CIA + NATO heute vor 30 Jahren
Der Anschlag von Bologna (ital. Strage di Bologna) war ein Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof der italienischen Stadt Bologna am Morgen des 2. August 1980. Bei dem Anschlag starben 85 Menschen, mehr als 200 wurden verletzt. Die rechtsradikale terroristische Organisation Ordine Nuovo wurde beschuldigt, den Anschlag verübt zu haben. Zwei Agenten des italienischen Geheimdienstes SISMI und der Vorsitzende der Propaganda Due, Licio Gelli, wurden wegen Behinderung der Ermittlungsarbeiten verurteilt.
Auf das Attentat folgten ein langes, verworrenes und umstrittenes Gerichtsverfahren und politische Diskussionen. Die Hinterbliebenen der Opfer gründeten eine Organisation (Associazione tra i familiari delle vittime della strage alla stazione di Bologna del 2 agosto 1980), um die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Fall zu lenken. Am 23. November 1995 gab der Corte di cassazione das endgültige Urteil bekannt:
* Die lebenslängliche Haftstrafe der Neofaschisten und Mitglieder der Nuclei Armati Rivoluzionari (NAR) Valerio Fioravanti und Francesca Mambro, die immer ihre Unschuld beteuerten, wurde bestätigt. Das Gericht befand sie der Ausführung des Anschlags schuldig.
* Der Vorsitzende der Propaganda Due, Licio Gelli, Francesco Pazienza und die beiden SISMI-Beamten Pietro Musumeci und Giuseppe Belmonte wurden wegen Behinderung der Ermittlungen verurteilt.
Angesichts der Verwicklung des militärischen Geheimdienstes SISMI und der Geheimloge Propaganda Due sowie des rechtsextremistischen Täterkreises galt es als gesichert,[1][2] dass der Anschlag im Rahmen der sogenannten Strategie der Spannung ausgeführt wurde und eine Verbindung zu der Geheimorganisation Gladio bestand.
Aktuell ermittelt die italienische Justiz jedoch gegen Thomas Kram (ein ehemaliges Mitglied der Revolutionären Zellen), der sich am Tag des Anschlags in Bologna aufgehalten hatte.
Von diesen neuen Ermittlungen erwartet Staatspräsident Giorgio Napolitano völlig "unvorhersehbare Ergebnisse".
Die Strategie der Spannung (vom italienischen strategia della tensione) ist ein 1990 in Italien bekannt gewordener Begriff für eine Reihe inszenierter terroristischer Aktivitäten von italienischen Geheimdiensten, Rechtsextremisten, der NATO/CIA-Geheimorganisation Gladio und der Geheimloge Propaganda Due (P2). Diese hatten das Ziel, die öffentliche Meinung zu Ungunsten der politischen Linken zu manipulieren, insbesondere der Kommunistischen Partei Italiens. Weil sich ähnliche Vorgänge auch in anderen Ländern nachweisen ließen, wird der Begriff mittlerweile generell für bestimmte staatsterroristische Aktivitäten verwendet, siehe Strategie der Spannung.
1984 untersuchte der venezianische Untersuchungsrichter Felice Casson ein bis dahin ungeklärtes Bombenattentat im Jahr 1972. Fünf Carabinieri hatten damals einen nahe der Ortschaft Peteano an einer Landstraße abgestellten Fiat 500 untersucht. Als sie den Kofferraum öffneten, wurden drei der Beamten durch eine dadurch ausgelöste Bombe getötet. Für den Anschlag wurde die linksextreme Terrororganisation Rote Brigaden verantwortlich gemacht, die Täter wurden jedoch nie ermittelt. Casson fand zahlreiche auffällige Unstimmigkeiten in den früheren polizeilichen Ermittlungen, die auf gezielte Manipulation und Beweisfälschung deuteten. Schließlich führten ihn seine Ermittlungen auf die Spur des eigentlichen Täters, des Rechtsextremisten Vincenzo Vinciguerra, der ein umfangreiches und folgenreiches Geständnis ablegte.[1]
Vinciguerra sagte aus, dass er von Personen aus dem Staatsapparat gedeckt worden sei und dass das Attentat Teil einer umfassenden Strategie gewesen sei, die Casson später als Strategie der Spannung bezeichnete. Casson ermittelte daraufhin weiter und deckte nach Recherchen in den Archiven des Militärgeheimdienstes SISMI die Existenz einer hochgeheimen komplexen Struktur innerhalb des italienischen Staates auf.[1] Er bewies, dass Mitglieder des SISMI, Neofaschisten und Teile des von NATO und CIA betriebenen Gladio-Netzwerks von den 1960ern bis in die 1980er Jahre zahlreiche politisch motivierte Terroranschläge und Morde in Italien begangen hatten. Dabei hatte ein Netzwerk geheimdienstlicher Stellen durch Verbreitung von Falschinformationen und Fälschung von Beweisen dafür gesorgt, dass die Verbrechen linksextremen Terroristen zugeordnet wurden, vor allem den Roten Brigaden.[1][2][3] Diese Vorgehensweise zielte auf die Diskreditierung der in Italien traditionell starken Kommunistischen Partei (KPI), um deren Regierungsbeteiligung zu verhindern.[1] Eine zentrale Rolle spielte dabei auch die Propaganda Due (P2) unter Licio Gelli.
Zur Logik des Terrors meinte Vinciguerra:[3]
„Man musste Zivilisten angreifen, Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. Der Grund dafür war einfach. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten. […] Diese politische Logik liegt all den Massakern und Terroranschlägen zu Grunde, welche ohne richterliches Urteil bleiben, weil der Staat sich ja nicht selber verurteilen kann."
Cassons Enthüllungen führten zu einer Staatskrise in Italien. Der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti gab im Rahmen einer nachfolgenden parlamentarischen Untersuchung an, dass Gladio auch in zahlreichen anderen europäischen Ländern existiere, was einen europaweiten politischen Skandal auslöste. Dies führte zu parlamentarischen Anfragen in mehreren Ländern. In Italien, Belgien und der Schweiz kam es zu Untersuchungskommissionen.
Die Untersuchungskommission Terrorismus und Massaker (1994–2000) des italienischen Senats stellte zusammenfassend fest:[1]
„Diese Massaker wurden organisiert oder unterstützt von Personen in Institutionen des italienischen Staates und von Männern, die mit dem amerikanischen Geheimdienst in Verbindung standen."
Das Europaparlament drückte nach einer Debatte am 22. November 1990 seinen scharfen Protest gegenüber der NATO und den beteiligten Geheimdiensten aus.
Der Historiker Daniele Ganser schrieb über die Hintergründe der Strategie:[3][4]
„Die Stay-behind-Armeen [Anm.: das Gladio-Netzwerk] waren dem Volk, dem Parlament und den meisten Regierungsmitgliedern unbekannt und bildeten in ganz Westeuropa ein unsichtbares, koordiniertes, geheimes Sicherheitsnetz. In einigen Ländern, aber nicht in allen, mutierten die Sicherheitsnetze jedoch auch zu Terrorzellen. […] Washington, London und der italienische militärische Geheimdienst befürchteten, dass der Einzug der Kommunisten in die [italienische] Regierung die NATO von innen heraus schwächen könnte. Um dies zu verhindern, wurde das Volk manipuliert: Rechtsextreme Terroristen führten Anschläge aus, diese wurden durch gefälschte Spuren dem politischen Gegner angelastet, worauf das Volk selber nach mehr Polizei, weniger Freiheitsrechten und mehr Überwachung durch die Nachrichtendienste verlangte."
„Terror eignet sich mehr als irgendeine andere militärische Strategie dazu, die Bevölkerung zu manipulieren."
In Bezug auf die Verwicklung der NATO bemerkte der Terrorist Vinciguerra gegenüber dem Guardian:[5]
„Der Weg des Terrors wurde von verdeckt agierenden Personen verfolgt, die zum Sicherheitsapparat gehörten, oder die durch Weisung oder Zusammenarbeit mit dem Staatsapparat verbunden waren. Jede einzelne der Gewalttaten nach 1969 passte genau in ein einheitliches, organisiertes Schema... Die Avanguardia Nazionale wurde ebenso wie der Ordine Nuovo [Anm.: zwei neofaschistische Organisationen] für einen Kampf mobilisiert, der Teil einer antikommunistischen Strategie war. Diese entstammte nicht etwa staatsfernen Institutionen, sondern dem Staatsapparat selbst, spezifischer dem Bereich der Verbindungen des Staats zur NATO."
Nachdem der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti öffentlich die Existenz von Gladio bestätigt hatte, sagte hingegen der ehemalige Chef des italienischen Militärgeheimdienstes SID und NATO-Funktionär General Vito Miceli:[6]
„Ich bin ins Gefängnis gegangen, weil ich die Existenz dieser supergeheimen Organisation nicht enthüllen wollte. Und jetzt kommt Andreotti und erzählt es dem Parlament!"
Deutsche Presse verschweigt, oder schreib solche unglaublichen Artikel:
Blutbad ohne Drahtzieher: Attentat in Bologna vor 30 Jahren
Beim schwersten Attentat nach dem Zweiten Weltkrieg starben vor 30 Jahren 85 Menschen am Bahnhof in Bologna. Bis heute wird über die Hintergründe spekuliert.
Rom – Die Familie Mauri brach am 1. August 1980 im Auto von der lombardischen Stadt Como zu einem dreiwöchigen Sommerurlaub nach Süditalien auf. Die 28-jährige Annamaria und ihr um vier Jahre älterer Mann Carlo freuten sich schon auf den langersehnten Urlaub am Strand mit ihrem sechsjährigen Sohn Luca.
Unweit von Bologna geriet die Familie auf der Autobahn in einen Unfall, ihr beschädigter Pkw konnte nicht sofort repariert werden. Die Familie übernachtete daher in Bologna und wollte am nächsten Tag den Zug nach Apulien nehmen.
Der Sommerurlaub begann für die Familie Mauri nie. Samstag, 2. August 1980, 10.25 Uhr: Im Wartesaal des Hauptbahnhofes von Bologna explodierte ein Koffer mit 23 Kilogramm Sprengstoff. 85 Menschen starben, 200 wurden verletzt, ein ganzer Flügel des Bahnhofs stürzte ein.
Zu den Opfern zählte auch die Familie aus Como. Das Attentat von Bologna vor 30 Jahren ist und bleibt bis heute der schwerste Terroranschlag in Italien seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die Explosion zerstörte einen Großteil des Hauptgebäudes und beschädigte den Zug Ancona-Chiasso, der auf Gleis 1 wartete. Sie war kilometerweit zu hören. Das Dach des Wartesaals brach über den Fahrgästen zusammen, was die Zahl der Todesopfer massiv erhöhte. An jenem Samstag Anfang August, der Hauptsommerzeit in Italien, hielten sich viele Touristen im Bahnhof auf.
Die Stadt war auf eine solch massive Katastrophe nicht vorbereitet. Es standen nicht genügend Rettungswagen zur Verfügung, so dass Busse und Taxis zum Transport der Verletzten in die Krankenhäuser eingesetzt werden mussten.
Die italienische Regierung unter Ministerpräsident Francesco Cossiga und die Polizei gingen zunächst von einem Unfall aus. Recht bald konnte aber ein Zweig der rechtsextremen terroristischen Organisation Ordine Nuovo, die NAR, für den Anschlag verantwortlich gemacht werden, die sich in Italien einen blutigen Wettstreit mit den linksradikalen „Roten Brigaden" lieferte. Es wurde mehrmals versucht, die Aufklärung zu behindern und die Umstände des Attentats zu verschleiern.
Auf den Anschlag folgten ein langes, verworrenes und umstrittenes Gerichtsverfahren sowie politische Diskussionen. Obwohl es sich um eine Tat rechtsextremer Gruppen handelte, versuchten rechte politische Kreise, den Anschlag der linken Szene in die Schuhe zu schieben. In acht Prozessen zwischen 1988 und 1994 wurden drei Neofaschisten, darunter das Ehepaar Valerio Fioravanti und Francesca Mambro, als unmittelbare Täter zu lebenslänglichen Haftstrafen, bzw. 30 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht befand sie der Ausführung des Terrorakts schuldig.
Weitere Freiheitsstrafen wurden wegen Irreführung und Verschleierung gegen einige Geheimdienstleute und den umstrittenen Chef der Geheimloge Propaganda Due (P2), Licio Gelli, verhängt. Die mutmaßlichen Hintermänner des Anschlags wurden nie ausgeforscht und vor Gericht gestellt.
Die Opfer und ihre Angehörigen mussten bis 2008 auf eine Entschädigungsregelung warten. Die Hinterbliebenen gründeten eine Organisation, um öffentliche Aufmerksamkeit auf den Fall zu lenken.
Angesichts der Verwicklung des militärischen Geheimdienstes SISMI und der Geheimloge P2 sowie des rechtsextremistischen Täterkreises in den Anschlag galt es den beteiligten Richtern zufolge als gesichert, dass das Attentat im Rahmen der sogenannten „Strategie der Spannung" ausgeführt worden war.
Mit dieser sollte jegliche politische Erneuerung in Italien verhindert werden. Als ebenso gesichert galt, dass es eine Verbindung zu der Geheimorganisation Gladio gab. Gladio war eine paramilitärische Geheimorganisation der NATO, der CIA und des britischen MI6 in Italien während des Kalten Krieges. Die Gladio-Mitglieder sollten nach einer sowjetischen Invasion Westeuropas Guerillaoperationen und Sabotage durchführen.
Wegen dieser Hintergründe stellen die Urteile zu dem Anschlag von Bologna bis heute niemanden in Italien zufrieden. Das zeigt sich immer wieder klar am Gedenktag des Attentats. Da ziehen in der norditalienischen Stadt linke Protestzüge gegen rechte; die beiden politischen Lager beschuldigen einander, die „wirkliche" Wahrheit unter dem Teppich halten zu wollen.
Immerhin gibt es im „Fall Bologna" letztinstanzliche Gerichtsurteile. Viele andere Großanschläge aus den „bleiernen Jahren" des Terrorismus sind bis heute nicht aufgeklärt. Vom ersten Bombenanschlag auf eine Mailänder Bank im Dezember 1969 bis zum Attentat auf einen Schnellzug 15 Jahre später gab es 142 Tote, aber bis heute nur fünf Schuldsprüche.
Der 2. August wurde als Gedenktag an die Opfer ausgerufen. Die Stadtverwaltung von Bologna und der Verband der Angehörigen veranstalten jährlich einen internationalen Komponistenwettbewerb, der mit einem Konzert auf dem Hauptplatz der Stadt, der Piazza Maggiore, endet.
Die beschädigten Gebäudeteile wurden wiederaufgebaut, der Fußboden und ein tiefer Riss in der Wand wurden jedoch als Mahnmal an den Anschlag unverändert beibehalten. Außerdem bleibt die Bahnhofsuhr seit damals auf 10.25 Uhr, der genauen Uhrzeit der Explosion, stehen. (APA)
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