-Ländern mit 250 Mrd. Euro beispringen. "Wir haben nie 250 gesagt ... Wir sind keinerlei pauschale Verpflichtung eingegangen", sagte in Washington IWF-Vizedirektor John Lipsky bei einer Konferenzschaltung mit Journalisten. Stattdessen werde der IWF über Hilfen für jedes Land im Rahmen seines normalen Vorgehens entscheiden. Und in Brüssel bekräftigte der für die Griechenland-Rettung und andere Feuerwehreinsätze in Europa zuständige Direktor der Europa-Abteilung des IWF, Marek Belka, der von den Euro-Ländern verkündete Kreditrahmen allein sei "keine Langzeitlösung".

Und so kehrten nicht nur fallende Kurse zurück, sondern auch die Frage, was Europa tun muss, um seine Finanzen dauerhaft wieder auf eine solide Grundlage zu stellen und den Euro zu stabilisieren.

Die wichtigsten Maßnahmen zur Sanierung der Euro-Zone bestehen dem Internationalen Währungsfonds zufolge in glaubwürdigen Schritten zur Verringerung von Haushaltsdefiziten und folgendem Schuldenabbau, der Schaffung wirksamer Kriseninstrumente und Sanktionsmechanismen und überfälligen Reformen: von einer Bankenreform bis zu Einschnitten bei immer kostspieligeren Renten- und Gesundheitssystemen.

Am wichtigsten sei der Schuldenabbau, urteilt der IWF in seinem am Dienstag veröffentlichten Wirtschaftsausblick für Europa. "Die Alarmsignale zu öffentlichen Schulden blinken." Bereits angekündigte Sparmaßnahmen blieben oft hinter den notwendigen Einschnitten zurück. "Für Länder mit niedriger fiskalischer Glaubwürdigkeit ist unverzügliche Konsolidierung ein Muss." Das gilt natürlich in erster Linie für Griechenland. Doch auch die ebenfalls hoch verschuldeten Euro-Länder "Irland, Portugal und Spanien ... müssen bestehende Konsolidierungspläne auch durchsetzen". Generell müssten allerdings alle Euro-Länder "ein glaubwürdiges Engagement zu fiskalischer Konsolidierung eingehen" - im Klartext heißt das: sparen.

Dass zunächst Madrids und Lissabons künftiger Wille zum Sparen so in den Mittelpunkt rückt, liegt auch daran, dass er dort bisher kaum vorhanden war. Noch in der vergangenen Woche versicherte Spaniens Premier José Luis Zapatero nach einem Treffen mit Oppositionsführer Mariano Rajoy, es werde in Spanien keine "drastischen" Ausgabenkürzungen geben, um die zarte wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. Spanien plante für dieses Jahr mit einem Haushaltsdefizit von 9,3 Prozent, für 2011 mit 6,5 Prozent. Spätestens bis zum Wochenende müssen Spanien und Portugal den Finanzministerkollegen der Euro-Länder detailliert berichten. Nicht nur beider Defizitwerte sind immer noch sehr hoch - die Annahmen beruhen auch noch auf überaus rosigen Prognosen zum Wirtschaftswachstum.

Schuldenberge gar nicht erst entstehen zu lassen, war einst das Ziel des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Er schrieb ein maximales Haushaltsdefizit von drei Prozent vor, die Gesamtverschuldung sollte nicht 60 Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigen. Doch Deutschland und Frankreich höhlten die Regel 2003 aus, kein Schuldensünder musste jemals die im Vertrag festgelegten Strafen zahlen. Nun steht Europa blank da - und noch viel schlechter als vorher: "Die Euro-Länder haben jetzt noch weniger Druck als zuvor, das eigene Haus in Ordnung zu bringen. Denn jetzt weiß jedes Land, dass es einen Rettungsschirm gibt, der aufgespannt wird, wenn es schiefgeht", sagt Dennis Snower, der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel. "Deshalb ist es jetzt noch wichtiger als zuvor, einen Mechanismus zu schaffen, mit dem der Wachstums- und Stabilitätspakt durchgesetzt werden kann."

Vorschläge gibt es dazu reichlich. Snower fordert beispielsweise eine Schuldenkommission, die auf europäischer Ebene darüber wacht, dass die nationalen Regierungen ihre Konsolidierungsziele einhalten. Thomas Mayer, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, fordert gar ein europäisches Pendant zum IWF: "Die EU muss einen Europäischen Währungsfonds (EWF) schaffen - mit dem man Krisen managen und eine mögliche staatliche Insolvenz geordnet abwickeln kann." Er soll die finanzpolitische Stabilität der Euro-Staaten überwachen und angeschlagenen Ländern im Notfall finanziell helfen können - die dafür im Gegenzug harte Sparbedingungen erfüllen müssten. Die Kritik an dem Modell: Er könnte Euro-Staaten verführen, unsolide zu wirtschaften - im Notfall hilft ja der EWF. Mayer hält dagegen, dass genau deshalb ein Konkurs möglich sein muss, bei dem die Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten müssen.

Auch verlangen Ökonomen und Politiker, dass der Währungsraum einen bankrotten Staat abwickeln kann, ohne dass es im Bankensystem und an den Märkten zu großen Verwerfungen kommt. "Wir brauchen ein geordnetes Insolvenzverfahren", sagt Clemens Fuest, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums. Ein Land, das Schwierigkeiten habe, könne einmal geholfen werden - aber kein zweites Mal. Dann müsse es in die Insolvenz.

Finanzminister Wolfgang Schäuble kann sich auch einen verschärften Stabilitätspakt vorstellen. Mitgliedsländer, die gegen Regeln verstoßen, sollen für eine bestimmte Zeit keine Zahlungen aus den EU-Töpfen für strukturschwache Regionen bekommen. Schäubles Ansicht zufolge ist zudem der vorübergehende Verzicht hilfebedürftiger Länder auf ihr Stimmrecht in Gremien der Europäischen Union eine wirksame Maßnahme, um diese zu etwas mehr Haushaltsdisziplin anzuspornen. Fuest jedoch hält von einem verschärften Stabilitätspakt nichts. "Von einer Verschärfung der Sanktionen im Stabilitätspakt verspreche ich mir wenig. Die Sanktionen, die bereits heute möglich sind, hat man nie ausgeschöpft", sagt er. Diese Gefahr drohe in Zukunft auch bei einem verschärften Pakt wieder.

Neben einer stärkeren Finanzdisziplin der Euro-Länder und einem strengen Stabilitätsmechanismus auf der Ebene der Euro-Zone fordern Ökonomen Korrekturen an den Strukturen des Finanzsystems, um es stabiler zu machen. Das gilt besonders für die Banken, die in der aktuellen Krise billiges Geld der Europäischen Zentralbank zum Kauf hochverzinster Regierungsanleihen genutzt haben.

Deshalb fordern nicht nur Ökonomen, sondern sogar Banker Regeln, die sicherstellen, dass künftig jede Bank pleitegehen kann. "Too big to fail - das darf es nicht mehr geben", sagt selbst Jamie Dimon, der Chef der größten US-Bank JP Morgan Chase. Nur so könne auch tatsächlich sichergestellt sein, dass die Politik nicht wieder erpressbar wird. "Wir brauchen eine Insolvenzordnung für Banken und Regeln dafür, wie Banken abgewickelt werden können", so Roland Döhrn, Konjunkturchef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung. "Wenn wir Insolvenzregeln für Banken haben, können Banken künftig nicht mehr ungeprüft behaupten, dass sie systemrelevant sind, und so erzwingen, dass sie von der Politik herausgehauen werden."

Deshalb arbeiten die Regulierer weltweit gerade an Insolvenzverfahren für große Finanzinstitute. Regeln sollen festlegen, wie bankrotte Institute temporär unter staatlicher Aufsicht weiterbetrieben werden können, sodass die Finanzmärkte nicht ins Stocken geraten wie nach der Lehman-Pleite. Dazu gehört auch, dass angeschlagene Banken während eines solchen Verfahrens weiter finanziert werden.