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13 August 2007

RAF Terror vom Staat gemacht, Staatsterror BRD, Gladio

Gerhard Wisnewski, Münchner Buchautor (Das RAFPhantom, Verschlusssache Terror) und Geheimdienstkritiker

RAF hat dem Staat genutzt

Experte bezweifelt Aufklärung

Die SPD will die Kronzeugenregelung wieder einführen, um das Schweigen von ehemaligen RAFMitgliedern zu brechen. Wird das etwas bringen?

Gerhard Wisnewski: Nein, weil die Kronzeugenregelung nicht zur Wahrheit, sondern zu noch mehr Lügen führt. Wer auf eine Hafterleichterung oder Strafnachlass hofft, wird leichter Dinge erzählen, die die Behörden hören wollen.

Sogar Details des Anschlags auf Bundesanwalt Buback gelten plötzlich wieder als unaufgeklärt, weil der Verfassungsschutz Informationen über den wahren Schützen nicht weitergegeben haben soll. Kommen wir wirklich einer neuen Wahrheit näher?


Wohl kaum. 30 Jahre nach dem Deutschen Herbst soll die offizielle Version lediglich etwas feinjustiert werden. Die RAF als großes Ganzes wird gar nicht hinterfragt. Man gibt lediglich dem moralischen und öffentlichen Druck der Hinterbliebenen nach, die genau wissen wollen, wer ihre Angehörigen ermordet hat. Aber der Staat hat die RAF-Leute meistens als Kollektiv verurteilt, ohne die Frage nach den Tätern im Einzelnen zu klären.

Glauben Sie dem Ex-Terroristen Boock?


In diesem Punkt nicht, weil er auch instrumentalisiert sein könnte. Außerdem ist seine Aussage eine Mogelpackung. Auch er sagt im "Spiegel": "Ich war nicht dabei, über die interne Aufteilung der Rollen kann ich nichts sagen."

Sie vertreten die These, dass es die RAF spätestens ab den 80er Jahren gar nicht mehr gegeben hat und sie nur ein Phantom war. Der Staat war also Teil der RAF?


Ohne ihn hätte es die RAF nicht gegeben. Bereits in der Ursuppe der RAF, bei den Demonstrationen gegen Springer am 11. April 1968, lieferte der Berliner Verfassungsschützer Urbach die ersten Molotowcocktails und baute intensiven Kontakt zu Andreas Baader auf. Nicht zu vergessen sind auch Anschläge wie der von der GSG 9 auf das Gefängnis in Celle, der acht Jahre lang als linker Terror verkauft wurde.

Doch wem sollte das nutzen?


Leuten, die die abenteuerlichsten Sicherheitsgesetze durchboxen wollten, wie heute auch Innenminister Schäuble. Der LKA-Chef Waldemar Burghard sagte einmal: "Solange Ulrike Meinhof auf freiem Fuß war, konnten wir genug Ausrüstung bestellen." Die RAF war der Stachel im Fleisch des Staates -- mit dem er seine Muskeln aufbaute. Peter Jürgen Boock zufolge wurde die RAF des öfteren wie die Ochsen am Nasenring von den Geheimdiensten durch die Arena geführt.

Der gleiche Boock, dem sie heute aber nicht mehr glauben wollen.

Ja, aber die Aussage passt zum geheimdienstlichen Hintergrund der RAF. Außerdem ist sie wohl kaum eine Gefälligkeit gegenüber den Behörden.

1998 löste sich die RAF offiziell auf. Von wem kam die Erklärung?


Im Gegensatz zu manchen Schreiben Baaders war sie nicht mit einem Fingerbabdruck unterzeichnet, die Herkunft der Auflösungserklärung ist unklar.

Werden die Attentate der RAF je aufgeklärt?


Auch wenn irgendwann Akten freigegeben werden sollten, glaube ich nicht an vollständige Aufklärung. Wenn der Staat wirklich mitgemischt haben sollte, wird er die Beweise dafür auch vernichtet haben.

INTERVIEW : WALTHER SCHNEEWEIS TZ ZEITUNG
http://www.gerhard-wisnewski.de/modules.php?name=Downloads&d_op=getit&lid=20



Das RAF-Phantom

Das RAF-Phantom ist ein 1992 erschienenes Sachbuch der Journalisten Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker. Seine Fakten zur sogenannten dritten Generation der Rote Armee Fraktion sind heute offentsichtlich. Nach der zentralen Aussage des Buchs wurden die von 1985 bis 1991 durchgeführten Terroranschläge nicht von der RAF, sondern von Geheimdiensten begangen. Gekaufte Kritiker des Buchs bewerten dies als haltlose Verschwörungstheorie.

Hintergrund

Die Autoren wurden von ihren journalistischen Recherchen im Mordfall Alfred Herrhausen (1989) zu dem Buch angeregt. Der damalige Kronzeuge der Bundesanwaltschaft, Siegfried Nonne, hatte in einem von den Autoren erstellten Beitrag des WDR-Magazins Monitor 1992 sein gesamtes Geständnis widerrufen. Darin hatte er zuvor mehrere mutmaßliche RAF-Mitglieder schwer belastet. Bei ihren weiteren Recherchen sammelten die Autoren umfangreiches Material an Zeugenaussagen und offiziellen Ermittlungsergebnissen. Dabei stießen sie auf – ihrer Meinung nach – starke Unstimmigkeiten in den offiziellen Untersuchungsergebnissen. Dies führte zu weiteren Recherchen über frühere Morde der RAF, bei denen die drei Journalisten ähnliche Unstimmigkeiten wie im Fall Herrhausen zu erkennen glaubten. Weil sie offenbar Zugang zu geheimen Behördenunterlagen gehabt hatten, wurden sie in der Folge das Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und Hausdurchsuchungen[1]. Das Buch erschien 1997 in einer überarbeiteten zweiten Auflage.

FAKTEN

Die Thesen der Autoren lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Mitglieder der ersten und zweiten Generation der RAF hatten z.B. bei Banküberfällen und Konfrontationen mit der Polizei deutliche Spuren hinterlassen, die jeweils nach spätestens wenigen Jahren zu ihrer Verhaftung führten. Dabei waren sie zuvor meist längere Zeit von den Behörden observiert worden. Laut den Autoren hätten die Mitglieder der dritten Generation dagegen praktisch keine Spuren hinterlassen und nach Angaben der Behörden über mehrere Jahre quasi als Phantome innerhalb der Gesellschaft gelebt, wobei die Ermittler lange Zeit fast völlig im Dunkeln tappten. Dies sei ein auffallender Widerspruch, zumal der Ermittlungsapparat im Laufe des Kampfs gegen die RAF immer effektiver geworden sei und daher die schlechten Ergebnisse unglaubhaft seien.
  • Es wurden kaum Mitglieder der sogenannten dritten Generation der RAF lebend gefasst. Mehrere mutmaßliche Mitglieder starben bei Verhaftungsversuchen, etwa Wolfgang Grams und Horst Ludwig Meyer. Konkrete Tatvorwürfe gegen lebend gefasste Verdächtige erwiesen sich später zum Teil als nicht haltbar und wurden fallengelassen, zum Beispiel in den Fällen Andrea Klump und Christoph Seidler. Dies stehe laut den Autoren in auffallend starkem Gegensatz zur Geschichte der vorigen Generationen der RAF, deren Mitglieder jeweils zum größten Teil verhaftet und nach aufwändigen Verfahren zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Dagegen ist nur ein Mitglied der dritten Generation für der RAF zugeschriebene Morde verurteilt worden, Birgit Hogefeld. Laut den Autoren basiere das Urteil in ihrem Fall auf einer Reihe fragwürdiger Indizienbeweise, zum Beispiel einem graphologischen Gutachten.
  • Im Gegensatz zu den früheren RAF-Terroristen hinterließ die dritte Generation praktisch keine verwertbaren Spuren an den Tatorten. Dementsprechend seien die einzigen Beweise für die Täterschaft der RAF die Bekennerschreiben. Laut den Autoren sollen diese Schreiben keine Merkmale aufweisen, die nicht auch eine beliebige dritte Person hätte produzieren können, und die sie als authentisch identifizieren. Vielmehr weisen angeblich mehrere Indizien in den Schreiben auf eine Fabrikation durch Dritte hin. Zudem sei die Echtheit der Bekennerschreiben von den Behörden jeweils in auffallend kurzer Zeit bestätigt worden, ohne dass vorher kriminaltechnische Untersuchungen durchgeführt worden wären.
  • Die offiziellen Ermittlungsergebnisse in den entsprechenden Mordfällen seien von so vielen Ungereimtheiten geprägt, dass dies auf zielgerichtete Manipulation von dritter Seite schließen lasse.
  • Die Anschläge der dritten Generation hätten darüber hinaus eine sehr hohe Präzision und aufwändige Planung erfordert, die die Fähigkeiten einer aus autodidaktischen Terroristen bestehenden Terrorgruppe deutlich überstiegen habe.
  • Die meisten Mordopfer hätten berufliche Hintergründe gehabt, die eine Ermordung durch Dritte plausibel erscheinen ließen. Laut den Autoren seien diese vermeintlichen Motive in mehreren der Mordfälle ähnlich und deuteten angeblich auf ausländische Geheimdienste als eigentliche Täter. Dabei nennen sie als ihren Hauptverdächtigen die CIA, deren Verstrickung in ähnliche Operationen bereits mehrfach nachgewiesen sei. Als Beispiel nennen die Autoren die als Strategie der Spannung bekannt gewordenen Vorgänge in Italien. Dort wurden eine Anzahl terroristischer Anschläge der 1970er und 1980er Jahre, die ursprünglich den Roten Brigaden angelastet worden waren, ab 1986 erneut untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die eigentlichen Täter mit der NATO-Organisation Gladio und italienischen Geheimdiensten kooperierende Rechtsextremisten waren. Außerdem stellte sich heraus, dass die Roten Brigaden zum Teil von Geheimdienstmitarbeitern unterwandert waren.

Nachspiel

Im Jahr 1995 stellte die Bundestagsfraktion der Grünen eine kleine parlamentarische Anfrage mit dem Titel Der Kronzeuge Siegfried Nonne und die Rolle der Sicherheitsbehörden [3] an die Bundesregierung, die die Darstellung der Behörden zum Mord an Alfred Herrhausen hinterfragte. Sie bezog sich in wesentlichen Teilen auf Aussagen des Buchs.

In einem Gespräch mit dem Magazin Der Spiegel bestätigte Birgit Hogefeld, die ehemalige Lebensgefährtin des verstorbenen RAF-Mitglieds Wolfgang Grams, 1997 indirekt die Beteiligung der RAF an den Morden an Herrhausen und Detlev Karsten Rohwedder, schwieg allerdings auf die Frage nach einer möglichen persönlichen Involvierung[4]. Direkt auf das Buch angesprochen, und ob es in RAF-nahen Kreisen ernsthaft diskutiert worden wäre, meinte sie:

"Im RAF-Umfeld nicht. In den linksradikalen Zusammenhängen, die ich kenne, hatte dieser Unsinn nie eine Bedeutung. Aber natürlich hing die Tatsache, daß das überhaupt jemand ernst nahm, damit zusammen, daß die RAF in den achtziger Jahren von der legalen Linken sehr isoliert war. So wurde das auch diskutiert: als Ergebnis eigener Fehler."

Zumindest die Kritik der Autoren an der von den Behörden vertretenen Version zum Herrhausen-Mord wurde bestätigt, als diese Ende der 1990er nach und nach zusammenbrach. Mittlerweile sind die ursprünglich Beschuldigten, Christoph Seidler und Andrea Klump, durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Generalbundesanwalts von der Verantwortung für die Tat und vom Vorwurf der RAF-Mitgliedschaft entlastet.

Aufgrund einer im Jahre 2001 durchgeführten DNA-Analyse von Haarspuren am Tatort der Ermordung Rohwedders, die eine Zuordnung zu Grams erbrachte, deutete sich erstmals eine konkrete Widerlegung der im Buch vertretenen Thesen an [5]. Die Bundesanwaltschaft benannte Grams allerdings ausdrücklich nicht als Tatverdächtigen, da sie dieses Indiz als nicht ausreichend bewertete [6]. Zudem wurden von einigen Seiten Zweifel an der Aussagekraft der Haarspur geäußert. Dies beruhte unter anderem auf Zweifeln an der wissenschaftlichen Qualität des Untersuchungsergebnisses[7] und auf dem Zeitpunkt der Identifizierung, die erst acht Jahre nach Grams' Tod vorgenommen wurde. Auf eine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion [8] hatte die Bundesanwaltschaft zugegeben, dass eine Überprüfung von Haaren auch zu einem früheren Zeitpunkt ohne eine DNA-Analyse möglich gewesen wäre, diese aber nicht durchgeführt worden war, weil nach Grams Tod zwar eine Blut-, aber keine Haarprobe entnommen worden sei [9] [10].

Die für die Morde an Ernst Zimmermann, Karl Heinz Beckurts, Gerold von Braunmühl, Alfred Herrhausen und Detlev Karsten Rohwedder verantwortlichen Täter wurden bis heute nicht zweifelsfrei identifiziert. Die einzigen in diesem Zusammenhang genannten Personen, Horst Ludwig Meyer und Wolfgang Grams, starben bei Verhaftungsversuchen.

Literatur

  • Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker: Das RAF-Phantom. Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen. Droemer Knaur, München, 2. Auflage, Februar 1997, ISBN 3-426-80010-1Buchauszug

Film

Auf der Grundlage des Buchs entstand im Jahr 2000 der preisgekrönte Fernsehfilm Das Phantom.

Referenzen

  1. Vom RAF-Phantom eingeholt. Proteste gegen Durchsuchung bei Monitor-Mitarbeitern. Süddeutsche Zeitung, 3. März 1994
  2. Gerd Rosenkranz: Im Nebel der „Dritten RAF-Generation“. taz – die tageszeitung, 23. Januar 1993
  3. Bundestagsdrucksache 13/533 vom 13. Februar 1995: Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion: Der Kronzeuge Siegfried Nonne und die Rolle der Sicherheitsbehörden.
  4. Hogefeld über die Rote Armee Fraktion:"Wir waren sehr deutsch". Der Spiegel, Nr. 42, 13. Oktober 1997, S. 169
  5. Das „RAF-Phantom“ nimmt Gestalt an - Nach zehn Jahren erste heiße Spur im Mordfall Rohwedder, afp 16. Mai 2001
  6. Mordfall Rohwedder: Hogefeld soll vernommen werden, WDR online, 17.Mai 2001
  7. Helmut Lorscheid: DNA-Analyse als Stimmungsmache? Generalbundesanwalt verweigert Angaben zum angeblichen "Grams-Haarfund". Telepolis, 3. Juli 2001
  8. Bundestagsdrucksache 14/6297 vom 18. Juni 2001: Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS: Neue Verdachtsmomente des Generalbundesanwalts im Mordfall Rohwedder und Berichte über eine angebliche „neue RAF“.
  9. Bundestagsdrucksache 14/6525 vom 2. Juli 2001: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS.
  10. Helmut Lorscheid: Nichts genaues weiß man nicht. Kleine Anfrage bezüglich Grams-"Haarfund" wirft nur neue Fragen auf., Telepolis, 9. Juli 2001



Das Phantom ist eine preisgekrönte TV-Produktion des Jahres 2000. Der Film ist ein Polit-Thriller auf der Grundlage des Buches Das RAF-Phantom.

Handlung

Eigentlich ist es nur eine Routineobservation der Polizisten Leo Kramer (Jürgen Vogel) und dessen Freund und Kollegen Pit Roth (Hilmi Sözer). Aus Langeweile vertreibt man sich die Zeit und singt alte Lieder aufs Oberservationsband (Rio Reisers König von Deutschland). Bis was passiert, kann man es ja wieder löschen. Dann verlässt Leo den Wagen, um Kaffee zu holen. Genau zu diesem Zeitpunkt erscheinen die erwarteten Personen, und als Leo nur eine Minute später zurückkommt, findet er alle kaltblütig ermordet, auch Pit, der im Wagen geblieben war.

Eine Untersuchung setzt ein, aber als auch noch sein Chef ermordet wird und das Tonband verschwindet, verdächtigt man nun Leo - der sich nicht zu Unrecht selbst in Lebensgefahr sieht. Gejagt von Zielfahndern seiner Behörde und von den Killern, muss er sich auf eigene Faust aufmachen, die Hintergründe aufzudecken. Je mehr er mit Bekannten der Observierten spricht, umso mehr erschließt sich ihm, dass er mitten hinein geraten ist in eine politische Staatsaffäre ersten Ranges.

Die Observierten, die unter dem Verdacht standen, die RAF unterstützt zu haben, waren über viele Jahre untergetaucht. Scheinbar wollten sie wieder zurückkehren und einige brisante Details aufdecken. Deren Anwalt zeigt mit Rückblenden in die jüngere BRD-Geschichte auf, dass Attentate auf Wirtschaftsbosse, die der RAF nachgesagt werden, möglicherweise von Staatsorganen durchgeführt wurden.

Leos mit Unterstützung der Anwaltsgehilfin Anna durchgeführten Untersuchungen machen sie zu Staatsfeinden ersten Ranges. Sie müssen von einem Kontakt zum nächsten hasten, immer ihre Verfolger auf den Fersen, die auch nicht davor zurückschrecken, weitere Menschen zu ermorden.

Der Film endet mit Leos Tod. Zwar kam er an das Band, doch die Häscher sind einfach zu nah an ihn herangekommen: in Belgien findet er nur noch einen Toten vor, und bei der Rückfahrt wird er an der Grenze erwartet. Der kleine Feldweg, über den er schleichen will, wird zur Mausefalle. Und während die Kamera in das Gesicht des Sterbenden blickt, sehen wir ein breiter werdendes Lachen: in Umschnitten sehen wir, wie jemand seinen Postkasten öffnet und darin das besagte Band findet.

Ob dieses Band ihn hätte entlasten können, und was die Observierten an Hintergründen ausgesprochen haben, dies scheint nun endlich klar zu werden. Ja vielleicht werden sogar Köpfe auf den höchsten Ebenen rollen. Das Band wird eingelegt, und wir hören wieder Rio Reisers "König von Deutschland", während sich die Kamera dabei in die Totale hinauszieht und der Film abgeblendet wird.

Bedeutung

Bei der Ausstrahlung als Filmausscheid bei 3sat gewann der Film mit überragendem Vorsprung von 80 % der Stimmen den 3sat-Zuschauerpreis 2000. Anschließend wurde diese TV-Produktion auch für den Grimme-Preis nominiert. Der Film setzt die verbreitete Verschwörungstheorie zum Attentat auf Alfred Herrhausen in Szene. Er lässt am Ende einige Fragen offen, was den Zuschauer dazu bewegt soll, sich weiter Gedanken zu machen. Der Film spielt mit einigen Rückblenden und Originalmaterial des Attentats.

Weblinks



Gladio

Entschließung des Europäischen Parlaments 1990: Forderung nach Aufklärung der Terrortätigkeit von Gladio und Protestnote gegen die NATO
Entschließung des Europäischen Parlaments 1990: Forderung nach Aufklärung der Terrortätigkeit von Gladio und Protestnote gegen die NATO

Gladio (ital. vom Lateinischen gladius für Schwert) oder auch Stay-Behind-Organisation war der Name einer Geheimorganisation von NATO, CIA und des britischen MI6 während des Kalten Kriegs. Sie existierte von etwa 1950 bis mindestens 1990 und erstreckte sich über das damalige Westeuropa, Griechenland und die Türkei. Im Zuge der Aufdeckung von Gladio wurde 1990 bekannt, dass Teile der Organisation unter Mitwirkung von staatlichen Organen systematisch und zielgerichtet an gravierenden Terrorakten in mehreren europäischen Ländern beteiligt waren.

Allgemein

Ab Anfang der 1950er Jahre wurden besonders in Italien, aber auch in fast allen anderen westeuropäischen Ländern Agenten ausgebildet, die im Fall einer Besetzung des jeweiligen Landes durch Truppen des Warschauer Pakts Guerillaoperationen und Sabotage durchführen sollten (sogenannte „stay-behind“-Operationen). Zu diesem Zweck wurden europaweit geheime, illegale Waffendepots angelegt. Die Mitglieder von Gladio rekrutierten sich unter anderem aus militärischen Spezialeinheiten, Geheimdienstkreisen und Rechtsextremisten, letztere teilweise mit kriminellem, in der Bundesrepublik Deutschland auch nationalsozialistischem Hintergrund. Die Einheiten wurden vermutlich nach Bekanntwerden der Operation und dem Zerfall der Sowjetunion 1990 aufgelöst, mangels präziser offizieller Stellungnahmen gilt dies aber nicht als gesichert.

Die Existenz der Untergrund-Armeen wurde vor der Bevölkerung und den Parlamenten geheim gehalten und war in den einzelnen Ländern jeweils nur einem kleinen Kreis von Regierungsmitgliedern bekannt. In den einzelnen Ländern wurde die Anwerbung und Führung der Agenten meist von Unterabteilungen der jeweiligen nationalen Geheimdienste übernommen, in der Bundesrepublik Deutschland von einer eigenen Dienststelle des Bundesnachrichtendienstes. Die militärische Befehlsgewalt hatte die geheime Kommandostelle Allied Clandestine Committee im NATO-Hauptquartier SHAPE in Mons.

Struktur

Gladio war in voneinander unabhängige Zellen aufgeteilt, damit die Organisation während einer sowjetischen Besetzung nicht mit einem Schlag liquidiert werden konnte.

Über weitere Details der Struktur existieren nur Spekulationen. Einer dieser Annahmen zufolge waren die jeweiligen Zellen einem bestimmten operativen Aufgabengebiet zugeordnet: zwölf dem Guerillakrieg, zehn der Sabotage und jeweils sechs Zellen der Spionage, der Propaganda sowie der Verbringung von Personen aus dem Besatzungsgebiet.

Die Organisation bestand unklaren Quellen zufolge aus 622 Mitgliedern, 83% davon waren vor 1945 geboren. Im Umfeld der eigentlichen Mitglieder gab es einen größeren Kreis von möglichen Unterstützern für den Fall, dass Gladio hätte aktiv werden müssen. Ein großer Teil dieser möglichen Unterstützer rekrutierte sich aus rechtsgerichteten Bewegungen. Schätzungen gehen von bis zu 15.000 Personen aus.

Ebenfalls nicht überprüfbar sind Angaben über die Anzahl der geheimen, meist unterirdischen Waffenlager. Eine dieser Angaben spricht von 138 Lagern mit meist umfangreichem Sortiment. Bei zwischen 1973 und 1990 vollzogenen Überprüfungen stellte sich heraus, dass aus zwei Lagern in der Nähe von Udine Schusswaffen und Sprengstoffe entwendet worden waren. Die verschwundenen Waffen wurden bislang nicht ausfindig gemacht und werden mit Anschlägen in Italien in Verbindung gebracht. [1]

Terror als politisches Instrument

1990 deckte der italienische Untersuchungsrichter Felice Casson nach Recherchen in den Archiven des Militärgeheimdienstes SISMI die Existenz von Gladio auf. Er konnte beweisen, dass Mitglieder des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI, Neofaschisten und Teile des Gladio-Netzwerks von den 1960ern bis in die 1980er Jahre zahlreiche politisch motivierte Terroranschläge und Morde in Italien begangen hatten. Dabei hatte ein Netzwerk geheimdienstlicher Stellen durch Verbreitung von Falschinformationen und Fälschung von Beweisen dafür gesorgt, dass die Verbrechen linksextremen Terroristen zugeordnet wurden, vor allem den Roten Brigaden.[2][3] Die Vorgehensweise zielte auf die Diskreditierung der in Italien traditionell starken Kommunistischen Partei (KPI) und wurde als Strategie der Spannung bekannt. Eine bis heute nicht vollständig aufgeklärte Rolle spielte dabei auch die Geheimloge Propaganda Due unter Licio Gelli.

Der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti gab unter dem Druck der nachfolgenden parlamentarischen Untersuchung an, dass Gladio auch in zahlreichen anderen europäischen Ländern existierte, was einen europaweiten politischen Skandal auslöste. Dies führte zu parlamentarischen Anfragen in mehreren Ländern. In Italien, Belgien und der Schweiz kam es zu Untersuchungskommissionen.

Das Europaparlament drückte nach einer Debatte am 22. November 1990 seinen scharfen Protest gegenüber der NATO und den beteiligten Geheimdiensten aus (siehe unten).

Unabhängige Untersuchungen und Quellen

Eine dreiteilige Fernsehdokumentation der BBC von 1992 (siehe BBC-Dokumentarfilm) ist eine der umfangreichsten Quellen für Informationen und Zeugenaussagen zu Gladio. Videomitschnitte der Sendungen sind auch im Internet verfügbar.

Die bisher einzige länderübergreifende, unabhängige Untersuchung zu Gladio war ein Forschungsprojekt an der ETH Zürich (siehe Weblinks). Der Historiker Dr. Daniele Ganser schrieb über die Ergebnisse:

„Die Stay-behind-Armeen waren dem Volk, dem Parlament und den meisten Regierungsmitgliedern unbekannt und bildeten in ganz Westeuropa ein unsichtbares, koordiniertes, geheimes Sicherheitsnetz. In einigen Ländern, aber nicht in allen, mutierten die Sicherheitsnetze jedoch auch zu Terrorzellen. (...) Washington, London und der italienische militärische Geheimdienst befürchteten, dass der Einzug der Kommunisten in die [italienische] Regierung die Nato von innen heraus schwächen könnte. Um dies zu verhindern, wurde das Volk manipuliert: Rechtsextreme Terroristen führten Anschläge aus, diese wurden durch gefälschte Spuren dem politischen Gegner angelastet, worauf das Volk selber nach mehr Polizei, weniger Freiheitsrechten und mehr Überwachung durch die Nachrichtendienste verlangte.“ [3]

Auf der Webseite des Forschungsprojekts sind eine Vielzahl von Dokumenten im Original einsehbar, darunter die Berichte der Untersuchungskommission (siehe Weblinks). Die Forschungsergebnisse flossen in das Buch „NATO's Secret Armies: Operation Gladio and Terrorism in Western Europe“[4] ein, das als einzige umfassende schriftliche Dokumentation zu Gladio gelten kann (2005). Eine Kurzversion der Ergebnisse findet sich in dem Artikel „Nato-Geheimarmeen und ihr Terror“ der Schweizer Tageszeitung „Der Bund“,[3] eine ausführlichere Darstellung liefert der 28-seitige Artikel „Terrorism in Western Europe: An Approach to NATO’s Secret Stay-Behind Armies“ aus der Zeitschrift „The Whitehead Journal of Diplomacy and International Relations“.[5]

Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse im Jahr 2004 war Anlass für zahlreiche Presseartikel (siehe Weblinks), unter anderem in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) und in „Der Spiegel“.

Verurteilung durch das Europäische Parlament

Das Europäische Parlament drückte nach einer Debatte am 22. November 1990 seinen "entschiedenen Protest" gegenüber der NATO und den beteiligten Geheimdiensten aus. Während die nationalen Regierungen der europäischen Länder sich überwiegend sehr zurückhaltend verhielten, war der Wortlaut der Entschließung[6] ungewöhnlich direkt. Die Forderungen nach Aufklärung durch staatliche Untersuchungsausschüsse sind bis heute (2007) in der großen Mehrzahl der EU-Länder nicht umgesetzt worden, mit Ausnahme von Belgien, Italien und dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung der Eröffnung mehrerer europäischer Regierungen, daß seit vierzig Jahren in mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eine geheime Organisation für Nachrichtenübermittlung und bewaffnete Aktionen existiert,
B. in der Erwägung, daß diese Organisation sich seit mehr als vierzig Jahren jeglicher demokratischer Kontrolle entziehen konnte und daß sie von den Geheimdiensten der betreffenden Staaten in Zusammenarbeit mit der NATO geleitet wurde,
C. besorgt über die Gefahr, daß diese Geheimnetze illegal in das politische Leben der Mitgliedstaaten eingreifen konnten bzw. heute noch eingreifen können,
D. unter Hinweis ferner darauf, daß militärische Geheimdienste (oder von den Diensten nicht kontrollierte Geheimdienstzweige) in bestimmten Mitgliedsländern mit schwerwiegenden Terrorakten und Verbrechen in Verbindung gebracht werden, wie in mehreren gerichtlichen Ermittlungen erwiesen werden konnte,
E. in der Erwägung, daß derartige Organisationen außerhalb jeglicher Legalität operiert haben und operieren, da keinerlei parlamentarische Kontrolle über sie ausgeübt werden kann, und daß ferner die höchsten Regierungs- und Verfassungspersönlichkeiten der verschiedenen Länder mehrfach behauptet haben, sie seien über diese Vorgänge nicht informiert,
F. in der Erwägung, daß sich die verschiedenen Abteilungen von „GLADIO“ aus militärischen Arsenalen und Strukturen versorgen, die autonom sind und somit eine unbekannte und für die demokratischen Strukturen der Länder, in denen sie operieren oder operiert haben, gefährliche Angriffskapazität beinhalten,
G.höchst beunruhigt darüber, daß zu einem Zeitpunkt, an dem nachdrücklich eine Verstärkung der Gemeinschaftszusammenarbeit im Sicherheitsbereich befürwortet wird, Entscheidungszentren und Einsatzgruppen auftauchen, die jeglicher demokratischer Kontrolle entzogen und darüber hinaus noch geheim sind,
1. verurteilt die Einrichtung von geheimen Organisationen zwecks Einflußnahme und Durchführung von Aktionen, und fordert daß Charakter, Organisation, Zweck und sonstige Aspekte dieser Geheimstrukturen, sowie eventuelle Mißbräuche, und ihre Nutzung für illegale Eingriffe in das innenpolitische Leben der betroffenen Länder voll aufgeklärt werden, was auch für die Terroraktivität in Europa und die eventuelle Komplizenschaft der Geheimdienste der Mitgliedstaaten oder dritter Länder gilt;
2. protestiert entschieden dagegen, daß sich bestimmte amerikanische Militärkreise des SHAPE und der NATO das Recht angemaßt haben, in Europa eine geheime Infrastruktur zur Übermittlung von Nachrichten und Durchführung von Aktionen zu schaffen;
3. fordert von den Regierungen der Mitgliedstaaten die Auflösung aller militärischen und paramilitärischen Geheimstrukturen;
4. fordert die Justizbehörden der Länder, in denen solche militärischen Einheiten existieren, auf, deren reale Existenz und Tätigkeit aufzuklären, und fordert die Richter auf, insbesondere zu prüfen, welche Rolle sie gegebenenfalls bei der Destabilisierung der demokratischen Strukturen der Mitgliedstaaten gespielt haben;
5. fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, gegebenenfalls im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um eine komplette Bestandsaufnahme der auf diesem Gebiet tätigen Organisationen zu erstellen, gleichzeitig ihre Verbindung zu den jeweiligen Geheimdiensten und zu den terroristischen Aktionsgruppen und/oder ihre Affinität mit anderen illegalen Praktiken zu überprüfen;
6. fordert den Ministerrat auf, ausführlich Informationen über die Arbeitsweise dieser geheimen Nachrichtendienste und Aktionsgruppen zu erteilen;
7. fordert seinen Politischen Ausschuß auf, die Zweckmäßigkeit von Abhörungen zur Klärung der Rolle und der Tragweite des Unternehmens „Gladio“ und etwaiger ähnlicher Strukturen zu prüfen;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, dem Generalsekretär der NATO sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten und der Vereinigten Staaten zu übermitteln.

Gladio-Operationen in den verschiedenen Staaten

Italien

Hauptartikel: Strategie der Spannung (Italien)

In Italien wurde Gladio zwecks Verhinderung einer Regierungsteilnahme der Kommunistischen Partei Italiens aktiv, die zeitweilig die stärkste Partei im italienischen Parlament war.

Mitglieder des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI, Neofaschisten und Teile des Gladio-Netzwerks waren Urheber zahlreicher Terroranschläge, die zwischen 1967 und 1985 verübt wurden. Behörden betrieben die Diffamierung linksradikaler Personen und Gruppierungen als Verantwortliche für die Taten, indem Beweismittel gefälscht wurden. Durch die Empörung der Öffentlichkeit über die Anschläge sollte die in Italien traditionell starke Kommunistische Partei geschwächt werden. Dies stellte den Höhepunkt einer bereits in den 1950er Jahren mit der Verdeckten Operation Demagnetize der CIA begonnenen Strategie dar. In diesem Zusammenhang ist auch die in Gerichtsverfahren festgestellte Verbindung zu der Geheimloge Propaganda Due (P2) relevant. Das wegen Mordes verurteilte Gladio- und Ordine Nuovo-Mitglied Vincenzo Vinciguerra prägte für die gemeinsame Strategie hinter den Verbrechen den Begriff Strategie der Spannung (siehe Zitate).

Einer der schlimmsten Terroranschläge war der Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna mit 85 Toten und 200 Verletzten im Jahr 1980. Die rechtsextremistischen Nuclei Armati Rivoluzionari-Mitglieder Valerio Fioravanti und Francesca Mambro wurden 1995 für diese Tat vor Gericht gestellt und verurteilt[2]. Im gleichen Prozess wurden der Propaganda Due-Gründer Licio Gelli und zwei Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes SISMI wegen Behinderung der Ermittlungen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Die Roten Brigaden waren laut einer Untersuchung des italienischen Parlaments von Gladio-Mitgliedern unterwandert, unter anderem in Person des Fallschirmjägers Francesco Marra. Es gibt in diesem Zusammenhang Hinweise auf eine Beteiligung von Gladio-Mitgliedern an der Entführung und Ermordung des italienischen Spitzenpolitikers Aldo Moro, siehe dazu ebenfalls Rote Brigaden.

Deutschland

Eine Verbindung von Gladio-Mitgliedern zum Bombenanschlag auf das Münchener Oktoberfest 1980 ist nicht bewiesen, wird aber nach neueren Forschungsergebnissen durch die damaligen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zumindest nahegelegt.[5][7]

Tod zweier Zeugen

Raymund Hörnle und Sibylle Vorderbrügge waren Mitglieder der rechtsextremen terroristischen Vereinigung Deutsche Aktionsgruppen. Sie hatten bereits einen Tag nach dem Oktoberfestattentat ausgesagt, dass der Rechtsextremist Heinz Lembke ihnen Waffen, Sprengstoff und Munition angeboten und von umfangreichen Waffendepots erzählt habe. Diesem Hinweis ging die Staatsanwaltschaft jedoch erst nach, als Waldarbeiter ein knappes Jahr später durch Zufall eines der Depots entdeckten. Lembke offenbarte im Untersuchungsgefängnis die Lage seiner 33 illegalen Waffen- und Sprengstoffdepots, deren Entdeckung bei Uelzen in der Lüneburger Heide 1981 ein breites Medienecho fand: Sie enthielten unter anderem automatische Waffen, 14.000 Schuss Munition, 50 Panzerfäuste, 156 kg Sprengstoff und 258 Handgranaten.[5] Die Menge und Qualität der gefundenen militärischen Ausrüstung deuten laut Daniele Ganser auf eine Verbindung Lembkes zu Gladio hin. Dies wurde jedoch nicht geklärt, da Lembke am 1. November 1981, einen Tag vor seiner Vernehmung durch einen Staatsanwalt, erhängt in seiner Gefängniszelle aufgefunden wurde.[5] Er hatte zuvor angekündigt, umfangreiche Erklärungen über seine Hintermänner abzugeben. Die Ermittlungen in dieser Richtung wurden bald nach seinem Tod eingestellt und Lembke als Einzelgänger dargestellt, der die Waffendepots aufgrund seiner Furcht vor einer sowjetischen Invasion angelegt habe. Die Verbindungen zum Oktoberfestattentat wurden nach seinem Tod nicht weiter verfolgt.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Rechtsausschusses Herta Däubler-Gmelin stellte 1981 eine parlamentarische Anfrage über die Zusammenhänge zwischen dem Fall Lembke und dem Oktoberfest-Attentat. Die Antwort von Andreas von Schoeler, damals Staatssekretär im Bundesinnenministerium, war: „Es besteht keine Verbindung“.[5]

Einen der Hinweise auf die Beteiligung weiterer Personen, neben dem später als Einzeltäter bezeichneten Gundolf Köhler, lieferte der Zeuge Frank Lauterjung. Er hatte bei seiner Vernehmung angegeben, dass Köhler kurz vor der Explosion gegenüber dem Haupteingang mit zwei Männern diskutiert habe. Lauterjung wurde anfangs von den Ermittlern als sehr glaubwürdig eingestuft, weil er zahlreiche weitere nachprüfbare Details genau beschrieb. Kurz nach dieser Aussage sagte der spätere Hauptzeuge aus, der aus Köhlers Heimatort Donaueschingen kam. Seine Aussage stützte maßgeblich die Version, nach der Köhler als Einzeltäter gehandelt habe. Nachdem die Ermittler in der Folge mehrfach versucht hatten, Lauterjung zu einer Änderung seiner Aussage zu bewegen, starb er einige Wochen später im Alter von 36 Jahren an Herzversagen. Eine Untersuchung, ob sein Tod mit dem Attentat in Verbindung stehen könnte, verlief ergebnislos.[8] Das offizielle Ermittlungsergebnis nannte Gundolf Köhler als Einzeltäter, der aus sozialer Vereinsamung und Verbitterung gehandelt habe.

Der ehemalige BND-Mitarbeiter Norbert Juretzko beschreibt in seinem 2004 erschienenen Buch „Bedingt dienstbereit“[9] detailliert seine Arbeit beim Aufbau und Erhalt des deutschen Stay-Behind-Netzwerks.

Schweiz

Hauptartikel: P-26

In der Schweiz bestand bis mindestens 1990 eine Geheimarmee. Sie hatte den Tarnnamen P-26 (Projekt 26), unterhielt geheime Waffenlager und bildete Schweizer Militärangehörige zu Guerrillakämpfern aus. Es ist ungeklärt, ob sie in das Gladio-Netzwerk eingebunden war, diese Vermutung wurde allerdings häufig geäußert.

Die Existenz der P-26 wurde 1990 von der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK-EMD) zur Fichenaffäre aufgedeckt. Der selbsternannte Zeuge Oberstleutnant Herbert Alboth, ein früheres Mitglied des Spezialdienstes, eines geheimen Armeestabsteils der Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr (UNA), bot der Kommission an, die "ganze Wahrheit" aufzudecken. Er wurde kurz vor seiner Aussage tot in seiner Berner Wohnung gefunden, erstochen mit dem eigenen Armee-Bajonett. Die sichergestellten geheimen Unterlagen (alte Schulungs- und Kursunterlagen, Adresslisten von Ehemaligen des Spezialdienstes etc.), für die die unbekannten Täter keinerlei Interesse gezeigt hatte, sowie weitere Tatbestände sprachen gegen die Annahme eines Zusammenhanges zwischen der Tat und der ehemaligen Tätigkeit des Opfers. Die Untersuchungsbehörde vermutete ein Beziehungsdelikt. Alboth war kein Mitglied der P-26.

Der Bericht der Kommission (Cornu-Bericht) ist bis heute als geheim eingestuft und wurde nur gekürzt veröffentlicht, da befürchtet wird, dass die Veröffentlichung des gesamten Berichtes „die guten Beziehungen der Schweiz zu anderen Staaten gefährden würde“. Viele Einzelheiten über P-26 sind daher bis heute unbekannt oder sehr fraglich.

Türkei

In der Türkei wird seit langem darüber spekuliert, ob Gladio Mitglieder aus dem Umfeld der Grauen Wölfe hatte. Dabei wird die Möglichkeit diskutiert, ob die einflussreichen Rechtsextremisten Abdullah Catli und Mehmet Ali Agca, der 1981 auf den Papst geschossen hat, Gladio in der Türkei vertreten haben. Der Journalist Soner Yalçın schreibt in seiner Biographie über Abdullah Catli (Reis: Gladyo'nun Tetikçisi), dass Catli Befehle von Gladio ausgeführt und aktiv Straßenkämpfe sowie die Ausbildung von jungen Anhängern für den Kampf gegen Linksradikale organisiert habe.

Offizielle Darstellung und Untersuchungen

Der Bevölkerung wurde Gladio erstmals bekannt, als der damalige italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti am 3. August 1990 im Rahmen einer Parlamentsanfrage öffentlich die Existenz auch einer „Operation Gladio“ des militärischen Geheimdienstes SISMI bestätigte. Im Oktober desselben Jahres gab er unter dem Druck der an die Öffentlichkeit gekommenen Briefe des von den Roten Brigaden entführten und ermordeten Politikers Aldo Moro zu, dass die Operation Gladio, entgegen seiner ursprünglichen Aussagen, noch bis in die späten 70er Jahre lief und dass die NATO maßgeblich an der illegalen Operation beteiligt war [3].

Es folgte eine Reihe von Dementis der Regierungen anderer europäischer Länder. In der Schweiz, Belgien und Italien fanden Anfang der 1990er Jahre parlamentarische Untersuchungen zu Gladio statt.

Deutschland - In Deutschland zeigte die SPD anfänglich reges Interesse an einer Aufklärung. Dieses ebbte rasch ab, als klar wurde, dass bei einer gründlichen Aufarbeitung der Affäre auch ehemalige SPD-Regierungsmitglieder unter Druck geraten wären. Daher stellten nur die Grünen eine parlamentarische Anfrage. Die Bundesregierung antwortete sinngemäß mehrdeutig, dass ihr keinerlei Kenntnisse über aktuelle Aktivitäten von Gladio in Deutschland vorlägen bzw. dass diese spätestens 1972 eingestellt worden seien.

Schweiz - In der Schweiz wurde im November 1990 eine umfangreiche Untersuchung über die stay-behind Geheimarmee P-26 veröffentlicht. Anschließend wollten Schweizer Parlamentarier wissen, ob die Schweizer stay-behind Geheimarmee P-26 so wie die italienische Geheimarmee Gladio ein Teil des NATO-Netzwerks war. Der Untersuchungsbericht über die Beziehungen der P26 zum Ausland ("Cornu-Bericht") wurde nur in gekürzter Fassung veröffentlicht. Die komplette Version ist bis heute geheim, weil die Veröffentlichung "die guten Beziehungen der Schweiz zu anderen Staaten gefährden würde". Der Schweizer Oberstleutnant Herbert Alboth, Mitglied der Geheimarmee, hatte 1990 vor der parlamentarischen Untersuchungskommission angekündigt, dass er alle seine Unterlagen und Informationen über die P-26, die Schweizer Gladio-Gruppe, übergeben wolle. Kurz vor seiner Aussage wurde er ermordet in seiner Berner Wohnung gefunden, erstochen mit seinem eigenen Armee-Bajonett [10].

Es ist bis heute nicht bekannt, ob Gladio nach dem Ende des Kalten Kriegs vollständig eingestellt wurde und was mit der gelagerten Ausrüstung passiert ist.

Zitate

Man musste Zivilisten angreifen, Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. Der Grund dafür war einfach. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten. (...) Diese politische Logik liegt all den Massakern und Terroranschlägen zu Grunde, welche ohne richterliches Urteil bleiben, weil der Staat sich ja nicht selber verurteilen kann.

(Vincenzo Vinciguerra, 1990 wegen Mordes an drei Carabinieri verurteilter Rechtsextremist und Gladio-Mitglied)[3]


Lange habe ich darum gekämpft, um endlich zu erfahren, wer oder welche [Attentäter] es wirklich waren. Ich musste jedoch lernen, dass man mir darauf nie eine ehrliche Antwort geben wird. (...) Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich nur Ärger einhandelt, wenn man insistiert.

(Ignaz Platzer, Vater von zwei kleinen Kindern, die zusammen mit elf weiteren Menschen beim Bombenattentat auf das Münchener Oktoberfest 1980 starben)[11]


Ich bin ins Gefängnis gegangen, weil ich die Existenz dieser supergeheimen Organisation nicht enthüllen wollte. Und jetzt kommt Andreotti und erzählt es dem Parlament!

(General Vito Miceli, ehemaliger Chef des italienischen Militärgeheimdienstes Servizio Informazioni Difesa und NATO-Funktionär, nachdem der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti öffentlich die Existenz von Gladio bestätigt hatte)[12]


Terror eignet sich mehr als irgendeine andere militärische Strategie dazu, die Bevölkerung zu manipulieren.

(Daniele Ganser, 2005)[13]

Verwandte Themen

  • Bis heute hält sich in Belgien der unter anderem von Ermittlern, Journalisten und Politikern geäußerte Verdacht, dass die als Massaker von Brabant bekannt gewordenen Morde der Bande von Nijvel mit Gladio in Verbindung standen. Obwohl zahlreiche Indizien dafür sprachen, konnte der Zusammenhang nie stichhaltig bewiesen werden.

Quellen

  1. Webster Griffin Tarpley: 9/11 Synthetic Terror, S. 85/86
  2. a b Karl Hoffmann: Vor 25 Jahren: Bomben-Anschlag im Bahnhof von Bologna. Italien und der Terror von rechts. In: Deutschlandfunk, 2. August 2005
  3. a b c d e Daniele Ganser: Nato-Geheimarmeen und ihr Terror. In: „Der Bund“, Bern, 20. Dezember 2004, S. 2 ff.
  4. Daniele Ganser: Nato's Secret Armies: Operation Gladio and Terrorism in Western Europe, Frank Cass, London 2005, ISBN 0714685003
  5. a b c d e Daniele Ganser: Terrorism in Western Europe: An Approach to NATO’s Secret Stay-Behind Armies. In: The Whitehead Journal of Diplomacy and International Relations, South Orange NJ, 2005, Vol. 6, 1, S. 69. Sehr lesenswerter Artikel (28 Seiten, PDF), basierend auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts an der ETH Zürich
  6. Amtsblatt der Europäischen Union Nr. C 324 vom 24. Dezember 1990, S. 201 f. (siehe unten unter Weblinks und Bild oben)
  7. Johannes Lieberer: Wiesn-Attentat: Geheimarmee unter Verdacht. Abendzeitung, München, 17. Mai 2005, S.3 - ein Artikel über das Oktoberfest-Attentat von 1980
  8. Birgit Lutz-Temsch: Vor 25 Jahren. Der nagende Zweifel über die Tat. Interview mit Ulrich Chaussy, Süddeutsche Zeitung, 23. September 2005
  9. Norbert Juretzko, mit Wilhelm Dietl: Bedingt dienstbereit. Im Herzen des BND – die Abrechnung eines Aussteigers., Ullstein, 2004, ISBN 3550076053 - Beschreibung von Gladio und den stay-behind Einheiten aus Sicht eines BND-Mitarbeiters während der 1980er und 1990er Jahre
  10. Nikolaus Ramseyer: Schweizer Geheimtrupp passte zum Gladio-Konzept der USA. Die 1990 enttarnte Geheimarmee P-26 war via Großbritannien indirekt in die Gladio-Planung der USA und der Nato eingebunden. In: Basler Zeitung, Basel, 16. Dezember 2004, S.4 unten
  11. Süddeutsche Zeitung, München, 27. September 1996, S. 39
  12. Italienisches Magazin „Europeo“, 16. November 1990, zitiert aus: Daniele Ganser: The Secret Side of International Relations: An approach to NATO’s stay-behind armies in Western Europe. Konferenzbeitrag, 55th Political Studies Association Annual Conference, University of Leeds, 4.-7. April 2005, S. 9
  13. Daniele Ganser, Historiker und Gladio-Forscher (in: Der Europäer, Jg. 9 / Nr. 6 / April 2005)

Literatur

  • Gerhard Feldbauer: "Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA". (Darin ausführliche Verweise zur Gladio). Papy Rossa, Köln 2000. ISBN 3-89438-207-4.
  • Daniele Ganser: Nato's Secret Armies: Operation Gladio and Terrorism in Western Europe. Frank Cass, London 2005, ISBN 0714685003
  • Regine Igel: Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien. Herbig, München 2006, ISBN 3-77662-465-5
  • Jens Mecklenburg (Herausgeber): Gladio, die geheime Terrororganisation der NATO, ISBN 3885206129
  • Leo A. Müller, Werner Raith (Herausgeber): Gladio, das Erbe des Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und seine deutschen Vorläufer. Rowohlt, Reinbek 1991, ISBN 3499129930
  • Norbert Juretzko mit Wilhelm Dietl: Bedingt dienstbereit. Im Herzen des BND - die Abrechnung eines Aussteigers, Ullstein 2004, ISBN 354836795X

BBC-Dokumentarfilm

Im Rahmen ihrer Geschichtsreihe Timewatch strahlte die britische BBC 1992 eine Dokumentation in drei Teilen zu je etwa 50 Minuten über Gladio aus. Zahlreiche Schlüsselpersonen der Operation kommen darin in teilweise anonymisierten Interviewsequenzen zu Wort, darunter das wegen Mordes verurteilte Gladio-Mitglied Vincenzo Vinciguerra, ehemalige Spitzenfunktionäre der italienischen Militärgeheimdienste und eine Reihe von hohen in Italien eingesetzten CIA-Agenten. Die Filme sind die einzigen Dokumente, in denen maßgeblich beteiligte Personen selbst berichten. So stammt etwa das obige, mittlerweile weitverbreitete Zitat von Vinciguerra ursprünglich aus einem der Interviews (Gladio Part 2, ab ca. 04:00 min). Darüber hinaus sprechen Vorsitzende und Mitglieder der staatlichen italienischen und belgischen Untersuchungskommissionen sowie Journalisten über ihre Erkenntnisse. Die drei Teile der Dokumentation haben die Titel:

Weblinks