Stoppt den Überwachungsstaat! Jetzt klicken & handeln Willst du auch an der Aktion teilnehmen? Hier findest du alle relevanten Infos und Materialien:

14 Oktober 2007

Wir sind doch alle Terroristen

Georg Kreisler bei einer Lesung in der Akademie der Künste (Berlin)
Georg Kreisler
Wir sind doch alle Terroristen

Eine Biografie über den großen alten Mann des Kabaretts behauptet: Georg
Kreisler gibt es gar nicht

10.11.2005 -Feuilleton - Seite 31 -- Christian Buckard

Im Frühjahr 1945 erhält Georg Kreisler, Verhörspezialist der US-Armee in Wiesbaden, den Auftrag Julius Streicher zu vernehmen. Streicher, in Hitler-Deutschland Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes "Der Stürmer", macht auf den jungen Soldaten einen völlig vertrottelten Eindruck. Auf die Frage nach seinem Beruf antwortet Streicher:
"Volksschullehrer." Kreisler: "War da nicht noch etwas?" Streicher druckst herum. Schließlich gesteht er: "Gauleiter." Nach dem Verhör bedankt sich Streicher bei Kreisler: "Sie waren ja nett zu mir. Aber die Juden haben mir sehr zugesetzt." Darauf Kreisler trocken: "Na, vielleicht haben Sie angefangen."

Kann man nach Erlebnissen wie diesen etwas anderes als Kabarettist werden? Georg Kreisler, der 1938 mit 16 Jahren als Jude aus Wien fliehen musste, ist bis heute der genialste und radikalste Kabarettist des deutschen Sprachraums. Lieder wie "Taubenvergiften", "Der Tod, das muss ein Wiener sein" und "Gelsenkirchen" haben ihm den Ruf eingebracht, Meister des schwarzen Humors zu sein.

Doch wer Kreislers "Everblacks" nur als wunderschön vertonte makabre Witze begreift, der macht es sich zu leicht. Geradeso wie seine Liebeslieder, "Frühlingsmärchen" und die "nichtarischen Arien" sind Kreislers Geschichten von Serienmördern und gesellschaftlich
respektierten Alt-Nazis unnachahmliche Beschreibungen der Wirklichkeit. Die Trauer des aus Wien Vertriebenen maskiert sich mit Spott und Zorn, wenn Kreisler mit kräftiger Stimme von einem neuen und besseren Wien singt:
"Wie schön wäre Wien ohne Wiener! / So schön wie a schlafende Frau! /
Die Ringstraße wär noch viel grüner, / Und die Donau wär endlich so blau."

Über das "Wien ohne Wiener" lachten die Österreicher noch, doch beim "Taubenvergiften" hörte der Spaß auf. Kreislers Lied über das Liebespaar, das im Park gutgelaunt mit Arsen und Zyankali Tauben mordet, war in Funk und Fernsehen verboten.

Die nun von den Journalisten Hans-Juergen Fink und Michael Seufert vorgelegte Lebensgeschichte Kreislers ist die erste Biografie über den Kabarettisten, Dichter, Komponisten, Dramaturgen und Dirigenten. Die Tatsache, dass Kreisler erst jetzt, rund 60 Jahre nach Beginn seiner Bühnenkarriere im amerikanischen Exil, die Aufmerksamkeit der Biografen fand, ist symptomatisch für die öffentliche Wahrnehmung des stets Unbequemen: Obwohl das Publikum Kreisler bei seinen Live-Auftritten stets begeistert feierte, wurde er von den Radio- und Fernsehanstalten in Deutschland und Österreich weitestgehend ignoriert. Dies gilt auch
für die 80er-Jahre, als Kreisler mit seiner Frau und Kollegin Barbara Peters in West-Berlin lebte.

"In den zwölf Jahren", so erinnert sich Kreisler, "die ich dort gelebt hatte, hatte ich keinerlei Angebot eines Berliner Theaters, kein Angebot eines Berliner Verlegers, kaum Fernsehen oder Rundfunk bekommen. Ich hatte immer auf eigenes Risiko gespielt. Die Hausherren waren weder zu einer meiner Vorstellungen gekommen noch hatten sie sonst Kontakt gesucht, ich hatte lediglich mit Bürodamen zu tun."
So verpasste man in West-Berlin die Chance, Kreisler einen seinem Können angemessenen Wirkungsraum zu geben. Vielleicht hatte man ja auch nur Angst davor, dass Kreisler live im Fernsehen singen würde:

"Wir sind doch alle, alle, alle Terroristen. / Es lebt in ganz
Deutschland kein Demokrat. / Wir sind Terroristen gegen die Frauen, /
gegen die Kinder, die uns vertrauen, / aber nicht einer gegen den Staat."

Der heute 83jährige Kreisler war und ist ein Anarchist, ein Unangepasster, ein Unberechenbarer, der Albtraum politisch korrekter Intendanten.

"Georg Kreisler gibt es gar nicht" ist eine längst überfällige Hommage an den großen alten Mann des Kabaretts. Finks und Seuferts Buch ist dabei keine jener Biografien, die mit Blick auf die Auflage das Privatleben ihres "Sujets" durchforsten. Es ist auch kein Buch, das nur für verschworene Kreisler-Fans interessant wäre, denn es erzählt auf jeder Seite vom exemplarischen und doch einzigartigen Leben eines Exilanten und Weltbürgers im finsteren 20. Jahrhundert: Von Kreislers gefährlicher Jugend im antisemitisch verseuchten Wien der 30er Jahre, der Flucht nach Hollywood, seiner Zusammenarbeit mit Hollywood-Drehbuchautor Walter Reisch und Charlie Chaplin, Begegnungen mit Marlene Dietrich, Billy Wilder und Friedrich Hollaender, mit dessen Tochter Philine Kreisler eine kurze und stürmische Ehe führte.

Einen Plattenerfolg hatte der Österreicher mit amerikanischem Pass in den USA nicht. Schon die Privatvorstellung des Soldaten Kreisler vor Dwight D. Eisenhower, dem Oberbefehlshaber der US-Truppen in Europa, hatte in einem Fiasko geendet. Die Generäle hatten offensichtlich eine andere Art von Humor. Keine amerikanischen Plattenfirmen wollte
Kreislers 1947 auf Vinyl gepressten Songs vertreiben. Schon deren Titel ("Please, shoot your husband", "I hate you", "It's great to lead an antiseptic life") riefen bei den Produzenten nacktes Entsetzen hervor.
Fink und Seufert holen das amerikanische Plattendebüt Kreislers jetzt nach: Dem Buch liegt eine CD mit sechs großartigen Songs bei, mit denen Kreisler in einem New Yorker Club Erfolge gefeiert hatte. "Georg Kreisler gibt es gar nicht"? Oh doch. Und wie!

Georg Kreisler, ein Exilant und Weltbürger im finsteren 20. Jahrhundert

Wir sind alle Terroristen

Wir sind doch alle, alle, alle Terroristen.
Es lebt in ganz Deutschland kein Demokrat.
Wir sind Terroristen gegen die Frauen,
gegen die Kinder, die uns vertrauen,
aber nicht einer gegen den Staat.

Die meisten schrein schon frueh am Morgen: Na, was ist denn?
Warum funktioniert nichts? Ist denn keiner auf Draht?
Wir sind Terroristen gegen die Liebe,
gegen die Faulenzer, gegen die Diebe,
aber nicht einer gegen den Staat.

Dabei ist grad der Staat das groesste Uebel,
das alle Menschen seit Jahrhunderten versaut;
und jeder einzelne von uns ist nur ein Duebel,
in den der Staat den Nagel seiner Allmacht haut.

Und letztlich macht uns dieser Staat zu Terroristen,
denn wir sind seine Buerger und sein Fabrikat.
Wir werd'n Terroristen gegen die Stille,
gegen die Abtreibung, gegen die Pille,
gegen die Schwulen, denn um die ist's nicht schad -
aber nicht einer gegen den Staat.

Weisst du, was das heisst: Polizeipraesident?
Weisst du, was das heisst: Infanterieregiment?
Was heisst Kommissar, Kabinett oder Bundeskanzler? Macht heisst es!
Was heisst Parlament oder Buergermeister? Immer nur gib acht, heisst es!
Andere bestimmen, ob du stirbst oder ob du lebst;
andere bestinmmen, was du denkst und wonach du strebst -

und sie bestimmen dich zum staatlichen Terroristen.
Du kriegst einen Titel und ein Zertifikat.
Dann bist du ein Starker, und fort mit den Schwachen.
Und ausserdem sagst du: Was soll ich denn machen?
Ich kann doch nicht leben ohne den Staat!

So lebst du mit dem Staat, das ist bequemer.
Du lernst die Hymne und den Badenweiler Marsch.
Du wirst Beamter, Arbeitgeber, Arbeitnehmer,
gehst in Pension und denkst: Ach, leckt mich doch am Arsch.

Ja, wir sind alle, alle, alle Terroristen.
Wir nennen's nur anders - das ist es ja grad.
Doch wir sind Terroristen gegen das Leben,
gegen das Traeumen, Lavieren und Schweben,
gegen die Dichter und gegen die Narren,
gegen die Saenger und ihre Gitarren,
gegen den Sex, gegen alles und nichts,
aber etwas gibt's immer, weil sonst wird's ja fad,
nur gegen eins nicht: gegen den Staat.

-Georg Kreisler


Georg Kreisler (* 18. Juli 1922 in Wien) ist ein deutschsprachiger, US-amerikanischer Kabarettist, Komponist, Satiriker und Schriftsteller österreichischer Herkunft. Bekannt wurde er vor allem in den 50er- und 60er-Jahren mit seinen hintergründigen und makabren Chansons. Er lebte von 1992 bis 2007 mit seiner vierten Frau und Bühnenpartnerin Barbara Peters in Basel, seit Mai 2007 in Salzburg.
Kreisler besuchte in Wien das Gymnasium und lernte Klavier, Geige und Musiktheorie. 1938, nach der Rassentheorie der Nazis als Jude definiert, musste er vor den Nazis fliehen und emigrierte mit seinen Eltern in die USA, wo sie besonders sein Vetter, der erfolgreiche Drehbuchautor Walter Reisch, finanziell und auch sonst unterstützte. Kreisler wurde 1943 amerikanischer Staatsbürger und war während des Zweiten Weltkrieges als US-Soldat in Europa stationiert. Dort schrieb er seine ersten musikalischen Revuen, teilweise zusammen mit Marcel Prawy, und führte sie, erst in Großbritannien, später in Frankreich, für die Soldaten auf.

Nach Kriegsende war er in Hollywood beim Film beschäftigt und arbeitete dort unter anderem mit Charlie Chaplin zusammen. Chaplin pfiff ihm die Filmmusik für Monsieur Verdoux vor, die Kreisler auf Notenpapier schrieb und dann zu Hanns Eisler brachte, der die Orchestrierung besorgte. Außerdem war es Kreislers Klavierspiel, das aufgenommen wurde, wenn man Chaplin am Klavier sah.

Während seiner Zeit in New York trat er als Entertainer in Nachtclubs auf und tourte als Interpret eigener, in englischer Sprache verfasster Lieder durch ganz Amerika. Drei dort 1947 aufgenommene Schallplatten sind nicht erschienen, weil die Produktionsfirma die Lieder für zu „unamerikanisch“ hielt. Titel wie Please Shoot Your Husband meinte man den Leuten nicht zumuten zu können. Diese Art Zensur zog sich von da an durch Kreislers gesamte künstlerische Laufbahn. Erst 2005 kamen die – verloren geglaubten – Aufnahmen von 1947, als Beilage zu seiner Biographie, in Form einer CD heraus.

1955 wagte er einen Neuanfang in Europa und ging zurück nach Wien, traf dort unter anderem mit Hans Weigel, Gerhard Bronner, Peter Wehle und Helmut Qualtinger zusammen. In der Marietta Bar in der Wiener Innenstadt trat er erstmals mit deutschsprachigen Chansons auf und wurde zeitweise Mitglied des Namenlosen Ensembles um Bronner, Wehle und Qualtinger.

1958 zog es ihn nach München, wo er mit seiner damaligen Ehefrau Topsy Küppers Chanson-Abende gab. 1976 ging er nach Berlin. Ab 1977 trat er mit seiner Lebensgefährtin Barbara Peters auf. Er zog 1988 nach Hof (bei Salzburg). Von 1992 bis 2007 lebte er in Basel. Im Mai 2007 übersiedelte er nach Salzburg.

Seit 2001 tritt er nicht mehr mit seinen Chansons auf und widmet sich verstärkt dem Schreiben von Romanen, Kurzgeschichten und Essays und dem Komponieren. Er engagiert sich stark für eine eigenständige Schweiz und gegen EU- bzw. EWR-Beitritt (siehe dazu auch sein Lied Der Euro). Per offenem Brief verbat er sich rechtzeitig vor seinem 75. Geburtstag jegliche Gratulation von Seiten des Staates Österreich, „weil sich die Republik Österreich in den über vierzig Jahren, seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, noch nie um mich geschert hat“ (Zitat aus dem Brief).

Georg Kreisler hat zwei Söhne und eine Tochter, Sandra Kreisler (* 1961), die als Chansonsängerin und Sprecherin arbeitet.

Kreisler ist ein weitläufiger Verwandter des Violinvirtuosen und Komponisten Fritz Kreisler.

Kreisler gilt als Meister der Sprache, Mimik und Gestik. Seine Lieder zeichnen sich durch hintergründigen, oftmals schwarzen Humor und kompromisslose Kritik an Gesellschaft und Politik aus. Dies brachte ihn immer wieder in Schwierigkeiten und führt teilweise auch zu Auftrittsverboten in Funk und Fernsehen.

Viele seiner Lieder sind bereits Klassiker: Als der Zirkus in Flammen stand, Zwei alte Tanten tanzen Tango, Der Musikkritiker, Der General, Kapitalistenlied, Meine Freiheit, Deine Freiheit und viele andere, sowie auch das „Ein-Frau-Musical“ Heute Abend – Lola Blau.

Basierend auf textlichen und musikalischen Ähnlichkeiten, scheint es, dass Kreisler in drei seiner Chansons Ideen und Material von anderen Künstlern verwendet haben mag, ohne dies in der üblichen Weise ( z.B. frei nach einem Lied von ...) anzugeben (siehe hier [1] für Übersetzungen und Vergleiche). Kreislers Ich hab' deine Hand ist dem Lehrer Lied I hold your hand in mine, dear sehr ähnlich, das zuerst im Jahr 1953 im Album Songs By Tom Lehrer (Album) erschienen war, vor Kreislers Rückkehr nach Europa. Das Frühlingslied von Kreisler ähnelt dem Lied Poisoning Pigeons in the Park von Tom Lehrer; Kreisler hätte die Gelegenheit gehabt, dies bei Live-Aufführungen von Tom Lehrer zwischen 1953 und 1955 zu hören. Gerhard Bronner, der ebenfalls in den USA gelebt hat und nach Kreislers Rückkehr mit ihm in Wien zusammengearbeitet hat, beschreibt in seiner Autobiographie Spiegel vorm Gesicht, dass Kreisler dieses Lehrer Lied schon zu der Zeit bekannt war. Das Mädchen mit den drei blauen Augen von Kreisler ähnelt dem Abe Burrows Lied The Girl with the Three Blue Eyes (erste Tonaufnahme: 1950).

Der Gedanke ist gut

Bei seinem reichen Onkel erschien der Neffe Klaus,
Und sprach zu ihm: ,,Ich komme aus den Schulden nicht heraus!
Ich habe Frau und Kinder, das Geld jedoch hast du,
Daß ich es erb, was nützt mir das,
Gib mir schon jetzt ein bissel was,
Dann hab ich meine Ruh!''.
Der Onkel sprach : ,,Hör zu!''

,,Der Gedanke ist gut, aber die Ausführung läßt warten,
Der Gedanke ist gut, aber die Tat ist diffizil,
Denn wenn ich dir schon jetzt was geb und dann noch meinen Tod erleb,
Werd ich mich kränken, denn dann kriegst du nicht mehr viel.
Der Gedanke ist gut, aber die Durchführung ist schlimmer,
Darum schlage ich vor, du kommst zurück in einem Jahr.
Wenn ich dir dann nichts geb, weißt du noch immer,
Daß dein Gedanke trotzdem ausgezeichnet war!''

Bein einem Fernsehleiter in Wien, vielleicht Berlin,
Beschwert sich eine Dame: ,,Das Niveau ist völlig hin!
Sie geben den schwachen Künstlern die Protektion haben nach,
Wenn einer intrigieren kann, dann kommt er immer wieder dran,
Die Guten liegen brach!''. Der Fersehleiter sprach:

,,Gnädige Frau, der Gedanke ist gut, aber die Ausführung läßt warten,
Der Gedanke ist gut, doch die Erfüllung macht mir bang,
Denn wenn man unser Fernsehen jetzt nur auf Grund von Niveau besetzt,
Hab ich ja selber meinen Posten nicht mehr lang.
Der Gedanke ist gut, aber das Werk wird nicht geschehen,
Darum schlage ich vor, daß ich mir weitre Worte spar,
Und auf dem Fernsehschirm kann jeder sehen,
Daß Ihr Gedanke wirklich ausgezeichnet war!''

In Rußland herrschen Felherrn, auch China macht sich stark,
In Spanien sind Faschisten und in Deutschland herrscht die Mark.
Amerika führt Kriege in vielerlei Gestalt,
Und daraus folgt als letzter Schluß, daß man das alles ändern muß,
Sonst werden wir nicht sehr alt. Wenn's sein muß, mit Gewalt.

..., aber die Ausfürung läßt warten,
..., aber wir kommen schwer vom Fleck,
Wenn wir nicht ihre Pläne störn, wird die Zukunft nicht uns gehörn,
Die Generale sterben nicht von selber weg.
Der Gedanke ist gut, aber die Herrscher demagogisch,
Der Gedanke ist gut, aber die Welt ist leider trist.
Wenn ich so um mich blick', seh ich ganz logisch,
Daß der Gedanke wirklich ausgezeichnet ist.

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Was für ein Ticker ist ein Politiker

Ja, die Welt ist eine Ansammlung von komischen Tieren,
Die sich an das Leben klammern und nur selten amüsieren.
Um gleich alle zu beschreiben fehlt die Zeit mir momentan,
Und so führe ich nur einige als Beispiel an:

Ja, ein Dramatiker ist ein Stückeschreiber,
Und ein Fanatiker ist ein Übertreiber,
Und ein Botaniker ist ein Blumengießer,
Und ein Romantiker ist ein Frauengenießer,
Ein Philharmoniker ist ein Staatsmusiker,
Der Pension kriegt, wenn er nicht mehr gut gefällt -

Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Woher kommt er und was will er von der Welt?
Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Woher kommt er und was will er von der Welt?

Die Amerikaner sind die Haupttouristen,
Die Lilliputaner sind die Zwergkopisten,
Und der Persianer ist der Abgewetzte,
Und der Mohikaner ist der Allerletzte,
Ein Alkoholiker ist ein Exzentriker,
Der sich selber seines Lebensglück beraubt -

Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Ist er wirklich so von Nöten, wie er glaubt?
Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Ist er wirklich so von Nöten, wie er glaubt?

Man braucht Kesselflicker und Autobuslenker,
Elektrotechniker und Serviettenschwenker,
Vor Gericht braucht jeder einen Verteidiger,
Dieser Verteidiger ist Akademiker,
Ich bin kein Zyniker und kein Polemiker,
Ich verehre diese Leute wirklich sehr -

Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Eines Tages gibt's den sicherlich nicht mehr!
Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Eines Tages gibt's den sicherlich nicht mehr!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Kapitalistenlied

Ja, wer sagt denn, daß ich auch wirklich schießen muß,
Weil ich heutzutag' einen Revolver trag,
Ja, wo seht ihr denn da einen Zusammenhang,
Weil ich ,,Hände hoch!'' von euch verlang,
Nein, ich liebe euch, und ich schieß nicht gleich,
Warum habt denn ihr so schrecklich Angst vor mir?
Ich bin Mensch und Christ und ein Revolver ist
Kein Zeichen von Gewalt, wenn ich ihn halt.

Ja, wer sagt denn, daß ich auch jemand töten muß
Wenn ich überdies zufällig wirklich schieß,
Sagt mir, wer von euch das für eine Drohung hält,
Wenn die Kugel fliegt und jemand fällt.
Nein, ich liebe euch, und ich töt' nicht gleich,
Warum habt ihr denn so schrecklich Angst vor mir?
Ich bin Mensch und Christ und ohne Zweifel ist
Ein Mord für mich sehr mies, auch wenn ich schieß.

Ja, wer sagt denn, daß ich nicht eure Freiheit will,
Weil ich ohne Haß die Tür verrammeln laß,
Wieso seht ihr das Haus als ein Gefängnis an,
Weil nur ich nach draußen gehen kann.
Das ist kein Arrest, ich halt niemand fest,
Warum habt ihr denn so schrecklich Angst vor mir?
Ist die Tür versperrt, bleibt ihr unversehrt,
Ja, ihr alle seid in Sicherheit.

Ja, wer sagt denn, daß ich nicht euer Bestes will
Wenn ich Geld verpraß und euch was lernen laß,
Habt ihr einmal die Schule hinter euch gebracht,
Könnt ihr sehn, wie fröhlich Arbeit macht.
Nein, ich liebe euch, und ich mach euch reich,
Nicht charakterlich und nicht so reich wie mich,
Aber reich genug, seid nicht superklug
Un begnügt euch gleich, dann seid ihr reich.

So kommt Stein auf Stein, seht ihr endlich ein,
Daß ich dazu auch einen Revlver brauch?
Warum ich ohne Haß die Tür verrammeln laß,
Und, wenn nötig, dann auch schießen kann.
Und wenn ihr das erst einseht, seid ihr frei!
Dann wählt ihr auch die richtige Partei!
Dann laßt ihr meine Sache nicht im Stich!
Und dann kriegt ihr Revolver, so wie ich!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Zwei alte Tanten tanzen Tango

Wenn ich nachts nicht schlafen kann, schau ich gern beim Fenster raus,
Und ich sehe mir die Straße an, oder vis-a-vis das Haus,
Das ist das Achterhaus und es ist wirklich sonderbar,
Ich wollt es einmal schon beschreiben aber dann ließ ich es bleiben,
denn vielleicht war's gar nicht wahr:
Aus einem Fenster kommt jede Nacht ein fahler Schein,
Und wenn man sich etwas streckt, sieht man in den Raum hinein,
Und was da drin geschieht, ach wer hätte das geglaubt,
Ist das legal, ist das normal, ist das erlaubt?

Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht,
Warum auch nicht, sie hätten sonst die Nacht nur schlaflos zugebracht,
Wie diese Engeln sich nur schlängeln und schmiegen Bein an Bein,
Jeder Schritt muß bei dem Rhythmus ein Vergnügen sein!
Und rings umher da ist es finster, schwach nur grinst das Morgenrot,
Da mit Migränen gähnen Tränen, stöhnend man erwacht,
In den Spelunken wird getrunken, und der Bäcker backt das Brot,
Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht.

In der Bundeshauptstadt Bonn am Rhein fürchtet sich der Kommunist,
Sollt man etwas weiter östlich sein, fürchtet sich, wer keiner ist,
Selbst in Amerika, da wär i ka Sekunde ohne Zorn,
Ich hätt a tolle Wut auf Hollywood, mein Englisch wär verfänglich
und i wär scho längst a Gaengster worn.
Ein blasser Nasser starrt ins Wasser, das er längst schon nicht mehr
liebt,
Und weicht vom Mittelmeer kein Drittel mehr zurück,
Nur dort im Achterhaus, da macht man aus die Lichter, die's noch gibt,
Man konzentriert sich ganz auf Tango und auf Glück.

Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht,
Die suchen sobald nicht nach Kobald, auch wenn der Globus kracht,
Die bringt kein greller Pfiff nach Tel Aviv, nach Kairo, nach Korinth,
Die ruft kein Mueyzin zum Suezz hin, die bleiben, wo sie sind.
Und Hunde heulen, wunde Eulen legen Eier in den Turm,
Man hat Affairen mit Millionären, meist auf einer Yacht,
Doch spuckt den Ozean ein Loste an, dann gibt es einen Sturm,
Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht.

Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht,
Sie sind vereint, und wie mir scheint, die eine lacht, die andre weint,
Den Straßenfeger mit Geselle plagt die Szenerie,
Jedoch ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.
Ja, der Neandertaler wandert allerdings noch ohne Ruh,
Und fragt die Leut, wie weit sie's heut seit seiner Zeit gebracht,
Man gibt dem Araber sein eignes Dromedar aber wozu?
Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht.
Mitten in der, mitten in der, mitten in der, mitten in der, mitten
in der Nacht.

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Sport ist gesund

Mein Vater, ein Hotelportier, ging schwimmen einst im Wörtersee.
Ich hab vom Strand gewunken, dabei ist er ertrunken.
Mein Großpapa, ein Gasthauskoch, bestieg einmal das Jungfernjoch
Und fiel, weil er dort schlief, ein paar Kilometer tief.
Mein Bruder war ein Jäger, eine Großwildjagd macht Spaß,
Ich hab einen Bettvorleger von dem Löwen, der ihn fraß.
Mein bester Freund war Taucher, der schläft am Meeresgrund.

Und trotzdem sagen die Ärtze, und trotzdem schreibt die Zeitung,
Und trotzdem hört man überall: Sport ist gesund!

Ich selber habe auf mein Wort im Skifahren einen Weltrekord,
Im Zeitraum von zwei Wochen brach ich mir achtzehn Knochen.
Ich dachte, wenn ich Tennis spiel, dabei passiert bestimmt nicht viel,
Ein Ball traf mich mit Schwung: nur Gehirnerschütterung.
Ich wandere gern lange, denn sitzen, das macht fett,
Dann traf ich eine Schlange und wanderte ins Bett.
Die Fuchsjagd ist ein schöner Sport, dort biß mich nur ein Hund.

Und trotzdem sagen die Ärtze, Und trotzdem schreibt die Zeitung,
Und trotzdem hört man überall: Sport ist gesund!

Doch letzthin denk ich dann und wann: wer weiß, vielleicht ist doch
was dran,
Man kann es kaum bestreiten, auch Sport hat gute Seiten.
Das ist verständlich, denn ich bin verliebt in eine Sportlerin,
Die schwimmt und springt und taucht - na wer weiß, wozu man's braucht.
Ich führ sie zum Souper aus, ich geh zum Tanz mit ihr,
Und dann in ein Caféhaus und dann nach Haus zu mir.
Bei mir zu Haus umarm ich sie und küsse ihren Mund -

Na ja, das sagen ja auch die Ärtze, es steht ja in der Zeitung,
Man hörts ja heute überall: Sport ist gesund!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Nebenan

Sicherlich haben Sie schon von den alten Tanten gehört
Und ihrem Tangokonzert mitten in der Nacht.
Sicherlich glauben Sie, ich hab mir das damals halt so irgendwie
ausgedacht
Und sich nur lustig gemacht mitten in der Nacht.
Aber eins steht fest: Die alten Tanten, die tanzen noch immer,
Und nur wir Blöden, wir sitzen da und reden von Revolution oder
Evolution,
Der Stuß des Gedrängels um Marx oder Engels wird jeden Tag schlimmer,
Und jeder weiß, vor lauter Fleiß gehn wir im Kreis.

Nebenan, man muß nur wissen, wie man hinkommt,
Nebenan, in einer obdachlosen Zeit,
Nebenan, wo man zu Gott nicht auf den Knien kommt
Gibt`s nicht nur Regeln und Räson, Organisation,
Funktionelle Ämter und Gewissenhaftigkeit,
Nebenan fließt eine Welt der Kompromisse,
Wo keiner kann und keiner muß und keiner mag,
Nebenan in einer flüchtigen Kulisse,
Spielt sich das Leben langsam ein,
Wie bei Papagein, nur daß man ein Mensch ist,
Aber das den ganzen Tag.
Man setzt kein Beispiel denn jeder Leistungsdruck wär lächerlich und
banal,
Man spielt ein Freispiel und bleibt sich nah,
Und durch die unbegrenzten Flüge wächst das Bedürfnis nach Gefüge,
Es fehlt nur eines: das alles erklärende letzte ja,
Das ist nicht da,
Es gibt kein ja,
Und da`s kein ja gibt gibt`s kein nein,
Auch kein vielleicht und kein mag sein,
Es gibt nur ein

Nebenan, das Nebenan ist allumfassend,
Nebenan ist geich ums Eck und dann gradaus,
Nebenan, das Wort ist sicherlich nicht passend,
Doch Wörter läßt man ohnehin zu Haus,
Wozu denn Wörter wenn Hypothesen oder Hoffnung verläßlicher sind,
Sie machen härter und klagen an,
Man kann am Wörterbuch erblinden,
Statt zu vergessen und zu finden.
Damit wär alles gesagt was ich dazu sagen kann,
Wir sehn uns dann halt irgendwann am dritten Baum in meinem Traum
Gleich Nebenan.

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Der Triangel

Wenn Sie einmal in die Oper gehen,
Und sich das Orchester dort besehen,
Vielleicht sehen Sie im fernsten Eck, so zwischen Tür und Angel,
Einen Mann, der spielt ein Instrument, genannt Triangel.
Wenn Sie diesen Mann betrachten, denken Sie an mich,
Denn der Triangelspieler, der bin ich.

Ja, da sitz ich mitten im Orchester drin,
Und halte bereit mein Triangel,
Und endlich zeigt der Dirigent auf mich hin,
Und dann steh ich auf und mach -

Ich komm erst auf Seite neunundachzig dran,
Ja an Zeit hab ich keinen Mangel,
Ich könnt ja was lesen, doch da schaut er mich an,
Und schon steh ich auf und mach -

Die Opern kenn ich von hinten nach vorn,
Auch den Wozzek, auch den Rienzi,
Die Partituren kenn ich von Bratsche bis Horn
Und die ganzen schweren Kadenzi.

Meistens werd ich schläfrig von all dem Getös,
Besonders bei Richard Strauß,
Doch schlafen geht nicht, der Dirigent wär ja bös,
Er braucht mich ja wegen dem -
Ach wär doch die Oper schon aus.

Es ist schwer zu glauben, doch einst war ich jung
Und studierte an der Akademie,
Ich spielte Klavier mit Elan und Schwung,
Meine Technik erregte Begeisterung,
Und man nannte mich ein Genie!
Ich spielte Carnaval und die Sulfiden,
Die Rhapsodien und die Pathetique,
Ich lernte Czernys und Chopins Etüden,
Und ich war jung und liebte die Musik.
Und eines Tags sah ich mit viel Vergnügen
neben den gesamten Werken Glucks
Im Musikgeschäft auch ein Triangel liegen.
Da lachte ich und kaufte es, als Jux.

Und da sitz ich mitten im Orchester drin
Im Schatten der großen Trommeln,
Gleich kommt mein Einsatz, ich schau gar nicht hin,
Ich steh nur auf und mach -

Die Cinellen machen einen Riesenkrach,
Ich wär lieber bei den Schrammeln,
Doch jetzt wird es leiser
Und ich mach noch einmal -

Die Violinen weinen jetzt,
Die Cellos und Bässe ergrimmen,
Die Flöten jubeln, das Glockenspiel lacht -
Ein Triangel kann man nicht einmal stimmen.

Man wird so nervös und der Sessel ist hart,
Und nie bekomm ich Applaus,
So sitz ich halt da und wart und wart
Bis ich aufstehen darf und mach -
Und dann ist die Oper aus.

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


A Bidla Buh

Es ist traurig, wenn Liebe erkaltet,
Es ist furchtbar, wenn Liebe vergeht,
Doch wie kann man von Liebe erwarten,
Daß sie immer und ewig besteht.
Nur ich liebe jede auf immer,
Ganz ohne mir das Leben zu erschwern,
Und ich werde geliebt, und wie ich das mach?
Das will ich Ihnen jetzt erklärn!

A Bidla Buh, a Bidla Buh, a Bidla Bing Bang Buh,
Unsre Liebe war beinahe schon vergangen,
Da schlitzte ich die Kehle der Katrein,
Das heißt, sie liebte mich, solange sie lebte,
Und wegen des bißchen Schlitzen wird sie nicht böse sein,

A Bidla Buh, a Bidla Buh, a Bidla Bing Bang Buh,
Unsre Liebe hatte kaum noch angefangen,
Da nahm Janine eines Tags ein Aspirin,
Also das war kein Aspirin, das war Strichnin,
Aber heute noch liebe ich Janine.

Adelheid warf ich in die Donau,
Gleich nach Dürrenstein, niemand hat's gesehen,
Und auch sie wird mir verzeihn, denn grad bei Dürrenstein
Ist die Donau doch so wunderschön,

A Bidla Buh, a Bidla Buh, a Bidla Bing Bang Buh,
Also was kann eine Frau dann noch verlangen,
Nach dem Tod hab ich sie stets noch mehr verehrt,
Kam der Tod auch etwas schnell, das ist nur originell,
Und bis jetzt hat sich noch keine beschwert.

Zum Beispiel, Lola mit den Engelsminen legt' ich auf die D-Zugschienen,
Lilli, Lene und Marianne starben in der Badewanne,
Liserl schloß den Lebenswandel durch ein großes Ziegelsteinderl,
Lustig ist die Jägerei, Lotte war im Weg dabei,

A Buh, a Bidla Buh, a Bidla Bing Bang Buh,
Unsre Liebe war kaum älter als zwei Stunden,
Da stieg ich auf den Turm mit Rosmarie,
Bei Yvonne hab ich vergessen, den Gashahn abzudrehn
Und die Blumenspenden flossen wie noch nie.

A Bidla Buh, a Bidla Buh, a Bidla Bing Bang Buh,
Nur die Sonja wollte mich versichern lassen,
Also das ärgerte mich sehr,
Das hat mich so verdrossen, ich hab sie schnell erschossen,
Und heute lieb ich sie nicht mehr.

Aber Anneliese hätt die Krankheit überwunden,
Doch leider trank sie die falsche Arznei,
Und Frieda hatte satt das Leben, wollte selbst den Tod sich geben,
Selbstverständlich half ich ihr dabei.

A Bidla Buh, a Bidla Buh, a Bidla Bing Bang Buh,
Aber heute hab ich eine Frau gefunden,
Ganz bestimmt die schönste Frau der Welt,
Und jetzt darf ich's nicht verpassen, mir das Messer schleifen
z'lassen,
Und dann muß ich die Pistolen vom Pistolenputzen holen,
Und a Sensen brauch i a no, an vergifteten Cinzano,
Und a klans Tomahawkl, vielleicht brauch i an Sackel,
Auch an Besen hätt ich gern, um die Knochen aufzukehrn,
Das Petroleum, das hab ich schon bestellt.

A Bidla Buh, a Bidla Buh, a Bidla Bing Bang Buh,
Schöne Frauen kosten sehr viel Geld!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Tauben vergiften

Schatz, das Wetter ist wunderschön,
Da leid ich's net länger zu Haus!
Heute muß man ins Grüne gehn,
In den bunten Frühling hinaus!
Jeder Bursch und sein Mädel
Mit einem Freßpaketel
Sitzen heute im grünen Klee,
Schatz, ich hab eine Idee!

Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau,
Geh mer Tauben vergiften im Park!
Die Bäume sind grün und der Himmel ist blau,
Geh mer Tauben vergiften im Park!
Wir sitzen zusmam' in der Laube
Und a jeder vergiftet a Taube,
Der Frühling, der dringt bis ins innerste Mark
Beim Tauben vergiften im Park.

Schatz, geh bring das Arsen gschwind her,
Des tut sich am besten bewährn,
Streus auf a Graubrot kreuz über quer,
Nimms Scherzel, des fressens so gern.
Erst verjag mer die Spatzen,
Denn die tun eim alles verpatzen,
So a Spatz ist zu gschwind, der frißt's Gift auf im Nu,
Und des arme Tauberl schaut zu.

Ja, der Frühling, der Frühling, der Frühling ist hier,
Geh mer Tauben vergiften im Park!
Kanns geben im Leben ein größres Plaisier
Als das Tauben vergiften im Park?
Da Hansel geht gern mit der Mali,
Denn die Mali, die zahlt's Zynkali,
Die Herzen sind schwach und die Liebe ist stark
Beim Tauben vergiften im Park!
Nimm für uns was zu naschen
In der andern Taschen,
Geh mer Tauben vergiften im Park!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Der guate alte Franz

Wein, Weib und Gesang, des ham schon viele Leut besungen,
Und es hat bestimmt auch vielen gfallen.
Aber einer Menschen Tugend ist noch nicht das Lied erklungen,
Und das ist die wichtigste von allen.
Drum ergreife ich das Wort jetzt ganz spontan,
Passen's jetzt gut auf, denn auf die Freunschaft stoß ich an!

Ich hab wirklich viele Freunderl doch nur einen einzgen Freund:
Den guaten alten Franz!
Schon seit Jahren sind der Franz und ich aufs innigste vereint,
Der guate alte Franz!
Mir'm amal a Rendez-vous g'habt mit zwa Maderln auf a Bier,
das heißt, meine is net kommen, aber seine, die war hier.
Na, da bin i halt mit seiner gangen, ihm wars alles ans,
Der guate alte Franz!

Der Franz und ich, mir warn bei der Kreditbank angestellt,
Der guate alte Franz!
I hab damals gspielt und gsoffen, na da braucht ma ja ein Geld,
Der guate alte Franz!
Wie's die Bücher überprüft ham, ham's glei gmerkt die Schwindelei,
Und zum Franz und mir ham's gsagt, ,,Ja, des war aner von euch zwei,
Und der Schuldige von euch, der kriegt fünf Jahr für de Bilanz!'' -
Der guate alte Franz!

Ja, der Franz is amal z'Haus kommen, ich weiß es noch genau,
Der guate alte Franz!
Und findet mich im Schlafzimmer zusammn mit saner Frau,
Der guate alte Franz!
Ja, a andrer hätt was aufgführt, mit der Freundschaft wärs dann aus,
Doch der Franz hat gsagt, ,,Pardon, laßt's euch net störn, i geh
scho raus!''
Und hat draußen Zeitung glesen von halb acht bis viertel ans -
Der guate alte Franz!

Der Franz lebt heute nimmermehr, und wie ich ihn vermiß,
Den guaten alten Franz!
Und es is was intressantes wie es dazu kommen is,
Der guate alte Franz!
Mir warn jagen draußim Wald und ich sag ,,Franz, komm geh amal her,
Du, i glaub, i hab net gladen, schau in' Lauf von mein Gewehr!''
Der schaut in' Lauf und sucht die Kugeln und schreit, ,,schau her,
da sans!''
O je, der guate alte Franz,
Er is im Himmel, der guate alte Franz!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Der schöne Heinrich

Ich bin ein gerechter, durchschnittlich echter
Wiener, Schanster Diener.
Verdien bei der Firma, Freundin heißt Irma
Lehmann, die wohnt neb'nan.
Und das ist der springende Punkt: Als ich ging in die
Firma war Irma mir gut.
Doch das Wohlwollen endete, denn Irma wendete
Sich ab und ich hab vor Wut.
Soll ich nun erläutern, woher das Meutern
Irmas, na probier mas.
Sie ist nicht von Sinnen, noch tut sie spinnen,
Sondern: sie hat an andern.
Doch den andern den hat nicht nur sie,
Den hat auch die Valenzia und die Marie,
Die Luzie, die Lizzie, die Helga, die Helen:
Alle finden ihn ausgesprochen schön.

Ausgesprochen schöner Heinrich,
Der die Liebe entfacht,
Ausgesprochen schöner Heinrich,
Sag mir, wie man das macht.
Frauen lechzen nach dir, Frauen krächzen nach dir,
Frauen frieren für dich, funktionieren für dich,
Oh, ie flattern für dich, kriegen Blattern für dich
Und so ein lebender Busen wird bebender,
Ausgesprochen schöner Heinrich,
gib's Geheimnis mir Preis,
Wie es kommt, daß die Frauen dich so schrecklich lieben,
Aber du bleibst wie einst.

Die Irma kann lüstern, immer nur flüstern:
,,Heinzi'', und dann weint sie.
Dann geht sie sich kämmen, bleich wie ein Emmen-
Taler, ein ovaler,
Von den Konkurrentinnen sagt sie, sie gönnt ihnen
Allen normalen Gebrasuch
Und dann schießt's auf Valenzia, der Helga der rennt sie an
Degen ganz schräg in den Bauch.
Es sucht sein Gefolge im Alkohol Ge- Nesung und Erlösung.
,,Erst wenn ich an Wein riech, kann ich von Heinrich
Lassen'', schrein die Massen.
Und sie umgeben ihn Tag und Nacht,
Was glauben Sie, was da der Heinrich macht:
Er behandelt sie äusserst souverän,
Schlieslich ist er ja ausgeprochern schön.

Ausgesprochen schöner Heinrich, der nicht eine erhört.
Ausgesprochen schöner Heinrich,
Sag mir ob dich das stört:
Frauen parken für dich, sammeln Marken für dich,
Waschen Wäasche für dich, fangen Frösche für dich,
Tragen Brillen für dich, schlucken Pillen für dich.
Sagst du: ,,An Sohn möcht ich!'', wern alle ohnmächtig,
Ausgesprochen schöner Heinrich,
Ach, erklär's mir genau!
Wie es kommt, daß du alle Frauen besitzen könntest
Und besitzt keine Frau.

Ich möchte gern wissen, ob sie sich zum Küssen
Bei dir an die Wand stelln und unglücklich anstelln
In Reihe und Glied und dort abwarten, bis du zu Küssen geruhst.
Es tät mich interessieren, ob du beim Soupieren
Die Suppe nie schlürftest, und ob du es dürftest
Und was sie dann täten im Fall daß du's tust.
Frauen boxen für dich, melken Ochsen für dich,
Backen Torten für dich, sparn mit Worten für dich,
Fälschen Pässe für dich, kriegn Abszesse fürr dich.
Für dich sieht man pünktlich sie zu einem Rendez-vous pilgern,
Für dich wähln sie von zwei Hüten am Ende den billgern,
Für dich wissen sie auch beim Fußball genau, was Abseits ist,
Und willst du zu Fuß gehn, fragen sie niemals, wie weit's ist,
Sie ermutigen dich noch zu Pokern und Schnaps und Zigarren,
Und bekennen dir frei, von Finanzen verstehn sie an Schmarren,
Und nur in den seltesten Fällen erzähln sie dir Witze,
Und hast du ein Taschentuch, bleibt es in deinem Besitze,
Für dich sind sie vollkommen desinteressiert an Mode oder Karrier,
Für dich wird auch niemals ein Handschuh verlorn im Theater am Abend
vorher,
Für dich gibts nie Winter in Kitzbühl, höchstens die Dämmerung am
Sämmerung
Und hast du vergessen, das Bad abzudrehn und der Fußboden schwimmt,
Sagn sie höchstens zu dir:
,,Ach du Armer hast soviel im Kopf und jetzt ist Überschwämmerung!''
Und sie scheuern für dich, zahlen Steuern für dich,
Kaufen Hosen für dich, züchten Rosen für dich,
Sie verbluten für dich, schieben Valuten für dich.
Ja von Amalienbad bis Italien ruft man: ,,O du schöner Heinrich!
Schöner Heinrich, komm doch bitte zu mir!''

Ein Männlein steht im Walde ganz ohne Grund.
Es hat vor lauter Ärger ein Schloß vorm Mund.
Das Männlein blickt ganz steir und schreibt auf ein Papier:
Heinrich, mir graust vor dir!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Herberts blaue Augen

Ich wäre ein Verbrecher, ein Schurke ganz infam,
Doch hab ich einen Spezi, der rettet mich vor Gram,
Der Spezi, der heißt Herbert und ist ein braver Mann,
Er hat zwei blaue Augen und schaut mich immer an,
Er hat zwei blaue Augen und schaut mich immer an.

Der Herbert wollte gehen auf Einbruch zu Herrn Kraus,
Ich hielts für zu gefährlich und sprach: ,,Ich bleib zu Haus!
Denn wenn man uns verhaftet, wo bleibt dann der Profit?''
Doch Herberts blaue Augen, die sagten mir: ,,Komm mit!'',
Ja, Herberts blaue Augen, die sagten mir: ,,Komm mit!''.

Darauf ging ich mit Herbert auf diesen Einbruch aus,
Herr Kraus kam uns entgegen, denn er war grad zu Haus,
Ich zog meine Pistole, denn ich war sehr erpicht,
Doch Herberts blaue Augen, die sagten mir: ,,Schieß nicht!'',
Ja, Herberts blaue Augen, die sagten mir: ,,Schieß nicht!''.

Dann schoß der Herbert selber, sein Schuß ging nicht vorbei,
Doch da er ziemlich laut war, erschien die Polizei,
Sie fragten mich: ,,Warst du es?'', ich wollte sagen: ,,Nee!'',
Doch Herberts blaue Augen, die sagten mir: ,,Gesteh!'',
Ja, Herberts blaue Augen, die sagten mir: ,,Gesteh!''.

Ich ward zum Tod verurteilt im Wonnemonat Mai,
Enthauptet sollt ich werden, den Herbert sprach man frei,
Ich lag schon auf dem Richtblock, die Menge schrie nach Blut.
Doch Herberts blaue Augen, die sagten mir: ,,Faß Mut!
Es wird noch alles gut, mein Jung, es wird noch alles gut!''

Der Henker sah auf Herbert, doch Herbert war erschöpft,
Und schloß erschöpft die Augen, daher ward ich geköpft,
Und darum, meine Tochter, halt ich dich heut beim Schopf,
Vertrau den blauen Augen nicht, sonst kostet es den Kopf!
Vertrau den blauen Augen nicht, sonst kostet es den Kopf!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Der Musikkritiker

Heute findet jede Zeitung
Größere Verbreitung durch Musikkritiker,
Und so hab auch ich die Ehre
Und mach jetzt Karriere als Musikkritiker.
Ich hab zwar ka Ahnung, was Musik ist,
Denn ich bin beruflich Pharmazeut,
Aber ich weiß sehr gut, was Kritik ist:
Je schlechter, um so mehr freun sich die Leut.
Es gehört zu meinen Pflichten,
Schönes zu vernichten als Musikkritiker,
Sollt ich etwas Schönes finden,
Muß ich's unterbinden als Musikkritiker.
Mich kann auch kein Künstler überlisten,
Da ich ja nicht verstehe, was er tut.
Drum sag ich von jedem Komponisten:
Erst nachdem er tot ist, ist er gut!
Ja, endlich hab ich einen Posten,
Und die Zeitung läßt es sich was kosten.
Ich sitzt auf dem ersten Platze,
Und die Sänger sehen meine Fratze.
Orff und Eck und Boris Blacher
Fürchten meine hohnerfüllten Lacher.
Hindemith, Strawinsky und Varese
Sind zwar gut, doch ich bin bese.

Ja, ich könnt zufrieden sein,
Das Schicksal hat mich reich beschert,
Aber oh, mich belastet nur eine Verrücktheit,
Ich merk es in jedem Konzert:
Ich seh, wie das Publikum weich wird wie Wachs,
Wenn Musik alle Sinne bewegt,
Ich seh, wie beim Zuhören manch trutzigem Manne
Ein Tränchen die Brille beschlägt.
Nur für mich hat das Zuhören keinen Sinn,
Weil ich unmusikalisch bin.
Ich seh, wie ein liebliches Mädchen die Hand
Ihres Jünglings ergreift und sie drückt,
Wie ein Großmütterl zitternd die Halskette auzieht,
Weil sie sonst vor Rührung erstickt,
Nur ich sitz' da und hör nicht einmal hin,
Weil ich unmusikalich bin.
Zu Weihnachten schenkt man mir immer Platten,
Ich brauch Krawatten und neue Schuh,
Wo ich auf Besuch bin, spielt man Platten,
Ich sitzt im Schatten und hör nicht zu.
Aber andre hörn zu und der Zauber der holden
Musik macht die ganze Welt schwach,
Die Bösen wer'n gut und die Kranken gesunden,
Besonders bei Mozart und Bach,
Nur ich sitz da und kratz mich stur am Kinn,
Weil ich unmusikalisch bin.

Tja, als Kind hab ich zwar Klavier gelernt und übte brav zu Haus,
Doch über gewisse Stücke kam ich nie hinaus.
Dann hab ich auch noch Geige gelernt und übte brav und viel.
Und dann ist mein Geigenlehrer g'storben und hat mir sein Geld
vermacht -
Unter der Bedingung, daß ich nie mehr spiel.
Aber etwas mußt ich schließlich tun und versuchte es als Autor,
Und ein Verleger, zu dem ich kam, flüsterte mir ins Ohr:
Schreiben Sie doch ein Buch über Schubert, schreiben Sie doch ein
Buch über Schubert,
Also ging ich froh nach Hause, setzte mich nieder und ich schrieb:
Schubert war ein Stierer, großer Komponierer,
Er hat nie ein Geld gehabt, also ist er heute der Verlierer.
Er schrieb gar viele Töne, sicher auch wunderschöne,
Für mich sind sie leider bestialisch, denn ich bin ganz unmusikalisch,
Ob es jetzt Schubert oder Tschaikowsky, Brahms oder Liszt oder
Dnjepropretrowsky,
Ob Sinfonie oder Ouvertüre, Rock'n'Roll oder die Walküre,
Zauberflöte, Verkaufte Braut:
Für mich ist das alles nur laut!
Das Buch war sofort ein Riesenerfolg und es sagten mir viele Herren:
Genial, großartig! Sie müssen Kritiker werden!
Ich sagte ja und es geschah!
Ich geh in Konzerte und Opern hinein
Und ich hör mir den Unsinn dort an,
Den Leuten gefällt's und ich komm zu dem Schluß:
An Musik ist vielleicht etwas dran,
Nur was dran ist, will mir nicht in den Sinn,
Weil ich unmusikalisch bin.
Die Orgel erklingt und ein Knaberchor singt
Und der Kontrapunkt tut sich verzerweigen,
Die Pauke zersplittert, der Kapellmeister zittert
Und angeblich schluchzen die Geigen,
Am Schluß erdröhnt ein donnernder Applaus,
Ich bin der einzige unmusikalische Mensch in Haus.

Aber heute findet jede Zeitung
Größere Verbreitung durch Musikkritiker.
Und so hab auch ich die Ehre
Und mach jetzt Karriere als Musikkritiker.
Ich hab diesen Posten schlau erbeutet
Und ich hasse nichts so wie Musik.
Und daß mir Musik so nichts bedeutet
Zahl ich jetzt den Musikern zurück.
Ah - wartet nur, ihr sollt es büßen,
Lebet zu den Füßen des Musikkritikers!
Daß die Welt es wisse, lest die
Lustigen Verrisse des Musikritikers!
Ich bin konsequent, und ich erkenne kein Talent,
Und da ich weiß, daß ich nichts kann,
Laß ich auch niemand andern ran!
Und der Redakteur schätzt meine schlechte Meinung sehr,
Und schreit das Publikum ,,Hurra!'',
Das nützt euch nichts, dann ich bin da!
Und eure Kollegen geben immer ihren Segen,
Denn jedem Künstler ist es recht,
Spricht man von andern Künstlern schlecht!
Nieder mit Musik!

oben
<http://cips02.physik.uni-bonn.de/%7Ekilbinge/kreisler/kreisler.html#oben>


Jeden Morgen

Jeden Morgen gehe ich zirka acht Minuten lang,
Außer, wenn ich krank bin, von meiner Wohnung in meine Kanzlei.
Das ist schon seit Jahren so, ich bin nicht der einzige,
Für die meisten Leute geht das Leben so vorbei,

Ich grüße freundlich die Verkäuferin meiner Zeitung,
Sie hat es schwer heut seit jenem grausigen Prozeß.
Ihr Mann ist eingesperrt wegen so mancher Überschreitung,
Sie wurde freigesprochen, denn sie war nicht in der SS -
Obwohl sie wußte, was da vorging.

Und ich grüße ebenso den Friseurgehilfen Navratil,
Der auch in der SS war, oder war es die SA?
Einmal hat er angedeutet, während er mir die Haare schnitt,
was damals in Dachau mit dem Rosenblatt geschah,
Er war erst zwanzig, zwölf Jahre jünger als der Rosenblatt,
Jetzt ist er fünfzig und ein sehr brauchbarer Friseur.
,,Grüß Gott, Herr Hauptmann!'' - Der heißt nur Hauptmann,
Er war Oberst und hat in Frankreich einige zu Tode expediert,
Er ist noch immer Spediteur - es hat sich nichts geändert.

Drüben macht der Hammerschlag seinen Bücherladen auf,
Ich sehe noch heut vor mir, er ist damals so gerannt
Und hat direkt vor seinem Buchgeschäft einen Scheiterhaufen
aufgestellt,
Und hat darauf Thomas Mann und Lion Feuchtwanger verbrannt.

Und Erich Kästner und den Kafka und den Heine
Und viele andere, die jetzt sein Schaufenster verziern,
Und er verkauft sie mit einem Lächeln an der Leine,
Ja, er muß leben und seine Kinder wollen studieren.
Er hat ja selbst den Doktor.

,,Verehrung, Herr Professor! Wie geht's der Frau Gemahlin?''
,,Danke!'' - ,,Sie schauen blendend aus, wie bleiben Sie so jung?''
Das war Professor Töpfer, seinerzeit völkischer Beobachter,
Anthropologie und Rassenkunde. Jetzt ist er beim Funk.
,,Grüß Gott, Herr Neumann!'' - Der ist nix, der ist erst dreißig.
Was war sein Vater? Na ja, er war jedenfalls Soldat.
,,Habe die Ehre, Herr Direktor!'' - Der ist gute fünfundsechzig,
Also muß er was gewesen sein. Heute ist er Demokrat.
Das sind wir schließlich alle.

Drüben ist der Eichelberger, Gummibänderhosenträger.
Das hieß früher Blau und Söhne, Herrentrikotage.
Nebenan war das Café Pinkelmann. Der Pinkelmann ist noch
zurückgekommen,
Dann ist er wieder weggefahren, jetzt ist dort eine Garage.

Da kommt die Schule, da bin ich selber hingegangen,
Mein Deutschprofessor verdient noch immer dort Gehalt.
Der schrie: ,,Heil ...'', na ja, das wird er heute nicht mehr schreien.
Was nur die Kinder bei dem lernen? Vielleicht vergessen sie es bald.
Ich kann es nicht vergessen.

So, jetzt bin ich endlich in meine Kanzlei gekommen,
Setz mich an den Schreibtisch und öffne einen Brief.
Doch bevor ich lesen kann, muß ich erst die Richtung ändern,
Blicke rasch zum Himmel auf und atme dreimal tief.