Fritz Teufel - Massenorgie partnertausch sexspiele? Kurras Doppelagent!! (CIA BND)
FRITZ TEUFELS LETZTES INTERVIEW "Ich war am anfälligsten für die Liebe"
Fritz Teufel ist tot. Mit dem Tagesspiegel hatte er unlängst sein letztes Interview geführt. Trotz Krankheit klagte er nicht und hatte den Humor nicht verloren. Er sprach über Tischtennis, Suizidversuch und seine löwenhafte Mutter. Eine Lebensbilanz.
Fritz Teufel war eine der legendären Figuren der Studentenbewegung. Er lebte in der Kommune K 1, war bei der "Bewegung 2. Juni", lebte in der Illegalität und saß insgesamt acht Jahre in Haft. Berühmt sein Satz, als er sich im Gerichtssaal erheben sollte: "Wenn es der Wahrheitsfindung dient." Teufel war dann Fahrradkurier in Berlin. Hier sein letztes Interview:
Herr Teufel, wir haben uns fünf Mal verabredet, und immer kamen Arztbesuche und schlechte Tage dazwischen. Ist Ihre Krankheit so schlimm?
Die ist vor allem launisch. Manchmal denkt man, sie ist gar nicht mehr vorhanden, und manchmal ist nichts anderes vorhanden als diese Krankheit. Sie wird Parkinson genannt und ist nicht heilbar. Wenn es mir gut geht, denke ich oft, dass ich eigentlich etwas ganz anderes habe. Manchmal werde ich auch als Morbus Bechterew-Kranker angesprochen, wegen meiner schiefen, eingerollten Schulter.
Den Parkinson haben Sie seit acht Jahren. Wie viel hat er von Ihrem Leben übrig gelassen?
Eine Zeit lang dachte ich, es bleibt gar nichts übrig. Ich hatte nur noch Schmerzen und keine Genüsse mehr, konnte nicht mal schreiben und lesen und wollte mich deshalb per Suizid aus dem Jammertal entfernen. Das habe ich vor drei Jahren mit gesammelten Schlaftabletten zu dilettantisch angestellt, vielleicht war es unbewusst doch nicht ernst gemeint. Es hat jedenfalls nur zum komatösen Zustand gereicht. Ich hatte aber das Gefühl, gestorben zu sein. Dann lag ich auf der Pritsche im Unfallkrankenhaus und meine nackten Beine guckten in die Luft. "Da haben wir den Herrn Tempel" sagte einer der Fahrer, der meinen Namen falsch gelesen hatte. Da musste ich schon fast wieder lachen. Jedenfalls musste der Herr Tempel halbwegs lebendig zurück in die Parkinson-Klinik, wo die Ärzte über den Suizidversuch nicht amüsiert waren.
Wie kommen Sie im Alltag zurecht?
Ich mache genau das, was andere Rentner in meinem Alter auch machen, nur etwas weniger von allem, weil alles viel Anlaufzeit erfordert. Wenn ich einen Kuchen backe, dann ist das eine Unternehmung, die von der Logistik her ungefähr eine Woche geplant werden muss - wie bei einem fünfjährigen Kind. Demnächst werde ich mich mal wieder auf den Apfelstrudel werfen, den macht nämlich keiner so gut wie ich.
Dabei waren Sie doch für Ihren Schweinerollbraten in der Kommune K1 berühmt.
Das habe ich mal in einem ZDF-Interview behauptet, aber es stimmte nicht. Ich habe in London 1984 ein Jahr als Bäcker gearbeitet, und da liegen auch meine Stärken. Ein Schweinerollbraten wäre außerdem ein offener Angriff auf das Vegetarierwesen.
Sie essen kein Fleisch?
Ich bin so ein halber Vegetarier, kaufe jedenfalls keine Fleischgeschichten aus Massenhaltung. Trotzdem bin ich kein verbissener Typ wie Rainer Langhans, der kürzlich in einer Kochschau im Fernsehen selbst an den härtesten Veganern noch rumgenörgelt hat. Rainer kann natürlich wunderbar mit einem Apfelschnitz kommunizieren oder sich mit Tomatenachteln unterhalten.
Vor unseren Gesprächen hier haben wir erst mal Tischtennis gespielt. Es ist wirklich phänomenal, wie Sie beim Spielen plötzlich ruhig werden und wie sich Schultern und Oberkörper aufrichten.
Die Medikamente wirken besser, wenn ich regelmäßig spiele. Damit schaffe ich zumindest ein Unentschieden im Kampf gegen Parkinson. Ich versuche, harmonische Bewegungen zu machen, mit möglichst langen Ballwechseln. Das ist meine wichtigste Therapie, mein Tischtennis-Ballett. Nach einer Stunde Pingpong kommen Körper und Nerven zur Ruhe.
Parkinson ist aber eine fortschreitende Krankheit, die eher noch schlimmer wird. Keine schöne Aussicht.
Das ist nicht so dramatisch. Das menschliche Leben ist nur auf eine bestimmte Zahl von Jahren angelegt. Ich bin jetzt 66, da haben Leute meiner Art in früheren Generationen längst das Zeitliche gesegnet oder sind umgebracht worden. Ich hätte ja auch Aids haben können oder eine andere tödliche Malaise.
Lässt die Krankheit noch Platz für Schabernack, für den Sie berühmt und berüchtigt sind?
Ich mache mich immer wieder über den Kollegen Parkinson lustig. Parkinson ans Telefon! - das ist der Refrain, den ich gern singe.
Es ist ja fast schon Komik, wenn Sie wie ein Wackelpudding und mit wild rudernden Armen vor der Tischtennisplatte stehen.
Ja, das sind seltsame Bewegungen. Und manchmal liege ich auch, wie von einem riesigen Magneten gezogen - zack! - mit der Nase auf dem Asphalt. Mein blaues Auge hier kommt von einem Fahrradsturz. Deshalb habe ich mein sportliches Fahrrad gegen ein langsames eingetauscht, ohne Gangschaltung.
Dass Sie in Ihrem Zustand Rad fahren, ist unglaublich. Schon das Gehen sieht besorgniserregend aus.
Radfahren funktioniert oft besser als Gehen. Und Bewegung ist nun mal wichtig, wenn ich den ganzen Tag rumsitze, geht's mir deutlich schlechter.
Eine unglaubliche Pointe Ihrer Krankheit ist, dass Sie von einem Ur-Kommunarden der K1 ärztlich behandelt werden: von Hans Joachim Hameister. Er gehörte wie Sie zu den neun Leuten, die am 1. Januar 1967 die K1 am Stuttgarter Platz begründet haben.
Es gibt schon dumme Zufälle. Hameister ist homöopathischer Arzt, früher war er der begnadetste Redner der gesamten FU. Ihm zuzuhören war ein Erlebnis, er war sogar besser als Rudi Dutschke - und das will etwas heißen. Weil ich nach dem 2. Juni 1967 ein halbes Jahr im Knast verschwunden bin, hatte ich den Kontakt zu Hameister verloren. "Warum kommst Du erst jetzt", hat er mich nach 40 Jahren gefragt. Ich glaube schon an so was wie Fügungen, weil einem im Lauf des Lebens ja die unwahrscheinlichsten Dinge passieren. Bei mir gibt's jede Menge Aberglauben, und ich lese auch gern von Dämonen oder die phantastischen Romane von Gustav Meyrink.
Die großen Politstrategen der 68er hatten eher meterweise Marx und Lenin im Regal.
Wir waren in der K1 keine Marxisten. Was wirklich relevant war in der Kommune, war die Psychoanalyse. Das Duo Faschismus und Psychoanalyse war das große Thema und die Frage, wie viel Faschismus wir als nachfolgende Generation noch intus hatten.
Es ist genau 40 Jahre her, dass sich die K1 aufgelöst hat.
Ich finde immer noch, dass es eine tolle Zeit war. Wir waren jung, unbekümmert, unerfahren. In den Jahren 1967 und 1968 herrschte eine solche Vertraulichkeit und Fröhlichkeit, es war eine unglaubliche Aufbruchsstimmung und dazu diese hippiemäßige Zärtlichkeit. Wir waren richtig selig, man konnte sich jeden Tag neu verlieben. Ich habe davon reichlich Gebrauch gemacht. Als ich aus dem Knast rauskam, hatte ich das Gefühl, dass mir eine Entschädigung zustand und fiel von einer Verliebtheit in die andere. Kunzelmann und Langhans haben mich dann immer schwer zur Ordnung gerufen.
Ausgerechnet Langhans. Der gilt doch als großer Womanizer mit seinem Münchner Harem.
Das kam erst später. Ich war damals am anfälligsten für die Liebe. Auch heute ist das noch ein Thema. Ich hatte überlegt, in ein ehemals besetztes Haus zu ziehen, aber da hätte ich mich bei den vielen Frauen alle vier Wochen neu verliebt.
Dabei wirken Sie ganz glücklich mit Ihrer Freundin Helene.
Ja, das bin ich auch. Wir haben uns zur richtigen Zeit getroffen, und sie hat auch ihre Geschichte mit 68. Dieter Kunzelmann hat mal als Untermieter bei ihr gewohnt.
Auf Bildern der frühen 60er Jahre sehen Sie sehr weich und herzensgut aus. Jede Mutter hätte Ihnen sofort ihr Baby in den Arm gelegt.
Da hätte sie Pech haben können. Mir ist mal ein kleines Kind vom Schoß gefallen. Es war die Zeit, in der ich fast ständig bekifft war.
Trotzdem: Wie konnte der schüchterne und schafsanfte schwäbische Moralist Fritz Teufel zum Bürgerschreck werden?
Die Frage, ob ich ein sanfter Mensch war, interessiert mich wirklich. Ich bin mir nicht so sicher. Es gibt auch Bilder, auf denen ich sehr hart wirke. Der Bürgerschreck - das fing bei den langen Haaren an. Da waren wir die Ersten. Die Beatles hatten sie, die Provos in Amsterdam, und wir hatten sie auch. Die Medien, mit denen wir spielten, haben uns eigentlich erst zum Bürgerschreck gemacht. Dazu kamen unsere Aktionen und Happenings …
… wie das berühmte Puddingattentat 1967 auf US-Vizepräsident Humphrey. Was wollten Sie und die K1 politisch erreichen?
Da müssen Sie jeden einzeln fragen. Für mich hat vor allem der Spaß dazugehört. In der Kommune waren ja die verschiedensten Planstellen angelegt. Der boshafte Gnom als Happeningdirektor - das war die Planstelle unseres Prokuristen Kunzelmann. Rainer Langhans, unser Chef, hatte die Stelle des esoterischen Reinheitsfanatikers, er hatte ja intensive Erlebnisse mit einem Honigglas, auf dem "Reiner Bienenhonig" stand.
Ihre Planstelle war …
… Personalleiter und Humorist mit Sitzfleisch.
Es muss wahnsinnig anstrengend sein, ein Leben lang den Clown zu spielen.
Das ist ein innerer Trieb, der mich überkommt. Ich kann nicht anders. Ich habe schon als Schüler in meinen Aufsätzen ironische Formulierungen geliebt. Die Lehrer haben dann immer Fragezeichen und "Ausdruck!" an den Rand geschrieben. Beim Sportabitur habe ich mich verkleidet, bin zur Turnübung barfuß im Mantel angetreten.
Als Sie Mitte der 60er nach Berlin kamen, was hat Sie vor allem fasziniert?
Die Magie von Rudi Dutschke war ungeheuer. Sein SDS-Chinesisch haben ja die meisten überhaupt nicht verstanden. Aber es ging eben nicht nur um Inhalte. Es ging vor allem um seine Ausstrahlung. Er konnte schnell Menschen für sich und seine Sache gewinnen. Noch wichtiger als Rudi war damals meine Freundin Sunnhild, mit der zusammen ich erste Kontakte zu SDS-Leuten knüpfte. Es war die erste Zeit mit einer Frau überhaupt, es war so was von berauschend und damals das Wichtigste in meinem Leben. Man begreift solches Glück immer erst hinterher. Meine Politisierung hatte aber viel früher begonnen. Ich bin schon zu Hause in Ludwigsburg einigen grundlegenden Fakten deutscher Geschichte auf die Spur gekommen. Damals liefen die Auschwitz-Prozesse, ich bin oft nach Frankfurt gefahren, habe einige Verhandlungen verfolgt, und es war faszinierend, wie sich Angeklagte und Richter zum Verwechseln ähnlich sahen. Ich kann mich auch erinnern, dass ich ein Buch über den ersten Weltkrieg gelesen und geweint habe. Ich war ein eifriger Leser und habe meine Gewinne vom Doppelkopf immer in Büchern angelegt.
Ein halbes Jahr nach dem Einzug der K1 kam der Schah nach Berlin, Benno Ohnesorg wurde vom Polizisten Kurras erschossen, und Sie gingen - obwohl 20 Zeugen Ihre Unschuld beteuerten - als Steinwerfer und Aufrührer ins Gefängnis. War der 2. Juni 1967 der entscheidende Tag Ihres Lebens?
Einer der wichtigsten bestimmt. Er hat mich auf eine bestimmte Bahn gebracht. Viel wichtiger als meine Inhaftierung war der Tod von Ohnesorg, der ja ein argloser Student war und ohne großes politisches Interesse einfach auf einer Demo mitgelaufen ist und dabei von einem irren Polizisten erschossen wurde. Und fast alle liberalen Demokraten dieses Landes standen plötzlich wie ein Mann hinter der Polizei.
Kurras war, wie jetzt herauskam, bei der Stasi.
Das glaube ich gern. Vielleicht war er auch eine Art Doppelagentenpolizist, der von verschiedenen Lagern aufgehetzt war. Entscheidend ist aber etwas anderes: Er hat nach den Todesschüssen von allen Seiten volle Rückendeckung bekommen. Jeder Vorwurf an die Polizei wurde abgebügelt.
Sie sind am 2. Juni für 148 Tage zum ersten Mal im Gefängnis verschwunden, bevor Sie nach legendären Rededuellen mit dem Gericht freigesprochen wurden. Ihr Stoßseufzer "wenn's der Wahrheitsfindung dient", mit dem Sie sich nach der Aufforderung durch den Richter vom Platz erhoben, wurde legendär. Gleichzeitig nannten sie den Richter "Murmelgreis" und drohten, ihm das Ohr abzuschneiden. Als Sie aus der Haft kamen, waren Sie eine Ikone.
Das gewaltige Echo auf meine Inhaftierung und die solidarische Begleitmusik hatte ich im Knast gespürt. Selbst die Gefängnisbeamten haben mich respektvoller angeguckt als andere Knackis. Ich bekam auch Vergünstigungen und erhielt besseres Essen. Ich habe versucht, das Beste aus der Zeit im Knast zu machen, während draußen Flugblätter und Rauchkerzen flogen. Als ich rauskam, war ich natürlich happy. Mit einem Ohr habe ich den politischen Diskussionen zugehört, ein anderer Teil von mir wollte lieber schmusen. Dass ich plötzlich eine Berühmtheit war, konnte ich täglich in den Zeitungen lesen. Die haben wir uns in der K1 jeden Morgen zum Frühstück reingezogen. Es war nicht mehr die trockene Zeitungskacke, da waren viele Geschichten drin, die wir uns vorgelesen haben.
Dieter Kunzelmann soll einmal gesagt haben, die Aufgabe von Fritz Teufel war es, im Knast zu sitzen - es wurden insgesamt acht Jahre Ihres Lebens.
Der Urheber dieses Satzes ist ebenso nebulös wie es die legendären Orgasmus-Schwierigkeiten sind, die der K1 nachgesagt wurden. Nach dieser Logik wäre es auch Dutschkes und Ohnesorgs Aufgabe gewesen, sich niederschießen zu lassen. Gut, der Knast gehörte damals zur revolutionären Sozialisation, das war die Grundausbildung. Es war schon eine verkehrte Welt. Wir hatten uns da auf etwas gestürzt, was manchmal hanebüchen war und manchmal auch ganz wunderseltsam.
War es für Sie überhaupt noch möglich, nach der ersten Zeit im Gefängnis ein normales Leben zu führen? Sie waren der Politstar, von dem alle "action" erwarteten.
Es war jedenfalls schwieriger, normal zu leben. Vielleicht hätte ich auch einen anderen Lauf der Dinge in Bewegung setzen können, einen friedlicheren Weg, der sich damit begnügt hätte, Spaßguerilla zu sein. Nur hätte es dann auch liberale Politiker gebraucht, die aus der Geschichte gelernt haben. Dann hätte ich mich früher aufs Fahrrad setzen können. Als ich 1980 nach meiner langen Zeit im Knast die Liebe zum Fahrrad entdeckte, konnte ich alles abschütteln, da hatte ich die ganze Scheiße endlich hinter mir.
Ende der 60er Jahre eskalierten die Proteste. Aus Farbeiern wurden Brandanschläge, und irgendwann war der Humorist Fritz Teufel bewaffnet und trug eine Pistole im Hosenbund.
Das war erst 1975. In Sachen Militanz waren wir ja gespalten und zerstritten. Aber wir wollten auch nicht den Weg von Langhans gehen. Der hat nur noch davon gesprochen, dass wir alle Popstars werden. Und ein dummes Huhn wie Ursel Obermeier wurde plötzlich als Sexgöttin ausgerufen. Wir wollten etwas anderes. Wir glaubten wirklich, die historische politische Fehlentwicklung der naziverseuchten Bundesrepublik korrigieren zu müssen. Für einen anderen Gang der Dinge hätte es eine gute Fee gebraucht, die uns einen späteren Lebensabschnitt und entsprechende Einsichten vorzeitig geschenkt hätte. Und dazu zehn Jahre gesellschaftspolitischer Entwicklung. Aber so …
Wann haben Sie gespürt, dass der bewaffnete Kampf scheitern muss und nicht Ihr Weg ist?
Es war eine Erfahrung, die sich langsam herausgebildet hat. Als ich im Hochsicherheitstrakt saß, habe ich gespürt, wie die Leute, die einmal die tollsten Aktionen gemacht haben, immer härter wurden, wie sie auseinandergedriftet sind, wie die Animositäten untereinander größer wurden.
Inzwischen hatte dieser Kampf Tote gefordert. Hat Sie das nicht schockiert, als Menschen kaltblütig umgebracht wurden?
Es gab ja auch Opfer auf unserer Seite. Deshalb war eine verbreitete Haltung: Wenn schon Leute draufgehen müssen, dann aber auch auf der Gegenseite. So habe ich das auch eine Zeit lang gesehen. Viele dachten, dass es gut ist, dass der Richter Drenkmann draufgegangen ist …
… der Präsident des Berliner Kammergerichts, Günter von Drenkmann, wurde 1974 von einem bewaffneten Kommando in seinem Haus umgebracht, vier Monate später wurde der CDU-Politiker Peter Lorenz entführt.
Ohne den Tod von Drenkmann hätte es bei der Lorenz-Entführung weniger Verhandlungsspielraum gegeben. Das war damals eben die Logik.
Mit der Sie dann gebrochen haben?
Nach dem Tod der RAF-Leute in Stammheim - ich zweifle bis heute, dass es Selbstmord war - ist mir in Gesprächen im engsten Freundeskreis die Sinnlosigkeit dieses Kampfes klar geworden. Dazu kam ein sehr persönlicher emotionaler Touch. Es ging um das Mädchen, das meiner ersten Liebe Sunnhild nachgefolgt ist: Irmgard Möller, mit der ich 1968 und 1969 in München eine wunderbare Zeit in der Kommune Wacker Einstein zusammen war …
… und die 1977 die Todesnacht in Stammheim, mit vier Messerstichen in der Brust, als Einzige überlebte.
Sie war so ein unglaublich fröhliches Hippiemädchen gewesen. Als ich am 9. Juni 1970 mal wieder aus dem Knast kam, ist sie gerade eingefahren. Es gab keine Chance für uns beide. Sie wurde gesucht, ich saß im Knast, dann kam ich raus und sie ging in den Knast. Es war die Zeit, als es losging mit den RAF-Attentaten, die sogenannte Mai-Offensive. Auch ich wollte damals, dass "mehr passiert".
Ihr Bruch kam durch die Liebe zu einer Frau?
Es war nicht nur Irmgards Schicksal. Wir hatten ja auch unsere Erfahrungen mit dem bewaffneten Kampf gemacht. Er war vielleicht nicht falsch, aber es war aussichtslos, das Abmurksen vietnamesischer Kinder beenden zu wollen, indem wir hier eine zweite Front eröffneten.
1975 standen Sie wieder vor dem Richter. Neben Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Waffenbesitz und Brandanschlägen wurde Ihnen Mittäterschaft an den Lorenz-Drenkmann-Verbrechen vorgeworfen. Sie haben 1638 Tage in der Zelle gesessen - um dann plötzlich ein lückenloses Alibi zu präsentieren.
Ich wollte mich im Knast eben noch ein bisschen amüsieren. Natürlich hatten wir unsere Erfahrungen mit der Justiz, der Gegner und das Ausmaß seiner Intelligenz waren bekannt. Durch meine Rolle, in die ich nicht freiwillig geraten war, die ich aber mit Vergnügen gespielt habe, hatte ich Aufmerksamkeit. Meine Stimme wurde gehört. So konnte ich zeigen, wie ein Angeklagter für definitiv nicht begangene Taten vorverurteilt wurde und wie das ganze System funktionierte.
Während der Lorenz-Entführung hatten Sie in einer Essener Fabrik unter falschem Namen Klodeckel hergestellt und...
...ja, das war mein Alibi. Aber ich wusste, dass ich für die anderen Sachen sowieso fünf Jahre kriegen würde. Das war gängiges Strafmaß für Unterstützer des 2. Juni. Und den Waffenbesitz musste ich mir ja ankreiden lassen. Bei meiner Verhaftung trug ich die berühmte abgesägte Schrotflinte bei mir. Es hat nichts genützt, dass meine Mutter dem Ermittlungsrichter sagte, dass es nur eine ganz kleine Schrotflinte war.
Ihre Mutter Lotte Teufel hat unbeirrbar zu Ihnen gehalten.
Das ist ein verständliches Verhalten, so sind Mütter nun mal. Meine war keine Ausnahme, aber vielleicht ein besonders löwenhaftes Exemplar. Das mag auch an ihrem Sternzeichen liegen. Und als Husumerin war sie eine späte Nachfahrin der Störtebeckers. Sie war immer stolz auf ihren Jüngsten. Und ich galt nach ihren Aussagen als Prachtmodell eines Sohnes.
Der regelmäßig in der Justizvollzugsanstalt besucht werden musste. Was machen fünf Jahre Gefängnis mit einem Menschen?
Damals war ich noch in guter Kondition, und wir wurden auch einigermaßen anständig behandelt. Ich wurde in diesen fünf Jahren immer als privilegierter Gefangener betrachtet. Und ich habe es sogar geschafft, Bohnenkaffee im Moabiter Knast durchzusetzen. Andererseits war ich auch gezieltes Objekt von Psychokriegen der Justiz, dann wollte man Zeichen setzen gegenüber den Leuten vom 2. Juni und hat die Haftbedingungen verschärft. Jedenfalls hätte ich die fünf Jahre lieber auf dem Lande verbracht und Tomaten gezüchtet.
Nach dem Freispruch in Sachen Lorenz Drenkmann kamen Sie 1980 aus dem Gefängnis raus.
Das war kein Freispruch. Es war Nichtverurteilung mangels Beweisen. Das war schon 1967 der Fall in meinem ersten Prozess. Ich wurde freigelassen, weil ein Steinwurf trotz aller Versuche nicht nachzuweisen war. Diese Justiz hat mir nie einen Freispruch erster Klasse spendiert. Es waren immer Freisprüche der allerschlechtesten Sorte.
Aber Sie waren draußen und haben sich endgültig vom bewaffneten Kampf verabschiedet?
Ich wollte die ganze Szene hinter mir lassen. Ich dachte, ich hätte mein Scherflein beigetragen. Und tatsächlich hatte ich ja vor allem für die deutsche Rechtspflege Großes geleistet. Und draußen wartete auch schon das Fahrrad auf mich.
Woher kommt diese abgöttische Liebe zu diesem Verkehrsmittel?
Es muss damit zusammenhängen, dass der große Leonardo da Vinci das Teil erfunden hat. Und es ist diese Mühelosigkeit und Leichtigkeit, mit der man sich fortbewegt. Stellen Sie sich einen Frühlingsmorgen vor auf der schottischen Insel Sky in den westlichen Hebriden. Sie fahren eine wunderschöne Straße entlang, es blüht und summt und duftet. Ein paar Mädchen stehen am Straßenrand …
… sieht so Ihr großes Glück aus?
Jedenfalls ist das sehr angenehm und eine zutiefst menschliche Art, sich fortzubewegen.
Wie haben Sie das Fahrrad entdeckt?
Als kleiner Junge fuhr ich in Ludwigsburg mit dem Rad meiner Tante. Am Asperger Buckel bin ich gegen einen Lkw gedonnert. Ich hatte Vorfahrt und bekam von der Versicherung mein erstes richtiges Fahrrad. Damit bin ich zur Schule gefahren und habe Botengänge für meinen Vater erledigt, der Steuerberater war. Leider habe ich das Fahrrad stehen lassen, als ich 1963 nach Berlin ging.
Dafür haben Sie es nach dem Mauerfall zum Beruf gemacht. Sie waren neun Jahre Fahrradkurier und Dienstbote einer Gesellschaft, die Sie lange bekämpft haben.
Die Zeit als Fahrradkurier war sicher nicht das Gelbe vom Ei. Es ist ein Beruf, der in einer Stadt wie Berlin Menschen kaputt macht. Wie sich der Verkehr hier entwickelt hat mit den aggressiven Benzinesen, das ist schon hart. Dazu der Druck, die Aufträge schnell zu erledigen. Aber wir sind über die Runden gekommen - bis ein Kollege unseren Koffer mit Bargeld verschwinden ließ.
Inzwischen sind Sie Rentner und ziemlich arm.
Ich beklage mich nicht. Und ich bin genügsam. Wenn ich wirklich etwas brauche - diese Erfahrung habe ich immer gemacht - dann bekomme ich es auch.
Herr Teufel, haben Sie nach all den Jahren Ihren Frieden mit dieser Gesellschaft gemacht?
Ich habe mich nie im Kriegszustand befunden. Wir waren keine Krieger, wir waren eher Blues Brothers oder Stadtindianer, kurz vor der Einweisung in ihre Reservate. Verglichen mit den Jahrzehnten davor war unsere 68er Zeit zudem eine friedvolle Epoche. Was dieses Land angeht, sehe ich, dass es resozialisiert wurde und damit wieder in die Gemeinschaft der Nichtverbrecher-Staaten aufgenommen werden konnte. Sie haben eine halbwegs funktionierende Demokratie aufgebaut. Trotzdem kann ich mich immer wieder schwarzärgern oder auch totlachen über viele Dinge in dieser Republik.
Fritz Teufel (* 17. Juni 1943 in Ludwigsburg; + 6. Juli 2010 in Berlin) wurde als West-Berliner Spaß-Revoluzzer während der Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre der breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Fritz Teufel wurde während des Krieges 1943 in Ludwigsburg als Letztes von sechs Kindern geboren. Er kam 1963 nach West-Berlin und begann ein Studium der Germanistik, Publizistik und Theaterwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Mit Dieter Kunzelmann und Rainer Langhans war er einer der Mitbegründer der Kommune I, die vor allem durch ihre bewusst provokanten und gegen die herrschenden Gesellschaftsbedingungen gerichteten Aktionen bundesweite Aufmerksamkeit erregte.[1]
Teufel und andere wurden Anfang 1967 festgenommen, als sie beim Werfen von Tüten beobachtet wurden. Die Polizei und die Presse bezeichneten dies als Attentat auf den damaligen US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey. Die weltweite Blamage war groß, als sich die Wurfgeschosse als Pudding- und Mehlbomben entpuppten ("Pudding-Attentat"). Am Tag nach dem Besuch Humphreys wurden die vermeintlichen Attentäter wieder freigelassen.
Am 2. Juni 1967 wurde Fritz Teufel wegen eines angeblichen Steinwurfs während der Demonstration gegen den Schah Reza Pahlavi verhaftet und saß bis zum Verhandlungsbeginn im November in Untersuchungshaft. Während der Verhandlungen fiel Fritz Teufel vor allem durch – aus Sicht der Staatsanwaltschaft – respektloses Verhalten auf. Als er eine längere Stellungnahme abgeben wollte, wurde er vom Richter ermahnt, er möge nur Tatsachen vorbringen, die der Wahrheitsfindung dienen. Etwas später kam er dann der Aufforderung des Richters, sich zu erheben, mit der Bemerkung "Wenn's der Wahrheitsfindung dient" nach. Am 22. Dezember 1967 wurde Teufel freigesprochen.
Mit der Zeit bewegte sich Fritz Teufel immer mehr in Richtung des bewaffneten Kampfes und der Stadtguerilla. Zwei Jahre Gefängnis brachte ihm das Herstellen von Brandsätzen ein, die in einem Münchner Gericht gefunden worden waren. Die Presse sprach von einem Fehlurteil, da keine Beweise für eine Beteiligung Teufels vorlagen.
1975 wurde Teufel erneut festgenommen und angeklagt, als führendes Mitglied der Bewegung 2. Juni an der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz mitgewirkt zu haben. Nach 5 Jahren Untersuchungshaft fand 1980 die Gerichtsverhandlung statt. Erst nach den Plädoyers der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, die 15 Jahre Haft gefordert hatte, legte Teufel ein Alibi vor, mit dem er nachweisen konnte, dass er zur Tatzeit in einer Essener Fabrik (Pagette) unter falschem Namen gearbeitet hatte. Die späte Präsentation des Alibis begründete er damit, so könne er "zeigen, wie ein Angeklagter für definitiv nicht begangene Taten vorverurteilt wurde und wie das ganze System funktionierte". Außerdem ging er davon aus, dass er wegen unerlaubten Waffenbesitzes bei seiner Verhaftung und wegen Unterstützung der Bewegung 2. Juni ohnehin zu 5 Jahren Haft verurteilt worden wäre.[2] Er wurde zwar umgehend aus der Haft entlassen, jedoch eröffnete das Gericht eine neue Anklage wegen einiger in Berlin begangener Banküberfälle, bei denen die Räuber an Personal und Kunden der ausgeraubten Banken Schokoküsse verteilt hatten. Teufel gab dazu in einem "B-Libi"[3] an, im Tatzeitraum in Köln untergetaucht gewesen zu sein, wollte aber mögliche Entlastungszeugen nicht nennen, um sie nicht ebenfalls der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen.
Am 19. Februar 1982 erregte er in der Fernsehsendung 3 nach 9 Aufsehen, in der er unter anderen mit dem damaligen Bundesminister für Finanzen Hans Matthöfer (SPD) über gutes Benehmen diskutierte. Im Gespräch mit dem Moderator zog er eine Wasserpistole und spritzte den Minister mit Zaubertinte nass. Matthöfer reagierte, indem er Teufel ein Glas Wein übergoss.[4]
Später arbeitete Teufel als freier Mitarbeiter bei der taz und als Fahrradkurier in Berlin. Weil er an Parkinson erkrankt war, musste er diese Tätigkeit aber aufgeben.[5] Zuletzt lebte er zurückgezogen mit seiner Lebensgefährtin Helene Lollo und Freunden in Berlin-Wedding.
2001 wurde ihm der "Wolfgang-Neuss-Preis für Zivilcourage" verliehen.[6]
Schriften
* Rainer Langhans, Fritz Teufel (Hrsg.): Klau mich. StPO der Kommune I. Edition Voltaire, Frankfurt am Main, Berlin 1968. In: Voltaire-Handbücher, Band 2 (hrsg. von Bernward Vesper), ISBN 3-88167-022-X (unveränderter Nachdruck bei Trikont, München 1977 und 1978).
* Die Unbeugsamen von der Spree, Karl Heinz Roth, Fritz Teufel: Klaut Sie. (Selbst)kritische Beiträge zur Krise der Linken und der Guerilla. In: Internationale Taschenbücherei Band 17. IVA-Verlag Polke, Tübingen 1979. ISBN 3-8826-6017-1.
* Fritz Teufel, Robert Jarowoy: Märchen aus der Spassgerilja. Libertäre Assoziation, Hamburg / Verlag Roter Funke, Bremen 1980 (ohne ISBN).
* Fritz Teufel: Wer wird Weltmeister? taz-Kolumne vom 12. Juni 1986 abgerufen am 9. Juli 2010
* Fritz Teufel: Aus Teufels Küche. A-Verbal-Verlag, Berlin 1988. ISBN 3-88999-008-8.
Literatur
* Marco Carini: Fritz Teufel: "wenn's der Wahrheitsfindung dient". Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2003. ISBN 978-3-89458-224-1.
* Martin Klimke, Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Ein Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung. Metzler, Stuttgart / Weimar 2007. ISBN 978-3-476-02066-6.
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