Rosenmontag 1933 Reichstagsbrand und heute
Der Konflikt zwischen dem Reichstagsbrand-Forscher Hans Schneider und dem
Institut für Zeitgeschichte – Ein Lehrstück.
Bericht an die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW)*
Von Dieter Deiseroth, Mitglied des Beirats der VDW
Mit mehr als 40jähriger Verspätung den Text eines im öffentlichen Diskurs und auch in
der Fachöffentlichkeit weithin unbekannt gebliebenen Zeithistorikers zu publizieren, wie
es die "Vereinigung Deutscher Wissenschaftler" mit der Aufnahme der vorliegenden
Studie in die Schriftenreihe "Wissenschaft in der Verantwortung - Verantwortung in der
Wissenschaft" unternimmt, versteht sich nicht von selbst. Ein solcher Schritt bedarf der
Begründung. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem hier zu publizierenden Text des
Oberstudienrats Hans Schneider um einen Torso handelt, der bis zum Tode des Autors
nicht zum Abschluss gebracht werden konnte.
Unser hier zu erörternder "Fall Hans Schneider" begann Anfang der 60er Jahre. Hans
Schneider, der hauptberuflich als Geschichtslehrer im Schuldienst des Landes Baden-
Württemberg tätig war, hatte im März 1960 den Auftrag für die Studie zum Thema "Neues
vom Reichstagsbrand?" vom Leiter des renommierten, 1949 in München gegründeten1
und mit großer nationaler und internationaler Anerkennung wirkenden "Instituts für
Zeitgeschichte" (IfZ)2 erhalten.
Was die 1960/62 erstellte und bislang nicht publizierte Studie ungeachtet des
Zeitabstandes und ihrer seinerzeit erfolgten Nicht-Fertigstellung nach wie vor so
interessant macht, sind - neben ihrem bis heute kontrovers gebliebenen Gegenstand und
ihren nach wie vor nicht hinreichend rezipierten wissenschaftlichen
Forschungsergebnissen im Detail - vor allem zwei Umstände. Zum Einen sind es die
Hintergründe ihrer Nicht-Fertigstellung und ihrer bisherigen Nicht-Publikation, die
ihrerseits von zeitgeschichtlichem Interesse sind und ein Schlaglicht auf die Bedingungen
werfen, unter denen die Produkte zeitgeschichtlicher Forschung zustande oder auch nicht
zustande kommen können. Zum Zweiten ist es der exemplarische, in gewisser Weise
lehrstückhafte Charakter dieser Kontroversen: Es geht um das wichtige Thema des
Umgangs mit Dissens in der Wissenschaft.
I.
Dem ersten Fragenkomplex, also der Genese des Schneiderschen Torsos sowie seinen
Erkenntnisgewinnen für die zeitgeschichtliche Forschung zum Reichstagsbrand vom 27.
Februar 1933, ist der einleitende Beitrag von Hersch Fischler gewidmet. Er knüpft an
mehrere einschlägige Publikationen3 des Autors4 an, die bei den deutschen Zeithistorikern
bislang relativ wenig Resonanz gefunden, jedoch in den letzten Jahren erheblich dazu
beigetragen haben, in der allgemeinen Öffentlichkeit die Debatte um die Frage neu zu
entfachen,5 ob nun wirklich der am 23. Dezember 1933 vom Reichsgericht zum Tode
verurteilte und am 10. Januar 1933 in Leipzig hingerichtete junge niederländische
Anarcho-Kommunist Marinus van der Lubbe allein das Gebäude des Deutschen
Reichstags an jenem Rosenmontag des Jahres 1933 angezündet hat oder ob es - wie bereits
das Reichsgericht in seinem Urteil6 annahm7 - Mittäter und Hintermänner gab und wer
diese möglicherweise waren.
Diese Frage ist offenkundig nicht nur von kriminalistischem Interesse ("Wer waren die
Mittäter?") und hat nicht nur justizgeschichtliche Bedeutung ("War die Verurteilung van
der Lubbes ein Fehlurteil oder gar ein Justizmord?"). Sie kann möglicherweise auch noch
in weiterer Hinsicht Erkenntnisgewinne erschließen: Welche reale Rolle spielten der
Reichstagsbrand und die Geschehnisse im Zusammenhang mit ihm bei der Etablierung des
NS-Regimes? Handelte es sich um eine Nazi-Inszenierung oder war er "lediglich" Anlass
für eine folgenschwere politische Nutzbarmachtung und Funktionalisierung durch die
Nazis? Und: In welcher Hinsicht ist dies von fortbestehender Relevanz für die Frage, wie
und warum es zur Etablierung und Durchsetzung des in den Anfangsmonaten des Jahres
1933 noch keineswegs gefestigten NS-Regimes kommen konnte? Und weiter: Können aus
den höchst kontroversen Debatten in der Zeitgeschichtsschreibung zum Reichstagsbrand
verallgemeinerbare Schlussfolgerungen über den "Produktionsprozess" sowie über die
"Produkte" von Zeitgeschichtsschreibung gewonnen werden? Schließlich: Lassen sich aus
diesen geschichtlichen Ereignissen um den und nach dem 27. Februar 1933 - abstrahierend
- im Hinblick auf die politische, publizistische und historische Nutzbarmachung und
Funktionalisierung vergleichbarer spektakulärer Ereignisse8 Erkenntnisse ableiten, die
über das konkrete historische Einzelgeschehen hinaus etwa für die Rolle von Negativ-
Symbolen in der Politik und für die Manipulierbarkeit der "öffentlichen Meinung" von
aktueller Bedeutung sein können?
Im Anschluss an Fischlers Einleitungsbeitrag wird in diesem Band die von Hans Schneider
erarbeitete Studie selbst erstmals publiziert. Es handelt sich dabei um die Textversion, die
sich im Archiv des "Instituts für Zeitgeschichte" in München befindet. Sie wurde dort von
Hersch Fischler im Rahmen von archivalischen Forschungen entdeckt. Ihre Existenz ist
auch vom IfZ bestätigt worden.9 Die Echtheit und editorische Korrektheit dieser hier
publizierten Fassung ist an Hand der Nachlassbestände Hans Schneiders durch seinen
Sohn Hans-Jörg Schneider und dessen Schwester Frauke Haag eingehend überprüft und
bestätigt worden. Hans Schneider selbst hat sich im Jahre 1966 aus Anlass eines der von
dem Bruder Jan des hingerichteten Marinus van der Lubbe bei der deutschen Justiz
eingeleiteten Wiederaufnahmeverfahrens eigeninitiativ an den Berliner
Generalstaatsanwalt gewandt und zur Aufklärung der historischen Vorgänge seine Mithilfe
angeboten. Seinem Schreiben hat er eine mehrseitige Zusammenfassung seiner für das IfZ
1960/62 erarbeiteten Studie beifügt ("Nach dreißig Jahren"). Diese wird hier im Anschluss
an die Langfassung ebenfalls abgedruckt.
Da Hans Schneider die Publikation seiner Studie "Neues vom Reichstagsbrand?" selbst
nicht mehr erlebte und sich zu den Hintergründen ihrer Nicht-Vollendung sowie den damit
verbundenen Kontroversen zwischen ihm und der damaligen Leitung des IfZ nicht mehr
äußern kann, ist es von besonderem Reiz, dass es gelungen ist, seine frühere (informelle)
"wissenschaftliche Hilfskraft" für einen kritischen Rückblick auf diese
Auseinandersetzungen zu gewinnen. Wolf-Dieter Narr, zwischenzeitlich emeritierter
Politikwissenschaftler an der Berliner Freien Universität, beschaffte als Student der
Geschichtswissenschaften an der Tübinger Universität für Hans Schneider, dem er auch
familiär verbunden war, des Öfteren auf dessen Bitten hin wissenschaftliche Literatur und
war so am Entstehungsprozess der Studie in gewisser Weise mitbeteiligt. Wolf-Dieter Narr
versucht in seinem Nachwort - ohne eine Miturheberschaft an der Schneider-Studie auch
nur zu insinuieren. - vor allem, ihren Stellenwert im zeithistorischen Diskurs der
Bundesrepublik Deutschland herauszuarbeiten. Aus seiner unverhohlenen Kritik an der
Rolle der damaligen Leitung des IfZ in den Auseinandersetzungen um die Schneider-
Studie leitet er konkrete Forderungen an die heutige Institutsleitung sowie auch an den
Zeithistoriker Prof. Hans Mommsen ab, der damals als junger wissenschaftlicher
Mitarbeiter am IfZ tätig war. Wie die von Hersch Fischler im Archiv aufgefundenen und
im vorliegenden Band ebenfalls abgedruckten Dokumente belegen, hatte Hans Mommsen
bei der Beendigung der Zusammenarbeit zwischen dem IfZ und Hans Schneider in den
Jahren 1961/62 "seine Finger mit im Spiel"; außerdem war er es, der nach der
"Freisetzung" Schneiders in den vom Institut herausgegebenen "Vierteljahresheften für
Zeitgeschichte" selbst einen längeren Beitrag zum Thema "Reichstagsbrand"
veröffentlichte10 und damit publizistisch die Aufgabe übernahm ("irgendjemand aber muss
das machen"11), die zuvor das IfZ Hans Schneider zugedacht hatte. Es ging um die von der
Leitung des IfZ 1960 angekündigte eigenständige inhaltliche Auseinandersetzung mit der
vor allem von Fritz Tobias in einer spektakulären Serie im Hamburger
Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"12 und sodann in einer voluminösen Publikation13
entwickelten These von der "Alleintäterschaft" Marinus van der Lubbes. Hans Mommsen
trat in seinem 1964 in den "Vierteljahresheften" des IfZ publizierten Beitrag in allen
zentralen Punkten der von Fritz Tobias propagierten "Alleintäter-These" bei. Er erwähnte
dabei zwar die von Hans Schneider erarbeitete Studie, die sich äußerst kritisch mit der
Arbeitsweise und den Methoden von Fritz Tobias auseinandergesetzt hatte, am Rande.
Jeder Hinweis auf das dramatische Ende der Zusammenarbeit zwischen dem Institut und
Hans Schneider und dessen Hintergründe unterblieb jedoch ebenso wie eine nähere
Auseinandersetzung mit Hans Schneiders Forschungsergebnissen. Die genaue Rolle Hans
Mommsen bei der "Freisetzung" Hans Schneiders ist bisher ungeklärt geblieben. Er selbst
hat sich dazu bis heute nur unklar und eher ausweichend geäußert.14 Es ist sehr zu
wünschen, dass sich Hans Mommsen, der sich als weithin anerkannter und
hochgeschätzter kritischer Zeithistoriker mit zahlreichen wichtigen Studien große
Verdienste um einen kritischen Diskurs in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung und in
der Publizistik15 erworben hat, dazu in nächster Zukunft doch entschließt - in eigenem
Interesse zur Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, aber auch im öffentlichen
Interesse.
II.
Das Exemplarische, vielleicht auch Lehrstückhafte an den Kontroversen im IfZ um die
Studie Hans Schneiders dürfte darin liegen, dass nicht nur, wie so oft, um
Manuskriptlängen und Fertigstellungstermine gestritten wurde. Es ging - jedenfalls auch -
um Inhalte, nämlich um Inhalte von Zeitgeschichtsschreibung und um den Umgang mit
Dissens. Der unten abgedruckte, von Hans Mommsen seinerzeit augenscheinlich für die
Leitung des IfZ verfasste vierseitige Vermerk vom .November 1962, dessen Authentizität
von der heutigen IfZ-Leitung zwischenzeitlich bestätigt worden ist16, fasst eine im Auftrag
des IfZ geführte "Unterredung mit Rechtsanwalt Dr. Delp" sowie die am 9. und
10.November 1962 mit Hans Schneider geführten Gespräche zusammen. Diesem Vermerk
lässt sich entnehmen, dass das IfZ ("das Institut") "ein Interesse (hat), die Publikation des
(Schneider-) Manuskripts zu verhindern, weil ... b) aus allgemeinpolitischen Gründen eine
derartige Publikation unerwünscht zu sein scheint"17; ungeachtet der für das IfZ
ungünstigen Rechtslage "könnte man", so steht es in dem Mommsen-Vermerk – "um
Herrn Schneider zu einem Vergleich zu pressen, den Versuch machen, das Material bei
ihm in seiner Gesamtheit zurückzufordern"; "es wäre", so heißt es weiter, "vielleicht
angezeigt, durch Druck auf Schneider vermittels des Stuttgarter Ministeriums ihn zur
Nachgiebigkeit zu bewegen". Im Anschluss daran hinderte dann tatsächlich die damalige
Leitung des IfZ (Direktor Helmut Krausnick) Hans Schneider durch Entzug von
Quellenmaterialien, sein Manuskript fertig zu stellen und übte augenscheinlich18 Druck
auf ihn aus, um ihn an der eigenständigen Publikation seiner Forschungsergebnisse zu
hindern. Welche "allgemeinpolitischen Gründe" im einzelnen eine Publikation der
Schneider-Studie für das IfZ "unerwünscht" erscheinen ließen, ist bis heute unklar. In dem
Einleitungsbeitrag von Hersch Fischler werden dazu erste Hypothesen entwickelt, deren
Tragfähigkeit sich in der weiteren Debatte erweisen muss. In jedem Falle offenbaren die
institutsinternen (möglicherweise durch "Druck von außen" ausgelösten)
Auseinandersetzungen sowie die Art ihrer Austragung und "Lösung" ein
wissenschaftliches Zentralproblem: Wie geht eine wissenschaftliche Institution mit
wissenschaftlichem und wissenschaftspolitischem Dissens in den eigenen Reihen um?
Es ist nicht gerade häufig, dass solche Konflikte und ihre Ergebnisse für den öffentlichen
Diskurs nachvollziehbar offengelegt und dokumentiert werden können. Dabei könnte
daraus viel gelernt werden: Welche Vorkehrungen müssen getroffen werden, welche
Mindestbedingungen müssen erfüllt sein, damit in einem solchen Konflikt weder beteiligte
Wissenschaftler/Forscher und ihr Gegenüber, die wissenschaftliche Institution, in der sie
arbeiten, noch der wissenschaftliche Diskurs nachhaltig "beschädigt" werden?
Meine These ist, dass es dafür eine spezifische "Streitkultur" sowie auch institutionelle
Vorkehrungen und Rahmenbedingungen geben muss19.
III.
Geschichtsschreibung ist – wie alle Wissenschaft - ein "Ringen um Wahrheit". Es ist
offenkundig eine Fiktion, "dass das Bewusstsein des Historikers als ein neutraler Spiegel
fungieren könne, in welchem die durch das Medium der Daten strömende Vergangenheit
so gespiegelt werde, ‚wie es eigentlich gewesen‘ (ist)."20 Wissenschaft ist eine soziale
Institution. Es geht nicht nur um das Erkenntnisinteresse, die "erkenntnisleitenden
Gefühle" (Meyer-Abich), die Entwicklung der Fragestellung(en), die mit dem
Forschungsprojekt verbundenen Ziel- und Zwecksetzungen sowie die Auswahl der
Erkenntnispfade. Wissenschaftliches "Erkenntnishandeln" (Max Weber) ist von
technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Ressourcen abhängig. In den letzten
Jahren ist dies immer deutlicher geworden. Manche sprechen deshalb bereits von "postacademic
science". Es wird für Wissenschaftler immer schwieriger, den Imperativen der
1942 von Robert Merton21 formulierten und weithin akzeptierten CUDOS-Kriterien22 zu
genügen.
Im Rahmen dieser "new mode of knowledge production" sind Forschungsobjekte und
Forschungsprozesse stark davon geprägt, ob, wie und von wem Ressourcen zur Verfügung
gestellt werden. Wissensproduktion entsteht mehr und mehr im Kontext von Anwendung
und Nützlichkeit. Wenn z.B. Wissenschaftler vorzugsweise dann berufen werden, wenn
sie externe Finanzierungsquellen für Forschungsprojekte zu mobilisieren verstehen, also
über gute Kontakte zu potentiellen Geldgebern und Mittelverwaltern verfügen, hat dies
Auswirkungen auf die Inhalte von Forschungstätigkeit und damit letztlich der
Forschungsprozesse und der Forschungsergebnisse. Nicht nur die Art der Auswahl von
Forschungsprojekten wird präjudiziert. Es entstehen auch entsprechende Abhängigkeiten.
Potentielle Forschungsergebnisse werden mehr und mehr nach außerwissenschaftlichen,
z.B. ökonomischen Kriterien beurteilt. Vor allem in naturwissenschaftlichen Disziplinen
transformieren sich Forschergruppen oder gar ganze Institute in unternehmerische
Einheiten, wenn sie nicht gar eigene Unternehmen gründen und sich auf dem Markt
kommerziell betätigen; dabei wird wissenschaftliche Erkenntnis direkt in Unternehmungen
des Entdeckers oder Forschungsleiters oder in Unternehmen, an denen sie beteiligt sind,
ökonomisch verwertet und kapitalisiert. In den USA, wo dieser Prozess seit längerem im
großen Maße im Gange ist, ist von der neuen Figur des "entrepreneur scientist" die Rede.23
Mit der "Uneigennützigkeit" im Sinne der Mertonschen CUDOS-Kriterien wird es dann
zumindest schwierig. Zugleich verstärkt sich aufgrund einer Veränderung der
Finanzierungsstrukturen und deren Ökonomisierung der Einfluss der Geldgeber und der an
der Verwertung der Forschungsergebnisse Interessierten auf die Wahl der
Forschungsschwerpunkte und die Forschungspfade. Wolfgang Liebert sieht hinter diesen
Entwicklungen einen normativen Wandel im Bereich akademischer Forschung, der
politisch gewollt sei: Die Forschungsinstitute und die Forschenden "werden gelockt,
indem ihnen die Früchte des Ökonomisierungsprozesses schmackhaft gemacht werden,
und sie werden geschoben, indem durch Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen
für eine augenscheinliche Alternativlosigkeit des Prozesses gesorgt wird."24
Davon ist nicht nur der Bereich der Naturwissenschaften betroffen. Selbst - an sich
"ökonomieferne" - Institutionen wie das IfZ bleiben davon nicht verschont. Das zeigt sich
insbesondere an der Kritik, die das IfZ zunehmend wegen seiner traditionellen
Finanzierungsstrukturen erfährt. Das IfZ ist in den letzten Jahren insoweit sowohl vom
Wissenschaftsrat25 (1996) als auch von der Leibniz-Gemeinschaft (2003), in der die
Forschungsinstitute der "Blauen Liste"26 zusammengeschlossen sind, verstärkt zur
Einwerbung von Drittmitteln aufgefordert worden.27 Der Wissenschaftsrat verknüpfte in
seiner kritischen Stellungnahme von 1996 seine grundsätzlich positive Einschätzung der
nationalen und internationalen Anerkennung, die das IfZ bei seiner jahrzehntelangen
Tätigkeit gefunden hatte, mit deutlichen Forderungen. Dazu gehörten u. a. die dringende
Empfehlung, mehr "Drittmittel" einzuwerben, und durch Befristung der
Arbeitsverhältnisse der wissenschaftlichen Mitarbeiter die "Flexibilität" zu erhöhen. Der
Senat der "Leibniz-Gemeinschaft" hat im Jahre 2003 die unzureichende Erfüllung dieser
Forderungen angemahnt.
Für die "postmoderne" Entwicklung hin zu einer Ökonomisierung der "post-academic
sciences" oder gar zu "entrepreneur scientists" mögen - jedenfalls vordergründig -
ökonomische und gesellschaftliche Zwänge oder zumindest ein entsprechender
Problemdruck sprechen. Man muss sich allerdings über die Konsequenzen dieser
Entwicklung klar zu werden versuchen, und zwar nicht nur im Interesse der individuellen
Freiheit der in den Forschungsinstituten tätigen einzelnen Forscher, sondern gerade auch
im Hinblick auf die Inhalte des - nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben des
Grundgesetzes "freien" - Forschungsprozesses und seiner Ergebnisse.
Forschungseinrichtungen und ihr Personal arbeiten - zumal wenn sie unter wirtschaftlichen
Verwertungszwängen agieren - auf der Basis spezifischer Interessenkonstellationen. Das in
Forschungseinrichtungen erarbeitete Sachwissen ist nicht nur notwendig an die sozialen
Entstehungszusammenhänge gebunden, sondern gleichzeitig notwendig unvollständig: Es
ist keineswegs per se sichergestellt, dass innerhalb des Projekts zugleich auch wichtige
und wesentliche Informationen über Schwachstellen der erarbeiteten Forschungsstrategien,
eingeschlagenen Forschungspfade und gewonnenen Forschungsergebnisse sowie über
mögliche Alternativen in hinreichendem Maße "produziert" werden. Um so wichtiger ist
es deshalb, Strukturen zu schaffen sowie Mechanismen zu fördern und zu stärken, die
einen möglichst offenen "freien Diskurs" innerhalb der Forschungseinrichtung über
Planung, Durchführung und Verwertung der Forschungsvorhaben ermöglichen und die
ferner eine Abschirmung der Forschungsergebnisse gegen allseitige Kommunikation
reduzieren.28 Die UNESCO hat in ihrer "Empfehlung zur Stellung der wissenschaftlichen
Forscher"29 mit Recht herausgehoben, dass die ungehinderrte Mitteilung von Ergebnissen,
Hypothesen und Meinungen ... zum Wesen des wissenschaftlichen Prozesses gehört und
die (relativ – D.D.) beste Gewähr für die Richtigkeit und Objektivität der
wissenschaftlichen Ergebnisse bietet". Ein wirklicher Pluralismus wissenschaftlicher
Arbeitsweisen und ein freier wissenschaftlicher Kommunikationsprozess30 sind deshalb
nicht nur bedeutsam für die individuelle Freiheit des einzelnen Forschers, sondern
zugleich auch Voraussetzung der "Selbstreflektivität" der scientific communities und der
Gesellschaft insgesamt. Dazu gehört gerade auch ein offener und repressionsfreier
Umgang mit Dissens, also differierenden wissenschaftlichen Konzepten, Vorgehensweisen
und Interpretationsansätzen. Wer auf Schwachstellen, Risiken oder gar Gefahren von ihm
kritisierter wissenschaftlicher Forschungsstrategien und Forschungsergebnisse hinweist
und dies im Sinne der Mertonschen CUDOS-Kriterien dem offenen und öffentlichen
Diskurs zugänglich macht, darf nicht ausgegrenzt oder gar existenziellen Risiken
ausgesetzt werden. Wie sollte sonst den CUDOS-Kriterien insbesondere des
"communalism" und des "scepticism" Rechnung getragen werden? Hier geht es um die
soziale, d.h. reale Basis der Freiheit der individuellen Wissenschaftler und zugleich der
Freiheit des wissenschaftlichen Prozesses. Von besonderer Bedeutung ist dies in einer
Entwicklungsphase, in der die Ökonomisierung und damit die ökonomische Prägung des
Wissenschaftsprozesses sowie die entsprechende Verwertungsrelevanz von
Forschungsergebnissen eine immer stärkere Bedeutung gewinnen.
Es geht dabei auch um Demokratie, die als Fundamentalprinzip verfassungsrechtlich in
Art. 20 Abs. 1 GG verankert ist. Demokratie setzt als "Lebenselexier" einen möglichst
freien und offenen Kommunikationsprozess voraus, zu dem insbesondere auch die
"Freiheit" der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) sowie die "Freiheit" der
Wissenschaft und Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) gehören. Ein solcher freier pluralistischer
Ansatz liegt letztlich auch deshalb im "wohlverstandenen Gemeinwohlinteresse, weil sich
im Kräfteparallelogramm ... im allgemeinen erst dann eine relativ richtige Resultante
herausbilden kann, wenn alle Vektoren einigermaßen kräftig entwickelt sind."31 Dies gilt
gerade auch für den Bereich von Wissenschaft und Forschung. Das Grundrechtsgebot der
"Freiheit" von Wissenschaft und Forschung impliziert ihre Offenheit. Niemand darf von
der Kommunikation am und im Wissenschaftsprozess ausgeschlossen werden.
Dieses Gebot impliziert auch die Etablierung von interdisziplinären Selbstregulations- und
Selbstkontrollmechanismen innerhalb der Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen
sowohl im Bereich der Hochschulen und Universitäten als auch der außeruniversitären
Einrichtungen staatlicher und privater Träger. Es muss gewährleistet werden, dass
wissenschaftlicher Dissens nicht unhinterfragt und nicht-diskursiv zur Seite geschoben
oder gar ausgegrenzt wird. Der Fall Hans Schneider ist dafür – in negativer Hinsicht - ein
illustratives Beispiel.
IV.
In den letzten Jahren haben vor allem spektakuläre Fälle von Betrug und Täuschung32 in
der Wissenschaft33 oder ähnliche Verstöße gegen den "Berufsethos von Wissenschaftlern"
Bemühungen ausgelöst oder zumindest verstärkt, die den Anspruch haben, "Prinzipien
guter Wissenschaft" als soziale Normen im Bewusstsein der einzelnen Wissenschaftler
und der Wissenschaftsorganisationen besser zu verankern und die "wissenschaftliche
Integrität" durch entsprechende institutionelle Sicherungen stärker zu schützen. Zu nennen
sind hierbei vor allem die Bemühungen
- des "Office for Research Integrity" (ORI)34, die in einem "Handbook for Institutional
Research Integrity Officers"35 ihren Niederschlag gefunden haben36,
- des britischen "Medical Research Council" (MRC),37
- des "Danish Committee on Scientific Dishonesty"38
- der "Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften" (SAMW)39
- der "Deutschen Forschungsgemeinschaft" (DFG)40 sowie
- der "Max-Planck-Gesellschaft"41 und
- der "Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz" (WGL).
In Deutschland haben die diesbezüglichen Bemühungen der DFG, der aus den öffentlichen
Haushalten von Bund und Ländern finanzierten großen
Forschungsförderungsorganisation42, die stärkste Beachtung und Resonanz gefunden. Die
vom Präsidium der DFG eingesetzte Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft"
hatte in ihren im Januar 1998 vorgelegten "Empfehlungen" die Einrichtung einer
"unabhängigen Instanz - etwa in Gestalt eines Ombudsmans oder auch eines Gremiums
von wenigen Personen" empfohlen, "die allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
zur Beratung und Unterstützung in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und ihrer
Verletzung durch wissenschaftliche Unredlichkeit zur Verfügung steht und jährlich
darüber berichtet".43 Anders als etwa beim "Office of Research Integrity" (ORI) des
amerikanischen Public Health Service’ sollte die DFG-Vertrauensperson nach den –
zwischenzeitlich auch so realisierten - Kommissionsempfehlungen keine eigenen
Ermittlungen durchführen, sondern "vor allem durch ihre persönliche Autorität, Integrität
und Neutralität den Wissenschaftlern ein kompetenter und vertrauenswürdiger
Ansprechpartner sein, der gegebenenfalls erhebliche Verdachtsmomente aufnimmt und zur
Aufmerksamkeit der sachnahen Institutionen bringt." Die DFG-Vertrauensperson(en)
sollte(n) "allen Wissenschaftlern zugänglich" sein, "unabhängig von ihrem Bezug oder
dem eines betroffenen Projekts zur Deutschen Forschungsgemeinschaft". Weiter enthielt
der DFG-Kommissions-Bericht die gleichzeitig an Hochschulen und
Forschungseinrichtungen gerichtete Empfehlung, ihrerseits solche Vertrauensleute für
ihren Zuständigkeitsbereich zu benennen.
Zwischenzeitlich hat die DFG diese Kommissions-Empfehlungen aufgegriffen und
"Verfahrensgrundsätze des Ombudsmans der DFG" beschlossen. Dessen Aufgaben
wurden einem dreiköpfigen Gremium ("Ombudsman der DFG") übertragen, in das der
Senat der DFG drei Wissenschaftler für eine dreijährige Amtszeit beruft. Nach diesen
"Verfahrensgrundsätzen" steht dieser DFG-Ombudsman in Gestalt jedes seiner drei
Mitglieder "allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unabhängig davon zur
Verfügung, ob in der Angelegenheit ein Bezug zur DFG besteht oder nicht" (Abschnitt I
Nr. 3 S. 1). Grundsätzlich kann sich jedermann an ihn wenden, wenn er/sie "sich von
wissenschaftlichem Fehlverhalten betroffen sieht" (Abschnitt I Nr. 1); Grundlagen sollen
die "Empfehlungen der DFG zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" sein.
Was unter "Regeln guter wissenschaftlicher Praxis" verstanden wird, wird in den im
Januar 1998 vorgelegten "Empfehlungen" der DFG-Kommission "Selbstkontrolle in der
Wissenschaft" wie folgt umschrieben:
"allgemeine Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit z.B.
- lege artis zu arbeiten,
- Resultate zu dokumentieren
- alle Ergebnisse konsequent anzuzweifeln,
- strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Partnern, Konkurrenten und
Vorgängern zu wahren,
- Zusammenarbeit und Leitungsverantwortung in Arbeitsgruppen (Empfehlung 344),
- die Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchse (Empfehlung 445),
- die Sicherung und Aufbewahrung von Primärdaten (Empfehlung 746),
- wissenschaftliche Veröffentlichungen (Empfehlung 1147)."
Ungeachtet ihrer relativ großen Vagheit und Offenheit lassen die von der DFGKommission
verwendeten Begriffe erkennen, dass es vor allem um Maßstäbe für den
binnenwissenschaftlichen Ethos der Forschung, für die individuelle Redlichkeit der
Wissenschaftler bei ihrer Forschungsarbeit geht.
Im Bewusstsein, dass diese "Grundsätze" relativ abstrakt gefasst sind, wird den
Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten empfohlen, unter Beteiligung
ihrer wissenschaftlichen Mitglieder konkretere und fachspezifische "Regeln guter
wissenschaftlicher Praxis" zu formulieren. Diese Regeln sollten dann "fester Bestandteil
der Lehre und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses sein." Ferner werden
Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufgefordert, "Verfahren zum Umgang mit
Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens" vorzusehen.48 Diese müssten, so der
Vorschlag der DFG-Kommission, von dem dazu legitimierten Organ beschlossen sein und
"unter Berücksichtigung einschlägiger rechtlicher Regelungen einschließlich des
Disziplinarrechts insbesondere umfassen:
- eine Definition von Tatbeständen, die in Abgrenzung zu guter wissenschaftlicher Praxis
(Nr. 1) als wissenschaftliches Fehlverhalten gelten, beispielsweise Erfindung und
Fälschung von Daten, Plagiat, Vertrauensbruch als Gutachter oder Vorgesetzter,
- Zuständigkeit, Verfahren (einschließlich Beweislastregeln) und Fristen für Ermittlungen
zur Feststellung des Sachverhalts,
- Regeln zur Anhörung Beteiligter oder Betroffener, zur Wahrung der Vertraulichkeit und
zum Ausschluss von Befangenheit,
- Sanktionen in Abhängigkeit vom Schweregrad nachgewiesenen Fehlverhaltens,
- Zuständigkeit für die Festlegung von Sanktionen".
V.
Es ist eine interessante Frage, ob Hans Schneider in seinem Konflikt mit der Leitung des IfZ
heute bei einer unabhängigen Instanz im Bereich der Wissenschaft, etwa bei einem
Ombudsman, Gehör und Unterstützung finden könnte. Damals blieb er auf sich allein gestellt
und resignierte letztlich.
Da das IfZ entgegen der oben referierten Empfehlung Nr.8 der DFG bislang durch sein dafür
zuständiges Gremium, den Stiftungsrat, nach wie vor kein "Verfahren zum Umgang mit
Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens" geschaffen hat und bisher für seinen Arbeitsund
Forschungsbereich auch keine nähere Definition "von Tatbeständen, die in Abgrenzung
zu guter wissenschaftlicher Praxis ... als wissenschaftliches Fehlverhalten gelten",
vorgenommen hat, hätte sich Hans Schneider heute nach wie vor an keine unabhängige
Instanz beim IfZ wenden können, um hier einen geeigneten Ansprechpartner und Mediator zu
finden. Es ist nicht ersichtlich, warum das IfZ eine solche von seinen Organen (Stiftungsrat,
Stiftungsratsvorsitzender, Direktor) unabhängige Instanz bislang nicht eingerichtet sowie die
dafür erforderlichen Verfahrensregelungen und inhaltlichen Arbeits- und
Entscheidungsmaßstäbe nicht geschaffen hat.
Auch die "Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz" (WGL)49, deren Mitglied
das IfZ als wissenschaftliche Einrichtung der "Blauen Liste" seit nahezu 10 Jahren ist, hat die
(gleichfalls) an sie gerichtete DFG-Empfehlung Nr. 8 lediglich partiell aufgegriffen. Sie hat
zwar auf ihrer Mitgliederversammlung am 15.10.1999 "Regeln guter wissenschaftlicher
Praxis" beschlossen und darin den Instituten der WGL empfohlen, "sich bei der Aufstellung
von Regeln und bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Sicherung guter wissenschaftlicher
Praxis an den im folgenden aufgeführten Regelungen und Kriterien zu orientieren." Diese
Regelungen zielen primär auf die Gewährleistung "wissenschaftlicher Redlichkeit". In dem
WGL-Text heißt es in enger Anlehnung an die DFG-Kommissions-Empfehlungen:
"Gute wissenschaftliche Praxis bedeutet, lege artis zu arbeiten und sich stets nach dem neuesten Erkenntnisstandzu richten. Sie erfordert Kenntnis und Verwertung des aktuellen Schrifttums, die Anwendung neuester Methoden und Erkenntnisse.
Sie zeichnet sich aus durch Zweifel und Selbstkritik, durch kritische Auseinandersetzung mit den erzielten
Erkenntnissen und deren Kontrolle, etwa durch wechselseitige Überprüfung innerhalb der Arbeitsgruppen, aber auch durch Redlichkeit gegenüber den Beiträgen von Kollegen , Mitarbeitern, Konkurrenten, Vorgängern.
Sorgfältige Qualitätssicherung ist ein wichtiges Wesensmerkmal wissenschaftlicher Redlichkeit. Sie ist – neben
der Redlichkeit gegenüber sich und anderen als ethische Norm – Grundlage für wissenschaftliche
Professionalität. Sie wird gewährleistet durch die (kritische) Zusammenarbeit in wissenschaftlichen
Arbeitsgruppen und klare Verantwortungsstrukturen. Dies beinhaltet
- geregelte, nicht notwendig hierarchische Organisationsstrukturen,
- die Delegation von Aufgaben bzw. funktionelle Teilung von Verantwortung ,
- das Bewusstsein der Rechte und Pflichten des einzelnen,
- Aufsichts- und Rechenschaftspflichten,
- effektive Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses,
- Vermeiden/Erkennen/Lösen von Konflikten.
Zur Sicherung der Qualität und damit guter wissenschaftlicher Praxis gehört weiter
- die Dokumentation aller Arbeitsschritte und die sichere Aufbewahrung aller Aufzeichnungen
(Dokumentationspflicht und –sicherheit),
- das Sicherstellen der Reproduzierbarkeit vor der Veröffentlichung (Kriterien der Wiederholbarkeit und
Nachvollziehbarkeit) ebenso wie
- die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten für berechtigte Dritte.
Ein wesentlicher Aspekt ist die Verantwortung bei (Mit-)Autorenschaft. Die Autoren wissenschaftlicher
Veröffentlichungen sind gemeinsam verantwortlich für deren Inhalte; Ehrenautorschaften sind
ausgeschlossen. Der Autor ist rechenschaftspflichtig, identifiziert sich mit dem wissenschaftlichen Ergebnis
und übernimmt die Gewähr für den Inhalt der Veröffentlichung."
Zur Umsetzung dieser Kriterien in den Mitglieds-Instituten hat die WGL diesen die
"Schaffung von geeigneten Organisationsstrukturen innerhalb der Einheiten (Projekt-,
Arbeitsgruppen)" empfohlen. Unter anderem sollten auch "Mechanismen zur Vermeidung
und Regelung ... (z.B.Ombudsman, siehe WGL-Empfehlungen)" entwickelt werden.
Nähere Vorgaben wurden dafür indes nicht gemacht. Die WGL setzt insoweit auf die
Eigeninitiative ihrer Mitglieds-Institute. Sie hat ihrerseits auch – anders als die DFG –
darauf verzichtet, für den Bereich der in ihr organisierten Forschungsinstitutionen selbst
einen WGL-Ombudsman oder ein entsprechendes WGL-Gremium zu etablieren.
Bei einem WGL-Ombudsman könnte Hans Schneider also heute auf der Basis dieser
Regelungen in einem vergleichbaren Konflikt mit dem IfZ, das zu den Mitgliedern der
WGL gehört, ebenfalls kein Gehör und keine institutionelle Beratung und ggf.
Unterstützung finden.
An sich könnte sich Hans Schneider in einem vergleichbaren Konflikt heute allerdings an
den DFG-Ombudsman wenden, auch wenn sein Forschungsprojekt "Neues vom
Reichstagsbrand?" - wie seinerzeit - nicht von der DFG gefördert worden, also kein DFGProjekt
wäre. Um eine Zuständigkeit des DFG-Ombudsmans zu begründen, würde es
ausreichen, wenn er geltend machen könnte, er sehe sich "von wissenschaftlichem
Fehlverhalten betroffen". Der damit befasste DFG-Ombudsman müsste prüfen, ob es sich
bei der konkreten Kontroverse zwischen Hans Schneider und dem IfZ tatsächlich um ein
relevantes50 Betroffensein Schneiders "von wissenschaftlichem Fehlverhalten" seitens der
Leitung des IfZ handelte.
Eine hinreichend präzise Definition von "wissenschaftlichem Fehlverhalten" (scientific
misconduct) ist in den DFG-Richtlinien nicht enthalten. In der Vorbemerkung zu den
DFG-Kommissions-Empfehlungen, die sich gemäß ihrer "Vorbemerkung" "vornehmlich
an die verfassten Institutionen der Wissenschaft, über sie aber auch an alle ihre
Mitglieder" wenden, heißt es insoweit eher sybillinisch, der gegenüber "wissenschaftlicher
Unredlichkeit"51 "breitere Begriff ‚wissenschaftliches Fehlverhalten‘" werde "dort
verwendet, wo nach dem Zusammenhang (z.B. bei Verfahrensregeln) die Normverletzung
als Tatbestand das ist, das es zu klären gilt". Näher wird er nicht definiert. Er umschließt
aber offenkundig jedenfalls "wissenschaftliche Unredlichkeit". Da zu den
"Grundprinzipien, die in allen Ländern und in allen wissenschaftlichen Disziplinen gleich
sind", "allen voran ... die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen" gerechnet wird52,
könnte der DFG-Ombudsman heute in einem aktuellen "Fall Hans Schneider" jedenfalls
alle Vorwürfe aufgreifen, die sich auf "unehrliches" Verhalten der IfZ-Leitung beziehen.
Es sollen und können hier nicht alle Details des offenbar intensiven Bemühens der IfZLeitung
zur Beendigung der Zusammenarbeit mit Hans Schneider sowie zur Be- oder gar
Verhinderung der weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung des Themas durch ihn darauf
hin untersucht werden, ob der DFG-Ombudsman heute hinreichende Veranlassung für eine
förmliche Beanstandung hätte. Schon die Vagheit und Unbestimmtheit der bisherigen
Fassung der DFG-Kriterien ließen schwerlich ein abschließendes Urteil zu.
Wie sich aber aus der Aktennotiz Hans Mommsens ergibt, war der IfZ-Leitung im
historischen Konflikt 1962 jedenfalls bewusst, dass "das Eigentumsrecht des Instituts an
den Materialien", die vom IfZ oder "per Amtshilfe" Hans Schneider zur Verfügung
gestellt wurden, "nicht das Urheberrecht an den daraus von Herrn Schneider angefertigten
Auszügen (umfasst)". Ungeachtet dessen sei es – so Mommsen in der Aktennotiz -
"angezeigt, in den Verhandlungen mit diesem von Herrn Schneider auf Grund mangelnder
juristischer Beratung offensichtlich ernst genommenen Argument diesen zu einem
Vergleich zu bewegen" (S. 3 des Vermerks). Mit anderen Worten: Die erkennbar fehlende
juristische Beratung Schneider’s sollte vom IfZ ausgenutzt werden, um ihn durch rechtlich
falsche Darstellungen dazu zu veranlassen, dass künftig die ihm "zur Verfügung gestellten
Quellen nicht benutzt werden". Die weitere Arbeit an seinem Manuskript sollte ihm durch
dieses – unehrliche – Verhalten des IfZ erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht werden.
"Ehrlich" und damit "redlich" im Sinne der DFG-Empfehlungen war eine solche
Verhaltensweise wahrlich nicht. Gleiches gilt hinsichtlich der in der Aktennotiz Hans
Mommsens empfohlenen Drohung mit der Einschaltung des baden-württembergischen
Dienstherrn, um eine anderweitige Publikation des Manuskripts "durch Druck auf
Schneider vermittels des Stuttgarter Ministeriums" zu verhindern. Auch dieser
Pressionsversuch diente weder der in den DFG-Empfehlungen angesprochenen "Pflege
und der Entwicklung der Wissenschaften" noch entsprach er ersichtlich "allgemeinen
Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit, zum Beispiel ‚lege artis zu arbeiten" und die
"Resultate zu dokumentieren". Sie zielten gerade auf die Verhinderung der Publikation der
Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit.
Besondere Betrachtung verdient jedoch der zentrale Punkt der inhaltlichen oder besser
gesagt wissenschaftspolitischen Kontroverse zwischen der IfZ-Leitung und Hans
Schneider.
Zwar waren – nach der gleichsam offiziellen Sprachregelung der IfZ-Leitung - zwischen
dem IfZ und Hans Schneider in erster Linie der Zeitpunkt der endgültigen Fertigstellung
des Forschungsprojekts sowie der Seitenumfang des abzuliefernden Manuskripts streitig.
Diese Begründung war jedoch bereits aus sich heraus wenig überzeugend. Denn bereits bei
der im Frühjahr 1960 erfolgten Vergabe des Forschungsauftrages war der Leitung des IfZ
bekannt, dass Hans Schneider hauptberuflich als Geschichtslehrer an einem Gymnasium in
Baden-Württemberg tätig war, also lediglich nebenberuflich und außerhalb seiner
Dienstzeiten an der Studie arbeiten konnte. Es war damit von vornherein für die IfZLeitung
bei Auftragsvergabe offenkundig, dass Schneider’s Zeitbudget nicht mit
demjenigen eines am IfZ hauptberuflich arbeitenden wissenschaftlichen Referenten oder
gar demjenigen eines Hochschullehrers, dem ein Stab von wissenschaftlichen
Mitarbeitern und Hilfskräften zur Verfügung stand, vergleichbar war. Darüber hinaus
konnte es für die Leitung des IfZ schon bei Auftragsvergabe kein Geheimnis sein, dass die
Forschungsarbeiten mit außerordentlichen Schwierigkeiten insbesondere bei der
Quellensuche und –erschließung verbunden sein würden.53 Es war weithin unbekannt, wo
sich die Originalermittlungsvorgänge und –prozessakten zum Reichstagsbrand befanden
sowie ob und wie diese Schwierigkeiten überwunden werden könnten. Zeitzeugen mussten
ermittelt und befragt sowie eine Vielzahl von Sekundärquellen erschlossen werden. Dabei
war einzukalkulieren, dass noch lebende Zeitzeugen, die 1933 in der preußischen
politischen Polizei, der Gestapo oder anderen Strafverfolgungsorganen mit den
Ermittlungen in Sachen Reichstagsbrand befasst waren, zu sachdienlichen Aussagen
möglicherweise nur schwer bewegt werden konnten, zumal sie sich dabei unter
Umständen im strafrechtlichen Sinne belasteten, falls sie seinerzeit in eine Unterdrückung
von Beweismitteln verwickelt gewesen sein sollten, die auf andere Täter (neben van der
Lubbe hingedeutet hätten). Zudem dürfte der IfZ-Leitung spätestens im Zusammenhang
mit der Spiegel-Serie und der dadurch ausgelösten öffentlichen Debatten auch einsichtig
und nachvollziehbar gewesen sein, auf welch "vermintem Gelände" sich ihr
Auftragnehmer Hans Schneider bewegen musste. Nicht nur der Forschungsgegenstand und
das gesamte Forschungsfeld waren hochkontrovers und emotional aufgeladen. Hinzu kam
unter anderem auch, dass nicht wenige der in den seinerzeitigen Ermittlungen der
politischen Polizei, der Gestapo und anderen Strafverfolgungsorgane im Jahre 1933
Tätigen zwischenzeitlich wiederum einflussreiche Positionen in hohen Behörden des
Bundes und mehrerer Bundesländer sowie in publizistischen Organen innehatten und
vehement die Tobias-Alleintäter-Thesen unterstützten, schon um sich nicht dem Verdacht
strafbarer und noch nicht verjährter Handlungen ausgesetzt zu sehen. Angesichts dessen
erscheint es wenig plausibel, dass es die IfZ-Leitung ausgerechnet im Spätsommer/Herbst
des Jahres 1962, also knapp 18 Monate nach der Vergabe des Forschungsauftrages an
Hans Schneider, offiziell als nicht mehr akzeptabel darstellte, dass die Studie "noch immer
nicht" fertig sei. Zudem musste die Beauftragung eines anderen Forschers notgedrungen
mit weiteren Verzögerungen verbunden sein, was letztlich auch der Umstand belegt, dass
der von der IfZ-Leitung damit betraute Hans Mommsen erst im Jahre 1964 seinen Aufsatz
in den "Vierteljahresheften" des Instituts publizieren konnte.54 Wenn schließlich – so ein
weiteres offizielles Teilargument - die Studie Hans Schneiders für die "Vierteljahreshefte"
der IfZ-Leitung als erkennbar zu lang erschienen wäre, warum wurde dann nicht eine
eigenständige Publikation in der Schriftenreihe des IfZ in Erwägung gezogen? War es
nicht, wie sich aus den Dokumenten zur Auftragsvergabe ergibt, gerade die zentrale
Aufgabe Schneiders, eine gediegene und damit auch materialreiche kritische
Stellungnahme zu den "Tobias-Alleintäter-Thesen" zu erarbeiten? Denn es sollte ja – so
die unten publizierten Dokumente – gerade das Ziel sein, die Tobias-Arbeiten zu
erschüttern, wenn nicht gar zu widerlegen. Das ließ sich aber schwerlich mit einem
"Schnellschuss" besorgen, zumal unter den geschilderten erschwerten "Produktions"-
Bedingungen.
Das legt die Schlussfolgerung nahe: Im Fall Schneider gab im Jahre 1962 – wie es in der
damals für die IfZ-Leitung verfassten und in seiner Existenz ja zwischenzeitlich
unstreitigen "Aktennotiz" Hans Mommsens heißt - augenscheinlich das auf den Inhalt der
Studie bezogene Urteil "allgemeinpolitisch unerwünscht" den Ausschlag für die
institutsseitige Beendigung des Forschungsprojekts. Dies kommt unmittelbar im Wortlaut
der erwähnten "Aktennotiz" Hans Mommsens und mittelbar auch in den weiteren in
diesem Buch abgedruckten Dokumenten zum Schriftverkehr der damaligen IfZ-Leitung
implizit zum Ausdruck. Darum offenbar strebte man die Beendigung der vereinbarten
Kooperation des IfZ mit Hans Schneider sowie darüber hinaus die Verhinderung eines
Abschlusses und der Publikation der von Schneider verfassten (und noch nicht fertig
gestellten) Studie an. Die genauen Hintergründe und die wahren Motive der Beteiligten für
diese spezifische wissenschaftspolitische Utilitäts-Beurteilung und Entscheidung bedürfen
freilich der weiteren Erforschung und Diskussion.
Auf der Grundlage der DFG-Verfahrensordnung und der in Bezug genommenen DFGKommissions-
Empfehlungen kann und muss man - leider - mit einen relativ hohen Grad
an Sicherheit die (hypothetische) Prognose wagen, dass Hans Schneider in dieser Hinsicht
vom DFG-Ombudsman auch heute kaum Hilfe hätte erwarten können. Der entscheidende
Grund dafür liegt nicht in der Persönlichkeit des DFG-Ombudsmans und in dessen
fehlenden "guten Willen". Entscheidend ist vielmehr, dass die von der DFG-Kommission
bislang aufgestellten Kriterien für "wissenschaftliches Fehlverhalten" eben auf den
individuellen Berufsethos des einzelnen Wissenschaftlers fokussiert sind. Es geht im
Wesentlichen um die individuelle Redlichkeit von Forscherinnen und Forschern bei ihrer
wissenschaftlichen Tätigkeit.
Außerhalb des Blickfeldes bleiben dabei jedoch folgende zentrale Fragen für eine "gute
wissenschaftliche Praxis":
(1) die Arbeitsplatzstrukturen, in denen der/die einzelne Wissenschaftler/in arbeitet und
forscht, insbesondere die Art und der Umfang seiner/ihrer wissenschaftlichen
Autonomie im Verhältnis zu Vorgesetzten und Institutsleitung;
(2) die spezifischen Beziehungen zwischen Wissenschaftler/in und Projekt-Auftraggeber;
(3) die Relevanz von Art und Struktur der Projekt-Finanzierung für die
Forschungsstrategie und die Auswahl der Forschungspfade sowie für den Umgang
insbesondere mit anfallenden (aus der Sicht des Projektfinanzierers) Negativ-
Forschungsinformationen und –ergebnissen;
Dabei geht es vor allem um folgende für die Prägung des Forschungsprozesses und der
Forschungsergebnisse relevante Probleme:
- Wer bestimmt über die Erkenntnisinteressen und Forschungspfade? Sind die Vorgaben
explizit formuliert oder wirken sie lediglich latent? In welchen Grenzen stehen sie zur
Überprüfung - durch wen?
- Welche Vorgaben werden gemacht für die Präzisierung der Forschungsfragen, die
Bildung von Forschungshypothesen, die Anwendung und die Nichtanwendung von
Verfahren und Methoden, den Umgang mit vorab vorhandenen oder im Projektverlauf
erkennbar werdenden alternativen Forschungspfaden, die Dauer des Forschungsprojekts
und seine Beendigung oder eine mögliche Verlängerung?
- Wer entscheidet über die Publizierung oder Nicht-Publizierung der
Forschungsergebnisse, von im Verlaufe des Forschungsprozesses auftauchenden
"Negativinformationen" oder von Zwischenergebnissen?
- Wer hat Einfluss auf die wirtschaftliche Verwertung oder Nicht-Verwertung der
Resultate oder Teil-Resultate des Forschungsprojekts? Nach welchen Kriterien erfolgt eine
diesbezügliche Entscheidung? Wird diese publiziert?
Damit sind unter Umständen schwerwiegende und möglicherweise kontroverse Fragen der
Wahrnehmung der berufsethischen Verantwortung55 von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern verbunden: Ist der Einzelne berechtigt, gehalten oder gar verpflichtet, die
Risiken, die mit dem Forschungsprozess und/oder seinen Ergebnissen etwa für Leben,
Gesundheit, demokratische Freiheiten, für das friedliche Zusammenleben der Menschen
und Völker, für ein menschenwürdiges Leben künftiger Generationen, für die nachhaltige
Stabilisierung der Ökosysteme oder ähnlich gewichtige Rechtsgüter und Werte verbunden
sind oder jedenfalls sein können, zu bedenken, hierauf unmissverständlich im Rahmen der
eigenen Möglichkeiten hinzuweisen und darüber zu informieren sowie sich an
entsprechenden Diskursen in den scientific communities und auch in der allgemeinen
Öffentlichkeit zu beteiligen? Eine solche Offenheit des Wissenschafts- und
Forschungsprozesses für Dissens ist nicht nur angezeigt, um der erfreulicherweise
erhöhten Sensibilität gegenüber den Inhalten und Folgen von Forschung und Wissenschaft
stärker gerecht zu werden, sondern vor allem auch deshalb, weil verantwortliche
Wissenschaft ohne permanente Rückkopplung zwischen wissenschaftlicher Tätigkeit und
dem möglichst offenen (tunlichst "herrschaftsfreien") Diskurs defizitär und letztlich
überfordert bliebe.
Es ist an der Zeit, dass die "Deutsche Forschungsgemeinschaft" und die anderen
Forschungsinstitutionen und -organisationen in dieser Hinsicht ihre Empfehlungen und
Vorschläge "zur Sicherung guter wissenschaftlicher Arbeit" sowie die institutionellen
Voraussetzungen und Verfahren zu ihrer Gewährleistung überarbeiten. Die
Problemperspektive der Unredlichkeit einzelner Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler greift zu kurz. Sie fokussiert letztlich "nur" die "schwarzen Schafe".
Insbesondere müssen endlich (auch) die sozialen, institutionellen und ökonomischen
Zusammenhänge und Zwänge, also die Produktionsbedingungen des modernen
Wissenschaftssystems und die daraus resultierenden innerwissenschaftlichen Konflikte, in
den Blick genommen werden. Denn sie sind es vor allem, die die Forschungspfade und die
"Fabrikation" von Wissen sowie die "Produkte" des Forschungsprozesses vor- und mitprägen.
Positive "Grundsätze guter wissenschaftlicher Arbeit" unter Ausblendung dieser
Problemkomplexe zu formulieren und Ombudsman-Strukturen aufzubauen, in denen
diesbezügliche Konflikte gerade nicht aufgerufen und bearbeitet werden können, ist
bestenfalls gut gemeint.
Fussnoten:
1 Das Institut war 1949 auf Initiative des bayerischen Landtagspräsidenten als "Institut zur Erforschung der
nationalsozialistischen Politik" gegründet und 1952 in "Institut für Zeitgeschichte" (IfZ) umbenannt worden.
Zunächst wurde es vom Bund sowie den Bundesländern Bayern, Hessen und Baden-Württemberg finanziert;
diese entsandten auch die Vertreter ins Kuratorium des IfZ, das den Generalsekretär berief und die
wesentlichen finanziellen und forschungspolitischen Entscheidungen traf; daneben fungierte ein – beratender
- wissenschaftlicher Beirat aus 15 Mitgliedern; vgl. dazu Helmut Krausnick, Das Institut für Zeitgeschichte
in München, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 86 vom 8.5.1953, S.
735; Helmut Auerbach, Die Gründung des Instituts für Zeitgeschichte, in: VjZ 18 (1970), S. 529 ff; zu den
Kontroversen in der Frühgeschichte des IfZ vgl. u.a. Nicolas Berg, Der Holocaust und die westdeutschen
Historiker, 2003, S. 270ff
2 Seine heutige öffentlich-rechtliche Struktur als "Stiftung zur wissenschaftlichen Erforschung der
Zeitgeschichte" erhielt das IfZ 1961. Seitdem ist das IfZ eine rechtsfähige öffentliche Stiftung bürgerlichen
Rechts. Stifter sind die Bundesrepublik Deutschland sowie die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg
und Hessen. Heute stellen neben den vier Stiftern zusätzlich die Bundesländer Brandenburg, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen und Sachsen Haushaltsmittel für des IfZ zur Verfügung. Der Stiftungsrat des IfZ
besteht aus drei Vertretern des Bundes sowie je einem Vertreter aus den beteiligten Ländern, die die Stiftung
errichtet haben (Bayern, Baden-Württemberg und Hessen) und vier Vertretern aus den übrigen vier Ländern.
Jedes Mitglied des Stiftungsrats führt eine Stimme, die drei Vertreter des Bundes haben zusammen vier
Stimmen. Seit 1977 gehört das IfZ zu den Instituten der "Blauen Liste" (vgl. dazu Deiseroth, Berufsethische
Verantwortung in der Forschung, 1987, S. 54 f und 111 ff m.w.N.), die seit 1995/97 in der
"Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz" zusammengeschlossen sind. Das IfZ wird auf der
Grundlage der "Ausführungsvereinbarung Forschungseinrichtungen" (AV-FE) vom Bund und von den
beteiligten Ländern gemeinsam gefördert. Die Gesamtausgaben des IfZ (2001: ca. 5,4 Mio. €) basierten in
den Jahren 1999 bis 2001 zu gut 70 % auf institutioneller Förderung. Im Jahr 2001 stammten von den 1,5
Mio. € Ausgaben, die durch Drittmittel finanziert wurden, 79 % vom Bund, 17 % von den Ländern, 0,2 %
von der DFG und 4 % aus sonstiger Forschungsförderung (vgl. dazu den Evaluierungsbericht des Senats der
Leibniz-Gemeinschaft vom 20.11.2003 - "Stellungnahme zum Institut für Zeitgeschichte").
Die das IfZ tragende öffentliche Stiftung verfügt über vier Organe: den Stiftungsrat, den Vorsitzenden bzw.
die Vorsitzende des Stiftungsrates, den Beirat sowie den/die Direktor/in des Instituts; daneben besteht ein
(wissenschaftlicher) Beirat. Der Stiftungsrat stellt Richtlinien für Organisation und Verwaltung des IfZ auf.
Er beschließt den jährlichen Haushaltsplan des Instituts und über die Verwendung der der IfZ zufließenden
Mittel. Der Beirat begleitet die wissenschaftliche Arbeit des IfZ und begutachtet die vorliegenden
Manuskripte der Institutsmitarbeiter/-innen und der institutsexternen Autoren. Die Arbeitsplanung wird im
Zusammenwirken von Institutsleitung (Direktor/in und stellv. Direktor/in) und wissenschaftlichen
Mitarbeiter(inne)n festgelegt. Die Konzepte für die großen Projekte werden im Wissenschaftlichen Beirat
vorgestellt und diskutiert. Die wichtigsten Arbeitsbereiche des IfZ waren und sind vor allem der Aufbau und
die Unterhaltung eines umfangreichen zeitgeschichtlichen Facharchivs, die Publikation der Fachzeitschrift
"Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte" (VjZ), die Herausgabe einer eigenen Schriftenreihe sowie von
Monographien, Editionen und Materialien zur Zeitgeschichte. In den letzten Jahren geriet das IfZ ungeachtet
der langjährigen großen Anerkennung, die es für seine Arbeit im In- und Ausland gefunden hatte, in starke –
möglicherweise seine weitere Existenz bedrohende - Kritik, zunächst 1996 durch den Evaluierungsausschuss
des Wissenschaftsrates und 2003 durch den Senat der Leibniz-Gemeinschaft.
3 vgl. u. a. H. Fischler, Das falsche Urteil zum Reichstagsbrand, in: Rheinischer Merkur Nr. 50 vom
10.12.1993, S. 36; ders., Der Spiegel und der Reichstagsbrand 1993, in: Wuppertaler Nachrichten 1996, Nr.
7 vom 13.4.1996 sowie Nr. 8 und 9; ders.: Die verflixten Namensschilder, in: Junge Welt v. 28.2.1998;
ders./Holger Becker, "aus…allgemeinpolitischen Gründen unerwünscht", in: Die Weltwoche Nr. 45 v.
9.11.2000
4 Aufsehen erregte Hersch Fischler auch mit seinen Arbeiten zum "Nazi-Raubgold" (vgl. dazu H.Fischler,
Das Totengold der Europäischen Juden und die Deutschen Großbanken, in: 1999. Zeitschrift für
Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, Bern, Heft 1/1998) sowie zum Verhalten des Bertelsmann-
Verlages in der NS-Zeit (vgl. dazu u.a. H. Fischler, Helle Zukunft, Dunkle Vergangenheit, in: Weltwoche v.
29.10.1998; ders./John Friedman, Bertelsmann’s Nazi Past, in: The Nation v. 28.12.1998 und vom
11.8.1999)
5 Vgl. dazu die zahlreichen kontroversen Publikationen in: Reichstagsbrandforum der Landesbibliothek
Berlin (http://www.zlb.de/projekte/kulturbox-archiv/brand); vgl. ferner u.a. Christian Semler,
Reichstagsbrand 1933, mehr als ein Kriminalfall, in: taz-Magazin Nr. 6306 v. 25.11.2000, S. III; Joachim
Günther, Fragen an Rudolf Augstein, in: NZZ Nr. 287 v. 8.12.2000, S. 66; Fischler, FAZ v. 9.4.2001; Frhr.
von Bismarck, FAZ 25.4.2001; NET-Zeitung.DE v. 27.2.2001; Alexander Bahar/Wilfried Kugel, Der
Reichstagsbrand, 2001; Der Spiegel Nr. 15/2001, S. 38 - 58 ( "Flammendes Fanal"); Hans Mommsen,
Stellungnahme vom 3.3.2003 gegenüber dpa (in: http://de.news.yahoo.com/030303/3/3bmnp.html; A. Bahar,
Tektonische Platen in Bewegung versetzt, in: Junge Welt v. 25.9.2003; SWR-Fernseh-Dokumentation
"Neues vom Reichstagsbrand" vom 26.2.2003 (Wiederholung im Fernsehsende Phoenix am 6.9.2003; SWRHörspiel
von Anna Langhoff "Brandrodung Berlin" vom 27.2.2003
6 Reichsgericht, Urteil v. 23.12.1933, Az.: 15 J 86/33 (bisher nicht veröffentlicht)
7 Im Urteil heißt es dazu: "An der Vorbereitung und Anlegung dieses Brandes im Plenarsaal sind mindestens
ein, wahrscheinlich mehrere Mittäter van der Lubbes beteiligt gewesen. Einer dieser Täter hat das
Reichstagsgebäude kurz vor oder nach 21 Uhr durch das Südportal II, das von anderer Hand aufgeschlossen
und aufgeriegelt und hinter ihm wieder ordnungsgemäß verschlossen wurde, verlassen und sich eiligen Laufs
in Richtung Königsplatz entfernt.", S. 20 im Urteilsumdurck
8 Historisch bekannte Beispiele für eine solche Funktionalisierung: z.B. die politischen Attentaten auf
Bismarck (1878) und den französischen Präsidenten (1894), vgl. dazu u.a. Iring Fetscher, Terrorismus und
Reaktion, 1977, S. 8f sowie August Bebel, Attentate und Sozialdemokratie (1898), in: Fetscher, a.a.O., S.
123ff; vgl. ferner die Vorgänge um den 1983 erfolgten Abschuss einer koreanischen Passagiermaschine über
sowjetischem Territorium (vgl. dazu u.a. A. Snyder, Die Wahrheit über Flug KAL 007, in: Die Zeit v.
4.10.1996), die Inszenierung angeblicher Morde irakischer Soldaten an kuwaitischen Babies im
unmittelbaren Vorfeld des Golfkrieges von 1991 (vgl. dazu u.a. Frankfurter Rundschau v. 1.4.1992;
Sendemanuskript des Westdeutschen Rundfunks. Redaktion Monitor. Sendemanuskript vom 30.3.1992; J.R.
MacArthur, Die Schlacht der Lügen, 1993, S. 46ff); vgl. auch die aktuellen Debatten um die Rolle v "9/11"
für den US-Angriff auf Irak im Jahre 2003.
9 vgl. VjZ 49 (2001), Heft 3 ("Zur Kontroverse über den Reichstagsbrand")
10 Hans Mommsen, Der Reichstagsbrand und seine politischen Folgen, VjZ 12 (1964), S. 351 – 413; ders.,
in: U.Backes/K.-H.Janßen/E.Jesse/H.Köhler/Hans Mommsen: Reichstagsbrand. Aufklärung einer
historischen Legende, 1986; Hans Mommsen: Vom Wuchern der Hypothesen, in: FAZ v. 16.4.1986, S. 31
11 so Hans Mommsen in einem – von Hersch Fischler aufgefundenen – Brief an Prof. Hans Rothfels, den
damaligen verantwortlichen Herausgeber der VjZ, vom 1.3.1964 (Bundesarchiv Koblenz, NL 1213, Bd. 48)
12 Der Spiegel ab Heft Nr. 43/1959 bis Nr. 1-2/1960
13 Fritz Tobias, Der Reichstagsbrand. Legende und Wirklichkeit. Rastatt 1962
14 vgl. u.a. Hans Mommsen, Nichts von Manipulation, in: taz-Magazin Nr. 6303 vom 25.11.2000, S. III15 vgl. dazu u.a. Hans Mommsen, Die Last der Vergangenheit, in: Jürgen Habermas (Hrsg.), Stichworte zur“Geistigen Situation” der Zeit, Band 1, 1979, S. 164 ff; ders., Hannah Arendt und der Prozeß gegen AdolfEichmann, in: Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem, 7.Aufl. 1991 (Neuausgabe von 1986), S. I - XXXVII;ders., Zeitgeschichte als ‚kritische Aufklärungsarbeit‘, in: GuG 17 (1991), S. 141ff; ders., Die dünne Patinader Zivilisation. Der Antisemitismus war eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für denHolocaust, in: Die Zeit Nr. 36 v. 30.8.1996; ders., Von Weimar nach Auschwitz, 1999; ders.: Kameraderieund Karrieren, in: FR 30.3.2002, S. 2216 vgl. VjZ 49 (2001), Heft 317 vgl. Seite 3, dritter Absatz des von Hans Mommsen unterzeichneten Vermerks18 so die These von Hersch Fischler in einem Schreiben an die heutige Leitung des IfZ und in seinem indiesem Buch unten abgedruckten Beitrag19 vgl. dazu unten Abschnitte IV und V.20 kritisch dazu u.a. Karl Acham, Grundlagenprobleme der Geschichtswissenschaft, in: Acham u.a.,Methoden der Geschichtswissenschaft und der Archäologie (10. Lieferung der Enzyklopädie dergeisteswissenschaftlichen Arbeitsmethoden, 1974, S. 3 ff (8)21 Robert Merton, Die normative Struktur der Wissenschaft (erschienen unter dem Titel ”Science andTechnology in a Democratic Order”, in: Journal of Legal and Political Sociology 1 (1942), S. 115 ff),nachgedruckt in: ders., Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen, Frankfurt 1985, S. 86 ff22 "Communalism" (allgemeine Zugänglichkeit, Öffentlichkeit), "Universalism" (Universalität,Allgemeingültigkeit), "Disinterestedness" (Uneigennützigkeit, keinem Interesse verpflichtet), "Originality"(Originalität, einen spezifischen Erkenntnisfortschritt bringend) und "Scepticism" (organisierterSkeptizismus; Unabgeschlossenheit und Offenheit, dem fortwährenden Zweifeln und der Erkenntnisverpflichtet, dass der Erkenntnisprozess prinzipiell nie abgeschlossen ist und fortwährender Kritik undWeiterentwicklung bedarf). Diese Normen, die (nach den Anfangsbuchstaben der fünf Begriffe) sogenannten CUDOS, werden als Kriterien ”guter Wissenschaft” gemeinhin als prägend für die ”academicsciences” verstanden. Mit ihrer Gewährleistung soll erreicht werden, dass sich zuverlässig und tunlichstintersubjektiv überprüfbar Wissen akkumuliert und für die Zukunft abrufbar ist.”Objektivität” soll so ineinem prinzipiell offenen und freien Diskurs, einem kollektiven öffentlichen Prozess, der prinzipiellunabgeschlossen ist, angestrebt werden.23vgl. dazu u.a. Wolfgang Liebert, Wissenschaft jenseits der Wertfreiheitshypothese, in: Hans-JürgenFischbeck/Jan C.Schmidt, Wertorientierte Wissenschaft, Berlin 2002, S. 61 ff (68) unter Berufung auf dieVeröffentlichungen von Henry Etzkowitz, The norms of entrepreneural science. Cognitive effects of the newuniversity-industry linkage, in: Research Policy, 27 (1998), S. 823 ff, sowie Etzkowitz, Academia,interrupted: normative change in science. In: The Journal of Science and Health Policy, Vol. 1/No. 1, 2000,S. 1 ff24 Liebert, a.a.O., S. 6925 vgl. dazu u.a. Deiseroth, Berufsethische Verantwortung in der Forschung, 1987, S. 157ff26 Der Name “Blaue Liste” stammt von der Farbe des Papiers, auf der die Liste der nach Art. 91b GG zufördernden Forschungseinrichtungen bei der Schaffung der “Rahmenvereinbarung Forschungsförderung” imJahre 1975 gedruckt war, vgl. dazu Deiseroth, Berufsethische Verantwortung in der Forschung, 1987, S. 11127 vgl. dazu die Berichte in der “Süddeutschen Zeitung” v. 16.1.2004 und in der “Frankfurter Rundschau” v.17.1.200428 vgl. dazu aus hermeneutischer Sicht H.-G. Gadamer, Historik und Sprache – Eine Antwort, in: ReinhartKosselleck/Hans-Georg Gadamer, Historik, Sprache und Hermeneutik, Heidelberg 1990 (Erstdruck 1987):"Nur dann, wenn wir uns der möglichen Gegensicht aussetzen, haben wir Chancen, über die Enge unserereigenen Voreingenommenheiten hinauszugelangen."29 Sie wurde beschlossen von der UNESCO-General-Konferenz am 23.11.1974; sie ist u. a. abgedruckt in:Bundestags-Drucksache 7/396330 Die Aussage zur Unverzichtbarkeit eines freien Kommunikations-Prozesses negiert allerdings nicht, dasses z.B. rechtliche Grenzen der Forschung selbst gibt und geben darf; dies ist innerstaatlich eine Frage desVerfassungsrechts; Grenzen ergeben sich im deutschen Verfassungsrecht etwa aus dem Gebot zum Schutzder menschlichen Würde (Art. 1) und dem Verbot, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (Art.26 Abs.1 GG).31 vgl. BVerfGE 69, 315 ff, 34632 In Deutschland war es insbesondere der Skandal um die Krebsforscher Brach und Hermann, die jahrelangdie Ergebnisse ihrer Experimente gefälscht, teils manipuliert, teils dem Erkenntnisstand entsprechend freierfunden hatten; vgl. dazu u.a. Rainer Flöhl, Vom Schwindel zum Betrug, in: FAZ v.8.8.2002, S. 1; vgl.dazu auch jüngst die Fälle des Physikers Jan Hendrik Schön (Uni Konstanz), in: SZ v. 27.9.2002 (“Genieund Wahrheit”) und vom 8.7.2004 sowie des Direktors des Institut für Anthropologie und HumangenetikProf. Reiner Protsch (Uni Frankfurt/Main) , FR v. 17.8.200433 Dies ist an sich kein neues Thema der letzten Jahre, vgl. dazu das umfangreiche Material bei. WilliamBroad/Nicholas Wade, Betrayers of the Truth. Fraud and Deceit in the Halls of Science, Simon & Schuster,New York 1982 (dt. Ausgabe unter dem Titel Betrug und Täuschung in der Wissenschaft, Basel 1984); vgl.ferner Federico DiTrocchio, Der große Schwindel. Betrug und Fälschung in der Wissenschaft,Frankfurt/Main, 2. Aufl. 199534 Das ORI ist eine im US-Gesundheitsministerium (“Department of Health and Human Services”)ressortierende Behörde, die für alle Bereiche des öffentlichen Gesundheitswesens (Public Health Service)mit Ausnahme der “Food and Drug Administration” (FDA) zuständig ist. Das ORI wird für eine der beidengroßen US-Forschungsförderungsorganisationen tätig, die “National Institutes of Health” (NIH), ebenfallseiner Bundesbehörde im Geschäftsbereich des US-Gesundheitsministeriums; die andere große USForschungsförderungsorganisation,die “National Science Foundation” (NSF) - auch sie eine selbständigeBundesbehörde -, hat für die Rechnungskontrolle und damit auch die Aufdeckung von Unregelmäßigkeitenund Betrügereien der geförderten Institute ein eigenes Organ (OIG).35 Office for Research Integrity, Handbook for Institutional Research Integrity Officers. Washington, D.C.1997, veröffentlicht in: http://www.ori.dhhs.gov/. In diesem Leitfaden werden den zuständigen Stellen dergeförderten Forschungseinrichtungen Anregungen und Hilfen gegeben, um besser mit Fällenwissenschaftlichen Fehlverhaltens umgehen zu können.36 Zu den empirischen Wirkungen dieser Bemühungen in den USA vgl. u.a CHPS Consulting, Final Report.Analysis of Institutional Policies for Responding to Allegations of Scientific Misconduct, September 29,2000, Columbia, MD; vgl. ferner Research Triangel Institute (RTI), Consequences of Whistleblowing for theWhistleblower in Misconduct in Science Cases. Final Report, October 30, 1995, Washington, DC;37 Medical Research Council. Policy and procedures for inquiring into allegations of scientific misconduct.MRC ethics series. London, 1997, veröffentlicht in: http://www.mrc.ac.uk/; Medical Research Council.BBSRC Statement on safeguarding good scientific practice. London 1999; veröffentlicht in:http://www.bbsrc.ac.uk/38The Danish Committtee on Dishonesty. Guidelines for Good Scientific Practice. Copenhagen, 1998;veröffentlicht in: http://www.forsk.dk/eng/eng_links.htm39Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften: Integrität in der Wissenschaft. Richtliniender SAMW für wissenschaftliche Integrität in der medizinischen und biomedizinischen Forschung und fürdas Verfahren bei Fällen von Unlauterkeit vom Juni 2002, in: Schweizerische Ärztezeitung, 2002 Nr. 43, S,83 ff (abrufbar unter: http:// www.samw.ch)40 DFG, Empfehlungen der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft": "Vorschläge zur Sicherungguter wissenschaftlicher Praxis" vom Januar 1998 und "Verfahrensgrundsätze des Ombudsmans der DFG"(in: http://www.dfg.de)41 Max-Planck-Gesellschaft: Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten – Verfahrensordnung-, Beschluss des Senats vom 14.11.199742 zur DFG, ihren Arbeitsstrukturen sowie ihren Funktionen und Leistungen vgl. u.a. Deiseroth,Berufsethische Verantwortung in der Forschung, a..a.O., S.117ff43Empfehlung 1644 Empfehlung 3: “Die Leitung jeder Hochschule und jeder Forschungseinrichtung trägt die Verantwortungfür eine angemessene Organisation, die sichert, dass in Abhängigkeit von der Größe der einzelnenwissenschaftlichen Arbeitseinheiten die Aufgaben der Leitung, Aufsicht, Konfliktregelung undQualitätssicherung eindeutig zugewiesen sind und gewährleistet ist, dass sie tatsächlich wahrgenommenwerden.”45 Empfehlung 4: “Der Ausbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses muss besondereAufmerksamkeit gelten. Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollen Grundsätze für seine Betreuungentwickeln und die Leitungen der einzelnen wissenschaftlichen Arbeitseinheiten darauf verpflichten.”46 Empfehlung 7: “Primärdaten als Grundlage für Veröffentlichungen sollen auf haltbaren und gesichertenTrägern in der Institution, wo sie entstanden sind, für zehn Jahre aufbewahrt werden”.47 Empfehlung 11: “Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Veröffentlichungen tragen dieVerantwortung für deren Inhalt stets gemeinsam. Eine so genannte ‘Ehrenautorenschaft' ist ausgeschlossen.”48 vgl. Empfehlung 849 Ihr Präsident ist zur Zeit der frühere Präsident der “Bundesvereinigung der Deutschen Industrie” (BDI)Hans-Olaf Henkel50 Gemeint: relevant im Sinne der DFG-Empfehlungen zur Sicherung “guter wissenschaftlicher Praxis” undderen ”Grundsätzen” und “Regeln”51 “Wissenschaftliche Unredlichkeit” wird definiert als “die bewusste Verletzung elementarerwissenschaftlicher Grundregeln; vgl. Empfehlungen der DFG-Kommission “Selbstkontrolle in derWissenschaft”, Abschnitt I. Empfehlungen, Vorbemerkung52 ebd.53 Diese – von Hans Schneider völlig unabhängigen - objektiven Schwierigkeiten der wissenschaftlichenBearbeitung des Themas ergaben sich für die IfZ-Leitung nicht zuletzt auch daraus, dass “derReichstagsbrand” bereits in der Sitzung des Instituts-Beirats vom 11.9.1950 in die Liste derThemenvorschläge aufgenommen worden war, die als Arbeitsgrundlage des Instituts dienen sollten, jedochsich in der Folgezeit als schwer bearbeitbar erwies; vgl. dazu u. a. Nicolas Berg, Der Holocaust und diewestdeutschen Historiker, a.a.O., S. 28354 Dabei kann und soll hier offen bleiben, in welcher Breite und in welchem Umfang Hans Mommsen fürdiesen in den VfZ publizierten Aufsatz, der als Ersatz für die Schneider-Studie konzipiert war, eigeneForschungen in Archiven an Hand der Primärquellen (insbesondere der schwer zugänglichen Aktenbeständeüber die Ermittlungen der Strafverfolgungsorgane pp) sowie durch die Ermittlung und Befragung vonZeitzeugen vornahm oder ob er sich auf eine allenfalls partielle Überprüfung der zentralen Thesen von FritzTobias beschränkte und u. a. sogar Eidesstattliche Versicherungen der beiden 1933 ermittelndenKriminalbeamten Zirpins und Braschwitz “erfand, die es nicht gab” (so ein Vorwurf Hersch Fischlers inseiner von Mommsen bisher nicht erwiderten “Fehlerliste”, in: http://www.zlb.de/projekte/kulturboxarchiv/brand).55 Vgl. dazu u.a. Deiseroth, Berufsethische Verantwortung in der Forschung, 1987, S. 23 ff m.w.N. sowie498 ff
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