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14 Juni 2008

Hitler Leasingvertrag - Lachen ueber Adolf den Kleinbuerger?

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Kultvideo: Adolf Polt synchronisiert Gerhard Hitler "Leasingvertrag" aus Hölle

Mit dieser filmischen Semesterarbeit an der Bremer Hochschule für Künste, erntete der ehemalige Filmstudent Florian Wittmann eine umstrittene aber verdiente Berühmtheit im Netz. Er unterlegte eine Hitlerrede aus dem Berliner Sportpalast mit einem kurzen Text aus dem Programm des Kabarettisten Gerhard Polt. Der Nazi-Propagande-Film wurde so geschickt verändert, dass Stimme und Bild verblüffend genau zusammenpassen. In einem Interview mit Focus-Online schildert Wittmann die Wirkung des Films: "Ich glaube, es ist die Vermischung der Allerweltsbanalität ,Leasing“ mit der Dämonie Hitlers. Die Klage des Kunden der Kfz-Firma Ismeier, der sich in Sachen Autofinanzierung übervorteilt sieht, hat mit der Hitler-Rede den Auftrittscharakter gemeinsam. Ton und Bild widersprechen sich, aber sie entsprechen sich auch. Zwei verbitterte Männer kommen zu Wort bzw. sind zu sehen, der eine weinerlich, der andere kämpferisch. Hitlers hochfahrender Gestus kontrastiert mit der Kümmerlichkeit des Kleinbürgers. Polts bayerischer Dialekt erinnert an Hitlers österreichische Mundart. Man kann das eine für das andere nehmen, die Figuren verschmelzen vorübergehend." Vom Verleger Polts hat Wittmann leider eine Klage wegen einer Urheberrechtsverletzung bekommen, der den Film offenbar nicht als eigenes Kunstwerk ansehen möchte…



Lachnummer Adolf

Von Versailles zum Leasingvertrag: Wie und warum Hitler zur komischen Figur wurde: in Filmen, in Comics - und im Internet.
Von Lothar Müller


Das Schöne, aber auch Unheimliche am Lachen ist das ihm innewohnende Element von Unverfügbarkeit.

Jeder, der schon einmal auf Kommando hat lachen müssen, weiß, wie schnell sich das künstliche Lachen als solches verrät, wie sehr es in Tonfall und Mienenspiel der Unverfügbarkeit Tribut zollt.

Zur Frage, ob man über Hitler lachen darf, kann man lange moralisch-historisch-politische Debatten führen. Was aber, wenn dabei einer aufsteht und einige wirklich gute Hitler-Witze erzählt?

Dann zeigt sich, dass der komische Hitler die Frage suspendiert, ob man über ihn lachen darf: weil man über ihn lachen muss.

Und zwar unabhängig davon, ob das Lachen gefährlich war wie beim Flüsterwitz im Dritten Reich, oder ungefährlich, wie bei einer Vorführung von Chaplins ,,The Great Dictator‘‘ 1940 in den Vereinigten Staaten. Seit nunmehr zwei Generationen gibt es im Kino, in Comics, im Theater, im Fernsehen und im Witzrepertoire der Völker den komischen Hitler. Die entscheidende Frage kann deshalb nur sein: Wie ist das möglich bei einem Verbrecher?

Kleindarsteller des unfreiwillig Komischen

Er ist möglich, weil die Gesetze des Komischen auch für Hitler gelten. Und zwar nicht erst für die Kunstfigur, zu der er bei Chaplin wird, sondern auch für den historischen Hitler.

Die Historiker mögen noch so sehr auf die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit seiner Verbrechen pochen - der historische Hitler, gefilmt, wie er beim Abschreiten einer Truppenparade plötzlich stolpert, dass ihm der Schreck in die Glieder fährt und ein ungläubiges Staunen die Züge verzerrt, rückt sogleich in ein ganzes Heer freiwilliger und unfreiwilliger Kleindarsteller des Komischen ein.

Hitlerwitz und Hitlercomic haben sich seit je die Chance nicht entgehen lassen, den Führer als Darsteller des Allgemeinkomischen dienstzuverpflichten. Interessanter und charakteristischer aber sind die Fälle, die das Spezifische, das Individuelle an Hitler in den Rohstoff des Komischen verwandeln.

Ihnen kommt entgegen, dass Hitler selbst die Ausprägung einer Charaktermaske als Schlüsselelement seiner politischen Karriere begriffen hat.

Wiederholung und Monotonie als Quellen des Komischen

Diese Maske entsteht aus der Verschmelzung von Physiognomie (Bärtchen, Scheitelfrisur), Gestik (ausgestreckter Arm, Händeringen, Faustballen, Wippen des Gesamtkörpers) und Rhetorik (bellendes Crescendo, effektvolle Pausen etc.).

Schon die zeitgenössischen Karikaturisten und Komiker haben diesen Rohstoff dankbar genutzt. Was sie dabei schufen, musste über den stolpernden Hitler weit hinausgehen. Denn wer - wie Chaplin oder Ernst Lubitsch - eine tiefe Einsicht in die Gesetze des Komischen besaß, dem konnte nicht entgehen, dass der historische Hitler diesen Gesetzen gleich zweifach entgegenkam.

Denn eine der Quellen des Komischen ist die Wiederholung, ja die Monotonie. Und eine zweite Quelle ist, wie vor allem der französische Philosoph Henri Bergson in seiner Studie ,,Das Lachen‘‘ (1901) hervorgehoben hat, das Automatenhafte und Mechanische, wenn es in die menschliche Gestalt eingeht. Die einhämmernde Wiederholung gehörte zur Rhetorik Hitlers, die zackige, im Rückblick springteufelhaft wirkende Mechanik seiner Gestik.

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Das Mechanisch-Automatenhafte verbindet nicht von ungefähr den Chaplin des ,,Großen Diktators‘‘ mit der Fließbandwelt von ,,Modern Times‘‘.

Als unwiderstehliche Inkarnation des komischen Hitler hat im vergangenen halben Jahr das 2,5-Minuten-Video ,,Hitler Leasing!‘‘ im Internet zu Recht Furore gemacht. Florian Wittmann hat darin als Abschlussarbeit an der Bremer Universität der Künste Bildsequenzen aus Leni Riefenstahls ,,Triumph des Willens‘‘ (1934) mit Tonpassagen aus einem Sketch von Gerhard Polt nach dem Modell ,,Prominenten in den Mund geschoben‘‘ zusammengefügt.

Das ist nicht nur deshalb von hinreißender Komik, weil darin Hitlers Gestik und Mienenspiel bis ins Lippensynchrone hinein der Suada angeglichen ist, mit der sich Polt darüber beschwert, einem Leasingangebot der Kfz-Firma Ismeier auf den Leim gegangen zu sein.

Rhetorik des Ressentiments

Und auch nicht nur deshalb, weil Polts bayerisches Idiom der Sprachfärbung Hitlers nahe genug ist, um der Verfremdung zugleich ein Element von Ähnlichkeit hinzuzufügen.

Es ist komisch auch deshalb, weil hier parallel zu dem auf Mausclick aktivierbaren, automatenhaft sein Gestenrepertoire abspulenden Hitler auf der Tonspur dasselbe Gesetz herrscht, das der historische Hitler als Redner ausbeutete: die Rhetorik des Ressentiments, der Beschwerde und des Selbstmitleids.

Sie war die Kehrseite der einpeitschend-aggressiven Rhetorik und galt, wie Polts Ausbruch gegen die Firma Ismeier, einem Vertrag: Zu den Standardnummern, die Hitler bei seinem Aufstieg immer wieder vorführte, gehörte das Wüten gegen den Versailler Vertrag.

Es ist tröstlich, dass Hitler nun im modernen Volkstheater, im Internet, mit dem harten Strafmaß belegt wird, das die antike Mythologie den Frevlern in der Unterwelt zukommen lässt.

Möge er in der ewigen Wiederholung, mit welcher Tantalus sich dem zurückweichenden Wasser zubeugt, gegen den Leasingvertrag wettern!

(SZ vom 12.1.2007)


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27. Januar 2007, Neue Zürcher Zeitung

Der «Führer» als Spassfaktor

Der «Führer» als Spassfaktor

Ulk und Komik im Umgang mit Hitler nehmen auch in Deutschland zu, doch bleibt ein steter Vorbehalt


Eine Hitler-Oper fehlt noch. Eine Operette über den «Führer» ebenfalls. Und ein Hitler-Ballett. Chaplin hat uns zwar gezeigt, dass der grosse Diktator, sofern er mit dem Globus jonglieren darf, das Zeug zum Tänzer hat. Aber an eine entsprechende Produktion hat sich bisher kein Regisseur gewagt. Nur Geduld, dergleichen kommt bestimmt bald. Alle anderen medialen und künstlerischen Formen gibt es ja schon: Ob in Romanen oder Erzählungen, Spielfilmen oder Dramen, als Comic oder Videoclip, ob auf der Bühne, im Fernsehen oder im Internet - überall kann man Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus in Darstellungen begegnen, die mehr oder weniger frei gestaltet, jedenfalls weder strikt dokumentarisch noch wissenschaftlich sind. Es gilt das Elsa-Prinzip aus Wagners «Lohengrin» (der ersten Oper übrigens, die der sofort entflammte Knabe Adolf besuchte): «Lass mich ihn sehn, wie ich ihn sah, wie ich ihn sah, sei er mir nah!»

Wer darf lachen, wer nicht?

Dem Historiker Hans Ulrich Wehler ist darob jetzt der Kragen geplatzt. Nazi-Verbrechen seien Phänomene, die «sich nicht ins Bild übersetzen» liessen, kritisierte er und reklamierte ordnungsgemässe Zuständigkeiten. Auslöser seines Zorns war Dani Levys Filmsatire «Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler» (NZZ 17. 1. 07). «Die Behandlung von Figuren wie Lenin, Stalin und Hitler ist besser bei Wissenschaftern aufgehoben als in einer Persiflage», fand Wehler, der damit den spöttischen Verdacht weckte, wie ein Platzhirsch zu reagieren. Sein Wunsch, der Film möge ohne Zuschauer bleiben, erfüllte sich nicht.

Wehlers Unbehagen wird vielfach geteilt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die katholische Bischofskonferenz ziehen Levy der Verharmlosung. Meinungsforscher machten in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit aus, die von einer komödiantischen Auseinandersetzung mit Adolf Hitler nichts wissen will. Auch in den Feuilletons überwogen die negativen Filmkritiken. Anstoss erregte zumal, dass Levy den Massenmörder als bedauernswertes Produkt eines prügelnden Vaters porträtiert. Hasste Hitler die Juden aus seelischer Not?

Ihm sei unerklärlich, entrüstete sich Rolf Hochhuth über Levy, «wie ein Mann, der selbst Jude ist, so eine Geschichtsfälschung ins Kino bringen kann». Hochhuth beteiligt sich an der jüngsten medialen Hitlerei mit einem eigenen Stück. «Heil Hitler!» wurde vor zwei Wochen an der Berliner Akademie der Künste uraufgeführt und ist als sogenannte Tragikomödie gewissermassen eine Konkurrenzveranstaltung zu Levys Film. Hauptfigur ist ein Siebzehnjähriger, dessen Vater im KZ ermordet wurde, weil er standhaft den Hitlergruss verweigert hatte. Nun reckt der Sohn bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Arm und verprügelt Passanten, die sein «Heil Hitler!» nicht erwidern. Ins Irrenhaus eingeliefert, stellt der Patient die Ärzte vor ein Problem: Wenn sie systemkonformes Grüssen zur Krankheit erklären - wo führt das hin?

Gelächter provoziert Hitler seit je. Schon in den 1920er Jahren setzten die Karikaturisten des Satireblatts «Simplicissimus» den Mann mit dem komischen Bärtchen ins Bild. Ob die Verulkung auf deutschem oder ausländischem Mist gewachsen war, spielte für die Legitimität des Lachens keine Rolle. Das änderte sich, als das Grauen der Vernichtungslager für alle Welt offenbar wurde. Der robuste Humor der Angelsachsen liess es sich selbst dann nie nehmen, an Hitler den Blender und Hanswurst herauszustreichen. Das stand Deutschland nicht mehr zu. Nach dem verlorenen Krieg verschattete dort Auschwitz auch das Lachen über Hitler. Schuld und Scham schlossen Belustigung aus.

In den Diskussionen der jüngeren Zeit wird dieser Punkt gern überspielt. Wann immer jemand in vorgeblich volkspädagogischer Besorgnis die Frage formuliert, ob man über Hitler lachen dürfe, findet sich sogleich ein gebildeter Fürsprecher, der die Besorgnis mit einer Handbewegung abtut: Na klar dürfe, könne, solle man. «Unhistorisch» sei es, anderes zu meinen. Es geschähe doch längst. Sodann werden zum Beweis, dass Dani Levy keineswegs Neuland betrete, die Vorläufer aufgeboten, von Charlie Chaplin und Ernst Lubitsch bis zu Mel Brooks, Roberto Benigni und Radu Mihaileanu.

Diese Apologie eines komödiantischen Umgangs mit Hitlers Herrschaft unterschlägt, worauf die Frage eigentlich zielt. In der abstrakten Fassung, ob «man» über Hitler lachen dürfe, ist sie scheinheilig. Einem Briten würde man sie nie stellen. Im Kern lautet sie vielmehr: Dürfen nun etwa auch die Deutschen an Hitler ihren Spass haben? Die Antwort darauf kann nicht der Verweis auf ausländische Filmproduktionen sein. Sie steckt vielmehr in den zurückliegenden Debatten über Deutschlands «Normalisierung». Allerdings liegt keine abschliessende Antwort vor. Dem mehrheitsfähigen «Ja, die Deutschen sind heute ein Volk wie alle anderen» steht als Widerspruch eine sozialpsychologische Beobachtung gegenüber. Um mit dem Philosophen Isaiah Berlin zu reden: Normal zu sein, bedeutet, dass man sich nicht beobachtet fühlt. Was man tut oder sagt, darf nicht sogleich daraufhin angesehen werden, ob es symbolische Relevanz hat. Normalität käme einer deutschen Komödie über Hitler erst dann zu, wenn sie nicht mehr als Demonstration oder Beweis von etwas - einer Haltung, einer Sinnesart, einem Wandel in der Erinnerungskultur - gelten würde. Man frage sich einfach selbst: Wird Levys Film in diesem Sinne neutral, ohne Ansehung etwaiger symbolischer Qualitäten diskutiert?

Vorbei ist nicht vorbei

So augenfällig die Häufung von Humor und Slapstick im Umgang mit Repräsentanten des NS- Regimes ist, so beharrlich ertönt die Frage nach der Bedeutung des Phänomens. Wenn der Comic- Zeichner und Autor Walter Moers über Hitlers letzte Tage im Führerbunker blödelt («Der Bonker») oder der Filmstudent Florian Wittmann eine Hitler-Rede mit der Stimme des Kabarettisten Gerhard Polt synchronisiert und als alberne Erregung über einen kostentreibenden «Leasingvertrag» präsentiert, dann mögen das zwar Millionen Besucher des Internet-Forums «YouTube» als «einfach nur geil» goutieren. Für Zeitdiagnostiker jedoch besitzt der vermeintlich blanke Spass stets eine hintergründige Dimension. Filmtheoretiker erkennen einen Wandel der Abbildungs- Tabus; Historiker lesen das Amüsement der vornehmlich jungen Zuschauer als Indiz der Ferne, in welche Hitler gerückt ist: Dass seine Rhetorik und Erscheinung einst die Massen in Bann schlugen, können popkulturell geprägte Nachgeborene nimmermehr nachvollziehen.

«Diese Geschichte ist vorbei», resümierte die «Süddeutsche Zeitung». Ja und nein. Für ihr endgültiges Ende müssten auch derartige Feststellungen aufhören.

Joachim Güntner