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01 Mai 2008

LSD - Albert Hofmann ist seine Sorgen los..

Bro ckers schreibt:

30. April 2008 Zum Tod von Albert Hofmann.

Wenn man sich von einem sehr alten und lieben Menschen verabschiedet, ist jedes
Mal ein bißchen Angst dabei, dass man sich vielleicht nicht mehr wiedersieht.
Bei den Abschieden von Albert Hofmann in der letzten Zeit verspürte ich aber
immer nur einen ganz leisen Anflug davon, denn die Lebendigkeit und die mentale
Fitness dieses uralten Mannes (siehe Eintrag vom 31.3.) liessen gar nicht an
einen Abschied für immer denken. Genausowenig wie seine Frische und
Schlagfertigkeit am Telefon, etwa als ich ihm im letzten Oktober dazu
gratulierte, bei einer Umfrage in England zum größten lebenden Genie gewählt
geworden zu sein: "Ach, ich bin es doch nicht, der gewählt worden ist, es ist
das LSD". Aber gefreut hat er sich trotzdem, so wie er sich immer noch richtig
ärgern konnte -- über schlechte Artikel, falsche Zitate, schlampige Wissenschaft.

Seine wichtigste Entdeckung freilich verdankt sich einer kleinen Schlamperei im
Labor. Bei einer Frühstückspause im April 1943 hatte er die Eingebung, eine
schon 5 Jahre zuvor hergestellte Verbindung des Mutterkorn-Wirkstoffs
Lysergsäure erneut zu produzieren -- und dabei versehntlich einige Millionstel
Gramm absorbiert, die zu erstaunlichen Bewußtseinsveränderungen führte. Eine
derart wirksame Substanz war in der ganzen Pharmakologie bis dahin nicht
bekannt, so dass Dr. Hofmann am Tag darauf mit einer vielfachen Überdosis einen
Selbstversuch ausführte. Da LSD weitestgehend untoxisch ist, führte dies zu
keinen körperlichen Schädigungen, aber zu einem Horrortrip, bei dem sich
Realität und Ich völlig auflösten und er glaubte, wahnsinnig geworden zu sein.

Als allerdings die Wirkung etwas nachließ und die gewohnte Wirklichkeit
zurückkehrte, schien sie strahlender, leuchtender, lebendiger. So wie ihm jetzt
die Natur vorkam hatte er es schon einmal erlebt, als 11-Jähriger bei einem Gang
durch einen Sommerwald auf dem Martinsberg bei Baden.

Damals war seine Neugier entstanden, dem Geheimnis dieser strahlenden Natur,
deren Teil er war, auf die Spur zu kommen. Aus armen Verhältnissen stammend
paukte er neben der Kaufmannslehre Latein, ein Pate bezahlte das damals
kostenpflichtige Gymnasium, nach einem Chemiestudium in Zürich trat er 1929 in
die Abteilung Naturstoffe der Baseler Sandoz-Werke ein, die er bis zu seiner
Pensionierung 1971 leitete. In dieser Zeit erforschte er zahlreiche
Arzneiwirkstoffe, von denen einige bis heute Standardmedikamente sind, wie das
in der Geburtshilfe eingesetze "Methergin". Für seine grundlegenden Forschungen,
die in über 140 Arbeiten dokumentiert sind, erhielt Albert Hofmann zahlreiche
internationale Preise und Ehrendoktorate. Die Entdeckung des LSD -- sowie des
Psylocibin, des Wirkstoffs der mexikanischen Zauberpilze -- machten sein Werk
weit über die Gebiete der Pflanzenchemie und Pharmakologie hinaus von Bedeutung,
allen voran für die Neurowissenschaften und Bewußtseinsforschung. Abgesehen von
den US-Geheimdiensten, die in den 50er Jahren ebenso üble wie erfolglose
Experimente mit unwissentlich verabreichtem LSD veranstalteten, erwies sich die
Substanz für Ärzte und Psychiater als vielversprechend. Zahlreiche
Forschungsberichte über den Erfolg von LSD-gestützter Therapie, etwa bei der
Behandlung "aussichtloser" Fälle von Autismus oder Alkoholismus, erschienen, in
der analytischen Psychotherapie erwies sich "Delysid", so der Markenname des
Medikaments, als geeignetes Werkzeug zur Freisetzung verdrängter oder
blockierter seelischer Inhalte. Enthusiasten wie der Autor Ken Kesey ("Einer
flog über.s Kuckucksnest") oder der Harvard Professor Timothy Leary ("Tune in,
turn on, drop out"), die den LSD-Gebrauch ab Anfang der 60er Jahre als Mittel
seelischer Entspannung und Selbsterkenntnis propagierten, sorgten mit dieser
Popularisierung dann für das Totalverbot der Substanz, die 1967 erfolgte.

In seinem Buch "LSD -- mein Sorgenkind" hat Albert Hofmann den Weg seiner
Entdeckung von der Wunderdroge zur illegalen Droge beschrieben, deren weitere
Erforschung über Jahrzehnte nur noch im Untergrund möglich war. Dass nach vier
Jahrzehtnen jetzt in der Schweiz wieder eine Genehmigung für die LSD-Therapie
von Schwerkranken und Sterbenden erteilt wurde, bezeichnete er an seinem 102.
Geburtstag am 11. Januar 2008 als "das größte Geschenk überhaupt." Über alle die
Jahre des Verbots hatte er stets dafür plädiert, LSD als sakrale Substanz
einzustufen und seine Verwendung im geeigneten Rahmen wieder zuzulassen.

Wie alle großen Naturforscher war auch Albert Hofmann bei seiner immer tieferen
Erforschung der Bausteine der Natur auf immer größere Geheimnisse gestoßen und
über die messende, rechnende Erkundung der Materie an jene Grenze gelangt, an
der das Unfassbare beginnt: Geist. Keine andere Entdeckung der Wissenschaft
markierte diesen Übergang von Geist und Materie so genau wie LSD. Die materielle
Substanz eines Staubkorns reicht seitdem aus, um die Wahrnehmung dessen, was wir
für Wirklichkeit, Materie, halten, völlig zu verändern und mit Zusammenhängen
konfrontiert zu werden, die unsere Verständnisfähigkeiten überschreiten: "Wer
als Naturwisswenschaftler kein Metaphysiker wird ist kein Naturwissenschaftler"
-- diese Aussage Albert Hofmanns war mehr als ein Bonmot und er war bis zum
Schluß beides: strenger, exakter Wissenschaftler und ein metaphysischer Weiser,
der in seinem philosophischen Buch "Einsichten, Ausblicke" den Begriff Evolution
auf die kürzeste mögliche Formel brachte: "Licht, Leben, Liebe."

Die Beatles, die ihm einst ein signiertes Exemplar ihrer "Sgt. Pepper"- LP
zuschickten beantworteten damit die offiziell ungeklärte Frage, was mit "Lucy in
the Sky with Diamonds" gemeint sei, doch Albert Hofmann hat sich damit stets
ebensowenig gebrüstet wie mit den zahlreichen Dankesschreiben, die er von
anderen berühmten Künstlern und Kreativen erhielt. Als er bei seinem letzten
Vortrag in den USA Mitte der 90er Jahre wie ein Popstar mit tosendem Jubel
empfangen wurde brach er diese Ovationen sogleich ab: "Danke, meine Damen und
Herren, ich bin doch nur ein kleiner Schweizer Chemiker" Das war keine
gespielte Bescheidenheit, denn er hat immer wieder betont, dass sein Zutun bei
seiner großen Entdeckung gering war:

"Das LSD ist zu mir gekommen."

Wenn dem so ist, dann hätte sich dieses mächtige Werkzeug zur Erkundung des
Weltraums der Seele keinen besseren Pionier auswählen können als einen so durch
und durch bodenständigen und soliden Wissenschaftler, der nicht nur über ein
höchst kompetentes Hirn, sondern auch über ein riesiges Herz und großen Humor
verfügte. Seine feste Überzeugung war, dass im ganzen Universum nichts verloren
geht: "Es gibt kein Ende, es gibt nur ständige Wandlung, Transformation." Vier
Monate nachdem seine Frau Anita nach fast 75 Ehejahren im Dezember friedlich
eingeschlafen ist, setzt Albert Hofmann diese Symbiose jetzt in gewandelter Form
fort. Als ich ihn vor einigen Jahren bei einem Gang durch seinen Garten - eine
große Almwiese auf der er jeden Halm, jede Blüte, jeden Schmetterling kannte --
nach der Angst vor dem Tod fragte, zeigte er auf die Wiese und lächelte: "Ich
bin doch ein Teil von all dem Leben hier, und werde es immer bleiben." Auch
seine Entdeckung wird für immer bleiben -- und der Nachwelt der wichtigste
Wunsch dieses großen Wissenschaftlers: "Durch einen Bewußtseinswandel im
einzelnen Menschen die Voraussetzungen schaffen für eine bessere Welt."