Der CIA steuerte BRD Kultur - straffrei.
Samstag, 2. Dezember 2006 um 18.05 Uhr Keine Wiederholungen | |
Dokumentation, Deutschland 2006, ZDF, Erstausstrahlung
Regie: Hans-Rüdiger Minow
ARTE-Doku über deutsche Schriftsteller im Geheimdienstgestrüpp
Der amerikanische Geheimdienst CIA finanzierte nach dem Zweiten Weltkrieg enorme Summen, um hochrangige europäische Künstler und Schriftsteller zu manipulieren. Die Dokumentation weist nach, dass die Einflussnahme des CIA bis in die Redaktionen westdeutscher Verlage und Sendeanstalten reichte und dass prominente Künstler wie der spätere Nobelpreisträger Heinrich Böll unwissentlich für den amerikanischen Geheimdienst tätig waren.
Mehrere hundert Millionen Dollar investierte der US-Auslandsgeheimdienst, um in einer der größten Nachkriegsoperationen ein weltweites Kulturnetz zu knüpfen. Zentrum der CIA-Aktivitäten war der "Kongress für kulturelle Freiheit" - eine Organisation mit Sitz in Paris unter vollständiger Kontrolle der dort tätigen US-Agenten. Nationale Zweigorganisationen unterhielt der "Kongress" in sämtlichen Staaten Westeuropas. Und die Pariser Zentrale finanzierte in großem Stil "Kongress"-Zeitschriften für den Einsatz in Afrika, Lateinamerika und den arabischen Ländern. Ziel war der Kampf für amerikanische Werte in Bildender Kunst, Literatur und Musik. Insbesondere sozialkritische Intellektuelle und Künstler aus dem linken Lager waren für den "Kongress" von Interesse. Mit geheimdienstlichen Mitteln sollten sie marxistischen Einflüssen entzogen und für den Einsatz an der US-Kulturfront bereitgemacht werden.
Als französische Plattform der Einflussnahme diente die Zeitschrift "Preuves" unter dem Soziologen Raymond Aron. In Deutschland sammelte der "Kongress" seine ahnungslosen Kulturträger im Umkreis des Blattes "Der Monat". Die Finanzierung übernahm ab etwa 1958 die CIA. Zu den Mitarbeitern gehörten die wichtigsten Vertreter des westdeutschen Journalismus und der Verlagswelt. Neben Stützpunkten in Westberlin, München und Frankfurt am Main verfügte der "Kongress" über eine Niederlassung in Köln mit hochrangigen Beziehungen, die in die Redaktionen sämtlicher großer Fernsehanstalten und Printmedien reichten. Unter anderem wurde auch um Heinrich Böll geworben - mit Erfolg, wie die Dokumente bestätigen. Der spätere Nobelpreisträger arbeitete dem "Kongress" und seinen Organisationen über mindestens zehn Jahre zu - ohne die Hintergründe zu kennen, wie Günter Grass, eine andere Zielperson der CIA, vermutet. Nicht nur auf Böll und Grass hatte es der "Kongress" abgesehen. Die erste Riege deutscher Literaten, bildender Künstler, Musiker und Kunstkritiker stand im Fadenkreuz der CIA und stellte sich, meist unwissentlich, zur Verfügung.
"Benutzt und gesteuert - Künstler im Netz der CIA" folgt den Spuren der geheimdienstlichen Kulturarbeit anhand zahlreicher Dokumente, die in US-Archiven lagern und über die damaligen Arbeitszentren in der Bundesrepublik Auskunft geben. Die Dokumentation entstand nach dreijähriger Recherchearbeit, die Anlass zur Neubewertung der Kulturszene im Nachkriegseuropa gibt.
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Deutsche Künstler und Journalisten als "IM" der USA?
Wolf-Dieter Roth 26.11.2006
Selbst Heinrich Böll arbeitete jahrelang – möglicherweise unwissentlich – dem CIA zu
Jedes große Unternehmen zahlt heute seine Spin-Doctors und Lobbyisten, um seine Interessen durchzusetzen. Der US-amerikanische Geheimdienst CIA war in den späten 50ern seiner Zeit bereits weit voraus, wie eine ZDF-Dokumentation belegt: ob Literaten, Musiker, Mitarbeiter von Verlagen oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – alle wurden aus Washington ferngesteuert.
Dass im Osten keine Freiheit herrschte, ist hinlänglich bekannt: in der DDR war ein immer größerer Teil der Bevölkerung damit beschäftigt, den Rest zu überwachen und der große Bruder in Moskau hatte mit dem KGB seine Finger ohnehin überall drin. Dissidenten erhofften sich im Westen, nun von den Nachstellungen der Geheimdienste sicher zu sein – und waren doch wieder schneller in deren Fängen, als sie sich vorstellen konnten, nur diesmal denen der anderen Seite im Kalten Krieg.
Mehrere hundert Millionen Dollar investierte der US-Auslandsgeheimdienst CIA, um in einer der größten Nachkriegsoperationen ein weltweites Kulturnetz zu knüpfen. Zentrum der CIA-Aktivitäten war der bis vor kurzem noch
Als
Unter dem Motto "Freie Kultur in einer freie Welt" tagte der Verein unter anderem drei Tage in Berlin unter dem Funkturm und zum Abschluss sagte der englische Schriftsteller
Heimlicher Kopf der Kölner Gruppe der CIA-Organisation war Josef Caspar Witsch, ein ehemaliger nationalsozialistischer Kulturfunktionär und SA-Mann, so die ZDF-Dokumentation, der den Literaturverlag
Schon damals vermutete man den CIA als heimlichen Geldgeber, so Du Mont. Wie weit Böll von seinem Verleger Witsch über die Hintergründe des "Kongress für kulturelle Freiheit" aufgeklärt wurde, ist offen. Jedoch lieferte er die Berichte über seine Besuche im Ostblock bei Witsch ab, der sie an den CIA weiter gab und tauchte dort auch namentlich auf den Listen mit Finanztransfers auf.
Mit im Kölner Kreis waren neben Rundfunk- und Fernsehleuten des westdeutschen Rundfunks der ehemalige Agent der NS-Auslandsspionage und SS-Untersturmführer Behrend von Nottbeck und der frühere Gestapo-Lockspitzel und
Als französische Plattform der Einflussnahme diente die Zeitschrift "Preuves" unter dem Soziologen
Ziel der Unterwanderung waren linke Intellektuellenkreise. Diese durften durchaus Kritik an den USA äußern, sollten aber nicht kommunistisch aktiv werden – die Angst vor der roten Gefahr war groß, es war das
Thomas Mann war beim "Kongress für kulturelle Freiheit" beispielsweise unerwünscht. Ebenso Jean-Paul Sarte und Simone de Beauvoir, die nach Äußerungen über die Unterschätzung des Hitlerregimes durch die seinerzeitige französische Regierung von Raymond Aron in der Zeitschrift "Preuves" auch bezüglich ihrer Liebesbeziehung mit Sartre ohne Trauschein attackiert wird. Grund für diese durch CIA-Gelder finanzierten persönlichen Attacken war eine Sympathie Sartres für den "dritten Weg" von Fidel Castro.
Die Verfilmung von George Orwells "1984", dessen Beschreibungen monströser Bauten durchaus an die Ost-Monsterbauten beispielsweise in Berlin Mitte erinnern und der mit der Farm der Tiere ("Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher!") ja tatsächlich den Kommunismus kritisierte, was aber in der heute bekannten Form auch
Als die Dirigenten Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan wegen ihrer NS-Vergangenheit in die Kritik kamen, hielt der "Kongress für kulturelle Freiheit" nach einer Verpflichtung die schützende Hand über sie.
Bei der Malerei war abstrakter Expressionismus gewünscht, das galt als modern. Günter Grass war dagegen, er bevorzugte gegenständliche Malerei. Ebenso wurde der als Nobelpreiskandidat gehandelte chilenische Dichter Pablo Neruda gezielt mit CIA-Mitteln diskreditiert, um dies zu verhindern.
Am 27. April 1966 berichtete die New York Times über die CIA-Finanzierung des "Kongress für kulturelle Freiheit". Damit war es mit all den von ihm getragenen Literaturzeitschriften vorbei. Die US-Kontakte blieben jedoch, ebenso die Finanzierungen. Den "Monat" kaufte die "Zeit" auf.
Die auf Arte TV erstmals ausgestrahlte Dokumentation "Benutzt und gesteuert – Künstler im Netz der CIA" entstand nach dreijähriger Recherchearbeit in zahlreichen Dokumenten, die in US-Archiven lagern und über die damaligen Arbeitszentren in der Bundesrepublik Auskunft geben. Sie gibt Anlass zur Neubewertung der Kulturszene im Nachkriegseuropa.
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CIA-gesteuert: Heinrich Böll
Von Hans Georg
CIA-Kulturstützpunkt Kiepenheuer und Witsch
Eine Rekonstruktion der CIA-Beziehungen des späteren Nobelpreisträgers und Namensgebers der Parteistiftung von Bündnis 90/Die Grünen [1] führt in den Beginn der 1950er Jahre. Damals wurde der noch wenig bekannte Böll zu Lesungen nach Westberlin eingeladen und geriet in das Milieu (west-)"deutscher Frontorganisationen (...) im Kampf der Kulturen".[2] Sie sollen von der CIA gesteuert worden sein. Wie es in dem Film weiter heißt, verdichteten sich diese Kontakte zu einer regulären Mitgliedschaft Bölls in einer CIA-Tarnorganisation. Ihre Kuriere sprachen Intellektuelle in Polen, in der damaligen Sowjetunion und in der DDR an und belieferten sie mit Materialien aus dem Westen. Auf diese Weise seien Dissidenten herangezogen und bei anschließenden Ostblock-Reisen Bölls der internationalen Öffentlichkeit präsentiert worden. Böll habe über diese Reisen Berichte angefertigt, die auf dem Schreibtisch des Kölner Kultur-Stützpunktes der CIA landeten - im damaligen Verlag Kiepenheuer und Witsch, einer angesehenen Adresse für deutsche und internationale Literatur.
Vor diesem geheimdienstlichen Hintergrund, so der Film, erscheine auch die Ausweisung des sowjetischen Schriftstellers und Dissidenten Solschenizyn in einem neuen Licht. Solschenizyn war 1974 in Moskau kurzfristig verhaftet, nach Köln ausgeflogen und dort von Heinrich Böll betreut worden. Das Arrangement kam unter Einschaltung des Auswärtigen Amtes (AA) zustande. Böll engagierte sich ebenso für jugoslawische Dissidenten und nutzte dabei seine Stellung im internationalen PEN-Club. Dort galt er als unbestechlicher Demokrat und staatsferner Schriftsteller. Tatsächlich sei Böll für die staatlichen Ziele der USA und ihrer Partner in der Bundesrepublik tätig geworden, heißt es in der Dokumentation. Im Kreis um den Kölner CIA-Kulturstützpunkt wurde Böll als so wichtig angesehen, dass man ihm den Vorsitz antrug.
Böll-Denkmal in Berlin
Foto: wikipedia
V-Leute vor Mikrofonen und Kameras der Sender
Im Kölner Kreis kamen die "wichtigsten Vertreter des westdeutschen Journalismus und der Verlagswelt" zusammen, heißt es in einem Programm-Info von ARTE.[3] Internes Ziel sei es gewesen, vor allem linke Intellektuelle vor "marxistische(n) Versuchungen" [4] zu bewahren und deren publizistischen Einfluss zu neutralisieren. "(H)ochrangige(...) Beziehungen (...) in die Redaktionen sämtlicher großer Fernsehanstalten" hätten den deutschen CIA-Einflussagenten Zugang zu einem Millionenpublikum verschafft.[5] "Hervorragend" sei es den V-Leuten der CIA gelungen, "vor die Mikrofone und Kameras der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu kommen und die sozialdemokratische Bildungspresse zu dominieren."[6]
Wie die Dokumentation zeigt, wurden die CIA-Kulturstützpunkte in Köln, (West-)Berlin, München und Hamburg von US-Agenten angeleitet, die sich als Mitarbeiter des Pariser "Kongresses für kulturelle Freiheit" tarnten. Diese bisher undementierte Behauptung hatte bereits die Londoner Autorin Frances Stonor Saunders in ihrem Buch "Wer die Zeche zahlt" [7] verbreitet und entsprechende Dokumente aus US-Archiven vorgelegt. Demnach gehörten zum Personal dieser Organisation international bekannte Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle. Das Organisationsnetz reichte nach Österreich, in die Schweiz und nach Italien. In diesen Ländern wurden CIA-finanzierte Kulturzeitschriften herausgegeben, ohne dass die Öffentlichkeit die tatsächlichen Urheber kannte. Auch in der arabischsprachigen Welt und in Afrika baute die CIA Filialen auf, um unter den Intellektuellen Perspektivagenten zu suchen. Aussichtsreiche Kandidaten wurden mit Stipendien und anderen Vergünstigungen an die Pariser CIA-Zentrale herangeführt.
"Die deutsche, die europäische und die internationale Öffentlichkeit, sie alle sind über Jahrzehnte getäuscht worden. Was wie der staatsferne Streit um Politik und Kultur aussah, war staatlich gesteuert", sagte Filmautor am Donnerstag, 23. November, bei einer Pressekonferenz in Berlin. "Schriftsteller wie Böll wurden von der CIA planmäßig eingesetzt." In den Medien wurde über diese Pressekonferenz allerdings so gut wie nicht berichtet.
Auch vom BDI finanziell unterstützt
Die europaweite Tätigkeit der CIA-Tarnorganisation im Umfeld von Böll wurde auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit bedeutenden Beträgen unterstützt. Dies ergaben Recherchen von german-foreign-policy.com (gfp). Aufgabe der Organisation war es, osteuropäische Intellektuelle mit offenen und geschmuggelten Druckerzeugnissen zu versehen und sie als Dissidenten zu gewinnen. Als deutsche Mitglieder des geheimdienstlich organisierten CIA-Ablegers fungierten neben Böll die Verleger Klaus Piper ("Piper Verlag") sowie Joseph C. Witsch ("Kiepenheuer und Witsch"). Im Kölner Witsch-Verlag, der auch Bölls Werke betreute, arbeitete die frühere US-Agentin Carola Stern als Lektorin. Im Dünndruck hergestellte Verlagsprodukte wurden nach Ostdeutschland oder nach Polen geschleust, osteuropäische Künstler an die CIA-Kulturzentrale in Paris herangeführt. Geldtransfers für eine Nachfolgeorganisation liefen ab 1967 unter anderem über die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung.
Heinrich Böll taucht in den internen Papieren des Tarnapparates als ordentliches Mitglied auf. Unter dem irreführenden Namen "The Writers' and Publishers' Committee for European Cooperation" war der CIA-Ableger 1956/57 gegründet worden, um "die Sowjets kulturell in die Defensive zu drängen".[8] Die Steuerung oblag mehreren CIA-Agenten, die sich als Mitarbeiter einer angeblichen Kulturorganisation mit Sitz in Paris ausgaben.[9] Ein ehemals führender CIA-Agent bekennt in der ARTE-Dokumentation diese Hintergründe.
Böll-Komitee beschreibt "klandestines" Vorgehen
In einem Tätigkeitsbericht, der gfp vorliegt, heißt es über die Arbeit der CIA-Tarnorganisation, man habe im Mai 1958 eine Spende vom Bundesverband der Deutschen Industrie erhalten und davon 16.000,- DM für "deutsche Bücher" ausgegeben, "die in osteuropäische Länder versandt wurden".[10] Wie eine Zielübersicht zeigt, ging der Großteil der Druckerzeugnisse nach Polen, wo im Berichtszeitraum 350 Publizisten angesprochen werden konnten und die Kontaktaufnahme mit 105 Institutionen gelang ("The Catholic Scientific Institute Cracow" und andere).
Das angeblich unabhängige "Komitee", das mit Bölls Namen um Glaubwürdigkeit warb und Staatsferne vortäuschte, vertrieb in Osteuropa nicht nur Printerzeugnisse, sondern kümmerte sich ebenso um Werke der Bildenden Kunst. So sollten für das "Museum für Moderne Kunst" in Łódź Werke "westlicher Gegenwartsmaler" beschafft werden. Für diesen Zweck hielten die CIA-Organisatoren Gaben amerikanischer Künstler bereit, die sich dem abstrakten Expressionismus verschrieben hatten. Auch wurden polnische Künstler mit Stipendien gefördert, sofern sie abstrakte Stilrichtungen vertraten. Die Ausstellung ihrer Bilder übernahm eine CIA-Kontrakt-Galerie in Paris. Mit dieser Galerie als Absender habe man 1964 "eintausend Kataloge" [11] über abstrakte Malerei "an Künstler und Intellektuelle nach ganz Osteuropa verschickt", fasst ein Jahresbericht des Böll-Komitees die geheimdienstlich organisierten Aktivitäten zusammen. Bei der Arbeit mit einem Künstler aus der damaligen UdSSR sei man "klandestin" vorgegangen.
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de
Böll-Reiseberichte ans Außenministerium
Dass Böll dem "Writers' and Publishers' Committee for European Cooperation" wissentlich angehörte und dafür auch seinen Namen gab, ist bis heute unbestritten. Ob er die Hintergründe kannte, bleibt offen. Böll unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu seinem Kölner Verleger Joseph C. Witsch, der als Schlüsselfigur geheimdienstlicher Kultur-Operationen in der Bundesrepublik gilt. Witsch stand mit der Pariser CIA-Kulturzentrale in regem Kontakt und sorgte für die Ankoppelung des von ihm betreuten Kreises deutscher Intellektueller an das Bonner Bundesministerium des Innern (BMI) und an andere Stellen. Durch Vermittlung von Witsch landeten Berichte, die Heinrich Böll über seine Reisen nach Polen angefertigt hatte, im westdeutschen Außenministerium. Ob Böll ein völlig argloser Zulieferer war, der sowohl seinen Namen als auch seine Reiseinterna aus politischer Naivität zur Verfügung stellte, ist Gegenstand einer beginnenden Kontroverse.
Nach Erkenntnissen von gfp entschieden die Pariser CIA-Strukturen 1966, die Tätigkeit das "Writers' and Publishers' Committee for European Cooperation" auszuweiten und die Steuerung der Aktivitäten zusätzlich zu verschleiern. Die CIA-Anbindung war ruchbar geworden. Unter dem Namen "Stiftung des Europäischen Hilfswerks für Intellektuelle" wurden deswegen in Genf neue Strukturen geschaffen. Unverändertes Ziel blieb die subversive Tätigkeit in Osteuropa. Zwar wird Böll anlässlich der Namensumwidmung in den internen Papieren weiter als "Ehrenmitglied" geführt, scheint jedoch anschließend für die geheimdienstlichen Ziele ("aus Sicherheitsgründen") [12] nicht länger nützlich gewesen zu sein.
Ab 1967 auch die Bundesbank dabei
Dafür tauchen ab 1967 andere deutsche Namen auf. So teilt das Direktorium der Deutschen Bundesbank der angeblichen "Stiftung" per Schweizer Adresse mit, man werde dem "Hilfswerk für Intellektuelle" eine "einmalige finanzielle Unterstützung" [13] zukommen lassen. Auch die damals gewerkschaftseigene "Bank für Gemeinwirtschaft" hielt die uneigennützigen Ziele der Tarnorganisation in Osteuropa für förderungswürdig - mit einem Geldtransfer in Höhe von 10.000,- DM. "Wir werden diesen Spendenbetrag wie seither über die Friedrich-Ebert-Stiftung (...) überweisen".[14]
Mehr unter www.german-foreign-policy.com
[1] s. dazu Ökologisch veredelt, Dummy Foundations und Härtere Gangart
[2] Benutzt und gesteuert. Künstler im Netz der CIA; Film von Hans-Rüdiger Minow, ARTE, 29.11.2006, 20.40 Uhr
[3] ARTE Programminfo, 29.11.2006
[4] Diamant in der Sammlung; Interview mit Hans-Rüdiger Minow, 23.11.2006
[5] ARTE Programminfo, 29.11.2006
[6] Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt. Berlin 2001
[7] Michael Hochgeschwender: Freiheit in der Offensive? Dissertation. Würzburg 1996
[8] Congrès pour la Liberté de la Culture/Kongress für kulturelle Freiheit
[9] Report on Activities, Paris 1959
[10] Schreiben ohne Datum
[11] Mémo Josselson 1968
[12] Deutsche Bundesbank. Direktorium. Schreiben vom 31.01.1968
[13] Bank für Gemeinwirtschaft. Schreiben vom 19.12.1967
Medien
Interview mit dem Autor und Filmemacher Hans-Rüdiger Minow
"Diamant in der Sammlung der CIA"
Von Hans Georg
gfp: Wie waren die Reaktionen auf Ihre Dokumentation?
Hans-Rüdiger Minow: Irritiert, ungläubig, teils auch sehr nachdenklich. Die Journalisten, die den ARTE-Film über die geheimdienstliche Steuerung der Medien sahen, sind als mögliche Zielobjekte ja selbst betroffen.
Irritierend ist in der Tat, dass vor allem linke Intellektuelle und Künstler von der CIA umworben sein sollen, darunter Größen wie Heinrich Böll...
Diese Gruppe ist für jede geheimdienstliche Öffentlichkeitsarbeit bedeutsam. Einmal, weil sie zwar klein, aber in den Medien und in der Gegenwartskultur nicht ohne Einfluss ist. Zweitens, weil sie ihr kritischer, oft sozialkritischer Blick besonders vertrauenswürdig macht. Bei linken Künstlern und Intellektuellen setzt man eine gewisse Staatsferne voraus. Das ist gut fürs Publikum. Und schließlich drittens, weil es in dieser Gruppe von Zeit zu Zeit Überlegungen gibt, die für die bestehenden Verhältnisse gefährlich werden können, sagen wir: marxistische Versuchungen. Wenn es gelingt, hier steuernd, vielleicht auch nur neutralisierend einzugreifen, ist das schon ein Erfolg.
Was hat man sich von Heinrich Böll versprochen? Er galt ja doch auch in der DDR oder in der Sowjetunion als ein Schriftsteller, der im Widerstreit mit den westdeutschen Verhältnissen lag.
Eben deswegen war er ein Diamant in der Sammlung der CIA - und nicht der einzige. Bölls Berichte über seine Reisen in die Sowjetunion, nach Polen landeten seit Anfang der 1960er Jahre auf dem Schreibtisch des Kölner Kulturstützpunktes der CIA, im damaligen Verlag Kiepenheuer und Witsch. Von dort wurden sie wahrscheinlich auch an die deutschen Verbindungsorganisationen weitergereicht. Um Kiepenheuer und Witsch sammelte sich eine Gruppe hochrangiger Einflussjournalisten - Ziel war es, vor die Mikrofone und Kameras der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu kommen und die sozialdemokratische Bildungspresse zu dominieren.
Gelang das?
Das gelang hervorragend.
In Ihrem Film bleibt offen, ob Heinrich Böll wissentlich für mehrere CIA-Tarnorganisationen gearbeitet hat oder ob er davon nichts ahnte.
Böll habe davon wohl nichts geahnt, meint Günter Grass, der Böll ja aus zahlreichen gemeinsamen Literaturprojekten gut kannte.
Ist das glaubwürdig?
Grass müsste es eigentlich wissen. Andererseits hat Grass auch mit Carola Stern zusammengearbeitet und wusste nicht, dass Frau Stern eine frühere US-Agentin war. Später gaben Grass, Böll und Stern gemeinsam die Literaturzeitschrift "L 76" heraus, für "demokratischen Sozialismus", hieß es im Untertitel. Das war das interessante Vorfeld marxistischer Versuchungen; das war ganz auf der CIA-Linie, für die Böll über viele Jahre eingesetzt worden ist - als Überzeugungstäter, egal ob er sich dieser Steuerung verpflichtet sah, ob er sie lediglich duldete oder ob er davon nur nichts wissen wollte. Böll war ein sehr politischer Mensch. Zu Recht trägt die Stiftung der Partei Bündnis 90/Die Grünen seinen Namen.
Floss Geld?
Geld steckt man guten Einflussagenten nicht einfach in die Tasche, es sei denn, es handelt sich um kleine Kaliber. Staatliche Stellen, Geheimdienste inklusive, sind Meister der Umwegfinanzierung. Sofern Geld floss, wurde dafür gesorgt, dass es über Dritte wirkte, zum Beispiel durch Zahlungen an den PEN-Club. Die CIA-Kasse überwies dem PEN Geld, damit bestimmte Literaten an internationalen Tagungen teilnehmen konnten, weil sie nach Ansicht der CIA politisch wichtig waren - überall dort, wo das US-Lager im Propagandakampf gestärkt werden sollte.
Waren diese Gelder personengebunden? Taucht der Name Böll auf?
Diese Gelder waren personengebunden.
Ihre Dokumentation endet in den 1970er Jahren. Endet zu diesem Zeitpunkt auch die Agententätigkeit in den deutschen Medien?
Das zu glauben wäre naiv. In den 1970er Jahren endet die CIA-Dominanz. Das hat man an die deutschen Dienste weitergegeben, und man hat neue Überzeugungstäter gefunden.
Hans Georg: Sie erwähnten eine Gruppe hochrangiger Journalisten, die der CIA wissentlich oder unwissentlich in den deutschen Rundfunk- und Fernsehanstalten von Nutzen waren. Um wen handelt es sich?
Hans-Rüdiger Minow: Wir sprechen von den 1960er Jahren, als sich das TV-Geschehen auf wenige Sender beschränkte - ARD und ZDF. Wer in diesen Anstalten auf die politische Berichterstattung oder auf die Kultursendungen Einfluss nehmen konnte, vielleicht sogar als Korrespondent vor der Kamera, vor den Rundfunkmikrofonen, der war in einem bestimmenden Umfang meinungsbildend. Dafür war die Hauptstadtnähe Bonn wichtig, also die Anbindung an die Apparate, an die deutschen Ministerien und an die US-Botschaft. Das konzentrierte sich am Rhein, und deswegen kam der WDR in Köln für diese Einflussarbeit an erster Stelle in Frage. In Köln war ja auch die Deutsche Welle zu Hause, der deutsche Auslandssender. In diesem Kölner Umfeld zog Joseph Caspar Witsch seine Fäden, der Inhaber das Kölner Verlages Kiepenheuer und Witsch...
... und Verleger von Heinrich Böll...
... Witsch war der spiritus rector der Kölner CIA-Kulturagentur mit dem Fantasienamen "Kongress für kulturelle Freiheit". Was sich nicht in seinem Verlag abspielte, dort, wo die frühere US-Agentin Carola Stern als Lektorin arbeitete, das spielte sich in einer geheimdienstlich finanzierten Villa in Rheinnähe ab - als Inszenierung eines intellektuellen Salons. Mit dem Geld der Pariser CIA-Zentrale, teils in Anwesenheit sehr gebildeter US-Agenten, gab man Gartenparties oder Soirées zu anspruchsvollen Themen der Zeit. Da wurde ein großes Schleppnetz ausgelegt für Journalisten, Künstler, Musiker - alles, was Rang und Namen hatte oder noch bekommen wollte.
Zum Beispiel?
In diesem Kreis taucht der junge Klaus Harpprecht auf, der in Köln eine nicht unbedeutende Rolle spielte und anschließend ZDF-Korrespondent in Washington wurde. Zehn Jahre später führt ihn die Karriere ins Bundeskanzleramt, wo er für Willy Brandt wichtige Reden schreibt. Auch der junge Gerd Ruge verkehrte in der Kölner Villa, bevor er als ARD-Korrespondent jahrelang aus Washington berichtete. Er ist ja bis heute eine der beliebtesten TV-Persönlichkeiten. Die Kollegen Ruge und Harpprecht nahmen auf den Korrespondentenposten in der amerikanischen Hauptstadt die wichtigsten Positionen ein, die in der öffentlich-rechtlichen Auslandsberichterstattung überhaupt zu vergeben sind.
Wie war der Hörfunk vertreten?
Der Gründungsintendant der Deutschen Welle, Herr Dr. Otto Wesemann, war mit von der Partie - und, an vorderster Stelle, der WDR-Journalist Jürgen Rühle. Wer in den 1960er Jahren Rühles WDR-Büro betrat, musste glauben, eine Operettenkulisse zu betreten. An den Wänden hingen großformatige Portraits von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Eine hervorragende Inszenierung für den damaligen Zeitgeist, um linke Autoren anzulocken, sie zu benutzen oder sie zu neutralisieren.
Wo wurde die Einflussarbeit in den Printmedien konzentriert?
Der Justitiar der ZEIT aus dem Bucerius-Verlag sagt in unserer Dokumentation, er erinnere sich an manche "CIA-Wässerchen", so nennt er das, die er in der Hamburger Kultur-Residentur trank - gemeinsam mit zahlreichen anderen Journalisten von ZEIT und SPIEGEL. An prominenter Stelle Theo Sommer. Das war in völlig unverfängliche Stehparties eingebettet, an der Alster, alles sehr gediegen! Völlig unverfänglich ging es ja auch in Köln zu. Die CIA-Zentrale bezuschusste die Hamburger Kultur-Niederlassung ebenso wie die Kölner mit bedeutenden Dollar-Beträgen. Sie wird gewusst haben, warum.
Dieser Personenkreis steht ja bis heute in Ehren, während Intellektuelle aus der DDR auf Staatsnähe überprüft und wegen ihrer geheimdienstlichen Tätigkeit bestraft werden.
Lässt sich das vergleichen? Die einen gehören zu den Siegern, die anderen zu den Verlierern der Geschichte. Und die Sieger haben nie behauptet, von der Heilsarmee zu sein.
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