Steuergelder fuer Warlords... BLUT für Ölkriege
Sonia Seymour Mikich: "Vorgestern im Süden von Kundus: Ein
Tanklaster wird von den Taliban in die Luft gesprengt. Er
transportierte Benzin für die ISAF-Truppen in Afghanistan.
Er war nur einer von hunderten LKW, die die Soldaten
täglich mit Nahrung, Wasser und Benzin versorgen. Ein
Milliardengeschäft - für private Firmen. Dahinter die Idee,
Aufträge vor allem an afghanische Firmen zu vergeben und so
lokale Strukturen zu stärken. Schön und gut. Doch es sollte
nicht eine Schattenwirtschaft entstehen, die riesiges Geld
in falsche Hände spült - und genau das passiert. US-Medien
schäumten jetzt geradezu: Tax payers' money for the Taliban
- also Steuergelder für die Taliban? Und was ist dann mit
den Deutschen und mit der Bundeswehr? Ralph Hötte, Jochen
Leufgens und Nikolaus Steiner gingen dieser brisanten Frage
nach."
Private Unternehmen übernehmen die Transporte ab den Flughäfen
Nachschub für die ISAF-Soldaten in Afghanistan. Ob frisches
Wasser oder andere Lebensmittel, fast alles, was die
Internationalen Truppen in Afghanistan brauchen, wird
importiert. Munition, Waffen, Ersatzteile. Die
Versorgungsgüter kommen meist per Flugzeug an und werden
dann auf dem Landweg weitertransportiert. Eine riesige
Logistik und ein Riesen-Geschäft - in Afghanistan. Private
Unternehmen haben mit der US-Regierung Logistik-Verträge
abgeschlossen und übernehmen die Transporte ab den
Flughäfen. Finanzvolumen der Verträge, allein für den
US-Nachschub: 2,16 Milliarden Dollar. Wie dieses Geld
verwendet wird, hat ein Ausschuss des US-Kongresses sechs
Monate lang untersucht. Wie organisieren die privaten
Firmen die 6.000 bis 8.000 LKW-Konvois pro Monat? Die
Antwort hat für viel Wirbel gesorgt.
Zitat: "[...] Logistikunternehmen und ihre lokalen
Subunternehmer in Afghanistan zahlen jährlich mehrere zehn
Millionen Dollar an lokale Warlords in ganz Afghanistan, um
Schutz zu erhalten."
"Warlords", regionale Machthaber. Sie kontrollieren nicht
nur viele Straßen. Sie sind die, die mit ihren Privatarmeen
in vielen Regionen Afghanistans eigentlich das Sagen haben.
Und die Warlords haben vor allem eins gemeinsam: sie wollen
keine demokratischen Strukturen. Und weil sie am Krieg
verdienen, haben Sie kein Interesse, dass er aufhört. Tom
Koenigs war als Leiter der zivilen UN-Mission zwei Jahre
lang in Afghanistan und ist heute Mitglied des
Verteidigungsausschusses. Millionen für die
Nachschub-Transporte in den Taschen von Warlords, für ihn
eine fatale Entwicklung.
Tom Koenigs, Bündnis90/Die Grünen, Mitglied des
Verteidigungsausschusses:
"Es ist ein System der Finanzierung, dass die
Kriegswirtschaft fortsetzt, eher noch wichtiger macht, eher
noch profitabler macht. Und damit das Ziel, dort eine
Demokratie aufzubauen konterkariert."
Und der Untersuchungsbericht aus den USA geht sogar noch
weiter. Nicht nur die Warlords profitieren von den
Transport-Geschäften, es gibt auch Hinweise, dass auch die
Taliban mitkassieren. Vor allem in den Gebieten, die sie
kontrollieren. Laut Untersuchungskommission deuten E-Mails
und Aussagen darauf hin, unter anderem von den beauftragten
Logistikunternehmen selbst.
Zitat: "Wir haben mit anderen Logistikunternehmen
gesprochen, die durch diese Gebiete fahren und die die
Taliban für die sichere Durchfahrt bezahlen."
Tim Foxley vom renommierten schwedischen Forschungsinstitut
SIPRI war oft in Afghanistan und beschäftigt sich seit
Jahren mit Einflussgebieten und Organisation der Taliban.
Was sagt er zu den Hinweisen der US-Untersuchung, dass Geld
für die Nachschub-Transporte auch an die Taliban geht?
Tim Foxley, Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI)
(Übersetzung MONITOR):
"Gelder der ISAF landen wahrscheinlich in den Händen der
Taliban. Natürlich ist das nicht beabsichtigt und es gibt
auch keine Verträge oder direkte Verbindungen. Aber wenn
man diese undurchsichtigen Zahlungen an die Mittelsmänner,
die Milizen und die Warlords leistet, dann - und so ist das
nun mal in Afghanistan - holen sich auch die Taliban ihren
Teil davon."
Geld für die Taliban, das über die Truppen-Nachschub-Verträge
letztlich vom US-Steuerzahler kommt? Für die amerikanische
Öffentlichkeit ist das derzeit ein brisantes Thema. Und wie
ist es bei den deutschen Truppen? Masar-e Sharif, das
Drehkreuz der deutschen Heeres-Logistik in Afghanistan. Von
hier aus werden etwa 4.500 Soldaten versorgt, ebenfalls
fast ausschließlich auf dem Landweg. Wie organisiert die
Bundeswehr ihre Nachschubtransporte? Nachfrage beim
Verteidigungsministerium. Und tatsächlich, auch hier hat
man Nachschubtransporte aus der Hand gegeben. Für
"Stückgüter aller Art", "Fahrzeuge und Container",
"Kühlware", "Magazin- und Gruppenverpflegung". Auf
MONITOR-Anfrage anwortet das Verteidigungsministeriums
schriftlich:
Zitat: "Die durch die Bundeswehr beauftragten Firmen und
deren Untervertragsnehmer führen die Transporte in
Eigenverantwortung durch. (...) Es wird grundsätzlich kein
militärischer Begleitschutz durch die Bundeswehr gestellt."
Eigenverantwortung? Ohne Schutz durch ISAF-Soldaten. Exakt
die gleiche Formulierung wählt der US-Bericht. Zahlen auch
die Firmen, die deutsche Soldaten versorgen Schutzgeld an
Warlords? Möglicherweise auch an Taliban? Feststeht, dass
im Norden Afghanistans die Sicherheitslage seit Monaten
schlechter wird. Zwei der deutschen Camps liegen in oder
nahe der Gebiete, in denen die Sicherheitslage als
gefährlich eingestuft und mit Attacken der Taliban ständig
zu rechnen ist.
Tom Koenigs, Bündnis90/Die Grünen, Mitglied des
Verteidigungsausschusses:
"Man muss natürlich verhindern, dass Geld des deutschen
Steuerzahlers, Geld der Bundeswehr, das eigentlich für
Sicherheit gedacht ist, in unsichere Kanäle bis hin zu den
Taliban, landet. Aber nicht nur die Taliban, auch Warlords,
die sich ja nicht an den Rechtsstaat gebunden fühlen,
sollten nicht von deutschem Geld profitieren."
Doch passiert das tatsächlich? Ein Interview dazu bekommen
wir vom Verteidigungsministerium nicht. Schriftlich heißt
es, von Zahlungen an Warlords oder Milizenführer - beim
Transport von Bundeswehrnachschub - wisse man nichts. Dass
der Schutz der Transporte nicht in den Händen der
Bundeswehr liegt, haben Mitglieder des
Verteidigungsausschusses erst durch MONITOR erfahren.
Tom Koenigs, Bündnis90/Die Grünen, Mitglied des
Verteidigungsausschusses:
"Ich wusste natürlich nicht, dass die Bundeswehr in hohem
Maße private Sicherheitsdienste in Anspruch nimmt, die sie
unter Umständen nicht mehr kontrolliert. Wie weit das geht,
werden wir natürlich durch Fragen im Verteidigungsausschuss
klären. Und wir werden dann auch sehr deutlich sagen, dass
wir alles, was dazu helfen könnte, den Rechtsstaat eher
noch zu schwächen, nicht nur ablehnen, sondern auch aktiv
bekämpfen müssen. Und wenn sich da Strukturen eingerissen
haben, müssen wir die beenden."
In den USA wird die umfangreiche Privatisierung der
Nachschubtransporte jetzt in Anhörungen untersucht. Obwohl
viel Geld in falsche Hände fließt, rechtfertigt das
US-Verteidigungsministerium seine Vorgehensweise.
John Nicholson, US-Verteidigungsministerium
(Übersetzung MONITOR):
"60 Prozent unserer Opfer in Afghanistan gehen auf das
Konto von Sprengstoffanschlägen. Deshalb ist es logisch,
dass je weniger Soldaten auf der Straße sind, desto weniger
auch Opfer von Anschlägen werden."
Tim Foxley, Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI)
(Übersetzung MONITOR):
"Kurzfristig betrachtet werden dadurch natürlich keine
Soldaten bei den täglichen Konvois getötet und das Risiko
wird geringer. Aber wenn dadurch Gelder an die Taliban
fließen, entsteht die Gefahr mittel- und langfristig, dass
dieses Geld für Bomben, Patronen und Sprengstoff ausgegeben
wird, um damit die ISAF zu bekämpfen."
Solange westliche Truppen in Afghanistan den Schutz ihrer
Nachschubtransporte weiter privatisieren, wird wohl noch
viel Geld in falschen Händen landen.
Sonia Seymour Mikich: "Krieg produziert genau so ein
Dilemma: entweder logistische Aufgaben selbst übernehmen
und mit noch mehr Toten und Verletzten rechnen. Oder
Outsourcing betreiben und dann die Kontrolle verlieren, wo
Geld und Güter hingehen. Nicht hinzunehmen ist aber, wenn
man den eigenen Feind finanziert."
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