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04 Januar 2008

Deutsche verarscht von Medien-Eliten

"Gerade das vermeintlich Unpolitische ist in höchstem Grade politisch"

Reinhard Jellen 02.01.2008

Interview mit dem Soziologen Bernd Hamm über die zunehmende Ideologisierung der Medien

Bernd Hamm ist Professor für Siedlungs-, Umwelt- und Planungssoziologie an der Universität Trier und gibt im Kai Homilius-Verlag die Reihe "Globale Analysen". Seine letzten Bücher waren "Gesellschaft zerstören - der neoliberale Anschlag auf Demokratie und Gerechtigkeit" (2004) und "Die soziale Struktur der Globalisierung" (2006). Demnächst erscheint von ihm "Kulturimperialismus: Beiträge zur politischen Ökonomie kultureller Herrschaft". In dem Essay "Medienmacht . wie und zu wessen Nutzen unser Bewusstsein gemacht wird" zeichnet er die Entwicklung der Medien seit den Siebziger Jahren nach und kommt zu dem Schluss, dass mit der zunehmenden Privatisierung und Kommerzialisierung der Medien die Selbstaufklärungsmechanismen der Gesellschaft in steigenden Maßen versagen.

Herr Professor Hamm - nach gängiger Meinung müssten die Medien eigentlich, um attraktiv für die Werbewirtschaft zu sein, ihre Auflagen steigern und zu diesen Zweck permanent mit sensationellen und skandalösen Enthüllungen der herrschenden Politik aufwarten. Können Sie uns sagen, warum dieses Kalkül nicht oder nicht mehr funktioniert?

Bernd Hamm: Es funktioniert aus drei Gründen nicht mehr:

Erstens ist der Konzentrationsprozess in den Medien rasch fortgeschritten, sowohl international als auch in Deutschland. Es sind nur noch wenige Konzerne, die die Medienlandschaft beherrschen.

Zweitens neigen die Eigentümer . von Springer über Bertelsmann, Bauer, Burda oder Holtzbrinck . alle einem politisch konservativen, wirtschaftsfreundlichen, sozial und ökologisch wenig sensiblen Weltbild zu. Nehmen Sie Bertelsmann, einen Konzern, der sein Geld vor allem mit Unterhaltung macht, übrigens durch alle Mediensparten hindurch. Das sieht vordergründig nur nach Geldverdienen aus . und propagiert wird tatsächlich eine überaus konservative, christlich angehauchte Vorstellung davon, wie Gesellschaft sein sollte. Viel deutlicher wird das allerdings bei der [local] Bertelsmann-Stiftung, die die Zwangsamerikanisierung unserer Hochschulen, den betriebswirtschaftlich . statt am Gemeinwohl . ausgerichteten Umbau der Kommunalverwaltungen mit grossem Erfolg mit betrieben hat. Dort gibt es auch einen Fortschrittsindex für alle Länder der Erde . wobei Fortschritt verstanden wird als Ausrichtung an kapitalistischen Prinzipen und an westlichen Vorstellungen von Mehrheitsdemokratie. Das ist der Absicht nach diktatorisch und hat mit Toleranz und Empathie für andere Kulturen nichts zu tun. Das gilt aber auch für den wenig sichtbaren schwäbischen Riesen Holtzbrinck: Der hat inzwischen (neben zahlreichen Zeitungen) alle wichtigen Taschenbuchreihen (bis auf Suhrkamp) aufgekauft und sogleich kritische Reihen . wie Rororo-Aktuell oder Fischer alternativ . eingestellt.

Drittens hängen heute alle Medien entscheidend von den Werbeeinnahmen ab. Auf weite Strecken kann man sagen, dass die redaktionellen Teile dazu dienen, der Werbewirtschaft die entsprechend selektierten Publika anzuliefern. Das aber hat zur Folge, dass sich alle Medien heute durchgehend an den Einstellungen und Wünschen der kaufkräftigen Mittelschicht orientieren. Deshalb ist die Medienbotschaft insgesamt homogener und eintöniger geworden, obgleich die äusserliche Vielfalt des Medienangebots kaum noch zu überblicken ist. Die Ausnahmen . taz und junge Welt im Printbereich, Deutschlandfunk beim Radio . seien immerhin erwähnt.

Spielt die Entwicklung der Medien in den USA eine besondere Rolle in diesem Prozess?

Bernd Hamm: In den USA ist nicht nur der Prozess weiter fortgeschritten als bei uns, es ist auch häufiger, dass die Medieneigentümer . [local] Rupert Murdoch, [local] Sumner Redstone etc. . sich ausdrücklich und gänzlich unverblümt als politische Missionare sehen und betätigen. Die enge Beziehung etwa zwischen Murdoch und G.W. Bush (ich vermeide bewusst die Bezeichnung "Präsident", weil die Wahlen der Jahre 2000 und 2004 nachweislich [local] gefälscht worden sind . haben deutsche Medien darüber ausreichend berichtet?) ging so weit, dass extra seinetwegen das Gesetz über die Besitzrechte an landesweit verbreiteten Fernsehsendern geändert worden ist, und Tony Blair soll ihn vor wichtigen Entscheidungen persönlich konsultiert haben, so dass er einmal als stilles Mitglied des britischen Kabinetts bezeichnet worden ist. Aber die enge Bindung zwischen Helmut Kohl und Leo Kirch, von dem Kohl bis in seine Amtszeit als Bundeskanzler hinein [local] Geld bezogen haben soll, zeigt, dass dies keineswegs amerikanische Ausnahmen sind. Natürlich fällt einem in diesem Zusammenhang Silvio Berlusconi ein, der sein Medienimperium in kaum erreichter Schamlosigkeit benutzt hat, um sich politische Macht zu verschaffen, und der seine Macht genutzt hat, um sich gegen strafrechtliche Verfolgung wegen seiner zahlreichen Vergehen zu schützen.

Gab es hierzulande einen Bruch von der gesellschaftlichen Selbstaufklärung hin zu Ideologie, Infotainment und Propaganda?

Bernd Hamm: Das würde ich in der Tat so sehen, zumindest als Tendenz. Ein gutes Beispiel ist der Spiegel, der unter Stefan Aust nach rechts gewendet und dem Focus immer ähnlicher wurde. Am deutlichsten wurde das vielleicht in der journalistischen Behandlung der Anschläge vom 11. September 2001: Nachdem Aust und Schnibben in ihrem Buch die offizielle Linie quasi kodifiziert hatten, wurde jeder Zweifel an dieser Interpretation abgewehrt, lächerlich gemacht und zur haltlosen Verschwörungstheorie erklärt.

Verschiebung des Spektrums nach rechts

Das hat sicher mit seriösem Journalismus wenig zu tun, wie sich an der Aufarbeitung dieser Ereignisse in den USA zeigen wird. Aber das gilt für andere auch: Die Zeit, früher einmal linksliberal, ist . beginnend mit Helmut Schmidt - behäbig rechts geworden, FAZ und Welt waren das schon immer, aber die Frankfurter Rundschau und die Süddeutsche Zeitung sind nahe an sie heran gerückt. Das gesamte Spektrum hat sich verschoben. Wenn man einmal die alten Kategorien bemüht von links (sozial, internationalistisch, pazifistisch) und rechts (eher nationalistisch, im Interesse der Reichen, "realpolitisch") . dann ist das ganze Spektrum nach rechts verschoben worden, und zwar von den Eigentümern, die sich die dafür geeigneten Redakteure und Journalisten herausgesucht haben. Es geht heute überwiegend um Kommerz . aber gerade das ist die Perspektive, die sich für soziale Ungerechtigkeit, Frieden, Sicherheit, Menschenrechte faktisch wenig interessiert, obgleich sie die verbal immer vor sich her trägt. Es ist doch auffällig, wie sehr sich das Spektrum der politischen Diskussion bei uns verändert hat: Wenn es in den späten sechziger Jahren "links" war, über die Enteignung von Springer, über die öffentliche Kontrolle der Grossbanken nachzudenken und die in der UNO diskutierte Neue Weltwirtschaftsordnung zu begrüssen, wird heute schon als "links" verschrien, wer die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere verlängern will. Wir sind uns gar nicht bewusst, in welchem Ausmass hier eine Gehirnwäsche stattgefunden hat, die Themen jenseits des neoliberalen Mantras einfach nicht mehr zulässt.

In welchem Zeitraum hat sich diese ereignet?

Bernd Hamm: Die neoliberale Wende ist um die Mitte der siebziger Jahre eingeleitet worden. Den rechten Propagandisten ist es mit immensen Geldern gelungen, für die 1974 im Gefolge der Ölpreiskrise einsetzende Wirtschaftsflaute die sozialdemokratischen Regierungen verantwortlich zu machen und mit entsprechenden Wahlkampfmitteln 1979 Margret Thatcher in Grossbritannien, 1980 Ronald Reagan in den USA und 1982 Helmut Kohl in Deutschland als Regierungschefs an die Macht zu bringen. Die haben dann die neoliberale Agenda vollzogen. Vor allem haben sie die "Liberalisierung" des Kapitals durchgesetzt mit dem Ergebnis, dass heute fast alle grossen und vor allem die börsennotierten Medienunternehmen von institutionellen Anlegern beherrscht und nach den Kriterien der maximalen Auflage/Einschaltquote, also des kurzfristig maximalen Profits geführt werden.

Welche Rolle spielt hierbei der Spiegel, der vom "Sturmgeschütz der Demokratie" zur neoliberalen und nationalistischen Speerspitze mutierte? Könnte der Rauswurf von Stefan Aust und Matthias Matussek positive Auswirkungen auf die deutsche Medienlandschaft haben?

Bernd Hamm: Es ist doch bezeichnend, dass ausgerechnet Springer's Welt, Sprachrohr der Rechten, den Rausschmiss von Aust kommentiert mit den Worten: "Eine Verschwörung von Missgünstigen hat "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust gestürzt. Mit ihm werden all jene guten Schreiber gehen, die er aufgebaut hat. Jetzt kann die Koalition der Mittelmäßigkeit wieder ihren gefühlslinken Pamphletismus pflegen" (5.12.07). Völlig undenkbar, dass vor zwanzig, dreissig Jahren ausgerechnet die Springer-Welt den Spiegel gelobt hätte. Man achtet dort mit Argusaugen darauf, dass niemand vom rechten Weg abkommt.

Wie beurteilen Sie die Einführung des Privatfernsehens (und .hörfunks) im Hinblick auf das Wegbrechen kritischer Komponenten in Rundfunk und TV?

Bernd Hamm: Schon die Einführung des ZDF sollte ja einen CDU-nahen Gegenpol zur angeblich SPD-unterwanderten ARD setzen . die politische Auseinandersetzung darüber, wer die Medien kontrolliert, hat lange vor den Privaten begonnen und findet im Streit um Sitze in den Rundfunkräten ihre meist stille Fortsetzung. Natürlich hat das private Fernsehen eine zentral wichtige Rolle bei der Trivialisierung der Medien gespielt: Sie haben mit Unterhaltung Quote gemacht und so die Werbemittel abgeschöpft, so dass die Öffentlich-rechtlichen nur mühsam mithalten konnten. Es handelt sich aber grade nicht, wie manche vermuten, um eine Entpolitisierung . im Gegenteil: Gerade weil sie sich ausschliesslich an die schon erwähnte kaufkräftige Mittelschicht richten und gedankenloses Konsumieren propagieren, werden die unterschwellig verbreiteten Gesellschaftsbilder und politischen Einstellungen vor allem dem Kommerz gefällig. Gerade das vermeintlich Unpolitische ist in höchstem Grade politisch.

Man möchte meinen, die "Bewusstseinsindustrie" (Hans Magnum Enzensberger) hat nun jenen ideologischen Perspektivwechsel von der Selbstaufklärung zur Selbstentmündigung der Gesellschaft erreicht, die ihr seit den Sechziger Jahren kritisch unterstellt wurde. Warum interessiert das heutzutage keinen Menschen mehr, inklusive jener, welche sich aufgrund dieser Kritik seinerzeit profiliert haben?

Bernd Hamm: Ja, das ist ebenso richtig wie bedrückend. Gerade Enzensberger hat im Zusammenhang mit dem Golfkrieg 1990/91 kritiklos und ohne Quellenangabe jene Formel als Titel eines Spiegel-Essays verwendet, die die PR-Agentur Hill & Knowlton im Auftrag der kuweitisch-amerikanischen Stiftung erfunden hatte: Saddam = Hitler. Das gehört in die gleiche Kategorie wie die (frei erfundene) Geschichte von den irakischen Soldaten, die in kuweitischen Krankenhäusern Frühgeburten aus den Inkubatoren gerissen und auf dem Boden zu Tode gebracht hätten. Ein ganz erheblicher Teil dessen, was uns heute als Nachrichten präsentiert wird, wird von solchen Agenturen im Auftrag von Regierungen und grossen Unternehmen verfasst und von den Medien, die ihre eigenen Redaktionen massiv ausgedünnt haben, oft ohne Angaben von Quellen verbreitet. Das Weltbild, das uns so quer durch die Medien angedient wird, stammt wesentlich aus solchen Quellen und stellt die Wirklichkeit verzerrt durch die Brillen der jeweiligen Interessen dar. Auch diejenigen, die sich des Problems bewusst sind und deshalb verschiedene Medien konsultieren, haben kaum eine realistische Chance, dem faktischen Einheitsbrei zu entkommen.

In bestimmten politischen und medialen Debatten sind höchst zweifelhafte Aussagen über Wirtschaft und Gesellschaft - wie z.B. die These vom Segen der Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und der Privatisierung öffentlicher Güter oder die Aufteilung der Welt in "Gute" (wir) und "Böse" (dort) - bereits solange Voraussetzung und nicht mehr Gegenstand der Untersuchung, dass die Realität und ihre Darstellung scheinbar identisch geworden sind. Welche Rolle spielt in diesem Prozess die Ökonomisierung und kapitalistische Ausrichtung der Medien? Welche Auswirkung hat die kritische ökonomische Situation auf die hiesige Medienlandschaft? Kann es Ihrer Meinung nach ein so großes Auseinanderdriften von Deutung und Realität geben, dass die Medien von selbst wieder zu einer kritischen Berichterstattung übergehen?

Bernd Hamm: Das hängt mit der einfachen Tatsache zusammen, dass wir jede Information, die sich auf Dinge jenseits unserer unmittelbaren Wahrnehmung bezieht, nur noch durch Medien, nur noch sekundär empfangen können.

Epistemologische Säuberung

Diese Medien sind aber nicht mehr . wenn sie es denn je waren, aber davon geht ja z.B. unsere Verfassung, davon geht unser politisches Selbstverständnis aus . neutrale, objektive Beobachter und Berichterstatter, schon gar nicht mehr sind sie Kontrolleure der Macht. Sie sind vielmehr Instrumente in den Händen der Mächtigen geworden. Dazu gehört, dass die Medien, selbst überwiegend kapitalistisch verfasste Unternehmen, natürlich die Grundprinzipien kapitalistischer Gesellschaftsorganisation nicht angreifen werden . ausser wenn sich daraus punktuell Profit schlagen lässt. Dazu gehört auch, dass die Medien systematisch verschweigen, was unsere Gesellschaften im Innersten umtreibt: die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit, das, was Marxisten Klassenkampf nennen. Medien sind hier Partei, nämlich Teil des Kapitals und von ihm abhängig, und werden schon deshalb alles unternehmen, unsere Gesellschaft als wenigstens dem Prinzip nach sozial gerecht und demokratisch darzustellen, auch wenn das längst nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Eine realistische Chance, dass die Medien selbst wieder zu einer kritischen Berichterstattung übergehen, besteht in meiner Wahrnehmung nicht. Schon die Selektion der vielen Bewerber in die wenigen Positionen festangestellter Redakteure erfolgt mehr nach Kriterien des Gehorsams als der kritisch-selbstständigen Wahrheitssuche. Da gleichen die Medien übrigens in mancher Hinsicht den Hochschulen, die ebenfalls durch eine rigide epistemologische Säuberung getrieben worden sind.

Welche Funktion ordnen Sie dem Instrument der "Meinungsumfrage" bei der Selbstentmündigung der Medien zu?

Bernd Hamm: Meinungsumfragen gehören heute zum alltäglichen Handwerkszeug von Politikern. So wie die Fernsehforschung der GfK inzwischen [local] sekundengenau die Präferenzen des TV-Publikums abbildet und damit Einfluss nimmt auf das vermeintlich werbefreie redaktionelle Programm, so helfen Meinungsumfragen den Politikern, ihre Verlautbarungen möglichst nahe am Mehrheitsgeschmack auszurichten. So sehen denn auch die Wahlprogramme der "Volksparteien" aus . überall die gleichen Formeln, überall die gleichen Widersprüche, überall der gleiche Anspruch, die Mitte zu repräsentieren. Der eigentliche politische Auftrag der Aufklärung war gerade das Gegenteil: die Schwachen vor der Ausbeutung durch die Starken zu schützen. Das kommt heute in den Medien nicht mehr vor.

Wie sehen Sie die Zukunft der medialen Entwicklung weltweit und in Deutschland?

Bernd Hamm: Die Herrschaft des Kapitals über die Medien, weltweit ebenso wie bei uns, wird sich weiter perfektionieren. Da es kaum mehr Alternativen gibt, wird es auch zunehmend schwierig, sich die Informationen zu beschaffen, die für eine eigene kritische Meinungsbildung unerlässlich sind. Die Bewusstseinsindustrie hat ihr Ziel erreicht: Unsere Wahrnehmung der Dinge, unsere Meinungsbildung folgt einem industriell organisierten Prozess. Es ist dafür besonders bezeichnend, dass sich die Medienforschung, die es ja erfolgreich gibt, dem wenig Aufmerksamkeit widmet. Ihr gilt der "mündige Konsument" als das wichtigste Objekt.

Wie sehen Sie dabei die Rolle des Internets?

Bernd Hamm: Das anarchische Element, der Ort des Widerstands ist heute das Internet. Allerdings: Da dort jeder und jede irgendeinen Quatsch als "Nachricht" einstellen kann, ist es mindestens ebenso schwierig wie in den konventionellen Medien, Relevantes von Irrelevantem, Aufhebenswertes von Belanglosem, Richtiges von Falschem zu unterscheiden. Wir haben also nicht nur das Problem des sog. "digital divide", also des sozial ungleich verteilten Zugangs zu diesem Medium, sondern auch die Schwierigkeit der Internetnutzer zu entscheiden, was sie aus dem Meer der Belanglosigkeiten für wahr halten sollen. Es gibt nur zwei Wege, dieses Dilemma zu überwinden: Entweder man verbringt unendlich viel Zeit mit der Nachrichtenanalyse . oder man verlässt sich auf ein gänzlich antiquiertes Prinzip des Informationsaustauschs: Vertrauen in die Quelle. In jedem Fall kostet das Informieren über die Geschehnisse der Welt heute viel Zeit und viel Geld. Das können sich die meisten nicht leisten. Das bleibt den Nachrichtenabteilungen der grossen Unternehmen und der Politiker überlassen, die ja tatsächlich Informationen über wirkliche Ereignisse suchen und für ihre Entscheidungen brauchen. Dafür gibt es mannigfach kleine, spezialisierte Nachrichtenmedien, die sich an ein genau definiertes Publikum richten, z.B. die zahlreichen Börsenbriefe . aber auch, auf der Linken, z.B. den Informationsbrief Weltwirtschaft und Entwicklung. Informieren ist zu einem eigenen Beruf geworden, zu einem Privileg, das sich nur wenige leisten können. Wir leben, das ist nicht mehr zu übersehen, in einer manipulierten Gesellschaft. George Orwell hat sie 1948 vorhergesehen und beschrieben. Er hatte erschreckend recht.

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Die Medienanalyse von Edward S. Herman und Noam Chomsky und ihre Anwendbarkeit auf die deutsche Medienlandschaft

Inhaltsverzeichnis:
I. Einleitung: Die Rolle der Medien in demokratischen Gesellschaften
II. Propagandainstrument oder zentraler Bestandteil der Demokratie?
III. Ein analytischer Rahmen zur Untersuchung der Handlungen der
Massenmedien: Ein Propagandamodell
IV. Die fünf Filter
1. Die Größe, die Besitzverhältnisse und die Profitorientierung der
Massenmedien
2. Die Werbung durch die Wirtschaft
3. Die Nachrichtenquellen der Massenmedien
4. Flak und seine Durchsetzung
5. Die herrschende Ideologie als Kontrollmechanismus
V. Schlussbemerkungen
VI. Literaturverzeichnis

.They who have put out the peoples eyes, reproach them of their own blindness..
John Milton

Einleitung: Die Rolle der Medien in demokratischen Gesellschaften

Die Funktion und die Rolle welche die Medien in der parlamentarischen Demokratie spielen ist für diese von zentraler Bedeutung. Das demokratische Postulat besagt, dass eine freie und unabhängige Presse die im Volk auftretenden Meinungen an die staatlichen Organe heranträgt, welche diese dann dem Volkswillen entsprechend umsetzen. Die Medien dienen als zentrales Kommunikations- und Kontrollorgan zwischen Regierenden und Volk. Die demokratische Legitimation durch Wahlen ist ohne eine unabhängige und umfassende Information der Bevölkerung durch die Medien nicht möglich. Der totalitäre Charakter einer Gesellschaft äußert sich dementsprechend durch die Unfreiheit und Zensur der Presse und die Freiheit der Presse ist dementsprechend ein guter Indikator für die Freiheit einer Gesellschaft überhaupt. Man muss sich darüber bewusst sein, dass wir in einer zum Großteil durch Medien vermittelten Welt leben und dass die Informationsbeschaffung und Meinungsbildung der Bevölkerung hauptsächlich auf dem von der Presse gelieferten Material basiert. Während frühe Kommunikationsstrukturen auf die lokale oder regionale Ebene beschränkt waren, sind Kommunikation und Medienmärkte heute global. Auch die Kirchen, Gewerkschaften und andere gesellschaftlichen Institutionen, die früher einen wichtigen Einfluss auf die Kommunikation ausübten verlieren Zusehens an Bedeutung.

Die Probleme die sich aus der wichtigen und einflussreichen Rolle der Medien ergeben, finden sich im wissenschaftlichen Diskurs in Deutschland hauptsächlich in der Diskussion um die Medien als vierte Gewalt wieder, welche die Folgen des Einflusses der Medien auf die Gesellschaft zum Inhalt hat und die Vereinbarkeit dieser Machtfülle mit den drei staatlichen Gewalten diskutiert. Zwar sind sich die meisten Teilnehmer des Diskurses über die Probleme und über die Folgen des zunehmenden Einflusses der Medien bewusst, allerdings werden dabei meist weder die institutionellen Zwänge innerhalb derer die Medien agieren, noch die Ziele und Haltungen derjenigen berücksichtigt, die in der Lage sind das Verhalten der Medien zu beeinflussen. Diese Institutionellen Zwänge sind es aber gerade, die das Verhalten der Medien maßgeblich bestimmen und dementsprechend für diese Entwicklung verantwortlich sind. Wenn die Medien eine vierte Gewalt darstellen, stellt sich die Frage nach der Kontrolle und der demokratischen Legitimation dieser Gewalt.

Wenn das Programmangebot der Medien sich zunehmend angleicht, das Niveau sinkt und Unterhaltung an die Stelle von Informationen tritt, stellt sich die Frage welche Faktoren dazu führen. Wenn sich Medien in Kriegszeiten zu großangelegten Propagandakampagnen .missbrauchen lassen., gezielt gestreute Fehlinformationen verbreiten und vollkommen auf kritische Berichterstattung verzichten, stellt sich die Frage in welchem Verhältnis die Medien zu den Lieferanten der Nachrichten stehen und auf Grundlage welcher Kriterien die Medien bewerten, ob eine Nachrichtenquelle als zuverlässig anzusehen ist oder nicht. In diesem Zusammenhang kann auch das völlige Ignorieren bestimmter Konflikte, wie beispielsweise die Verfolgung der Kurden in der Türkei oder die Besetzung von Ost Timor durch indonesische Truppen nicht durch das Desinteresse der Bevölkerung gerechtfertigt werden, während Menschenrechte gleichzeitig als Grundpfeiler der neuen Weltordnung ausgerufen werden und ein großes Medienecho hervorrufen.

All diese Fragen werden in Wissenschaft und Öffentlichkeit in Deutschland nicht hinreichend diskutiert, geschweige denn beantwortet. Einen Versuch die Institutionellen Zwänge und das Verhalten der US Medien zu erklären, stellt das von Edward S. Hermann und Noam Chomsky entwickelte Propagandamodell dar, welches die Handlungsweisen der US Medien auf empirisch- analytische Art und Weise untersucht. Das Propagandamodell wurde und wird mit Hilfe von zahlreichen Fallstudien dahingehend überprüft ob es als authentisches Modell dienen kann. Zwar ist das Propagandamodell nach Chomsky grundsätzlich auf alle westlichen Demokratien mit privatem Mediensektor anwendbar, allerdings unterscheidet sich der amerikanische Medienmarkt vom europäischen sowohl durch den Grad der Konzentration als auch durch das intellektuelle Klima innerhalb derer die Medien agieren. Es soll im Folgenden versucht werden dieses Propagandamodell auf den deutschen Medienmarkt und die deutsche Gesellschaft anzuwenden und zu überprüfen, in wie weit die innerhalb des Modells beschriebenen Mechanismen und Filter auch in Deutschland vorhanden sind. Selbstverständlich können in diesem Rahmen die Fallstudien nicht oder nur sehr oberflächlich betrachtet werden und dienen lediglich dazu das Wirken und die Arbeit der verschiedenen Filter zu veranschaulichen, die das rohe Nachrichtenmaterial durchlaufen muss um die Konsumenten zu erreicht.

Propagandainstrument oder zentraler Bestandteil der Demokratie?

Die Massenmedien dienen als ein System zur Verbreitung von Nachrichten und Symbolen in der breiten Masse. Ihre Funktion besteht darin Individuen zu vergnügen, zu unterhalten und zu informieren und ihnen die Werte, Vorstellungen und Verhaltensvorschriften einzuschärfen die sie in die institutionellen Strukturen der Gesamtgesellschaft integriert. In einer Welt des konzentrierten Reichtums und der großen Konflikten von Klasseninteressen benötigen die Medien systematische Propaganda um diese Rolle auszufüllen.

Walter Lippman, einer der bedeutendsten liberalen Theoretiker Amerikas, sah in dem neu entdeckten Werkzeug der Propaganda eine .Revolution. in der .praktischen Umsetzung der Demokratie., als die .Erstellung von gesellschaftlichem Konsens eine eigenständige Kunst und reguläres Organ des Regierens wurde.. Er sah darin die normale Entwicklung, wenn sich .die Gemeinschaftsinteressen von der Öffentlichen Meinung unterscheiden und nur von einer spezialisierten Klasse geleitet werden können, deren persönliche Interessen über die Beschränktheit der Öffentlichkeit hinausreichen..

Diese Ansichten äußerte er kurz nach dem ersten Weltkrieg, als die liberale Gemeinschaft von dem Erfolg der ersten modernen Propagandakampagne, des 1916 von Woodrow Wilson eingesetzten .Regierungsausschusses für Propaganda. begeistert war. Diese Begeisterung wurde von großen Teilen der Eliten, sowohl in Amerika als auch in Europa, geteilt. Ziel dieser sogenannten .Creel Kommission. war es, die .pazifistisch gesinnte Bevölkerung [Amerikas] in eine hysterisch nach Krieg schreiende Bevölkerung zu verwandeln.. Mit Wilsons Slogan .Frieden ohne Sieg. erreichte die .Creel Kommission. ihr angestrebtes Ziel innerhalb von 6 Monaten.

Die große Begeisterung für diese Leistung blieb auch nach den Erfahrungen des zweiten Weltkrieg erhalten. Hatte der Propagandaapparat von Hitler doch nur bewiesen, wie wirkungsvoll Propaganda als Herrschafts- und Kontrollinstrument dienen kann. Der Begriff der Propaganda wurde hingegen wegen der negativen Assoziation mit der NS- Propaganda durch den Begriff der Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit ersetzt. Die Begriffe bezeichnen jedoch das gleiche und können synonym verwandt werden. Ein aktuelles PR Handbuch definiert Öffentlichkeitsarbeit als .Imagegestaltung, kontinuierlichen Vertrauenserwerb, Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens..

Edward Bernays, einer der Väter der modernen Public Relations Industrie, erklärt dazu weiter, was er die .Erstellung von Konsens. nennt. Er ist der Meinung, dass .Überzeugen und Behaupten die Essenz des demokratischen Prozesses. sind und dass .die Führer oft nicht darauf warten können, dass die Menschen auch nur zu einem grundsätzlichen Verständnis gelangen [...]. Demokratische Führer müssen ihren Part in der Erstellung von Konsens im Hinblick auf sozial Ziele und Werte spielen..


1 Vgl. Lippman, Walter, Public Opinion, London, 1921.
2 Chomsky, Noam, Necessary Illusions. Thought Control in Democratic Societies, Boston/MA 1989, S.16f..
3 Chomsky, Noam, Desinformation und der Golfkrieg, S.1.
4 Müller, Martina: Einführung in die Public Relations, 2001. S. 6.


Diese, von Bernays ausgeführte Demokratiekonzeption, erstreckte sich über das gesamte politische Spektrum und wurde bis zum heutigen Tag ständig weiter entwickelt. In Deutschland erschienen die ersten Bücher zur Public Relations Anfang der 50er Jahre, in denen die Autoren ähnliche Ansichten äußerten und in der Tradition des Positivismus der Meinung waren, die Gesellschaft zum Wohle aller mit Hilfe von Propaganda konfliktfrei und optimal steuern zu können.

Einen aktuelleren Ausdruck dieser Sichtweise findet sich in einem Bericht der Trilateralen Kommission, einem Zusammenschluss der Wirtschafts- und Politikeliten aus den USA, Europa und Japan, die wohl wie keine andere Institution die Meinungen und Sichtweisen der westlichen Eliten repräsentieren. Die Trilaterale Kommission sah in der zunehmenden Beteiligung der Bürger am politischen Geschehen in den 60er und 70er Jahren eine .Krise der Demokratie. und kommt zu dem Schluss, dass die Medien ein .beträchtlicher Machtfaktor. geworden sind und ein Teil der .Auswüchse der Demokratie. darstellen, welche .zu einer Reduzierung der Autorität der Regierungen führt..

Es ist wichtig zu verstehen, dass sich diese Konzeption komplett von der ursprünglichen Demokratiekonzeption unterscheidet, welches besagt das das Volk die Herrschenden kontrolliert und nicht, dass die Herrschenden die Gesellschaft mit Hilfe von Propaganda steuern. Trotzdem sollte man sich darüber bewusst sein, dass Letzteres das vorherrschende Konzept ist und dies nicht nur in der Praxis sondern auch in der Theorie. Ein analytischer Rahmen zur Untersuchung der Handlungen der Massenmedien: Ein Propaganda Modell

Das von Edward S. Herman und Noam Chomsky entwickelte Propagandamodell ist ein analytischer Rahmen mit dessen Hilfe versucht werden soll das Verhalten der US Medien im Bezug auf deren grundsätzliche institutionelle Struktur und die internen Beziehungen, in denen sie operieren zu erklären. Herman und Chomsky greifen die eben beschriebenen theoretischen Konzepte auf und versuchen deren praktische Umsetzung in den heutigen Medienstrukturen nachzuweisen. Sie gehen davon aus, das die Medien den Interessen der einflussreichen gesellschaftlichen Gruppen dienen, von denen sie kontrolliert und finanziert werden und aus deren Sichtweise und in deren Interesse berichten. Normalerweise wird dies ihrer Ansicht nach nicht durch rohe Interventionen erreicht, sondern durch die Auswahl des richtig denkenden Personals durch die Herausgeber und der Verinnerlichung von Prioritäten und Definitionen von Nachrichtentauglichkeit die der institutionellen Politik der Medien entsprechen.

Chomsky, Noam, Necessary Illusions. Thought Control in Democratic Societies, Boston/MA, 1989, S18.
Vgl. Kunczik, Michael, Public Relations. Angewandte Kommunikationswissenschaft oder Ideologie?, in: Armbrecht, Wolfgang/ Zabel, Ulf (Hrsg.), Normative Aspekte der Public Relations, Opladen, 1994, S. 229, S. 257 ff..
Vgl. Crozier, M.P. / Huntington, Samuel J. / Watanuki, J., The Crisis of Democracy. Report on the Governability of Democracies to the Trilateral Commission, New York, 1975.

Solange die Macht eines Landes in der Hand einer staatlichen Bürokratie liegt, wird durch die monopolistische Medienkontrolle . häufig durch eine offizielle Zensur verstärkt . deutlich, dass die Medien den Zielen der herrschenden Eliten dienen. Wo sich die Medien aber in Privatbesitz befinden und es keine formelle Zensur gibt, ist das Wirken eines Propagandasystems viel schwieriger zu verfolgen . ganz besonders, wenn die Medien miteinander konkurrieren, in regelmäßigen Abständen Missstände in der Regierung oder im Big Business anprangern, sich also massiv als Vorkämpfer für das Recht der freien Rede und überhaupt der Interessen der Gemeinschaft in Szene setzen. Dabei bleibt auch verborgen (und wird in den Medien auch nie angesprochen), dass dieser Kritik enge Grenzen gesetzt sind und dass die Mittel, durch deren Einsatz man Zugang zu den Privatmedien gewinnen kann, extrem ungleich verteilt sind.

Das Propagandamodell fasst diese ungleiche Verteilung von Macht und Reichtum ins Auge und ebenfalls die vielfältigen Auswirkungen dieser Ungleichheit auf die Interessensgebiete und die Themenauswahl der Massenmedien. Das Modell zeichnet die Wege nach, über die Kapital und Macht in die Lage versetzt werden, das jeweilig Druckbare herauszuziehen, abweichende Meinungen an den Rand zu drängen und es der Regierung und den vorherrschenden Privatinteressen zu ermöglichen, ihre Botschaft an den Mann und an die Frau zu bringen.

Die wichtigsten Komponenten des Propagandamodells sind:
(1) Die Größe der wichtigsten Mediengesellschaften, die Konzentration und der Reichtum ihrer Eigentümer sowie die Profitorientierung der Medienunternehmen
(2) Die Werbung als Haupteinnahmequelle der Massenmedien
(3) Die Abhängigkeit der Medien von Informationen der Regierung, der Wirtschaft und der von diesen Machtzentren alimentierten und approbierten .Experten.
(4) .Flak. als Mittel zur Disziplinierung der Medien
(5) Die .Herrschende Ideologie. als Kontrollmechanismus

Diese fünf Filter interagieren und verstärken ihre Wirkung untereinander. Das Rohnachrichtenmaterial muss diese Folge von Filtern durchlaufen, bis der nachrichtentaugliche Rest übrigbleibt. Es sind diese Komponenten, welche die Grundsätze für Diskurs und Interpretation festlegen, und die definieren, was überhaupt Nachrichtenwert besitzen soll. Aus ihnen erklären sich auch die Gründe und die Abläufe regelrechter Propagandafeldzüge.

Die Größe, die Besitzverhältnisse und die Profitorientierung der Massenmedien: der erste Filter

Um das Verhalten und Auftreten einer beliebigen Institution zu verstehen ist es sinnvoll, erst die innere Struktur zu untersuchen, um das Verhalten, die Ziele und Strukturzwänge zu erklären, um danach das Verhalten in der Gesamtgesellschaft zu betrachten. Das primäre Ziel und die Überlebensgrundlage von Medienunternehmen ist, dass sie wirtschaftlich profitabel arbeiten. Zwar garantiert auch der wirtschaftliche und publizistische Wettbewerb alleine noch keine publizistische Vielfalt, jedoch wird ein stark konzentrierter Medienmarkt schon aufgrund der geringen Zahl der Anbieter zu einer einseitigen Berichterstattung tendieren.

In der Konzentrationsforschung unterscheidet man deshalb ebenso wie im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen horizontale und vertikale Konzentration. Mit Hilfe der horizontalen Konzentration sollen die Wettbewerbsverhältnisse auf derselben Wirtschaftsstufe erfasst werden. Der höchste Grad horizontaler Konzentration ist das Monopol. Unter vertikaler Konzentration versteht man die Verbindung aufeinander folgender Wirtschaftsstufen innerhalb eines Unternehmens.

Kennzeichnend für fast alle europäischen Länder sowie für die USA ist ein hochkonzentrierter Mediensektor. In den USA wird der gesamte Medienmarkt von sechs sowohl vertikal als auch horizontal hochintegrierten Multinationalen Unternehmen kontrolliert, die meist - wie z.B. NBC und CBS die General Electric gehören . im Besitz noch größerer Unternehmen sind. Fünf dieser sechs Unternehmen sind amerikanischen Ursprungs, das einzige ausländische Unternehmen mit Einfluss im amerikanischen Medienmarkt ist das Gütersloher Unternehmen Bertelsmann, das auch in Deutschland großen Einfluss auf den Medienmarkt hat.

8 Herman, Edward S., Chomsky, Noam, Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media, New York, 1988, S. 1f..
9 Vgl. Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), Fortschreitende Medienkonzentration im Zeichen der Konvergenz, Berlin, 2000, S.15.
10 ebd. S. 42.

Bertelsmann ist der drittgrößte Medienkonzern der Welt mit einem Umsatz von 15 Milliarden . und substanziellem Besitz in allen Medienbereichen und ist nach Angaben der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich ein Beispiel sowohl horizontaler als auch vertikaler Konzentration. Die Kommission geht davon aus, das von einer .multimedialen Konzentration der Bereiche Fernsehen, Hörfunk, Film- und Fernsehproduktion, Rechtehandel, Buch, Presse, Musik, Internet und Online-Dienste gesprochen werden kann.. Dabei hat Bertelsmann nicht nur in allen Medienbereichen großen Einfluss, sondern ist sowohl an allen Produktionsschritten als auch an dem Verkauf und Vertrieb der Produkte beteiligt.

Ein ähnlich stark vertikal integriertes Medienunternehmen ist die zur Zeit zum Verkauf stehende Kirch Gruppe, die eine möglichst vollständige Verwertung von erworbenen Programmrechten oder selbstproduzierten Programmen verfolgte. Der Kirch Konzern entwickelt und vertreibt sowohl Übertragungstechnik als auch Zugangstechnologie und ist an Rechtehandel, Produktion und an der Ausstrahlung des Materials beteiligt. Die Tochtergesellschaft Kirch Media hat 1999 alleine einen Umsatz von 2 Mrd. . und liegt damit nach eigener Einschätzung auf Platz vier aller deutschen Medienunternehmen und an fünfter Stelle im TV-Bereich in Europa. Weltweit wird die Kirch Gruppe mit einem geschätzten Vermögen von 4,9 Mrd. . auf Platz 16 eines Ranking der größten Medienkonzerne eingeordnet. Bei dem für die Finanzierung und der Wirtschaftlichkeit von Fernsehsendern enorm wichtigen Werbemarkt hat die Kirchgruppe einen Anteil von 51% und die CLT-UFA (RTL- Group) 39,6 %, damit kommen die beiden größten Anbieter zusammen auf einen Anteil von 90,6 %.

Der Konzentrationsgrad im Tageszeitungsmarktes ist zwar nicht so ausgeprägt wie im
Fernsehmarkt, aber die fünf größten Verlagsgruppen kommen zusammen einen Marktanteil
von 42,8 %. Bei den Kaufzeitungen hat der Axel Springer Verlag mit 81,9 % fast ein
Monopol. Die Fünf größten Verlagsgruppen bei den Kaufzeitungen kommen auf 98,9 %
Marktanteil. Lediglich bei den Abonnentenzeitungen liegt der Marktanteil der 5 größten
Verlagsgruppen bei 24,9 %.

11 Vgl. Solomon, Norman, The Media Big Six, in: Z Magazine, June 2000.
12 Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), Fortschreitende Medienkonzentration im Zeichen der Konvergenz, Berlin 2000, S.19ff..
13 Bundeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.), Informationen zur politischen Bildung Heft 260 Massenmedien, Bonn 2000, Neudruck.

Der Regionale Zeitungsmarkt ist durch eine Vielzahl regionaler und lokaler Monopole gekennzeichnet, Markteintrittschancen für neue Anbieter auf diesem Markt bestehen seit Anfang der 50er Jahren faktisch nicht mehr. Immer wieder wurde versucht, tatsächliche oder vermeintliche Monopole aufzubrechen. 14 Mehrere Duzend solcher Neugründungen scheiterten zum Teil unter hohen Verlusten, und zwar auch dann, wenn größere Verlagsunternehmen beteiligt waren. Von 1954 bis heute ist es nur in vier Fällen gelungen, echte Neugründungen zu einem relativen Erfolg einer Zweitzeitung zu führen. 15 Die hohe Konzentration im Medienmarkt, die nicht vorhandenen Eintrittschancen für andere Wettbewerber und die Voraussetzung einer hohen Investitionssumme und den hohen notwendigen Kapitalaufwand beschränken den Besitz der Medien auf eine sehr kleine Gruppe von Unternehmen und Personen. Diese Beschränkung wurde maßgeblich schon vor über einem Jahrhundert eingeführt und erklärt das fast völlige Verschwinden der Arbeiterpresse und der konfessionellen Presse Mitte des letzten Jahrhunderts. Durch diese Beschränkung des Besitzes sind die Medien vollkommen von ihren Geldgebern abhängig und Herman und Chomsky gehen davon aus, .dass die Unabhängigkeit der Medien von den Unternehmen und der Regierung unvereinbar mit den strukturellen Faktoren [wie Besitz und Reichtum der Eigentümer] ist.. 16 Die Werbung durch die Wirtschaft: der zweite Filter .Wie jedes andere Gewerbe verkaufen sie [die Medien] ein Produkt an die Käufer. Ihr Erwerb sind die Inserenten und das Produkt ist das Publikum, mit einer Ausrichtung auf wohlhabenderes Publikum welches höhere Anzeigenraten erzielt. [...] Es ist wahrscheinlich keine große Überraschung, wenn sie das Weltbild, dass sie präsentieren aus der Perspektive und den Interessen der Käufer, der Verkäufer und des Produktes wiederspiegeln.. 17

Die wirtschaftliche Ausrichtung der Medienunternehmen und die Werbung als Haupteinnahmequelle haben einen großen Einfluss auf die Auswahl und Vielfalt der Medieninhalte. Während der Anzeigenmarkt bei Zeitungen ungefähr zwei Drittel des Gesamtumsatzes beisteuert, liegt er bei Fernsehsendern bei fast 100 Prozent. 18


14 Vgl. Kopper, Gerd G. (Hrsg.), Marktzutritt bei Tageszeitungen. Zur Sicherung von Meinungsvielfalt durch Wettbewerb, München u.a. 1984.
15 Schütz, Walter J., Entwicklung in der Tagespresse, in: Jürgen Wilke (Hg.), Bundeszentrale für Politische Bildung. Mediengeschichte in der Bundesrepublik, Bonn 1999, S. 112.
16 Herman, Edward S. / Chomsky, Noam, Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media, New York, 1988, S. 4.
17 Chomsky, Noam: Necessary Illusions. Thought Control in Democratic Societies. Boston/MA 1989, S.8.
18 Schütz, Walter, Entwicklung der Tagespresse, in: Wilke, Jürgen (Hrsg.), Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 1999, S.120

Ohne Werbung bringt eine Sendung keinen Gewinn und ist damit für die Sender uninteressant bzw. schlicht nicht finanzierbar. Auch die zunehmende und oft kritisierte Banalisierung der Medieninhalte und die Verflachung des Niveaus sind Folgen der Werbung als Haupteinnahmequelle der Medien. Sendungen mit ernsthaften Komplexitäten oder beunruhigenden Kontroversen werden von Werbekunden eher gemieden, weil sie die .Kaufstimmung. beeinträchtigen könnten bzw. dieser nicht förderlich sind. Für die Fernsehsender sind leichte Programmformate billiger zu produzieren und verkaufen sich besser, da diese von den Werbekunden bevorzugt werden. William Evan nennt die Medienunternehmen .normative Referenzorganisationen., die sich den Bedingungen und Anforderungen der Werbekunden anpassen müssen um erfolgreich zu sein. 19 Welches Programm gesendet wird, bestimmen also zum Großteil die Anzeigenkunden, nicht die Zuschauer. Otfried Jarren bemerkt dazu, dass die Medien nicht nach inhaltlichen Gesichtspunkten agieren, sondern .eigenständig und in inhaltlicher Hinsicht .neutral... Diese Neutralität beschränkt sich dabei allerdings nur auf rein wirtschaftliche Gesichtspunkte, denn wie Joseph Turrow bemerkt ist der Freie Markt .mit Werbung [...] im Endeffekt kein neutrales System [mehr] in dem die Käufer die Entscheidung treffen. Die Werbekunden bestimmen über den Einfluss, den Wohlstand und das Überleben.. 20 Dadurch gewinnt das Mediensystem zwar eine relative Autonomie gegenüber des politischen Systems, wird aber zugleich durch die Werbung als Haupteinnahmequelle in eine symbiotische Beziehung mit der Wirtschaft gezwungen. Die Medien .organisieren Kaufgruppen für die Wirtschaft., wobei sich das Hauptaugenmerk auf wohlhabendere und damit profitablere Zuschauer richtet. 21 Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, besitzen alle großen deutschen Tageszeitungen, Magazine und Fernsehsender eigene Abteilungen zur Untersuchung der Leserschaft bzw. Zuschauerstruktur, welche den Anzeigenkunden
.angeboten. werden. Die Nachrichtenquellen der Massenmedien: der dritte Filter Die Massenmedien benötigen einen stetigen Fluss von zuverlässigen Nachrichten. Sie müssen ihren täglichen Nachrichtenbedarf decken und ihre Termine einhalten. Durch die Notwendigkeit diesen Bedarf zu befriedigen, sowie durch wirtschaftliche Notwendigkeiten werden die Massenmedien in eine symbiotische Beziehung mit den machtvollen Quellen der 19 Evan, William, Organisation Theory, New York 1976), S. 123. 20 .... die Produzenten repräsentieren die [Werbe] Kunden mit der größten Gewinnmöglichkeiten welche Unterstützung durch die Öffentlichkeit erhalten werden, während die die in diesem Wettbewerb keine Chance haben nicht überleben werden..

Turow, Joseph: Media Industries. The Production of News and Entertainment, New York, 1984, S. 52.
21 Vgl. Kurt Imhof, Eine Symbiose: soziale Bewegung und Medien, Bonn 1999, S. 165-186


Nachrichten gezwungen. Diese Beziehung zwischen Nachrichtenverwertern und Nachrichtenquellen ergibt sich aus einer Reihe von Gründen. Die Medienunternehmen können es sich nicht leisten, Reporter an allen Stellen zu unterhalten, an denen wichtige Ereignisse stattfinden könnte. Dadurch konzentrieren sie ihre Ressourcen auf die Orte, wo Nachrichten oft verbreitet werden: Bei den offiziellen Pressekonferenzen im Kanzleramt, im Außenministerium u.s.w.. Als weitere Nachrichtenquellen kommen noch Wirtschaftsunternehmen, Handelsgruppen, Gewerkschaften u.ä. hinzu. Diese Bürokratien produzieren eine große Zahl von Material um den Nachrichtenbedarf der Medienunternehmen zu sichern. Mark Fishman nennt diese Beziehung .das Prinzip der bürokratischen Affinität: Nur Bürokratien können den notwendigen Input einer anderen Bürokratie befriedigen..


Die Informationen dieser Bürokratien sind billig, leicht zu bekommen und werden zudem noch als eine zuverlässig Nachrichtenquelle angesehen. Während ein redaktioneller Text sehr gewissenhaft recherchiert werden muss und die Informationen zuverlässig sein müssen, um den Verfasser vor Kritik oder sogar Klagen zu schützen, ist dies bei Informationen der oben genannten Bürokratien nicht notwendig, da diese aufgrund des Prestiges und Ansehen als zuverlässig eingestuft werden können.

Fishman bemerkt weiter, dass Beschäftigte im Nachrichtensektor dahingehend beeinflusst werden .bürokratische Beiträge als Tatsachen anzuerkennen, [...] Insbesondere, wird ein Nachrichtenarbeiter eine offizielle Behauptung nicht als eine Behauptung, sondern als einen zuverlässigen, kompetenten Teil von Wissen sehen. Dies führt zu einer moralischen Aufteilung der Arbeit: Offizielle haben die Fakten und geben sie heraus; Reporter bekommen diese nur..

Während redaktionelle Arbeit aufwändig und teuer ist und Kritik auf sich ziehen könnte, sind die von den Bürokratien angebotenen Informationen billig, schnell, werden als zuverlässig angesehen und schützen die Medienschaffenden vor Kritik. Diese .Vorteile. der Nachrichtenquellen haben in Deutschland dazu geführt, das nur noch ca. 20% der Beiträge in Zeitungen redaktionelle Arbeit sind und die restlichen 80% entweder gekürzt oder leicht verändert direkt von den Primärquellen übernommen werden, seinen es Regierungs-, Unternehmens-, Militär- oder Agenturquellen.


22 Fishman, Mark, Manufacturing the News, Austin 1980, S. 143.
23 Vgl. Herman, Edward S. / Chomsky, Noam, Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media, New York, 1988, S.19f..
24 Fishman, Mark, Manufacturing the News, Austin: University of Texas Press, 1980, S. 144ff..
25 Vgl. Leif, Thomas, Macht ohne Verantwortung. Der wuchernde Einfluss der Medien und das Desinteresse der Gesellschaft, in: Bundeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.), Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41-42/2001, Bonn 2001.

Flak und seine Durchsetzung: der vierte Filter

Ein weiterer wirkungsvoller, aber nicht so offensichtlicher Faktor in der Verarbeitungskette von Rohnachrichten zu Nachrichten ist die Produktion von .Flak.. Edward Herman und Noam Chomsky definieren Flak als .negative Reaktionen auf eine Aussage oder ein Programm in den Medien.. Diese Reaktionen können .die Form von Briefen, Telegrammen, Anrufen, Petitionen, Prozessen, Reden und Gesetzesentwürfen und andere Arten der Beschwerde, Drohung und Bestrafung annehmen. Es kann zentral oder lokal organisiert sein oder aus dem vollkommen unabhängigen Handeln von Einzelpersonen bestehen..

Meist bleibt die Produktion von Flak von der Öffentlichkeit unbemerkt, und direkter Druck ist eher selten. Zieht z.B. ein Werbekunde seine Anzeigen zurück, was zu starken wirtschaftlichen Einbußen bei dem Medienunternehmen führt, so werden sowohl der betroffene Medienkonzern als auch seine Mitbewerber beim nächsten Mal vorsichtiger sein, um solche Reaktionen zu vermeiden.

Ein in Deutschland publik gewordenes Beispiel für .Flak. ist die Diskussion um eine Aussage von Ulrich Wickert und die Forderung vieler Politiker nach dem Rücktritt des angesehenen Tagesschausprechers. Wickert hatte in einem Interview mit dem Magazin Max die Indische Schriftstellerin Arundhati Roy mit den Worten zitiert: .Ossama Bin Laden ist Amerikas Familiengeheimnis, der dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten. und fügte selbst hinzu, dass .Bush weder ein Killer noch ein Terrorist sei, aber die Denkstrukturen dieselben wären.. Ein Beispiel für die Reaktion vieler Politiker lieferte die Parteivorsitzende der CDU, Angela Merkel: .Wenn es wahr ist, das er diese Äußerung getroffen hat, dann ist er nicht länger qualifiziert Tageschausprecher zu sein.. Aufgrund des entstandenen Drucks entschuldigte sich Wickert und zog den Kommentar zurück. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu bemerken, dass Ulrich Wickert das Aushängeschild Deutschlands angesehenster Nachrichtensendung, der Tagesschau, ist. Man kann sich leicht vorstellen, welche Konsequenzen diese Aussage bei weniger bekannten und angesehenen Journalisten ausgelöst hätte, bzw. welche Signalwirkung dieser Fall für andere Journalisten hatte.

26 Herman, Edward S. / Chomsky, Noam, Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media, New York 1988, S. 26 f..

Ein Fall, bei dem Druck durch ein Unternehmen ausgeübt wurde, ereignete sich am 12. März 2001, als die Lufthansa das Management der Süddeutschen Zeitung informierte, dass sie die Anzahl der bisherigen Abonnements der Zeitung um 10.000 senken würden. Die Süddeutsche Zeitung hatte eine Serie von Artikeln und Reportagen über die streikenden Lufthansapiloten gebracht, welche der Lufthansaführung missfielen. Die Lufthansa bestreitet eine Verbindung zwischen ihrer Entscheidung und den Artikeln, obwohl beide Seiten kurz zuvor ein Abkommen geschlossen hatten, dass keine Reduzierung der Abonnements vorsah.27

Die britische Journalistin Kate Connolly berichtete von einer Aussage eines leitenden Angestellten der Lufthansa, dass die Rücknahme der Abonnements eine direkte Bestrafung für die .negative. Reportage für die SZ sein sollte. .Weber [der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa] bestrafte die SZ wegen der kritischen Artikel eines Wirtschaftsreporters, weil er seinen eigenen Standpunkt nicht einnahm.. 28

Sie berichtet weiter, dass sie ihre Story nach eingehender Recherche auch anderen deutschen Tageszeitungen und Magazinen angeboten habe, diese aber aus .vorauseilendem Gehorsam. abgelehnt hätten. Weiter hätte ein Redakteur ihr gegenüber erklärt, der Beitrag sei aus Furcht vor Unannehmlichkeiten zurückgewiesen worden. 29

Dies sind nur zwei publik gewordene Fälle, in den meisten Fällen bleibt die Produktion von Flak verborgen, denn weder die Produzenten von Flak noch die Medienunternehmen selbst haben ein Interesse an einer Diskussion über dieses Thema. Wegen der Signalwirkung solcher .Einzelfälle. ist ein häufiges Eingreifen auch nicht notwendig, da die Presseschaffenden die Normen und Werte ihrer Auftraggeber verinnerlichen und sie als Teil der .professionellen. Arbeitsweise betrachten.

Die Herrschende Ideologie als Kontrollmechanismus: der fünfte Filter

Der ursprüngliche Name dieses Filters war .Antikommunismus als Kontrollmechanismus., da dieser Begriff aus der Zeit des Kalten Krieges stammt und mittlerweile überholt ist, wurde er von Edward Herman in einem Interview 1988 durch den Kontrollmechanismus der herrschenden Meinung präzisiert bzw. ersetzt. Tatsächlich haben sich die Begriffe nach dem Ende des Kalten Krieges zwar verändert, dass grundsätzliche Prinzip und die Filterfunktion sind jedoch als effektiver Mechanismus zur Unterdrückung abweichender Meinungen beibehalten worden.

27 Reporter ohne Grenzen, Germany - Annual Report 2002, online 12.0.9.2002: http://www.rsf.org/article.php3?id_article=1818.
28 Connolly, Kate, Lufthansa cuts papers in-flight saltes after strike articles, in: The Guardian, Montag 21.03.2001, 07.06.2002 online: http://www.guardian.co.uk/international/story/0,3604,493739,00.html.
29 Mielke, Ralf, Ein übles Ding. Im Streit zwischen Lufthansa und .Süddeutscher Zeitung. geht es um die Unabhängigkeit der Medien, in: Berliner Zeitung, 30. Mai 2001, online: http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/2001/0530/medien/0006/.


Die Funktionsweise des Filters erklären Herman und Chomsky damit, dass .jeder Streitpunkt [...] auf Hinsicht einer zweigeteilten Welt von kommunistischer und antikommunistischer Macht unterteilt. wird und damit jede Kritik als pro- kommunistisch verurteilt und denunziert werden kann. 30

Dabei ist der Begriff des Kommunismus ohne weiteres ersetzbar. Letztendlich handelt es sich bei diesem Vorgehen um ein sehr klassisches Propagandainstrument. Indem man nur zwei Optionen im Diskurs zulässt, zwingt man jeden Abweichler zu bedingungslosem Gehorsam, oder man kann sie für die Unterstützung des ultimativ bösen denunzieren.

In Deutschland sind die Begriffe vielfältiger und teilweise sicherlich nicht so stark ausgeprägt wie in den USA, dennoch kann die Arbeit des Filters der herrschenden Meinung in abgeänderter Form auch in Deutschland beobachtet werden. Beispielsweise wird die Ideologie des Freien Marktes in einer ähnlichen Art und Weise benutzt und ist als Konzept nicht mehr hinterfragbar. Daran Ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Diskussion innerhalb der Eliten durchaus geführt wird, beispielsweise im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen wie NAFTA oder die EU Osterweiterung. In den Eliten ist diese Diskussion durchaus erlaubt, nicht aber in der Öffentlichkeit.

Ein Fall, in dem dieser Filter der herrschenden Meinung ganz konkret von einem Public Relations Unternehmen aufgegriffen und benutzt wurde, war der Kosovokrieg, in dem die Geschichte des Holocaust erfolgreich für eine Propagandakampagne instrumentalisiert wurde. James Harff der ehemalige Direktor von Ruder Finn brüstet sich in einem Interview damit, dass es ihm trotz des latenten Antisemitismus der bosnischen und kroatischen Führung gelang, die jüdische Meinung auf seine Seite zu ziehen: .Wir überlisteten die drei großen jüdischen Organisationen [...] Wir schlugen vor, dass diese eine Annonce in der New York Times veröffentlichen und eine Demonstration vor der UNO organisierten. Das war ein großartiger Coup. Als die jüdischen Organisationen in das Spiel [...] eingriffen, konnten wir sofort, in der öffentlichen Meinung, die Serben mit den Nazis gleichsetzen. [...] Fast unmittelbar danach benutzten die Medien eine andere Sprache mit emotionsgeladenen Begriffen, wie .ethnische Säuberung., .Konzentrationslager' etc., Begriffe, die man mit Bildern aus Nazideutschland und den Gaskammern von Auschwitz assoziiert. Niemand konnte sich mehr dagegen wenden, ohne des Revisionismus angeklagt zu werden. Wir hatten hundertprozentigen Erfolg..31


30 Herman, Edward S. / Chomsky, Noam, Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media, New York 1988, S. 30.
31 Ramati, Yohanan, Stopping the War in Yugoslavia. In: Midstream - A Monthly Jewish Review, April 1994, 07.06.2002 online: http://www.balkanpeace.org/cib/bac/bac09.shtml. Page 16

Die Strategie von Ruder Finn ging voll auf und war in Deutschland ein Beispiel für den Einsatz dieser herrschende Meinung durch die PR Industrie und ihre Umsetzung durch die Politik. Während Rudolf Scharping davon sprach, dass .im Norden von Pristina ein Konzentrationslager eingerichtet wird., und dass man die .serbische Bevölkerung auffordert, ein großes .S. auf die Türen zu malen, damit sie von den Säuberungen nicht betroffen sind, dann ist etwas im Gange, bei dem kein Zivilisierter Europäer mehr die Augen zumachen darf, außer er wolle in die Fratze der eigenen Geschichte schauen.. Joschka Fischer bemühte sogar den direkten Vergleich zwischen Nazis und Serben, indem er mit dem Ausspruch .Nie wieder Auschwitz. den Krieg rechtfertigte. 32

Dass sich alle Anschuldigungen nach dem Krieg als nicht mehr haltbar erwiesen, ist von keiner Bedeutung mehr, da es nach J. Harff nur .die erste Behauptung [ist], die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig wirkungslos. Die Public Relation Profis sind sich der Wirkung dieses letzten Filters sehr bewusst und setzen ihn dementsprechend ein. Dabei arbeiten sie weitgehend unideologisch und verstehen sich, wie John W. Rendon von der renommierten Rendon Group, als .Informationskrieger. deren Aufgabe nicht darin besteht .den Wahrheitsgehalt von Informationen zu überprüfen. Sie sehen dies als einen Ausdruck von Professionalität an und werden dementsprechend nicht .dafür bezahlt werden zu moralisieren.. 33

Schlussbemerkungen

Die von Herman und Chomsky aufgeführten zentralen Komponenten des Propagandamodells, wie strukturelle Faktoren, die Abhängigkeit von den verschiedenen Institutionen und die Einflussnahme auf die Medien sind auch in Deutschland vorhanden und bieten eine Erklärung für die Handlungsweise der deutschen Medien. Dabei sollte man sich darüber bewusst sein, dass das Propagandamodell nicht davon ausgeht, dass die Medien immer monolithische Ergebnisse liefern. Das die Filter ihre Arbeit nicht immer mit letzter Konsequenz verrichten können und das dies - wie Herman und Chomsky betonen - gerade die Schönheit und die Effizienz des Modells ausmache. Beschäftigte im Mediensektor arbeiten oft mit voller Integrität und gutem Willen und werden die Existenz eines Propagandamodells vehement bestreiten. Dabei ignorieren sie aber die Tatsache, dass sie ohne die Verinnerlichung der Werte und strukturellen Zwänge der Medien gar nicht in ihrer Position wären.

32 Monitor, Es begann mit einer Lüge. 07.06.2002 online: http://online.wdr.de/online/news/kosovoluege/sendung_text.pdf.
33 Ramati, Yohanan, Stopping the War in Yugoslavia. In: Midstream - A Monthly Jewish Review, April 1994, 07.06.2002 online: http://www.balkanpeace.org/cib/bac/bac09.shtml. Page 17

Ein Chefredakteur kann gerade in Zeiten von Übernahmen und schlechter wirtschaftlicher Lage keine kritischen Berichte eines Redakteurs dulden, die zu einer Reduzierung oder Beendigung von Anzeigen führen könnten, weil er damit dieÜberlebensgrundlage seines Unternehmens zerstören würde. Die Annahme, dass die Berichterstattung im fundamentalen Gegensatz zu den Interessen der Inserenten und der Besitzer der Medien stehen würde, ist absurd. Auch die weit verbreitete Ansicht, die Zuschauer seien für das fehlende Niveau in den Medien verantwortlich, ist angesichts der strukturellen Zwänge, denen Medienunternehmen ausgesetzt sind, nicht haltbar. Aufgrund der zentralen Bedeutung der Medien für Demokratie und Kommunikation stellt sich die Frage nach einer Änderung bzw. Demokratisierung der Medien. Robert McChesney betont, dass .wenn wir es mit Demokratie ernst meinen, wir das Mediensystem strukturell reformieren müssen. und führt weiter aus, dass diese Reform seiner Ansicht nach .Teil einer breiteren Bewegung sein [muss], um alle Kerninstitutionen der Gesellschaft zu demokratisieren..34

Der Aufbau alternativer Medienstrukturen ist notwendig und Projekte wie Indymedia 35 und viele andere zeigen, dass dies machbar ist. Die von Noam Chomsky vorgeschlagene Reaktion auf die vorhandenen Medienstrukturen wird von Ihm als .Intellektuelle Selbstverteidigung. bezeichnet und ist, ein kritisches Denken den Medien gegenüber vorausgesetzt, lediglich der Einsatz von klarem Menschenverstand in Verbindung mit der Suche nach Nachrichten mit wirklichem Informationsgehalt. Die Medienanalyse von Herman und Chomsky soll dabei behilflich sein, zu unterscheiden bei welchen Nachrichten es sich um wirkliche Informationen handelt und welche Propaganda darstellen. Diese Unterscheidung ist für ein grundsätzliches Verständnis der in den Medien diskutierten Inhalten von großer Bedeutung und der Einsatz von Begriffen wie Anti- Amerikanismus, die simple Unterteilung der Welt in Gut und Böse und das völlige Ausblenden des historischen Kontextes bei bestimmten Konflikten, sollte einem in diesem Zusammenhang zu denken geben.

34 McChesney, Robert, Rich Media Poor Democracy. Communications Politics in Dubious Times, Illinois 1999.
35 Indymedia ist ein internationales Netzwerk von Aktivistinnen für unabhängige unkommerzielle Berichterstattung von unten . vor Ort und weltweit. Es versteht sich als Teil des weltweiten Widerstands gegen die kapitalistische Globalisierung

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SEMINAR FÜR POLITISCHE WISSENSCHAFT DER RHEINISCHEN
FRIEDRICH- WILHELMS- UNIVERSITÄT BONN

Propädeutikum
Dozent: Prof. Ch. Rotkegel
Sommersemester 2001/2002
Vorgelegt von:
Timo Stollenwerk
7. Semester,
HF: Informatik
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Franziskanerstraße 1
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