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24 September 2010

Bedingungsloses Grundeinkommen PFLICHTEN MITNICHTEN

Am 19.09.2010 um 10:03 schrieb Joerg Drescher:

Hallo Ingo und sonstige Interessierte,

Rechte sind immer eine abstrakte, da Logik erfordende, Angelegenheit... Allerdings ich finde es schade, daß sich das Grundeinkommen von vielen eben nicht abstrakt als Recht denken läßt, sondern immer ein Bezug zur Arbeit hergestellt wird. Offenbar hängt es mit der Begrifflichkeit zusammen, weil "Einkommen" mit Arbeit assoziiert wird.

Sprechen wir allerdings vom Grundeinkommen als Recht und konzentrieren uns auf den Rechtsanspruch, sollten wir bemerken, daß ein Recht immer mit einer Pflicht verbunden ist. Ein subjektives Recht fordert von einem Objekt (einer öffentlichen Institution - respektive dem Staat) dessen Pflicht, diesen Rechtsanspruch zu erfüllen.

Wird objektive Pflicht zum subjektiven Recht, kann man von einem (subjektiven) Recht auf (objektive) Pflicht sprechen. Will man diese Formel verallgemeinern, um die Trennung in subjektiv und objektiv zu vermeiden, beinhaltet das "Recht auf Pflicht" 4 Fälle, die sich in zwei Kategorien teilen lassen:
Die Kategorie der Forderung:
Das subjektive Recht auf objektive Pflicht
Das objektive Recht auf subjektive Pflicht
Die Kategorie der Selbstverpflichtung:
Das subjektive Recht auf subjektive Pflicht
Das objektive Recht auf objektive Pflicht

Entsprechend kann das Recht auf Pflicht als Forderung nach Selbstverpflichtung verstanden werden.

Daraus folgt: Wenn es aber kein Recht ohne Pflicht gibt, kann das Grundeinkommen als Recht dann überhaupt "bedingungslos" (im Sinne keiner "Gegenleistung") sein? Welche Pflicht könnte der Staat an den Einzelnen stellen? Ist es nicht "moderner Ablaßhandel", seine Staatsbürgerpflicht allein durch Bezahlung seiner Steuern zu erfüllen?

Die Betrachtung, das Grundeinkommen als Recht zu sehen, führt meiner Meinung nach zu einem grundlegenden Überdenken des Verhältnisses zwischen Staat und Gesellschaft, das weit über das individuelle Verhältnis zwischen Auskommen und Arbeit hinausgeht. Prinzipiell könnte man auch das "Recht auf sauberes Wasser" heranziehen, doch offenbar eignet sich das Grundeinkommen deshalb besser, weil wir in einer monetär- und arbeitsgeprägten Welt einen besseren Bezug zu diesem "Grundrecht" haben.

Auf weitere Meinungen zum Thema warte ich gespannt,

viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus


Hallo Jörg,

das geht mir zu schnell. Wenn ich Dich richtig verstehe, stellst Du es als eine Selbstverständlichkeit hin, dass ein Recht IMMER eine Pflicht nach sich zieht. Das würde ich gerne hinterfragen.
Wenn z.B. für ein Kind das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gelten soll - was ist dann die daraus(!) entstehende Pflicht des Kindes?
Wenn homosexuelle Paare gleiche Rechte bekommen sollen - was wäre dann deren zusätzliche(!) Pflichten?
Wenn ich als Angeklagter das Recht habe, gehört zu werden - was wäre dann die daraus(!) abzuleitende zusätzliche Pflicht?

Nein - so einfach geht das nicht. In meinen Augen krankt die ganze BGE-Diskussion genau an diesem Punkt. Die Frage muss in meinen Augen anders gestellt werden: Wieviel Teilhabe lassen wir zu? Wieviel 'Gemeinschaft' wollen wir haben? Und was ist das, eine 'Gemeinschaft'?

Genau durch die Formel 'Rechte bedingen Pflichten' wird die Meinung, dass Menschen, die nicht arbeiten 'Schmarotzer' sein und sich ihrer 'Pflicht' entziehen wollen, befördert.

Die absurde Idee, dass es immer und für alle genug Arbeit gibt (was es in der Menschheitsgeschichte nur immer ganz kurz nach Kriegen gab, wenn 'Wachstum' benötigt wurde), ist für mich die Basis für derartige Missverständnisse. Wenn die Erdkugel nicht platzen soll (und wir Grüne sind doch sooooo für Nachhaltigkeit), dann müssen wir endlich auch inhaltlich akzeptieren, dass Wachstum nur zu gewissen Phasen einer Gesellschaft Sinn machen, und dort auch oft nur lokal begrenzt (wenn es z.B. darum gehen soll, die Energie-Infrastruktur komplett umzustellen). In den allermeisten Phasen muss aber der 'eingeschwungene Zustand' das Ziel sein!
Und dann gibt es eben nicht 'Arbeit' im klassischen Sinn, also sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für alle. Und was machen wir mit denen, für die wir keine Arbeit haben?
Oder anders ausgedrückt (und wenn wir mal wirklich 'Recht & Pflicht' koppeln wollen): Wenn ich als Staat von den Menschen fordere, dass alle arbeiten sollen, wäre es dann nicht die Pflicht des Staates, auch für jeden einen angemessenen(!) Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen?

Und schon haben wir es, das 'Verlierer-Dreieck':
Der Staat fordert und sanktioniert, dass jeder arbeitet - stellt aber keine Arbeitsplätze zur Verfügung, denn das machen ja die Arbeitgeber.
Die Arbeitgeber handeln natürlich nur profitorientiert (was ihr gutes Recht ist), und bieten nur die Arbeitsplätze an, wie für sie hilfreich ist.
Und der Looser in diesem Dreieck ist der Arbeitnehmer, der arbeiten will, aber vom Arbeitgeber keinen bekommt, und darum vom Staat bestraft wird.


Lieben Gruß aus Hannover,

Christopher Bodirsky