Politparade Willy Brandt Musik Download request
Label: CBS, CBS Catalog#: S 65 473, S 65473
Format: Vinyl, LP, Compilation
Country: Germany
Released: 1972
Genre: Brass & Military, Jazz
Style: Marches, Political, Easy Listening, Big Band, Speech, Comedy
Tracklist
A1 High
Vocals [Speech] - Karl Schiller
A2 Deutschland Braucht Bayern
Vocals [Speech] - Franz Josef Strauß
A3 We Do Not Want To Fight
Vocals [Speech] - Gerhard Schröder (2)
A4 Die NPD Ist Wieder Weg
Vocals [Speech] - Helmut Schmidt
A5 Made In Germany
Vocals [Speech] - Walter Scheel
B1 Wir Wollen Mehr Demokratie Wagen
Vocals [Speech] - Willy Brandt
B2 Etwas Lernen - Etwas Leisten
Vocals [Speech] - Helmut Schmidt
B3 Nach Allem Was Ich Sehe
Vocals [Speech] - Rainer Barzel
B4 Der Song Mit Den Kurzen Beinen
Vocals [Speech] - Herbert Wehner
Credits
Accordion - Hans Schepior
Bass - Dieter Von Goetze
Bass, Tuba - Eberhard Leibling
Choir - Lobbies, The
Composed By, Arranged By, Producer - Roland Schneider (3)
Directed By [Idee Und Realisation], Producer - Volker Kühn
Drums - Kurt Bong
Guitar - Volker Kriegel
Piano, Organ, Violin, Percussion - Roland Schneider (3)
Saxophone - Horst Lubitz
Trumpet - Conny Jackel*
Notes
Political Cabaret / Fake Compilation of Jazz-Arrangements using excerpts of German Political Speeches from 60's/70's period.
GEMA
Falls jemand weiss, wo es den itunes mov wav runterladen herunterladen mp3 download torrent oder rapidshare usw gibt, bitte hinterlasst hier einen kommentar.
Der Willy Brandt sond wurde heute auf DLF Dradio Deutschladnfunk gesendet in Zwischentöne (gast: joachim sikora, unbedingtes grundeinkommen usw)
"Wir wollen mehr Demokratie wagen." oder abgekürzt "mehr Demokratie wagen" sagte der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969. [38] Diese Botschaft wurde auch zu einem der Markenzeichen seiner sozial-liberalen Koalition.
Dieses Motto war damals nicht unumstritten. Als Willy Brandt am Ende seiner Rede sagte "Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an", protestierte die Opposition mit Zwischenrufen wie "Ein starkes Stück! Unglaublich! Unerhört!" [39] Konservative Politiker befürchteten die Folgen einer Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, während linksliberale Kreise einen Aufbruch zu neuen Ufern erhofften.
Hier der volltext redetext komplette rede transkript protokoll redeprotokoll
* Erklärung der Bundesregierung vom 28.
Oktober 1969
Bundeskanzler Willy Brandt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind
entschlossen, die Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland und den Zusammenhalt der deutschen Nation
zu wahren, den Frieden zu erhalten und an einer
europäischen Friedensordnung mitzuarbeiten, die
Freiheitsrechte und den Wohlstand unseres Volkes zu
erweitern und unser Land so zu entwickeln, daß sein
Rang in der Welt von Morgen anerkannt und gesichert
sein wird. Die Politik dieser Regierung wird also im
Zeichen der Kontinuität und im Zeichen der Erneuerung
stehen. Unser Respekt gebührt dem, was in den
vergangenen Jahren geleistet worden ist - im Bund, in
den Ländern und in den Gemeinden, von allen Schichten
unseres Volkes. Ich nenne die Namen Konrad Adenauer,
Theodor Heuss und Kurt Schumacher stellvertretend für
viele andere, mit denen die Bundesrepublik Deutschland
einen Weg zurückgelegt hat, auf den sie stolz sein
kann. Niemand wird die Leistungen der letzten zwei
Jahrzehnte leugnen, bezweifeln oder geringschätzen.
Sie sind Geschichte geworden. Die Beständigkeit
unserer freiheitlichen Grundordnung ist am 28.
September erneut bestätigt worden. Ich danke den
Wählern für die eindeutige Ablehnung des Extremismus,
den es weiterhin zu bekämpfen gilt. (Beifall bei den
Regierungsparteien sowie bei der CDU/CSU.) Unsere
parlamentarische Demokratie hat 20 Jahre nach ihrer
Gründung ihre Fähigkeit zum Wandel bewiesen und damit
ihre Probe bestanden. Dies ist auch außerhalb unserer
Grenzen vermerkt worden und hat unserem Staat zu neuem
Vertrauen in der Welt verholfen. Die strikte Beachtung
der Formen parlamentarischer Demokratie ist
selbstverständlich für politische Gemeinschaften, die
seit gut 100 Jahren für die deutsche Demokratie
gekämpft, sie unter schweren Opfern verteidigt und
unter großen Mühen wieder aufgebaut haben. Im
sachlichen Gegeneinander und im nationalen Miteinander
von Regierung und Opposition ist es unsere gemeinsame
Verantwortung und Aufgabe, dieser Bundesrepublik
eine gute Zukunft zu sichern. Die Bundesregierung
weiß, daß sie dazu der loyalen Zusammenarbeit mit
den gesetzgebenden Körperschaften bedarf. Dafür bietet
sie dem Deutschen Bundestag und natürlich auch dem
Bundesrat ihren guten Willen an. Unser Volk braucht
wie jedes andere seine innere Ordnung. In den 70er
Jahren werden wir aber in diesem Lande nur so viel
Ordnung haben, wie wir an Mitverantwortung ermutigen.
Solche demokratische Ordnung braucht
außerordentliche Geduld im Zuhören und
außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu
verstehen. Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir
werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen
Bedürfnis nach Information Genüge tun. Wir werden
darauf hinwirken, daß nicht nur durch Anhörungen im
Bundestag, (Abg. Dr. Barzel: Anhörungen?) sondern auch
durch ständige Fühlungnahme mit den repräsentativen
Gruppen unseres Volkes und durch eine umfassende
Unterrichtung über die Regierungspolitik jeder Bürger
die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und
Gesellschaft mitzuwirken. (Abg. Dr. Barzel: Die
Regierung will uns gnädigst anhören?! - Abg. Wehner:
Beruhigen Sie sich! Das heißt neudeutsch "Hearing",
nichts anderes! - Abg. Dr. Barzel: Dann soll er es
doch richtig sagen!) Wir wenden uns an die im Frieden
nachgewachsenen Generationen, die nicht mit den
Hypotheken der Älteren belastet sind und belastet
werden dürfen; jene jungen Menschen,
* Der Text wird wortgetreu dokumentiert nach dem
Stenographischen Bericht der 5. Sitzung des Deutschen
Bundestages in der 6. Wahlperiode am Dienstag, den 28.
Oktober 1969, Seite 20 bis 34, so wie er in den
Protokollen des Deutschen Bundestages wiedergegeben
ist. Verzichtet wurde auf eine Übernahme der fett
gesetzten Hervorhebungen in den Protokollen, die
lediglich zur inhaltlichen Orientierung dienen.
Offensichtliche Rechtschreib- und
Zeichensetzungsfehler wurden stillschweigend
korrigiert.
die uns beim Wort nehmen wollen - und sollen. Diese
jungen Menschen müssen aber verstehen, daß auch sie
gegenüber Staat und Gesellschaft Verpflichtungen
haben. Wir werden dem Hohen Hause ein Gesetz
unterbreiten, wodurch das aktive Wahlalter von 21 auf
18, das passive von 25 auf 21 Jahre herabgesetzt wird.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Wir werden auch
die Volljährigkeitsgrenze überprüfen. Mitbestimmung,
Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen
unserer Gesellschaft wird eine bewegende Kraft der
kommenden Jahre sein. Wir können nicht die perfekte
Demokratie schaffen. Wir wollen eine Gesellschaft,
die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung
fordert. Diese Regierung sucht das Gespräch, sie
sucht kritische Partnerschaft mit allen, die
Verantwortung tragen, sei es in den Kirchen, der
Kunst, der Wissenschaft und der Wirtschaft oder in
anderen Bereichen der Gesellschaft. Dies gilt nicht
zuletzt für die Gewerkschaften, um deren
vertrauensvolle Zusammenarbeit wir uns bemühen. Wir
brauchen ihnen ihre überragende Bedeutung für diesen
Staat, für seinen weiteren Ausbau zum sozialen
Rechtsstaat nicht zu bescheinigen. Wenn wir leisten
wollen, was geleistet werden muß, brauchen wir alle
aktiven Kräfte unserer Gesellschaft. Eine
Gesellschaft, die allen weltanschaulichen und
religiösen Überzeugungen offen sein will, ist auf
ethische Impulse angewiesen, die sich im
solidarischen Dienst am Nächsten beweisen. Es kann
nicht darum gehen, lediglich hinzunehmen, was durch
die Kirchen für die Familie, in der Jugendarbeit oder
auf dem Sektor der Bildung geleistet wird. Wir sehen
die gemeinsamen Aufgaben, besonders, wo Alte, Kranke,
körperlich oder geistig Behinderte in ihrer Not
nicht nur materielle Unterstützung, sondern auch
menschliche Solidarität brauchen. Im Dienst am
Menschen - nicht nur im eigenen Land, sondern auch in
den Entwicklungsländern - begegnet sich das Wirken
kirchlicher und gesellschaftlicher Gruppen mit dem
politischen Handeln. Wir werden uns ständig darum
bemühen, daß sich die begründeten Wünsche der
gesellschaftlichen Kräfte und der politische Wille der
Regierung vereinen lassen. Meine Damen und Herren!
Diese Regierung geht davon aus, daß die Fragen, die
sich für das deutsche Volk aus dem zweiten Weltkrieg
und aus dem nationalen Verrat durch das Hitlerregime
ergeben haben, abschließend nur in einer europäischen
Friedensordnung beantwortet werden können. Niemand
kann uns jedoch ausreden, daß die Deutschen ein Recht
auf Selbstbestimmung haben, wie alle anderen Völker
auch. (Beifall bei den Regierungsparteien und
Abgeordneten der CDU/CSU.) Aufgabe der praktischen
Politik in den jetzt vor uns liegenden Jahren ist es,
die Einheit der Nation dadurch zu wahren, daß das
Verhältnis zwischen den Teilen Deutschlands aus der
gegenwärtigen Verkrampfung gelöst wird. Die Deutschen
sind nicht nur durch ihre Sprache und ihre Geschichte
- mit ihrem Glanz und Elend - verbunden; wir sind alle
in Deutschland zu Haus. Wir haben auch noch
gemeinsame Aufgaben und gemeinsame Verantwortung:
für den Frieden unter uns und in Europa. 20 Jahre nach
Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR
müssen wir ein weiteres Auseinanderleben der
deutschen Nation verhindern, also versuchen, über
ein geregeltes Nebeneinander zu einem Miteinander
zu kommen. Dies ist nicht nur ein deutsches
Interesse, denn es hat seine Bedeutung auch für den
Frieden in Europa und für das Ost-West-Verhältnis.
Unsere und unserer Freunde Einstellung zu den
internationalen Beziehungen der DDR hängt nicht
zuletzt von der Haltung Ostberlins selbst ab. Im
übrigen wollen wir unseren Landsleuten die Vorteile
des internationalen Handels und Kulturaustausches
nicht schmälern. Die Bundesregierung setzt die im
Dezember 1966 durch Bundeskanzler Kiesinger und seine
Regierung eingeleitete Politik fort und bietet dem
Ministerrat der DDR erneut Verhandlungen beiderseits
ohne Diskriminierung auf der Ebene der Regierungen an,
die zu vertraglich vereinbarter Zusammenarbeit führen
sollen. Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR
durch die Bundesregierung kann nicht in Betracht
kommen. Auch wenn zwei Staaten in Deutschland
existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland;
ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer
Art sein. (Beifall bei den Regierungsparteien. -
Unruhe bei der CDU/CSU.)
Anknüpfend an die Politik ihrer Vorgängerin erklärt
die Bundesregierung, daß die Bereitschaft zu
verbindlichen Abkommen über den gegenseitigen Verzicht
auf Anwendung oder Androhung von Gewalt auch gegenüber
der DDR gilt. Die Bundesregierung wird den USA,
Großbritannien und Frankreich raten, die
eingeleiteten Besprechungen mit der Sowjetunion über
die Erleichterung und Verbesserung der Lage Berlins
mit Nachdruck fortzusetzen. Der Status der unter der
besonderen Verantwortung der Vier Mächte stehenden
Stadt Berlin muß unangetastet bleiben. Dies darf nicht
daran hindern, Erleichterungen für den Verkehr in und
nach Berlin zu suchen. Die Lebensfähigkeit Berlins
werden wir weiterhin sichern. West-Berlin muß die
Möglichkeit bekommen, zur Verbesserung der
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen
Beziehungen der beiden Teile Deutschlands beizutragen.
Wir begrüßen es, daß der innerdeutsche Handel wieder
zunimmt. Hierzu haben auch die Erleichterungen
beigetragen, die durch die Vereinbarung am 6. Dezember
1968 eingetreten sind. Die Bundesregierung hält einen
weiteren Ausbau der nachbarlichen Handelsbeziehungen
für wünschenswert. Wir haben das bisherige Ministerium
für gesamtdeutsche Fragen entsprechend seinen Aufgaben
in Ministerium für innerdeutsche Beziehungen
umbenannt. Die Deutschlandpolitik insgesamt kann nicht
Sache eines Ressorts ein. Sie ist eine ständige
Aufgabe der ganzen Regierung und umfaßt Aspekte der
auswärtigen Politik, der Sicherheits- und
Europapolitik, ebenso wie die Bemühungen um den
Zusammenhalt unseres Volkes und um die Beziehungen
im geteilten Deutschland. Meine Damen und Herren, in
unserer Bundesrepublik stehen wir vor der
Notwendigkeit umfassender Reformen. Die Durchführung
der notwendigen Reformen und ein weiteres Steigen des
Wohlstandes sind nur möglich bei wachsender
Wirtschaft und gesunden Finanzen. Doch diese
Bundesregierung hat ein schwieriges
wirtschaftspolitisches Erbe übernommen, das zu
raschem Handeln zwang: (Beifall bei den
Regierungsparteien. - Lachen und Widerspruch bei der
CDU/CSU.) Seit gestern ist die Parität der Deutschen
Mark um 8,5 % verbessert. Die außenwirtschaftliche
Absicherung auf steuerlichem Wege wurde endgültig
aufgehoben. Wir werden die Forderung des Gesetzes zur
Förderung der Stabilität und des Wachstums erfüllen.
Dieses Gesetz, eine der großen Reformleistungen des 5.
Deutschen Bundestages, verpflichtet zum Handeln, wenn
das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gefährdet ist.
Diese Pflicht war seit dem Frühjahr 1969
vernachlässigt worden. (Lebhafter Beifall bei den
Regierungsparteien.) Der Beschluß der Bundesregierung
vom letzten Freitag, vom 24. Oktober, beendet eine
Phase der Unsicherheit und beseitigt das
fundamentale Ungleichgewicht in unserer
Zahlungsbilanz. (Zuruf von der CDU/CSU: Abwarten!)
Außenwirtschaftlich haben wir damit einen
entscheidenden Beitrag geleistet, um den Welthandel
weiter zu liberalisieren und das Weltwährungssystem zu
stabilisieren. Binnenwirtschaftlich wird die
Aufwertung die Preisentwicklung des Jahres 1970
dämpfen. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Abwarten!)
Allerdings wäre mehr zu erreichen gewesen, wenn die
vorige Bundesregierung rechtzeitig gehandelt hätte.
(Beifall bei den Regierungsparteien. - Zurufe von der
CDU/CSU.) Der Höhepunkt der Preisentwicklung kann
wegen dieses Versäumnisses sogar noch vor uns liegen.
(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.) Ohne Aufwertung
wäre eine weitere Zuspitzung der Konjunkturlage mit
der Gefahr einer nachfolgenden Rezession kaum
vermeidbar gewesen. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Unser Ziel lautet: Stabilisierung
ohne Stagnation. Diesem Ziel dient unser wirtschafts-
und finanzpolitisches Sofortprogramm. Es enthält: 1.
Eine Finanzpolitik, die eine graduelle Umorientierung
des Güterangebots auf den Binnenmarkt hin fördert.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr bedenklich!)
2. Weitere Konsultationen mit der Bundesbank über
eine der neuen Lage nach der DM- Aufwertung
angemessene Linie der Geld- und Kreditpolitik. 3. Die
Fortsetzung und Intensivierung der bewährten
Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und
Unternehmensverbänden im Rahmen der Konzertierten
Aktion, an der in Zukunft auch Vertreter der
Landwirtschaft teilnehmen werden. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) 4. Die Intensivierung der
Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im
Konjunkturrat der öffentlichen Hand. 5. Die aktive
Mitarbeit der Bundesregierung an einer stärkeren
Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in
den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und
an der notwendigen Weiterentwicklung des
Weltwährungssystems. Die Aufwertung der D-Mark
verlangt von uns einen Einkommensausgleich für die
Landwirtschaft. Unsere Verpflichtung gegenüber den
deutschen Bauern müssen wir jedoch mit den Römischen
Verträgen über den Gemeinsamen Markt in Einklang
bringen. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat
anerkannt, daß der Einkommensverlust der deutschen
Landwirtschaft voll ausgeglichen werden muß. Nach
stundenlangen Beratungen hat er - der Rat - in den
heutigen Morgenstunden folgendes beschlossen: Auf
Antrag der deutschen Delegation wurde zunächst eine
Übergangsregelung für die Dauer von 6 Wochen
getroffen. (Zuruf von der CDU/CSU: Was kommt danach?)
Während dieser Zeit werden die Preise nach der
bisherigen Parität aufrechterhalten und durch ein
Grenzausgleichssystem abgesichert. Nach dieser Zeit
erhält die Landwirtschaft den Einkommensausgleich.
Dieser Ausgleich kann zum Teil durch eine Änderung
des Mehrwertsteuergesetzes herbeigeführt werden.
(Unruhe bei der CDU/CSU.) Wie das im einzelnen
geschieht, darüber wird dieses Hohe Haus in Kürze
beraten müssen. (Abg. Dr. Barzel: Was machen die
Bauern so lange? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)
Der Rest wird durch direkte Ausgleichszahlungen
gedeckt, an denen sich die Gemeinschaft beteiligen
wird. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften
wird in Kürze erneut zusammentreten, um die
Einzelheiten der langfristigen Regelung festzulegen.
(Abg. Rasner: Also wir wissen noch nichts!) Leider hat
der Rat dem mehrfach und mit großem Nachdruck
vorgetragenen Antrag der Bundesregierung, das
bisherige Preisniveau durch ein Grenzausgleichssystem
auf Dauer beizubehalten, nicht entsprochen. Unsere
Partner in der EWG und die Kommission vertraten den
Standpunkt, daß dadurch die Grundlage der gemeinsamen
Agrarpolitik und des Gemeinsamen Marktes in Frage
gestellt werden würde. Dieser Kompromiß zeigt
deutlich, meine Damen und Herren, daß ein
Widerspruch zwischen der weit vorangetriebenen
Integration des Agrarmarktes und der mangelnden
Koordinierung der Konjunktur- und Währungspolitik
besteht. Eine Weiterentwicklung der Agrarpolitik im
Rahmen der EWG muß daher in Zukunft stärker auf
Fortschritte bei der Wirtschafts- und Währungspolitik
abgestimmt werden. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Es bleibt das Ziel der
Bundesregierung, die nationale Verantwortung für
die landwirtschaftliche Strukturpolitik zu erhalten.
Bei der notwendigen Strukturverbesserung der
Landwirtschaft muß vermieden werden, daß eine Politik
des Preisdrucks betrieben wird. Die vorzeitige
Verwirklichung des gemeinsamen Agrarmarkts hat ohne
Zweifel die internen Anpassungsprobleme der
deutschen Landwirtschaft wesentlich verschärft. Wir
halten es deshalb für unausweichlich, der
Landwirtschaft bei der Überwindung ihrer
Schwierigkeiten zu helfen. Sie soll sich zu einem
gleichrangigen Teil unserer modernen Volkswirtschaft
entwickeln, der an der allgemeinen Einkommens- und
Wohlstandsentwicklung in vollem Umfang teilnimmt.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Unser
Sofortprogramm, wie ich es in fünf Punkten skizziert
habe, ist ein klares Angebot der Bundesregierung an
alle, die unsere Wirtschaft tragen. Eine stetige
Wirtschaftsentwicklung ist die beste Grundlage des
gesellschaftlichen Fortschritts. Sie schafft das
Klima, in dem sich private Initiative,
Risikobereitschaft und Leistungsfähigkeit
entfalten können. Sie sichert die Arbeitsplätze,
schützt die steigenden Einkommen und wachsenden
Ersparnisse vor der Auszehrung durch
Preissteigerungen. Auf Dauer können Stabilität und
Wachstum nur in einer funktionsfähigen
marktwirtschaftlichen Ordnung erreicht werden. Ein
wirksamer Wettbewerb nach innen und nach außen ist und
bleibt die sicherste Gewähr für die Leistungskraft
einer Volkswirtschaft. Allen protektionistischen
Neigungen im In- und Ausland erteilen wir eine klare
Absage. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Das
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird
modernisiert werden. Unternehmenskonzentration ist
zwar in vielen Bereichen notwendig. Sie darf aber
nicht zur Ausschaltung des wirksamen Wettbewerbs
führen. Deshalb ist eine vorbeugende Fusionskontrolle
notwendig. Diese soll sich auf alle Bereiche der
Wirtschaft erstrecken. Die Einrichtung einer
unabhängigen Monopolkommission kann dazu ein wichtiges
Instrument sein. Die Mißbrauchskontrolle
marktbeherrschender und marktstarker Positionen muß
ausgebaut werden. Dagegen soll die leistungssteigernde
Kooperation zwischen Mittel- und Kleinunternehmen,
auch im Handwerk und Handel, erleichtert werden. Sie
darf nicht an dem Verbot von Bagatellkartellen
scheitern. Die Klein- und Mittelbetriebe haben ein
Recht auf gleiche Startchancen im Wettbewerb und auf
einen wirksamen Schutz vor diskriminierenden
Praktiken. Die Fusionskontrolle soll auch für die
Presse gelten. Diese Regierung beabsichtigt, ein
Presserechts-Rahmengesetz vorzulegen. Im Fernsehen
sollen neue technische Möglichkeiten zum besten Nutzen
der Gesellschaft, vor allem auch für Bildungsaufgaben,
verwendet werden; in jedem Falle sind dabei die
Interessen der Öffentlichkeit vorrangig zu sichern.
(Beifall bei den Regierungsparteien. - Abg. Rasner:
Das sagt nichts!) Ein verbessertes Kartellgesetz muß
zum Instrument einer wirksamen und fortschrittlichen
Mittelstandspolitik werden. Auf dieser Grundlage
können dann weitere Maßnahmen zur Verbesserung der
Finanzierungsmöglichkeiten, zum Ausbau des
Beratungswesens und zu einer vom Betrieb unabhängigen
Alterssicherung für die Selbständigen aufbauen. Zu den
Schwerpunkten der Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik dieser Bundesregierung gehört das
Bemühen um eine gezielte Vermögenspolitik. Die
Vermögensbildung in breiten Schichten - vor allem in
Arbeitnehmerhand - ist völlig unzureichend; sie muß
kräftig verstärkt werden. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Die Bundesregierung wird einen
Entwurf zum Ausbau des Vermögensbildungsgesetzes
vorlegen. Darin soll als nächster Schritt der
Begünstigungsrahmen für vermögenswirksame Leistungen
von 312 auf 624 DM erhöht werden. Die
Bundesregierung erwartet, daß Gewerkschaften und
Arbeitgeber diese Offerte annehmen. Darüber hinaus
soll die Vermögensbildung so gestaltet werden, daß
gleichzeitig die Kapitalbildung in der Wirtschaft und
die Anlage in Beteiligungswerten erleichtert werden.
Ein gesetzliches Zwangssparen entspricht jedoch
nicht unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Nach der Absicht
der Regierung sollen das Sparen im eigenen Betrieb in
die allgemeine Sparförderung einbezogen und die
Möglichkeiten des Bausparens erweitert werden. Weitere
Vorschläge zur Vermögenspolitik, vor allem auch im
Zusammenhang mit der notwendigen Reform der
Sparförderung werden geprüft. Die Verbesserung des
Sparerschutzes und die Reform des Börsenwesens sind
dabei wichtige flankierende Maßnahmen. Dauerhafte
Sicherheit kann es in einer entwickelten Gesellschaft
nur durch Veränderung geben. Das wird sich in den
70er Jahren noch deutlicher zeigen. Der
permanente wirtschaftliche und soziale Wandel ist eine
Herausforderung an uns alle. Er kann ohne die
Initiative des einzelnen nicht gemeistert werden.
Die Eigeninitiative braucht jedoch die Unterstützung
der Politik. Wir dürfen keine Gesellschaft der
verkümmerten Talente werden. Jeder muß seine
Fähigkeiten entwickeln können. Die betroffenen
Menschen dürfen nicht einfach ihrem Schicksal
überlassen werden. Im Bewußtsein der Verantwortung für
die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes in den
70er Jahren werden wir uns besonders intensiv der
Ausbildung und Fortbildung sowie der Forschung und der
Innovation annehmen.
Dabei gilt es insbesondere, das immer noch bestehende
Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land abzubauen.
Ich bin sicher, daß wir auf diese Weise
beträchtliche Leistungsreserven unserer Gesellschaft
mobilisieren und die Chancen jedes einzelnen
verbessern können. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Meine Damen und Herren, Solidität
wird die Richtschnur unserer Finanzpolitik sein. (Abg.
Dr. Barzel: Na! Bei diesem Staat?) Wir dürfen
allerdings nicht verschweigen, daß die Situation
weniger günstig ist, als sie von bestimmter Seite
dargestellt wurde. (Abg. Dr. Barzel : Und deshalb Ihre
ganzen Vorhaben!) Die Bundesregierung steht zunächst
vor der Aufgabe, einen mittelfristigen Finanzplan für
die Jahre 1969 bis 1973 und - so bald wie möglich
- einen Entwurf für den Bundeshaushaltsplan 1970 dem
Hohen Hause vorzulegen. (Abg. Dr. Barzel: Aber vorweg
erst einmal die Steuern senken! Das ist dann
"solide"!) Die neue mittelfristige Finanzplanung
wird unsere politischen Absichten in Zahlen
ausdrücken. Dabei ist all das zu berücksichtigen,
was bei der Aufstellung des letzten mittelfristigen
Finanzplans des Bundes noch nicht gewollt oder noch
nicht absehbar gewesen ist: 1. In dem letzten
Finanzplan, der die Jahre 1968 bis 1972 umfaßt, ist
eine Vielzahl von Maßnahmen nicht enthalten, die durch
die vorige Bundesregierung im letzten Jahr getroffen
wurden. 2. Diese Regierung hat die finanziellen
Möglichkeiten für die Erfüllung einer Reihe von
politischen Forderungen des 5. Deutschen Bundestages
zu prüfen. 3. Für die nationale Agrarpolitik stehen im
Haushalt 1969 3,4 Milliarden DM, nach den Ansätzen der
Finanzplanung im nächsten Jahre nur noch 2,7
Milliarden DM zur Verfügung. Dies dürfte nach den
Unterlagen, die der Landwirtschaftsminister
vorgefunden hat, keineswegs ausreichen. Die in
Zukunft getrennt auszuweisenden Ausgaben für die EWG-
Marktordnungen werden im Jahre 1970 um 1,4
Milliarden DM höher sein als bisher veranschlagt.
4. Durch die Verzögerung der Aufwertung der Deutschen
Mark sind im Bundeshaushalt besondere Belastungen
entstanden: zusätzliche Leistungen im öffentlichen
Dienst (Lachen und Zurufe von der Mitte: Ah ja!) - ich
wiederhole: zusätzliche Leistungen im öffentlichen
Dienst als Folge der Situation auf dem Arbeitsmarkt
durch die Nichtaufwertung (Beifall bei den
Regierungsparteien - Anhaltendes Lachen bei der
CDU/CSU) und jetzt höher als im Frühjahr zu
veranschlagende Ausgleichsmaßnahmen für die
Landwirtschaft. (Abg. Rasner: Durch die Aufwertung! -
Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) Meine Damen und
Herren, die in der vorigen Legislaturperiode
angekündigte Steuerreform wird die Bundesregierung
verwirklichen. Wir erfüllen damit auch das
Verfassungsgebot zur Schaffung des sozialen
Rechtsstaates. Wir haben nicht die Absicht, bestehende
Vermögen durch konfiskatorisch wirkende Steuern
anzutasten. Wir wollen auch in der Steuerpolitik die
Voraussetzungen für eine breitere Vermögensbildung
schaffen. Zunächst werden wir den Bericht der
Steuerreformkommission abzuwarten haben. Unser Zielt
ist es, ein gerechtes, einfaches und überschaubares
Steuersystem zu schaffen. Die Vorlage einer
reformierten Abgabenordnung muß beschleunigt erfolgen.
Bei einer rationellen Bewirtschaftung und bei
Verwendung moderner, kostensparender Methoden können
die öffentlichen Haushalte die in den nächsten Jahren
entstehenden Finanzierungsaufgaben erfüllen, ohne daß
die Steuerlastquote des Jahres 1969 erhöht wird. (Abg.
Dr. Barzel: Nennen Sie doch mal die Zahlen!) Ohne der
Arbeit der Steuerreformkommission vorzugreifen, halten
wir es für notwendig, zwei Änderungen vorwegzunehmen:
(Abg.: Dr. Barzel: Erst einmal einen ausgeben!) 1. Der
Arbeitnehmerfreibetrag, der seit 1964 unverändert 240
DM jährlich beträgt, soll vom 1. Januar 1970 an
verdoppelt werden. (Beifall bei den
Regierungsparteien. - Zurufe von der Mitte.)
Dies ist ein notwendiger Akte der sozialen Symmetrie
zugunsten der Arbeitnehmer. (Erneuter Beifall bei den
Regierungsparteien. - Abg. Dr. Barzel: Kommt auch noch
in die "soziale Symmetrie"!) 2. Vom 1. Januar 1970 an
soll auch die Einkommensgrenze, von der ab die
Ergänzungsabgabe bislang erhoben wird, zugunsten der
mittleren Einkommen verdoppelt werden. (Abg. Köppler:
Das ist die andere Symmetrie! - Zuruf des Abg. Dr.
Barzel.) - Ach, wissen Sie, Sie müssen sich noch
angewöhnen, auch einmal einer Regierungserklärung
zuzuhören. Alles will gelernt sein. (Lebhafter Beifall
bei den Regierungsparteien. - Zurufe von der Mitte. -
Abg. Dr. Barzel: Herr Kollege Brandt, und Sie werden
sich daran gewöhnen müssen, daß hier nicht nur
"angehört" wird!) Ab 31. Dezember 1970 soll die
Ergänzungsabgabe ganz fortfallen; sie war zur
Sanierung des Bundeshaushalts nach der
finanzwirtschaftlichen Krise im Jahre 1966
eingeführt worden. (Zurufe von der CDU/CSU: Soziale
Symmetrie!) Die Bundesregierung wird die
Finanzreform vollenden und wird sie in praktische
Finanzpolitik umsetzen. Besonders hervorzuheben ist
das Zusammenwirken im Finanzplanungsrat. Dieser Rat
ist die institutionelle Hilfe, um den Ausgleich
zwischen den Interessen von Bund, Ländern und
Gemeinden zu vollziehen. Wir sind sicher, daß es auch
auf diesen Gebieten zu einer fruchtbaren
Zusammenarbeit mit dem Bundesrat kommen wird. Die
Regierung muß bei sich selbst anfangen, wenn von
Reformen die Rede ist. (Zuruf von der CDU/CSU:
Allerdings!) Die Zahl der Ministerien wurde
vermindert, (Lachen bei der CDU/CSU) eine erste
Flurbereinigung der Ressortzuständigkeiten
vorgenommen. Wir werden diese Bemühungen fortsetzen,
um Verantwortlichkeiten klarer festzulegen und
Doppelarbeit zu vermeiden. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Das Bundeskanzleramt und die
Ministerien werden in ihren Strukturen und damit auch
in ihrer Arbeit modernisiert. Dem Bundestag wird eine
Übersicht vorgelegt werden, aus der sich die jetzt
geltenden Zuständigkeiten ebenso ergeben wie die
Zusammensetzung und Arbeitsgebiete der neu
gebildeten Kabinettsausschüsse. Für das
Bundespostministerium und das
Bundesverkehrsministerium, die künftig gemeinsam von
einem Bundesminister geleitet werden, bot es sich
schon lange an, zergliederte Zuständigkeitsbereiche
zusammenzufassen. Das Post- und Fernmeldewesen kann
seine Aufgaben für unsere Gesellschaft besser
erfüllen, wenn die ministerielle Aufsicht sich auf das
politische Notwendige beschränkt. Dadurch wird die
Eigenständigkeit der Bundespost gestärkt und eine
wirtschaftliche Unternehmensführung erleichtert.
(Zuruf des Abg. Stücklen.) Die Bundesregierung
beabsichtigt daher, der Bundespost eine neue
Rechtsform zu geben. Diese Veränderungen, zu deren
Vorbereitung eine Kommission eingesetzt wird, werden
den Rechten der Postbediensteten ebenso wie den
Interessen der Postkunden gerecht werden. Das
Vertriebenenministerium wird in das Innenministerium
eingegliedert. (Zuruf rechts.) Ich begrüße es, daß der
Staatssekretär a. D. Dr. Nahm sich bereit erklärt hat,
dort seinen früheren Arbeitsbereich zu betreuen.
(Beifall bei der SPD. - Zuruf von der CDU/CSU.) Die
Bundesregierung bleibt sich ihrer Verantwortung für
die Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten
bewußt. Sie wird die notwendigen Maßnahmen zur
Eingliederung vollenden. Sie wird den
Lastenausgleich und die Kriegsfolgegesetzgebung,
auch im Interesse der Flüchtlinge aus der DDR, zu
einem gerechten Abschluß bringen. Sie wird weiter
alle vernünftigen Bestrebungen fördern, die der
Erhaltung und Entfaltung der kulturellen Leistungen
und Werte Ostdeutschlands dienen. Die Bundesregierung
wird in dieser Legislaturperiode ein Gremium schaffen,
(Abg. Dr. Barzel: Noch eines!?) dem Politiker aus
Bund, Ländern und Gemeinden, Verwaltungsbeamte und
Wissenschaftler angehören. Es soll Vorschläge zur
Fortentwicklung der bundesstaatlichen Struktur
ausarbeiten. Für die Länderneugliederung werden wir
von dem nach Art. 29 unseres Grundgesetzes gestellten
Auftrag ausgehen. Für die Verwaltungsreform und die
Reform des öffentlichen Dienstrechts werden wir
Vorschläge unterbreiten. Verwaltungsreform und Reform
des öffentlichen Dienstes sind miteinander zu
verbinden. Die Laufbahnreform muß das Leistungsprinzip
stärker in den Vordergrund stellen, (Beifall bei den
Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU)
die Personalführung flexibler gestalten und die
Personalentscheidungen transparenter machen. Die
Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die
Angehörigen des öffentlichen Dienstes Anspruch haben
auf Teilnahme an dem allgemeinen wirtschaftlichen
Fortschritt. Um die Sicherheit in unserem Lande zu
gewährleisten, wird die Bundesregierung die
Modernisierung und die Intensivierung der
Verbrechensbekämpfung energisch vorantreiben. Sie wird
unverzüglich die Arbeit an einem Sofortprogramm
aufnehmen und dieses dem Deutschen Bundestag im Jahre
1970 zuleiten. Die Bundesregierung wird die vom
Herrn Bundespräsidenten als früherem Bundesminister
der Justiz begonnenen Reformen unseres Rechts
fortführen. (Zurufe von der CDU/CSU.) Sie hofft,
hierfür eine ebenso große Mehrheit über alle Parteien
hinweg zu erhalten, wie sie die vom letzten Bundestag
verabschiedeten Reformgesetze gefunden haben. Es geht
um mehr als um die erforderliche Anpassung von
Rechtsvorschriften an die sich rapide verändernden
wirtschaftlichen, technischen und sozialen
Verhältnisse. Die Menschen in unserer Industrie- und
Dienstleistungsgesellschaft erwarten eine soziale
und humane Rechts- und Lebensordnung, die allen
Bürgern gleiche Chancen und Schutz auch vor dem
wirtschaftlich Stärkeren gewährt. Zunächst wollen wir
unsere zersplitterte Rechtspflege für den
rechtsuchenden Bürger durchschaubarer machen. Die
Zuständigkeiten für die Verwaltungs- und
Finanzgerichtsbarkeit werden auf den Bundesminister
der Justiz übertragen. Die ordentliche Gerichtsbarkeit
soll dreistufig gegliedert werden. Dem Bürger soll
außerdem nicht nur ein gutes, sondern auch ein
schnelleres Gerichtsverfahren zu Verfügung gestellt
werden. (Abg. Dr. Barzel: Bravo!) Entscheidend ist,
daß unsere Richter den ihnen gestellten Aufgaben
gewachsen sind. Dazu müssen wir ihre Aus- und
Fortbildung überdenken, ihre Verantwortungsfreude -
etwa durch die Heraushebung des Einzelrichters -
stärken, (Zustimmung des Abg. Dr. Barzel) ihre
Mitwirkung in eigenen Angelegenheiten verbessern,
ihnen eine ihrer verfassungsrechtlichen Stellung
gemäße Besoldung geben und für die Gerichte die
Möglichkeiten erschließen, die die moderne Technik
bietet. Dem Verfassungsrichter jedenfalls muß das
Recht eingeräumt werden, sein von der
Mehrheitsmeinung abweichendes Votum zu
veröffentlichen. (Zustimmung bei der SPD.) Im
Zivilrecht ist die Reform des Eherechts dringend. Die
Bundesregierung wird auf der Grundlage der
Empfehlungen der eingesetzten Kommission im
kommenden Jahr eine Reformnovelle vorlegen.
Weltanschauliche Meinungsverschiedenheiten dürfen
uns nicht daran hindern, eine Lösung zu finden, um die
Not der in heillos zerrütteten Ehen lebenden Menschen
zu beseitigen. Dabei muß verhindert werden, daß im
Falle der Scheidung Frau und Kinder die sozial
Leidtragenden sind. (Beifall bei der SPD und
Abgeordneten der FDP.) Wir meinen, daß in dieser
Legislaturperiode die Strafrechtsreform vollendet
werden muß, der sich die Fortsetzung der Reform des
Strafvollzugs anschließen wird. Mit der Verabschiedung
der beiden Strafrechtsreformgesetzte ist ein guter
Anfang gemacht worden. Die Bundesregierung wird
weitere Novellen zum Strafgesetzbuch so rechtzeitig
vorlegen, daß sie zusammen mit dem bereits
verabschiedeten Gesetz am 1. Oktober 1973 in Kraft
treten können.
Die Bundesregierung weiß, daß unsere Soldaten in
vielen Einheiten und in vielen Funktionen bis an
die Grenzen der Leistungsfähigkeit gefordert werden.
Die zur Ausführung nötige Zahl der Berufs- und
Zeitsoldaten sowie der Stand der Ausbildung und
Ausrüstung entsprechen nicht überall den Aufträgen.
Wir wissen, daß darüber hinaus der Wandel unserer
Gesellschaft und der Fortschritt der Technik, daß vor
allem aber die praktische Erfahrung unserer Soldaten
heute eine umfassende kritische Bestandsaufnahme
der Bundeswehr nötig gemacht haben. Diese
Bestandsaufnahme wird unverzüglich eingeleitet.
Soldaten, Wissenschaft und Bundesregierung werden
dabei zusammenwirken. Im Verteidigungs-Weißbuch 1970
werden dem Parlament die vorläufigen Ergebnisse
dieser generellen Inventur und sogleich die
beabsichtigten Veränderungen vorgelegt werden. Wir
müssen die Bundeswehr als integrierten Teil unserer
Gesellschaft verstehen. Schon heute will ich in fünf
Punkten die Absichten der Bundesregierung klar
herausstellen: 1. Wir wollen ein Maximum an
Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung der
wehrpflichtigen jungen Männer schaffen;
Wehrdienstausnahmen und -befreiungen werden abgebaut.
Ob sich daraus Konsequenzen für die Dauer des
Grundwehrdienstes ergeben, werden wir prüfen. 2.
Innerhalb des Verteidigungsministeriums sollen die
Führungsstäbe die international übliche militärische
Arbeitsweise anwenden; sie werden dazu von
bürokratischem Ballast befreit. (Beifall bei der SPD.)
Technik und Beschaffung werden nach Methoden modernen
industriellen Managements rationalisiert. 3. Wir
werden die bisherigen Bemühungen um geeignete
Ausbilder, Truppenführer und technische Fachleute
fortsetzen und ausbauen. Auch aus diesem Grunde wird
die Sorge für die Truppe im Zentrum unserer Bemühungen
stehen. 4. Wir vertrauen auch auf die fruchtbare
Arbeit des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages.
An den Grundsätzen der Inneren Führung, zu deren
Innehaltung Inspekteure, Kommandeure und Soldaten
aller Rangstufen sich verpflichtet wissen, werden wir
festhalten. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Wir
wissen, daß auf dem Boden der feststehenden
rechtlichen und sittlichen Maßstäbe Anpassungen
einzelner Regelungen an Entwicklung und Erfahrung
nötig sein können. 5. Wir halten am Recht der
Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen fest.
Für sie gilt das Prinzip gerechter Gleichbehandlung.
Das Verfahren soll entbürokratisiert werden. (Beifall
bei den Regierungsparteien.) Die Leistungen der
Soldaten und Zivilisten in der Bundeswehr, meine Damen
und Herren, werden nur dann voll wirksam, wenn sie von
der Anerkennung durch die öffentliche Meinung getragen
werden. (Beifall bei den Regierungsparteien und bei
Abgeordneten der CDU/CSU.) Meine Damen und Herren,
Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung
stehen an der Spitze der Reformen, die es bei uns
vorzunehmen gilt. Wir haben die Verantwortung, soweit
sie von der Bundesregierung zu tragen ist, im
Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft
zusammengefaßt. Mit diesem Hohen Haus sind wir uns
wohl darin einig, daß die Aufgaben von Bildung und
Wissenschaft nur gemeinsam von Bund, Ländern und
Gemeinden gelöst werden können. Der 5. Deutsche
Bundestag hat für die Zusammenarbeit von Bund und
Ländern eine Reihe neuer Möglichkeiten geschaffen, die
diese Bundesregierung voll ausschöpfen will; sie will
den Ländern - ohne deren Zuständigkeiten anzutasten -
helfen. Schwere Störungen des gesamten Bildungssystems
ergeben sich daraus, daß es bisher nicht gelungen ist,
die vier Hauptbereiche unseres Bildungswesens -
Schule, Hochschule, Berufsausbildung und
Erwachsenenbildung - nach einer durchsichtigen und
rationalen Konzeption zu koordinieren. Solange aber
ein Gesamtplan fehlt, ist es nicht möglich, Menschen
und Mittel so einzusetzen, daß ein optimaler Effekt
erzielt wird. Die Bundesregierung hat aufgrund des
Art. 91 b des Grundgesetzes eine klare
verfassungsrechtliche Grundlage für eine
Bildungsplanung gemeinsam mit den Ländern erhalten.
Besonders dringlich ist ein langfristiger Bildungsplan
für die Bundesrepublik für die nächsten 15 bis 20
Jahre. Dieser dem Bundestag und den Länderparlamenten
vorzulegende
Plan soll gleichzeitig erklären, wie er verwirklicht
werden kann. Gleichzeitig muß ein nationales
Bildungsbudget für einen Zeitraum von 5 bis 15 Jahren
aufgestellt werden. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Die Bundesregierung wird in
den Grenzen ihrer Möglichkeiten zu einem
Gesamtbildungsplan beitragen. Das Ziel ist die
Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers,
der imstande ist, durch einen permanenten Lernprozeß
die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen
und sich ihnen entsprechend zu verhalten. Die Schule
der Nation ist die Schule. (Lebhafter Beifall bei der
SPD und Beifall bei der FDP. - Lachen bei der
CDU/CSU.) Wir brauchen das 10. Schuljahr, und wir
brauchen einen möglichst hohen Anteil von Menschen
in unserer Gesellschaft, der eine differenzierte
Schulausbildung bis zum 18. Lebensjahr erhält. Die
finanziellen Mittel für die Bildungspolitik müssen in
den nächsten Jahren entsprechend gesteigert werden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wie?) Die Bundesregierung wird
sich von der Erkenntnis leiten lassen, daß der
zentrale Auftrag des Grundgesetzes, allen Bürgern
gleiche Chancen zu geben, noch nicht annähernd erfüllt
wurde. Die Bildungsplanung muß entscheidend dazu
beitragen, die soziale Demokratie zu verwirklichen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Zu den neuen
Aufgaben der Bundesregierung gehört es, ein
Hochschulrahmengesetz vorzulegen. Ein solches Gesetz
wird auch die Lage der bisherigen Fachhochschulen im
Rahmen eines Gesamthochschulsystems zu
berücksichtigen haben. Fragen der Personalstruktur
stehen zunächst im Mittelpunkt. Für Hochschulen und
staatliche Forschungseinrichtungen müssen wirksame
Vorschläge für die Überwindung überalterter
hierarchischer Formen vorgelegt werden. Soweit der
Bund vorwiegend betroffen ist, werden entsprechende
Maßnahmen beschleunigt getroffen. Der Ausbau der
Hochschulen muß verstärkt vorangetrieben werden. Um
eine kurzfristige Erweiterung der Kapazitäten der
Hochschulen zu erreichen, soll ein möglichst großer
Teil der Mittel für den Hochschulbau sofort für solche
Bauten bereitgestellt werden, die durch eine
Rationalisierung des Bauverfahrens innerhalb von 12
bis 15 Monaten schlüsselfertig zur Verfügung stehen
können. Die Bundesregierung wird prüfen, wie den
Ländern bei der Überwindung des Numerus clausus in
wesentlichen Fachbereichen am besten geholfen
werden kann. Vordringlich werden auch die modernen
Unterrichts-Technologien und das Fernstudium
anzuwenden sein. Die Hochschulreform ist aber nur ein
Teil der vor uns liegenden Reformen unseres
allgemeinen Bildungswesens. Die Bildungspolitik kann
und darf nicht mehr nach Ausbildungsstufen isoliert
betrachtet werden. Bildung, Ausbildung und Forschung
müssen als ein Gesamtsystem begriffen werden, das
gleichzeitig das Bürgerrecht auf Bildung sowie den
Bedarf der Gesellschaft an möglichst
hochqualifizierten Fachkräften und an
Forschungsergebnissen berücksichtigt. Grundlegende
Reformen in Bildung und Forschung sind zugleich
Bedingung für die zukünftige wirtschaftliche
Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Meine Damen und
Herren, neuerdings wird viel über die technologische
Lücke, über das, was einige den Mut zur Lücke nennen,
und über rationale Kriterien für die Festsetzung von
Prioritäten in und zwischen den verschiedenen
Kategorien der Forschung diskutiert. Wir meinen, ein
Land von der Größe der Bundesrepublik kann und muß
auch heute noch die Grundlagenforschung in ihrer
ganzen Breite fördern. Dies steht nicht in Widerspruch
zur Auswahl von Schwerpunkten für die staatliche
Förderung von Forschung und Entwicklung, die wegen der
begrenzten Mittel unerläßlich ist. Ein wichtiges Ziel
der Bundesregierung ist, Methoden des politischen
Entscheidungsprozesses über Forschungsprioritäten zu
entwickeln, die heute kaum in den Anfängen vorhanden
sind. Die Bundesregierung beabsichtigt, verstärkt
Haushaltsmittel für die Förderung der Informatik und
der Entwicklung von Computer-Sprachen einzusetzen.
Diese Seite der Datenverarbeitung ist besonders
umfangreich und erfordert mehr Mittel als die
Entwicklung der eigentlichen Rechenmaschinen. Man
übertreibt nicht, wenn man der Computertechnik
eine katalytische Wirkung nicht allein für die
gesamte wissenschaftlich-technische Entwicklung
zuspricht, sondern weit darüber hinaus auch für die
industrielle Produktion, die Verwaltung und andere
Bereiche. Wir sind uns bewußt, daß moderne
Forschungsvorhaben weltweit miteinander verflochten
sind. Wir werden jede internationale, vor allem
europäische Arbeitsteilung auf diesem Gebiet fördern.
Meine Damen und Herren, in Europa gibt es eine
Gemeinschaft der Wissenschaftler, die in ihrer
Leistungsfähigkeit hinter der amerikanischen und
sowjetrussischen dann nicht zurückstehen braucht,
wenn sie es lernt, ihre Kräfte zu vereinigen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Meine Damen und
Herren, die Bundesregierung wird stärker als
bisher eine wachstumsorientierte Strukturpolitik
betreiben. Durch die Auflösung des
Bundesschatzministeriums und die Übernahme des
ERP-Vermögens in das Bundeswirtschaftsministerium
können die strukturpolitischen Maßnahmen in der
Regional-, Sektoral- und Unternehmensgrößenpolitik
besser koordiniert und intensiviert werden. Eine
"Strukturpolitik aus einem Guß" wird möglich. Unter
Erhaltung der Priorität Berlins und des
Zonenrandgebiets bleibt die Stärkung der
Leistungskraft ländlicher Gebiete ein
strukturpolitischer Schwerpunkt. Die Konzentration der
Mittel auf entwicklungsfähige Standorte sichert die
höchste Effizienz. Die Gemeinschaftsaufgabe der
Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur
verlangt dabei neue Formen der Zusammenarbeit von Bund
und Ländern. Ich sage noch einmal: eine große
strukturpolitische Aufgabe ist die Modernisierung
unserer Landwirtschaft. Die Industriewirtschaft ist
auf ein stetiges und billiges Angebot von Energie
und Rohstoffen angewiesen. Wir werden die Politik der
Gesundung des Steinkohlenbergbaus, der Sicherung der
Mineralölerzeugung, der Öffnung der Märkte für neue
Energieträger und der Verbesserung des Wettbewerbs in
der Elektrizitätswirtschaft ausbauen. Die Vorsorge für
Krisensituationen erfordert auch einen ausreichenden
Vorrat an lebenswichtigen Importwaren. Umwelt und
Lebensverhältnisse werden sich in den 70er Jahren
immer rascher verändern. Besonders auf den Gebieten
der Raumordnung, des Städtebaus und des
Wohnungsbaus werden daher systematische Vorausschau
und Planung immer wichtiger. Als erster Schritt muß
ein Städtebauförderungsgesetz zügig verabschiedet
werden. (Beifall bei den Regierungsparteien. - Abg.
Dr. Barzel: Sie sind ja nicht einig in der Koalition!)
Dieses Gesetz soll eine Reform des Bodenrechts
einleiten, die den Gemeinden eine sachgerechte
Durchführung ihrer Planungen ermöglicht und die
Bodenspekulation verhindert. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Dabei dürfen und wollen wir nicht
aus dem Auge verlieren, daß es die breite Streuung
privaten Eigentums zu fördern und den bäuerlichen
Bodenbesitz zu wahren gilt. (Zurufe von der CDU/CSU.)
Wir werden ein langfristiges Programm des sozialen
Wohnungsbaus aufstellen und mit den Ländern abstimmen.
Es wird sich am Bedarf orientieren. Neben diesen
Aufgaben steht gleichberechtigt die Verbesserung des
Wohngeldgesetzes. Die Zielvorstellungen für die
räumliche Entwicklung der Bundesrepublik sollen in
einem Bundesraumordnungsprogramm entwickelt werden.
Maßnahmen der Strukturpolitik, der regionalen
Wirtschaftsförderung und des Städte- und
Wohnungsbaus werden sich hier sinnvoll einfügen. Die
Bundesregierung bietet Ländern und Gemeinden an,
Vorstellungen für einen langfristig angelegten
Städtebau zu entwickeln. Sie wird diese in einem
zweiten Städtebaubericht konkretisieren. Meine Damen
und Herren, die Bundesregierung ist mit vielen draußen
im Lande und sicher auch mit vielen in diesem Hause
der Überzeugung, daß dem Schutz der Natur, von
Erholungsgebieten, auch dem Schutz der Tiere, mehr
Aufmerksamkeit geschenkt werden muß. (Beifall bei den
Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU. -
Zurufe von der CDU/CSU.)
Die Verbesserung der Struktur unserer Wirtschaft
erfordert ein leistungsfähiges Verkehrswesen.
(Anhaltende Unruhe bei der CDU/CSU.) Mit Nachdruck
wird die Bundesregierung die in der letzten
Legislaturperiode eingeleiteten Reformen fortsetzen.
Moderne Verkehrspolitik bedarf einer umfassenden
Planung, zu der die Verkehrswissenschaft noch mehr als
bisher heranzuziehen ist. Die Bundesregierung wird als
Voraussetzung für eine von ihr angestrebte liberalere
Verkehrswirtschaft ihre Bemühungen verstärken, gleiche
Wettbewerbsbedingungen für die Verkehrsträger zu
schaffen. Die Deutsche Bundesbahn hat in den letzten
Jahren in erfreulicher Weise begonnen, sich auf die
Verkehrsbedürfnisse der Zukunft auszurichten. Weitere
Reformen in Organisation und Verwaltung sind
notwendig, damit sie - einem Wirtschaftsunternehmen
vergleichbar - nach modernen kaufmännischen
Grundsätzen handeln kann. Es ist auch an der Zeit, daß
der Bund als Eigentümer der Bundesbahn die durch den
Wiederaufbau nach dem Krieg bei ihr entstandene
Schuldenlast abnimmt. Die Zusammenarbeit zwischen den
Verkehrsträgern im kombinierten Verkehr wird die
Bundesregierung weiter fördern. Das Autobahn- und
Bundesstraßennetz wird in einem Fünfjahresplan als
Teil eines Plans für die Jahre 1971 bis 1985
verstärkt ausgebaut werden. Ein Schwerpunkt wird die
Chancenverbesserung strukturell schwacher Gebiete
sein. Im Jahre 1970 wird außerdem der Entwurf der
neuen Straßenverkehrsordnung vorgelegt. Die
Bundesregierung wird die Vorarbeiten für ein
Schnellverkehrssystem mit einer Reisegeschwindigkeit
von über 200 km in der Stunde, (Abg. Dr. Barzel:
Donnerwetter! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) das
in ein mitteleuropäisches Schnellverkehrssystem
einzubetten ist, vorantreiben. (Beifall bei den
Regierungsparteien. - Abg. Rasner: 2 10! - Unruhe bei
der CDU/CSU.) Meine Damen und Herren, die
Bundesregierung ist dem sozialen Rechtsstaat
verpflichtet. Sie wird zur Verwirklichung dieses
Verfassungsauftrags das unübersichtlich gewordene
Arbeitsrecht in einem Arbeitsgesetzbuch
zusammenfassen. (Beifall bei der SPD.) Sie wird auch
mit den Arbeiten für ein den Anforderungen der Zeit
entsprechendes Sozialgesetzbuch beginnen. Zur besseren
Überschaubarkeit der Sozialleistungen wird die
Bundesregierung das Sozialbudget zu einer Grundlage
sozial- und wirtschaftspolitischer Entscheidungen
ausbauen. Auf der Grundlage der in der letzten
Legislaturperiode eingebrachten Gesetzentwürfe wird
eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und
des Personalvertretungsgesetzes durchgeführt. Im
Rahmen der Reform des Personalvertretungsgesetzes wird
eine materielle und formelle Ausweitung der Mitwirkung
der Personalvertretung vorgeschlagen. Unabhängig davon
wird die Bundesregierung in ihrem eigenen Bereich
schon jetzt Wert darauf legen, daß die Personalräte
auch in solchen Sachfragen gehört werden, die nach
geltendem Recht noch nicht zu deren
Zuständigkeitsbereich gehören. (Beifall bei der SPD.)
Der in der vergangenen Legislaturperiode angeforderte
Bericht der Mitbestimmungskommission wird geprüft und
erörtert werden. (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!) Wir
wollen die demokratische Gesellschaft, zu der alle mit
ihren Gedanken zu einer erweiterten Mitverantwortung
und Mitbestimmung beitragen sollen. Meine Damen und
Herren, dem Schutz der Menschen vor den Risiken für
die Gesundheit, die durch die technisierte und
automatisierte Umwelt entstehen, dienen umfassende,
aufeinander abgestimmte Maßnahmen in Wissenschaft
und Forschung, in der Gesundheitsgesetzgebung, in
der Gesundheitsvorsorge und in der gesundheitlichen
Aufklärung. Die Bundesregierung wird ein Institut
für Sozialmedizin einrichten, das ausreichende
Grundlagen für breit angelegte, gezielte
Vorsorgeuntersuchungen und für die Frühdiagnose der
großen Krankheiten unserer Zeit schafft. Dem
weiteren Ausbau der Krebsforschung und Krebsvorsorge
messen wir besondere Bedeutung bei. Zum ausreichenden
Schutz vor Luft- und Wasserverunreinigung und vor
Lärmbelästigung werden entsprechende Gesetze
vorgelegt.
(Beifall bei der SPD. - Zuruf von der CDU/CSU: Blauer
Himmel! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) - Wenn ich
jetzt doch einmal eine Zwischenbemerkung machen darf:
Hier kommt wieder einer mit dem "blauen Himmel" und
hat noch immer nicht gemerkt, wie sehr er sich mit den
törichten Bemerkungen von 1961 blamiert hat; (Beifall
bei der SPD.) denn damals wurde von dem gesprochen,
was längst notwendig war und heute notwendig ist.
(Zurufe von der CDU/CSU. - Abg. Dr. Barzel: Gegen wen
reden Siej etzt?) - Nicht gegen Sie, Herr Kollege
Barzel! Um kranken Menschen die besten Chancen zur
Wiederherstellung ihrer Gesundheit und
Leistungsfähigkeit zu geben, wird die
Bundesregierung einmal 1970 ein Gesetz zur
wirtschaftlichen Sicherung eines bedarfsgerecht
gegliederten Systems leistungsfähiger Krankenhäuser
vorlegen, zum anderen die ärztliche Ausbildung
reformieren und modernisieren. Die entsprechende
Verordnung soll noch im Frühjahr 1970 verabschiedet
werden. Die Bundesregierung bekennt sich zum Grundsatz
der freien Arztwahl und der freien Berufsausübung der
Heilberufe. (Abg. Barzel: Jubel bei der SPD!)
Abgestimmt auf die europäische Entwicklung wird sie
dafür sorgen, daß im Arzneimittelwesen Staat und
Hersteller verantwortlich zusammenwirken, um ein
Maximum an Sicherheit zu gewährleisten. Im Zuge der
Lebensmittelrechtsreform wird 1970 dem Deutschen
Bundestag ein umfassender Gesetzentwurf zugeleitet.
Hier geht es um den bestmöglichen Verbraucherschutz,
um Klarheit und Wahrheit in Werbung und Deklaration.
(Beifall bei der SPD.) Meine Damen und Herren,
Kindergeld, Steuerbegünstigungen und andere
materielle Hilfen für die Familien müssen aufeinander
abgestimmt und zugleich mit dem weiteren Ausbau der
Ausbildungsförderung verbunden werden. Die weithin
unzureichenden personalen Hilfen vor allem für
berufstätige Mütter sind zu verbessern. Über die
Erhöhung des Kindergeldes soll im Jahre 1970
entschieden werden. Für die gesellschaftspolitischen
Reformen und die moderne Gestaltung unseres
demokratischen Industriestaates will und braucht
jede Bundesregierung eine starke Mitwirkung der
Frauen. (Beifall bei der SPD.) Die Frauenenquete wird
beschleunigt fortgeführt. Die notwendigen Konsequenzen
werden gezogen werden, um den Frauen mehr als bisher
zu helfen, ihre gleichberechtigte Rolle in Familie,
Beruf, Politik und Gesellschaft zu erfüllen. Die
Bundesregierung wird darauf achten, daß
Rationalisierung und Automatisierung nicht zu Lasten
der Erwerbstätigen gehen, sondern den sozialen
Fortschritt fördern. Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und
Bildungspolitik werden auch bei notwendigen
Umstrukturierungen sichere Arbeitsplätze
gewährleisten. Wir wollen alle entsprechenden
Bestrebungen der Tarifparteien unterstützen.
Technischer Fortschritt und wirtschaftliche
Entwicklung stellen ständig neue Anforderungen an
die Mobilität aller Erwerbstätigen. Darum halten wir
die Einführung eines Bildungsurlaubs für eine wichtige
Aufgabe. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Zur
Humanisierung des Arbeitslebens haben Gesetzgeber und
Tarifparteien den Schutz der Arbeitnehmer am
Arbeitsplatz zu garantieren. Die Arbeitssicherheit
und die gesundheitliche Betreuung am Arbeitsplatz
werden ausgebaut. Die Bundesregierung bekennt sich zur
Bewahrung und Stärkung der Tarifautonomie. (Beifall
des Abg. Dr. Barzel.) Wir werden Errungenes sichern
und besonders für die Mitbürger sorgen, die trotz
Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung im Schatten leben
müssen, die durch Alter, durch Krankheit oder durch
strukturelle Veränderung gefährdet sind. Die
Bundesregierung wird im
verstärkte Maßnahmen bemüht sein, die den
Benachteiligten und Behinderten in Beruf und
Gesellschaft, wo immer dies möglich ist, Chancen
eröffnen. Vom 1. Januar 1970 an werden die
Kriegsopferrenten erhöht. Sie werden jährlich an die
wirtschaftliche Entwicklung angepaßt. (Lebhafter
Beifall bei den Regierungsparteien und bei
Abgeordneten der CDU/CSU.) Auch strukturelle
Verbesserungen sind vorgesehen. Damit jeder Bürger
klar erkennen kann, auf welche Sozialleistungen er
Anspruch hat, wird eine Rentenberechnung nach Punkten
eingeführt werden, (Beifall bei der SPD.) um Übersicht
und Anschaulichkeit der Sozialleistungen zu erhöhen.
Die Bundesregierung wird im Laufe der
Legislaturperiode den schrittweisen Abbau der festen
Altersgrenze prüfen und sich bemühen, sie durch ein
Gesetz über die flexible Altersgrenze zu ersetzen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Die gesetzliche
Alterssicherung soll für weitere Gesellschaftgruppen
geöffnet werden. Zur Weiterentwicklung der
Krankenversicherung wird die Bundesregierung ein
Sachverständigengremium einsetzen. Dieses soll eine
gründliche Bestandsaufnahme und Vorschläge für eine
moderne Gesetzgebung erarbeiten. Die
Krankenversicherungspflichtgrenze für Angestellte wird
überprüft und dynamisiert. Oberhalb der
Versicherungspflichtgrenze wird auch für alle
Angestellten der Arbeitgeberbeitrag eingeführt werden.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Die Auswirkungen
der vom 1. Januar 1970 an in Kraft tretenden
Beitragsrückgewähr werden einer ständigen Überprüfung
unterzogen. Zur Vorbereitung der Reformen der
Jugendgesetzgebung und des Bundesjugendplans werden
wir die Jugend selbst einschalten. (Abg. Dr. Barzel:
Warum machen Sie denn hier keinen Jugendausschuß?) Die
Bundesregierung wünscht, ein europäisches Jugendwerk
zu schaffen. (Beifall bei der SPD.) Nach unseren
Vorstellungen soll sich die Jugend osteuropäischer
Länder daran beteiligen können. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Der Förderung des Sports werden
wir unsere besondere Aufmerksamkeit widmen, ohne von
dem Grundsatz abzulassen, daß der Sport von
staatlicher Bevormundung frei bleiben muß. Der
Höhepunkt der sportlich bedeutsamen Ereignisse in
unserem Land werden die XX. Olympischen Sommerspiele
in München und Kiel sein. Wir haben damit die Chance,
der Weltöffentlichkeit das moderne Deutschland
vorzustellen. (Beifall bei den Regierungsparteien. -
Zuruf von der CDU/CSU: Dann haben wir es also schon!)
Die Bundesregierung befürwortet, so wie es mit den
Vertretern der drei Fraktionen schon im vorigen
Bundestag besprochen worden war, die Bildung einer
Deutschen Sport- Konferenz. Sie würde aus Vertretern
des Deutschen Sportbundes, des Bundes, der Länder und
der Gemeinden zusammengesetzt sein und die
Koordinierung aller Sportmaßnahmen ermöglichen. Meine
Damen und Herren, die Bundesregierung wird im
kommenden Jahr, dem ersten des neuen Jahrzehnts, in
Ergänzung dieser Erklärung ihre Pläne und Vorhaben auf
dem Gebiet der inneren Reform unseres Landes dem
Parlament und der Öffentlichkeit in Einzelberichten
unterbreiten. Sie wird im Januar 1970 den Bericht zur
Lage der Nation erstatten, im Februar den
Jahreswirtschaftsbericht zur Diskussion stellen. (Abg.
Dr. Barzel: Und werden Sie den Haushalt beraten?) Im
März wird die Bundesregierung den Bericht über die
Lage der Landwirtschaft, im April den Sozialbericht
vertreten. Im Mai wird die Bildungs- und
Wissenschaftspolitik der Bundesregierung, im Juni das
Weißbuch zur Verteidigungspolitik vorgetragen werden.
(Abg. Dr. Barzel: Und wann kommt der Haushalt?) Nach
den Parlamentsferien werden Berichte über die
Verkehrspolitik und die Gesundheitspolitik, über
Raumordnung und Städtebau, über die Vermögensbildung
und über
die Steuerreform folgen. Damit werden das Parlament
und die Öffentlichkeit im ersten der 70er Jahre ein
umfassendes Bild der Reformpolitik dieser Regierung
gewinnen können. (Beifall bei den Regierungsparteien.
- Abg. Dr. Barzel: Und wann kommt der Haushalt?
Vielleicht darf dieses Haus bei der Termingestaltung
auch noch mitreden!) Bei alledem dürfen wir nicht
vergessen: Nur der Friede macht unsere Welt sicher;
nur auf der Grundlage der Sicherheit kann der Friede
sich ausbreiten. Diese Erkenntnis teilen wir mit den
meisten Völkern dieser Erde. Die Bundesregierung ist
entschlossen, dazu den deutschen Anteil zu leisten im
Bewußtsein ihrer besonderen Verantwortung in Europa
und nach besten Kräften, die wir aber nicht
überschätzen. Wir werden die Initiative des Herrn
Bundespräsidenten aufgreifen und die
Friedensforschung - im Wissen um die begrenzte Zahl
der dafür gegenwärtig zur Verfügung stehenden Kräfte -
koordinieren, ohne die Unabhängigkeit dieser Arbeit zu
beeinträchtigen. Wir wollen auch damit einen deutschen
Beitrag für die Befriedung der von Krisen und Kriegen
zerrissenen Welt leisten. Es liegt im nationalen
Interesse, die internationale Zusammenarbeit zu
verstärken, damit die Völker ihre Umwelt besser
verstehen. Professor Carl Friedrich von Weizsäcker hat
sich bereit erklärt, der Bundesregierung auf diesem
Gebiet beratend zur Seite zu stehen. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Zur notwendigen internationalen
Zusammenarbeit gehört der Austausch geistiger
Leistungen. Die Darstellung der deutschen Kultur im
Ausland wird sich künftig stärker darauf richten,
anderen Völkern neben den unvergänglichen Leistungen
der Vergangenheit ein Bild dessen zu vermitteln, was
in dieser Zeit des Überganges auch in Deutschland an
geistiger Auseinandersetzung und fruchtbarer Unruhe
tägliche Wirklichkeit ist. Die Bundesrepublik
Deutschland wird ihre Zusammenarbeit mit den Ländern
Afrikas, Lateinamerikas und Asiens im Geiste der
Partnerschaft ausbauen. Am Vorabend der zweiten
Entwicklungsdekade erklärt sie: Wir werden zu einer
gemeinsamen Strategie der Entwicklung beitragen und
Anregungen aus dem Bericht der Pearson-Kommission in
Betracht ziehen. Die Bundesregierung wird sich
bemühen, das dort vorgesehene Ziel für die
öffentlichen Leistungen an der Entwicklungshilfe
durch eine Steigerungsrate von durchschnittlich 11 %
im Jahr zu erreichen. Wir werden Wege suchen, um
Rückflüsse aus Mitteln der öffentlichen Kapitalhilfe
wieder voll für Zwecke der Entwicklungshilfe zu
verwenden. Die Zahl der deutschen Entwicklungsexperten
und Entwicklungshelfer wird erhöht mit dem Ziel, sie
bis zur Mitte der 70er Jahre zu verdoppeln. Die
Bundesregierung wird fortfahren, die Qualität der
deutschen Hilfe zu verbessern. Dazu wird sie Planung
und Durchführung der Entwicklungshilfe vereinfachen
und straffen. Partnerschaft mit den Ländern der
Dritten Welt ist nicht allein Sache des Staates. Daher
wird die Bundesregierung auch alle nichtstaatlichen
Initiativen fördern, die den Entwicklungsprozeß in
diesen Ländern beschleunigen können. Die Welt kann von
einem wirtschaftlich starken Lande wie dem unsrigen
eine liberale, den Handel aller Länder fördernde
Außenwirtschaftspolitik erwarten. Dazu tragen wir
durch unsere eigenen Bemühungen und durch unsere
Beteiligung in allen mit dem Welthandel befaßten
Organisationen bei. Ebenso wollen wir den Handel der
Entwicklungsländer fördern; ich nenne hier nur die
universellen Präferenzen für Waren aus den
Entwicklungsländern. Meine Damen und Herren, die
Außenpolitik dieser Bundesregierung knüpft an die
Friedensnote vom März 1966 und die Regierungserklärung
vom Dezember 1966 an. Die in diesen Dokumenten
niedergelegte Politik hat damals die Zustimmung aller
Fraktionen dieses Hauses erhalten. Der Wille zu
Kontinuität und konsequenter Weiterentwicklung
gestattet es, auf manche Wiederholung zu verzichten.
Die Bundesregierung beabsichtigt, in den Vereinten
Nationen, in ihren Sonderorganisationen und in
anderen internationalen Organisationen verstärkt
mitzuarbeiten. Dies gilt auch für weltweite Abkommen
der Abrüstung und Rüstungsbegrenzung, die zunehmend
Bedeutung gewinnen. Die Bundesregierung wird dabei die
Politik fortsetzen, die ich als Außenminister am 3.
September 1968 auf der Konferenz der
Nichtnuklearmächte in Genf entwickelt habe. Wir
unterstreichen die grundsätzliche Bereitschaft, mit
allen Staaten der Welt, die unseren Wunsch nach
friedlicher Zusammenarbeit teilen, diplomatische
Beziehungen zu unterhalten und die bestehenden
Handelsbeziehungen zu verstärken. Die Bundesregierung
lehnt jede
Form von Diskriminierung, Unterdrückung und fremder
Beherrschung ab, die das friedliche Zusammenleben der
Völker auch in unseren Tagen immer von neuem
gefährdet. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Meine
Damen und Herren, das nordatlantische Bündnis, das
sich in den 20 Jahren seiner Existenz bewährt hat,
gewährleistet auch in Zukunft unsere Sicherheit.
Sein fester Zusammenhalt ist die Voraussetzung für
das solidarische Bemühen, zu einer Entspannung in
Europa zu kommen. Welche der beiden Seiten der
Sicherheitspolitik wir auch betrachten, ob es sich
um unseren ernsten und nachhaltigen Versuch zur
gleichzeitigen und gleichwertigen Rüstungsbegrenzung
und Rüstungskontrolle handelt oder um die
Gewährleistung ausreichender Verteidigung der
Bundesrepublik Deutschland: unter beiden Aspekten
begreift die Bundesregierung ihre Sicherheitspolitik
als Politik des Gleichgewichts und der
Friedenssicherung. Und ebenso versteht sie unter
beiden Aspekten die äußere Sicherheit unseres Staates
als eine Funktion des Bündnisses, dem wir angehören
und als dessen Teil wir zum Gleichgewicht der Kräfte
zwischen West und Ost beitragen. Wir brauchen zu
unserer Sicherheit Freunde und Verbündete, so wie
sie zu ihrer Sicherheit uns und unseren Beitrag
brauchen. Ohne gegenseitiges Vertrauen in die
politische Stabilität dieser Einsicht sind weder
Bündnis noch Sicherheit aufrechtzuerhalten. Wir werden
deshalb in und gegenüber dem Bündnis die bisherige
Politik fortsetzen und erwarten dies auch von unseren
Bündnispartnern und von ihren Beiträgen zur
gemeinsamen Sicherheitspolitik und zu den vereinbarten
gemeinsamen Sicherheitsanstrengungen. So wie das
westliche Bündnis defensiv ist, so ist auch unser
eigener Beitrag dazu defensiv. Die Bundeswehr ist
weder nach ihrer Erziehung und Struktur noch nach
ihrer Bewaffnung und Ausrüstung für eine offensive
Strategie geeignet. Die Bundesregierung wird an dem
ihrer Verteidigungspolitik zugrunde liegenden
Defensivprinzip keinen Zweifel lassen. Meine Damen
und Herren, die engen Bindungen zwischen uns und den
Vereinigten Staaten von Amerika schließen für die
Bundesregierung jeden Zweifel an der Verbindlichkeit
der Verpflichtungen aus, die von den USA nach Vertrag
und Überzeugung in Europa, für die Bundesrepublik und
für Berlin übernommen worden sind. Unsere gemeinsamen
Interessen bedürfen weder zusätzlicher Versicherungen
noch sich wiederholender Erklärungen. (Beifall bei den
Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)
Sie sind tragfähig für eine selbständigere deutsche
Politik in einer aktiveren Partnerschaft. (Erneuter
Beifall.) Die Bundesregierung wird sich gemeinsam mit
ihren Verbündeten konsequent für den Abbau der
militärischen Konfrontation in Europa einsetzen. Sie
wird zusammen mit ihnen auf gleichzeitige und
ausgewogene Rüstungsbeschränkung und
Truppenreduzierung in Ost und West hinwirken. Zur
Thematik einer Konferenz, die der europäischen
Sicherheit dienen soll, bekräftigt die Bundesregierung
die Haltung, die in dem am 12. September dieses Jahres
in Helsinki übergebenen Memorandum eingenommen worden
ist. Eine derartige Konferenz kann nach sorgfältiger
Vorbereitung eine wichtige Etappe auf dem Wege zu
größerer Sicherheit bei geringerer Rüstung und zu
Fortschritten zwischen den Partnern Ost- und
Westeuropas werden. Unter den gegenwärtigen
Spannungsherden ist der Konflikt im Nahen Osten
besonders besorgniserregend. Die Bundesregierung
meint, daß es im Interesse der betroffenen Völker
läge, eine Lösung zu finden, wie sie in der
Entschließung des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen vom 22. November 1967 angeboten wurde. Wir
wünschen gute Beziehungen zu allen Staaten dieser
Region und bestätigen zugleich die Entschlossenheit,
keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. (Beifall
bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der
CDU/CSU.) Wir vereinigen uns mit allen Staaten und
nicht zuletzt mit den gequälten, betroffenen Menschen
in dem Wunsch, daß der Krieg in Vietnam endlich
beendet wird durch eine politische Lösung, die von
allen Beteiligten gebilligt werden kann. Wir
bekräftigen unsere Bereitschaft, dann, wenn es soweit
ist, am Wiederaufbau beider zerstörter Landesteile
mitzuwirken. (Beifall bei den Regierungsparteien und
bei Abgeordneten der CDU/CSU.)
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Meine Damen und Herren, der bevorstehenden Konferenz
der Sechs in Den Haag kommt eine besondere Bedeutung
zu. Diese Konferenz der Sechs kann darüber
entscheiden, ob Europa in den sachlichen miteinander
verknüpften Themen des inneren Ausbaus, der
Vertiefung und der Erweiterung der Gemeinschaft
entweder einen mutigen Schritt nach vorn tut oder aber
in eine gefährliche Krise gerät. Die Völker Europas
warten und drängen darauf, daß die Staatsmänner der
Logik der Geschichte den Willen zum Erfolg an die
Seite stellen. (Beifall bei den Regierungsparteien und
bei Abgeordneten der CDU/CSU.) Der
deutsch-französische Gleichklang kann dabei
ausschlaggebend sein. Die Bundesregierung ist bereit,
den engen vertraglichen Bindungen jene
Unverbrüchlichkeit zu verleihen, die beispielgebend
sein sollte für die Art der Beziehungen, die zwischen
europäischen Partnern heute hergestellt werden können.
Meine Damen und Herren, die Erweiterung der
Europäischen Gemeinschaft muß kommen. Sie, die
Gemeinschaft, braucht Großbritannien ebenso wie die
anderen beitrittswilligen Länder. Im Zusammenklang der
europäischen Stimmen darf die britische keineswegs
fehlen, wenn Europa sich nicht selbst schaden will.
(Beifall bei den Regierungsparteien und bei
Abgeordneten der CDU/CSU.) Wir haben mit Befriedigung
verfolgt, daß für die ausschlaggebenden Kräfte der
britischen Politik weiterhin die Überzeugung gilt,
Großbritannien brauche seinerseits Europa. Es ist an
der Zeit, so meinen wir, den sicher schwierigen und
vermutlich auch zeitraubenden Prozeß einzuleiten, an
dessen Ende die Gemeinschaft auf einer breiteren
Grundlage stehen wird. Im Zusammenhang damit wird
die Bundesregierung darauf hinwirken, daß die
Gemeinschaft neue Formen wirtschaftlicher
Zusammenarbeit mit den Staaten Europas entwickelt,
die ihr nicht beitreten können oder wollen. Die
Bundesregierung wird die Entwicklung einer engeren
politischen Zusammenarbeit in Europa mit dem Ziel
fördern, eine gemeinsame Haltung dieser Staaten in
weltpolitischen Fragen Schritt um Schritt aufzubauen.
Wir wissen uns darin auch besonders einig mit Italien
und den Benelux-Staaten. Unser nationales Interesse
erlaubt es nicht, zwischen dem Westen und dem Osten zu
stehen. Unser Land braucht die Zusammenarbeit und
Abstimmung mit dem Westen und die Verständigung mit
dem Osten. Aber auf diesem Hintergrund sage ich mit
starker Betonung, daß das deutsche Volk Frieden
braucht - den Frieden im vollen Sinne dieses Wortes -
auch mit den Völkern der Sowjetunion und allen Völkern
des europäischen Ostens. (Beifall bei allen
Fraktionen.) Zu einem ehrlichen Versuch der
Verständigung sind wir bereit, damit die Folgen des
Unheils überwunden werden können, das eine
verbrecherische Clique über Europa gebracht hat. Dabei
geben wir uns keinen trügerischen Hoffnungen hin:
Interessen, Machtverhältnisse und gesellschaftliche
Unterschiede sind weder dialektisch aufzulösen,
noch dürfen sie vernebelt werden. Aber unsere
Gesprächspartner müssen auch dies wissen: Das Recht
auf Selbstbestimmung, wie es in der Charta der
Vereinten Nationen niedergelegt ist, gilt auch für das
deutsche Volk. (Beifall bei allen Fraktionen.) Dieses
Recht und der Wille, es zu behaupten, können kein
Verhandlungsgegenstand sein. (Allgemeiner Beifall) Wir
sind frei von der Illusion, zu glauben, das Werk der
Versöhnung sei leicht oder schnell zu vollenden. Es
handelt sich um einen Prozeß; aber es ist an der Zeit,
diesen Prozeß voranzubringen. In Fortsetzung der
Politik ihrer Vorgängerin erstrebt die Bundesregierung
gleichmäßig verbindliche Abkommen über den
gegenseitigen Verzicht auf Anwendung von oder Drohung
mit Gewalt. Die Bereitschaft dazu gilt - ich darf es
wiederholen - auch gegenüber der DDR. Ebenso
unmißverständlich will ich sagen, daß wir gegenüber
der uns unmittelbar benachbarten Tschechoslowakei
zu den Abmachungen bereit sind, die über die
Vergangenheit hinausführen. (Beifall bei Abgeordneten
der SPD.) Die Politik des Gewaltverzichts, die die
territoriale Integrität des jeweiligen Partners
berücksichtigt, ist nach der festen Überzeugung der
Bundesregierung ein entscheidender
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Beitrag zu einer Entspannung in Europa.
Gewaltverzichte würden eine Atmosphäre schaffen, die
weitere Schritte möglich macht. Diesem Zweck dienen
auch gemeinsame Bemühungen, um den Handel, die
technische Kooperation und den kulturellen Austausch
zu fördern. Die Bundesregierung verzichtet heute
bewußt darauf, über den in der Erklärung gesetzten
Rahmen hinaus Festlegungen vorzunehmen (Abg. Dr.
Barzel: Hört! Hört!) oder Formeln vorzutragen, welche
die von ihr erstrebten Verhandlungen erschweren
könnten. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Sie ist
sich bewußt, daß es Fortschritte nur geben kann, wenn
es neben unserer Bereitschaft auch eine kooperative
Haltung in den Hauptstädten der Staaten des Warschauer
Vertrages gibt. Meine Damen und Herren, kurzfristig
wird die Bundesregierung eine Reihe von
Entscheidungen treffen, die ihren Willen zur
kontinuierlichen und konsequenten Weiterführung der
bisherigen Politik beispielhaft deutlich machen:
Erstens. Die Bundesregierung wird auf der Konferenz in
Den Haag darauf hinwirken, daß wirksame Maßnahmen zur
Vertiefung und Erweiterung der Gemeinschaft und zur
verstärkten politischen Zusammenarbeit eingeleitet
werden. Zweitens. Sie wird das Angebot der Vereinigten
Staaten von Amerika aufgreifen, die deutsche
industrielle Leistungskraft auf begrenzten Gebieten
der Weltraumforschung zu beteiligen. Drittens. Sie
wird sich aktiv an den Arbeiten des vom Rat der
Nordatlantikpaktorganisation eingesetzten Ausschusses
für die Probleme der modernen Gesellschaft beteiligen.
Viertens. Sie wird demnächst das sowjetische
Aide-mémoire zum Thema Gewaltverzicht beantworten und
einen Termin für die von der Sowjetunion angeregten
Verhandlungen in Moskau vorschlagen. Fünftens. Sie
wird der Regierung der Volksrepublik Polen einen
Vorschlag zur Aufnahme von Gesprächen zugehen lassen,
mit dem sie die Ausführungen Wladislaw Gomulkas vom
17. Mai dieses Jahres beantwortet. (Abg. Dr. Barzel:
Dazu hätte das Parlament gern etwas gehört!)
Sechstens. Sie wird den Vertrag über die
Nichtverbreitung von Atomwaffen unterzeichnen, sobald
- entsprechend den Beschlüssen der letzten
Bundesregierung - die noch ausstehenden Klärungen
herbeigeführt sind. (Beifall bei den
Regierungsparteien. - Lachen bei der CDU/CSU.) - Meine
Damen und Herren, wenn nicht gerade heute darüber in
Washington gesprochen würde, würde ich auf die
höhnischen Zurufe von soeben antworten. Ich verzichte
darauf, zu antworten, weil mir am Erfolg der
Verhandlungen liegt und nicht an der Polemik in diesem
Augenblick. Das können wir auch morgen noch machen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Polemisieren
dazu können wir auch noch morgen oder übermorgen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Schulmeister! - Abg. Dr.
Barzel: Herr Kollege Brandt, bringen Sie bitte eins
nicht durcheinander: Wir legen Wert darauf, zu wissen,
welches Angebot Sie Polen machen werden! - Weitere
Zurufe von der CDU/CSU.) - Es ging jetzt nicht um
Polen, es ging um den NV-Vertrag. (Abg. Dr. Barzel:
Unsere Unruhe begann bei Polen, wo wir etwas mehr
wissen wollen!) - Ich habe Ihnen das dazu gesagt, was
heute im Rahmen der Regierungserklärung zu sagen ist.
(Beifall bei den Regierungsparteien. - Abg. Dr.
Barzel: Aber zu wenig!) Meine Damen und Herren! Diese
Regierung redet niemanden nach dem Mund. (Lachen bei
der CDU/CSU.) Sie fordert viel, nicht nur von anderen,
sondern auch von sich selbst. (Beifall bei den
Regierungsparteien.) Sie setzt konkrete Ziele. Diese
Ziele sind nur zu erreichen, wenn sich manches im
Verhältnis des Bürgers zu seinem Staat und seiner
Regierung ändert.
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Die Regierung kann in der Demokratie nur erfolgreich
wirken, wenn sie getragen wird vom demokratischen
Engagement der Bürger. Wir haben so wenig Bedarf
an blinder Zustimmung, wie unser Volk Bedarf hat an
gespreizter Würde und hoheitsvoller Distanz.
(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.) Wir
suchen keine Bewunderer; wir brauchen Menschen, die
kritisch mitdenken, mitentscheiden und
mitverantworten. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Das Selbstbewußtsein dieser Regierung wird sich als
Toleranz zu erkennen geben. (Lachen bei der CDU/CSU.)
Sie wird daher auch jene Solidarität zu schätzen
wissen, die sich in Kritik äußert. Wir sind keine
Erwählten; wir sind Gewählte. (Lebhafter Beifall bei
den Regierungsparteien.) Deshalb suchen wir das
Gespräch mit allen, die sich um diese Demokratie
mühen. Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren
haben manche in diesem Land befürchtet, die zweite
deutsche Demokratie werde den Weg der ersten gehen.
Ich habe dies nie geglaubt. Ich glaube dies heute
weniger denn je. Nein: Wir stehen nicht am Ende
unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an. (Abg.
Dr. Barzel: Aber Herr Brandt! - Weitere Zurufe von der
CDU/CSU.) Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein
und werden im Inneren und nach außen. (Anhaltender
lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. - Abg.
Dr. Barzel: Das ist ein starkes Stück, Herr
Bundeskanzler! Ein starkes Stück! Unglaublich! Unerhört!)
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