WER SAGTE DAS?
"Das Geld erniedrigt alle Götter des Menschen – und verwandelt sie in eine Ware. Das Geld ist der allgemeine, für sich selbst konstituierte Wert aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwelt wie die Natur, ihres eigentümlichen Wertes beraubt. Das Geld ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins, und dies fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an."GENAUER:
* Zu den führenden 100 Wirtschaftseinheiten gehören 51 multinationale Konzerne und nur 49 Staaten.
* Während die Vermögen der 100 grössten transnationalen Konzerne zwischen 1980 bis 1995 auf das Siebenfache (+ 697%) stiegen, nahm die Anzahl der Beschäftigen um 7.6% ab
* Die transnationalen Konzerne, die über mehr als 33% des Welt-Produktivvermögens verfügen, stellen nur 5% der Weltarbeitsplätze.
Naomi Klein und ihre StudienkollegInnen spürten die Veränderungen der Wirtschaft nach dem Zusammenbruch der UDSSR am eigenen Leib. Bis 1993 konnte man die Freunde die einen Arbeitsplatz hatten an einer Hand abzählen. 1993 allerdings erfolgte in den USA und Kanada ein abrupter Übergang von Rezession zu globaler Halsabschneider-Ökonomie: Wirtschaftswachstum ohne Arbeitsplätze, Wachstum durch Fusionen, Übernahmen, Entlassungen, Outsourcing. Das Buch: No Logo, ist eine eben so umfangreiche wie intelligente und sorgfältige Beobachtung und Dokumentation der Vorgänge des letzten Jahrzehnts des 2. Millenniums.
Jean Ziegler
Schweizer Autor und Vizepräsident des UN-Menschenrechtsrates
Er war mit Jean-Paul Sartre befreundet, lebte im linken Pariser Studentenmilieu und gilt in seiner Schweizer Heimat als Nestbeschmutzer. Seine Bücher über Finanzgebaren und Geschichtsbewusstsein der Eidgenossen sind legendäre Bestseller. Jean Zieglers Hauptanliegen ist allerdings der Kampf gegen den Hunger in der Welt. Seine Analysen über die Zusammenhänge von Weltwirtschaft, Konzerninteressen und Armut in der Dritten Welt ließen ihn zur Lichtgestalt der Globalisierungsgegner werden. Ungeliebt bei den Vertretern von Weltbank, IWF und WTO setzt er seit Jahrzehnten seine Aufklärungskampagnen fort. Als kritischer Beobachter und ranghoher UN-Mitarbeiter konfrontiert er die internationalen Organisationen und das interessierte Publikum regelmäßig mit einem Elend, das er selbst als Zivilisationsbruch brandmarkt. Im Gespräch mit Silke Behl erklärt Jean Ziegler, warum die Länder des Südens heute vor allem eines eint: der Hass auf den Westen. Und er entwickelt präzise Szenarien für eine künftige Weltgemeinschaft, die diesen Hass zu überwinden vermag.
http://www.google.com/search?q="jean+ziegler"+wto+konzerninteressenDas Konzept des Kapitalismus ohne Verantwortung wird zur Zeit gerade klar und deutlich von Kuoni propagiert (falls Sie gedacht haben, das gäb's nur in den USA):
1. assets light (= Verantwortung -)
2. cash heavy (= Macht +)
Der Finanzmarkt applaudiert, diejenigen die für die Infrastruktur zuständig sind, ächzen. Die Strategie ist optimal was Macht und wirtschaftliche Ausnutzung betrifft, denn die Kosten dafür tragen diejenigen, die die Infrastruktur bezahlen und unterhalten müssen, also Hoteliers, Seilbahnen, Gemeinden etc. Der Organisator schart die Zahlungswilligen um sich und verspricht ihnen, für sie das Beste zum günstigsten Preis zu organisieren. Er kann sich weltweit beliebig bedienen. Die "Zulieferer" können sich freuen, wenn sie die Bedingungen erfüllen und damit leben können, gehen aber ein, wenn ihr Angebot irgendwie nicht passt. Der Krieg findet heute also nicht bloss zwischen Arbeit und Kapital statt, sondern auch zwischen flüssigem Geldkapital und investiertem Anlagekapital. Da Geldkapital in ziemlichem Überfluss vorhanden scheint, kann es am Kapitalmarkt so seine Spielchen treiben.
Das Buch ist aber nicht nur interessant aus der Perspektive der Konzernkritik, die damals gesellschafts- und umweltpolitische Campagnen zu ergänzen begann, sondern zeigt auch deutlich die Entwicklung der 4. Phase des Kapitalismus, in der sich die Herrschaft des Geldes (s. Plutokratie) vom Sachkapital löst:
General Motors hat 1991 in den USA etwa 82000 Stellen abgebaut und rechnet bis zum Jahr 2003 mit dem Abbau von weiteren 40'000 Arbeitsplätzen. Die Produktion wird in die Maquiladoras und deren Klone rund um den Erdball verlagert. Das ist meilenweit entfernt von der Zeit, als der Konzern stolz verkündete: "Was gut ist für General Motors, ist gut für das Land."
Ein wichtiger Anstoss zur Konzernkritik war die Kultur, die in Bedrängnis gerät, wenn sie primär zum Werbeträger wird: Es geht nicht darum, Kultur zu sponsern, sondern Kultur zu sein. Und warum auch nicht? Wenn Marken keine Produkte, sondern Ideen, Attitüden, Werte und Erfahrungen sind, warum sollen sie nicht auch Kultur sein? [S. 49] Die kommerzielle Verwertung der kulturellen Sphäre für die Werbung bewirkt:
1. eine Kulturverschlammung und
2. eine Verminderung kultureller Vielfalt durch die ökonomische Überlegenheit des unternehmerischen Einfaltsprinzips.
Als beliebtestes Aktionsmittel kam damals das "cultural jamming", das die "kulturellen" Botschaften der Werbung in ihr Gegenteil verkehrte. Oft konnte die Kritik der Markenfirmen auch schlicht und einfach auf der Präsentation der Produktionsbedingungen aufbauen. So wurden z.B. 1997 in der Textilfabrik Kaho Indah Citra auf Jakarta diejenigen Frauen ganz einfach entlassen, die es gewagt hatten, gegen gratis zu leistende Überstunden, bei einem Taglohn von 2$ wohlgemerkt, zu protestieren. Auch das Argument des Wissenstransfers, der oft als positive Wirkung solcher "Investitionen" dargestellt wird, lässt sich so leicht entkräften, wie etwa durch das 17-jährige Mädchen, das im Assembling in Manila CD-Rom-Laufwerke zusammensetzt: Wir machen Computer, aber wir wissen nicht, wie man sie bedient.
Die neue Macht der Konzerne ging, logischerweise, auf Kosten der Macht der Politik:
Eine Hand voll CEOs schreibt die neuen Regeln für die Welt
Sie bedrängt aber auch das Wissen, je stärker Privatunternehmen in die Universitäten vordringen - und sie verengte nicht zuletzt die Möglichkeiten öffentliche Politik zu betreiben, da sie die öffentlichen Räume zunehmend als Eigentum oder Besitz vereinnahmt.
1. Konzernkritik: Das Endziel des Lean-Management ist die Produktion ohne Kapitalbindung, ein Feudalismus ohne Boden-Haftung, eine Produktion ohne Verantwortung
Schlüsselereignis der Bewegung war 1988 der Kauf von Kraft durch Philipp Morris, für 12.6 Milliarden $, dem 6-fachen des Buchwertes. Die Preisdifferenz lag offenbar im Wort "Kraft". Die neue Strategie hiess also: Die Marke ist das Produkt, die Waren werden von Auftragnehmern hergestellt. (s. Auftrag)
Fusionen sind also trügerisch, denn in Wahrheit wachsen die Firmen nicht, sondern sie schrumpfen, sie lösen sich von der Welt der Dinge. Die Konzerne verabschieden sich aus der Arbeitswelt, die Unternehmen lösen sich mit allen Mitteln von überflüssig scheinenden Dingen, seien es Mitarbeiter oder Computersysteme, insbesondere wenn diese zur Machtausübung nicht mehr nötig sind:
Obwohl die Auftraggeber am Ort überhaupt keinen materiellen Besitz haben - ihnen gehören weder die Gebäude noch das Land, noch die Ausrüstung der Fabriken -, sind die Markenkonzerne wie Nike, Gap und IBM als unsichtbare, aber allmächtige Drahtzieher omnipräsent. Sie sind als Käufer so mächtig, dass ein direktes Engagement, wie es nötig wäre, wenn sie die Fabriken selbst besässen, aus ihrer Sicht wie nutzloses Mikromanagement wirkt. Und weil die tatsächlichen Besitzer und Fabrikmanager völlig von ihren grossen Aufträgen abhängig sind, damit ihre Maschinen laufen, befinden sich die Arbeiter in einer extrem schlechten Verhandlungsposition: Man kann nicht mit einem Auftragsformular verhandeln. ... Denn die Markenmultis haben sich der "Produktionsmittel" entledigt, weil sie sich nicht mehr mit den Pflichten belasten wollen, die der reale Besitz einer Fabrik sowie das Management und die Beschäftigung von Arbeitskräften mit sich bringen. S. 238
Die eigentliche Veränderung besteht also nicht darin, dass die Arbeitsplätze ins Ausland "entflohen" sind, sondern darin, dass eine wachsende Anzahl der bekanntesten und profitabelsten Weltkonzerne ihrer Verantwortung als Arbeitgeber entfliehen. [S, 213]
Es geht nicht um den Arbeitsplatzexport. Es geht um die Flucht aus der Arbeitgeberrolle. [S. 241]
1.1. Leiharbeiter und ihr permanentes Lebens-Provisorium
Clevere Firmen sehen sich lieber als Organisatoren diverser Leiharbeiter, denn als "Beschäftigungsorganisationen. [S. 244]
Flexibilität wird zum Synonym für: Keine Versprechungen! Bei einigen Einzelhandelsgeschäften ist die Zuteilung der Arbeitszeiten so willkürlich, dass sich das Personal ängstlich versammelt, wenn in einem allwöchentlichen Ritual der Arbeitsplan für nächste Woche ausgehängt wird. [S. 253] Das wurde zwar vor 5 Jahren betr. die USA geschrieben, stimmt aber wortwörtlich für viele Betriebe der Gegenwart der Schweiz.
Bei UPS sind von 43'000 Arbeitsplätzen nur deren 8000 Vollzeitstellen!
Bei Starbucks gilt eine: Vollzeitstelle erst als solche ab 35-38 Stunden, da bei Vollzeitstellen volle Sozialleistungen, eine höhere Lohnskala und bezahlte Überstunden garantiert sind. (Obwohl, ich muss sagen, wer als Teilzeitler unbezahlte Überstunden akzeptiert ist irgendwie selbst schuld ... Dem Chef eins auf die Schnauze hauen wäre ein probates, leider nicht legales Mittel. Die Sache publik machen erfüllt beide Erfordernisse - und tut der Firma, nicht nur dem Chef weh.)
Bill Gates hat bereits ein Drittel seines Gesamtpersonals zu Aushilfskräften degradiert. Im Kern des Systems stehen allerdings die Microserfs (Microsklaven) mit einer quasi religiösen Bindung an ihren Konzern, seinen rasant steigenden Börsenkurs und seine überwältigende Gewinnsteigerungsrate von 51%: Zeig uns das Geld! brüllten sie auf der Personalversammlung vom Herbst 1997 in Seattle. [S. 260] Dieser innere Kern verdient im Durchschnitt 220'000 Dollar - und ist zufrieden ... und wird sich hüten, die Anstellungsbedingungen zu kritisieren, von denen er selbst profitiert.
Alles ausserhalb der Hauptfunktion Programmierung und Produktentwicklung fällt unter die Kategorie: nutzloses Anlagevermögen. Die Betreuung der "externen Auftragnehmer" (newspeak für temporierte Mitarbeiter) wurde der Firma Johnson Controls übergeben. Die Einnahmen stiegen um 91%, der Personalbestand sank um 19%. 1990 bekam Gates allerdings Probleme mit den Steuerbehörden , die die Mitarbeiter mit orangen Aufsteckern nicht als Selbständige, sondern als Angestellte betrachtete, für die Lohnsteuern zu zahlen sind.
Heute verkaufen viereinhalb mal so viele A-Merikaner Kleidung in Fachgeschäften und Warenhäusern, wie Arbeiter benötigt werden, um die Kleidung zu weben und zu nähen, und Wal-Mart ist nicht nur der grösste Einzelhandelskonzern der Welt, sondern auch der grösste Arbeitgeber in den Vereinigten Staaten.
Managementguru Tom Peters verbreitete die Ansicht, dass jeder Berufstätige sich einen gewaltigen Machtzuwachs verschaffen kann, wenn er sich von der Idee verabschiedet, Arbeitnehmer zu sein, sich zum Berater und Dienstleister umrüstet:
1. Allerdings stehen 52% der nicht standartgemäss Beschäftigten in Beschäftigungsverhältnissen niedrigster Qualität.
2. Auf der andern Seite stehen die gut bezahlten Söldner der Wirtschaft, wie der Aushilfs-CEO der in New York Pläne zur Umstrukturierung vorlegt, die von einem Multi zum andern düsen, durchschnittlich 5 Jahre bleiben, mit einem Multi-Millionen-Dollar-Anreiz verpflichtet und mit einem millionenschweren goldenen Händedruck und Fallschirm verabschiedet werden.
Zusammen bilden sie die beiden Pole der instabilen Arbeitsverhältnisse, oder eine globale Zweimannsäge. Äusserst treffend ist in dem Zusammenhang der Ausdruck "Freelancer" (englisch für "selbständig", oder besser, selber Euphemismus: "freier" Mitarbeiter). Diese können heute für befristete und oft riskante Einsätze für eben so wenig Sold gemietet werden, wie ihre Namensgeber, die Lanzenknechte, die zu feudalherrlichen Zeiten, samt Ausrüstung - aber ohne Lebensversicherung, für fremde Kriege angeheuert wurden.
Es gibt aber noch eine günstigere Variante um an qualifizierte Arbeitskräfte zu kommen, nämlich DAS PRAKTIKUM. In den USA scheint es inzwischen üblich, ein bis zwei Jahre lang einen unbezahlten Kulturjob nach dem andern anzunehmen. Allerdings fördert dies privilegierte Klassen: Wenn man keine Stelle bekommen kann, es sei denn man hat ein Praktikum absolviert, und wenn man kein Praktikum machen kann, es sei denn, man werde ein paar Monate von Daddy unterstützt, dann sorgt dieses System für einen entschieden privilegierten Bewerberkreis. [S 256]
Dauerwettbewerb und Dauerselektion führen dazu, dass nach ausreichend langer Einwirkung plötzlich der Weg zum Ziel, das Mittel zum Zweck definiert wird. Wettbewerb wird, statt als periodisch von Fall zu Fall eingesetztes Mittel der Selektion und Zuordnung, zum Dauersport, was Sombart schon vor langer Zeit kritisiert hat. Arbeitnehmer stehen dauernd im Kampf um eine Stelle, die so per se nur als "temporäre" betrachtet wird:
Ich bin vorübergehend hier, weil ich was Besseres finde!
Der permanente Übergang macht die meisten zu "Dreamworkern" (Logischerweise arbeitet mancher davon mit Dreamweaver ....). Diejenigen, die ihr Studium mit einem Haufen Schulden abgeschlossen haben und nun anfangen sollten, diese abzubezahlen, mit einem Jahresverdienst von 11'000 $ bei Wall Mart, beschreiben dies zu Recht als Sprungbrett über einen grossen Sumpf. Der verinnerlichte ewige Traum vom besseren Job erübrigt den Arbeitgebern zudem, selbst Entwicklungsmöglichkeiten der Karriere anbieten zu müssen.
1.2 Taktik der verbrannten Erde
Starbucks hatte 1992 in den USA und Kanada 165 Verkaufsstellen. Nur sieben Jahre später waren es 1900, heute über 10'000 - mit Niederlassungen in 12 Ländern, und, laut Management, einem Potential von weiteren 15'000 Filialen. Starbucks nutzt das Modell der Kopflausverbreitung: Ein kleines Gebiet wird total besetzt, mit Läden derart gesättigt, dass der Wettbewerbsdruck sogar die eigenen Läden kannibalisiert.
Eine eben so gerissene, wenn auch andere Taktik, verwendet Nespresso. Indem ein Expressomaschinenhersteller nach dem andern für das System Nespresso gewonnen werden konnte, wird auch von der "Hardware" her die Kommune der Nespressoanhänger gefördert, denn mit diesen Maschinen lässt sich nichts anderes verwenden als (die einigermassen über-flüssigen) Nespresso-kapseln.
Diese Taktik der verbrannten Erde wurde bereits von McDonalds eingesetzt und durch Franchising perfektioniert. Das Selbe passiert bei Fusionen. Die selbe Methode wird verwendet von GAP, Body Shop und Walmart, der 1991 erstmals Kmart und Sears überholte und 1999 mit über 2435 Discountläden besass. Wal Mart war bereits 1998 mit einem Umsatz von 137 Milliarden Dollar der grösste Einzelhändler der Welt. Dieser Erfolg ist folgender Taktik zu verdanken:
Zuerst baut man Läden, die zwei- bis dreimal so gross sind wie die des stärksten Konkurrenten. Dann füllt man die Regale mit Produkten, die in so grossen Mengen eingekauft wurden, dass die Lieferanten einen erheblichen Preisnachlass gewähren. Dann werden die Ladenpreise so knapp kalkuliert, dass niemand, schon gar nicht die kleinen Einzelhändler, mit diesen "Dauertiefpreisen" konkurrieren kann. [S. 149]
Apropos Starbucks. Offiziell leitet sich der Name ab von einem Schiffsmann in Herman Melvilles Moby Dick. Ich halte das für ein Gerücht. Sinnvoller wäre es wohl, den Namen als "Stern-Thaler" zu deuten, da bucks ein US-Slangausdruck für Geld ist - und darum geht's ja offenbar ..
Ein durchschnittlicher Walmart hat eine Grösse von 8500 m2 (bis 18500 m2) + grosser Parkplatz, am Stadtrand, mit tiefen Steuern - wird aber nur in der Nähe von bestehenden Verteilzentren errichtet. Also auch hier die Kopflaustechnik der graduellen Verbreitung vom Zentrum aus.
Wenn die Superstores die Produktionswerte und Special Effects von Hollywood übernehmen, geraten die kleinen Unternehmen zwischen die Fronten. Sie werden zerrieben zwischen Billiganbietern wie Wal-Mart und Online-Händlern wie Amazon.com auf der einen Seite und der enormen Anziehungskraft der Superstores auf der anderen Seite, bei denen der Einkauf wie im Freizeitpark zum Erlebnis wird. ... Das Verkaufspersonal der unabhängigen Läden verfügt vielleicht über mehr Erfahrung und Sachkenntnis als die Angestellten in den Superstores, doch selbst dieser Vorteil wird oft durch den reinen Unterhaltungswert der Superstores zunichte gemacht. (zum Problem Event s.: Kulturwandel durch Unterhaltung)
Auch hier geht es der Kultur an den Kragen, wenn der Kulturträger Buch zum Rentabilitätsobjekt und Massenprodukt wird. Der Buchhandel in den USA, gemessen an der Mitgliedschaft in der American Bookseller Organisation, sank von 5132 im Jahr 1991 auf 3400 8 Jahre später.
Die USA stehen mit ihren Modell zur Zeit vor einem gewaltigen Problem (einem von vielen, denn den Irak gibt es ja auch noch, und das Gesundheitssystem, und das Bildungssystem, und das Finanzsystem, und ...). Die USA waren immer stolz darauf, dank ihres liberalen Denkens und Leistungsbewusstseins eine äusserst geringe Arbeitslosigkeit zu haben. Sie haben auch sehr kurze Deckungsfristen der Arbeitslosenversicherung (meist auf ein halbes Jahr beschränkt), wo diese überhaupt vorhanden ist. Zudem leistet sie weitaus weniger als die bei uns üblichen 70 oder 80%, nämlich bloss 25-50%. Zudem schätzen einige die Arbeitslosigkeit noch weitaus höher, bis zu doppelt so hoch.
Die "europäischen" Verhältnisse bei den Arbeitssuchenden, der Druck der Armut, könnte hier einiges in Bewegung bringen, das nicht so ganz im Sinne der Erfinder lag:
1.3 Die Verlagerung der Produktion in Billigstproduktionszonen
Im Zuge der Entkapitalisierung der Produktion wurden insbesondere die zoll- und oft auch rechtsfreien Exportproduktionszonen (EPZ) in Fernost beliebt. Die Beschäftigung in diesen Sektoren ... hat sich vom Vollzeit-Fabrikarbeitsplatz auf den befristeten Arbeitsplatz und den Teilzeitarbeitsplatz verlagert, und insbesondere in den Bereichen Kleidung und Schuhwerk wird zunehmend auf Heimarbeit und kleine Werkstätten zurückgegriffen. Es zeigt sich deutlich der Rückschritt in Produktionsverfahren des 19. Jahrhunderts.
Die grösste Zonenwirtschaft besitzt China, wo in 124 EPZ rund 18 Millionen Menschen arbeiten. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitskräfte sind Frauen, immer jung und immer von Auftraggebern aus Korea, Taiwan oder Hongkong oder deren Subunternehmer angeworben. Diese Unternehmen erfüllen in der Regel Aufträge von Konzernen mit Sitz in den USA, Grossbritannien, Japan, Deutschland oder Kanada. Die Verwaltung der EPZ ist militärisch, die Aufsehen neigen oft zu Misshandlungen, die Löhne liegen unter dem Existenzminimum, und die Arbeit ist wenig qualifiziert und langweilig. Die Fabriken sind billig gebaut und stehen auf gemietetem Land. ... Die Furcht geht um in den Zonen. [S. 216]
Frauen werden in der Zone häufig schon mit Mitte zwanzig entlassen, oft mit der Begründung, sie seien "zu alt". Ihre Finger seien nicht mehr geschickt genug. Dies ist ein höchst wirksamer Weg, die Anzahl der Mütter auf den Gehaltslisten der Fabriken auf ein Minimum zu begrenzen.
In den 90er lagen die berüchtigtsten dieser Zonen allerdings noch auf den Philippinen. Arbeitskräfte: 1986: 23'000, 1994 229'000, 2000: 52 EPZ mit 459'000 Beschäftigten. Die Arbeitstage dauerten auf den Philippinen und in Indonesien 12h, auf Sri Lanka 14h und beim Favoriten Südchina gar 16 h.
Die bekannteste und grösste Freihandelszone der Philippinen ist Cavite, wo. 207 Fabriken auf 276 ha ausschliesslich für den Export (Nike, Gap, IBM, Old Navy ...) produzieren.
Ihre Namen und Logos sind nicht auf die Fabrikfassaden des Industriegebiets gepinselt. Und die konkurrierenden Marken treten nicht wie sonst streng getrennt, jede im eigenen Superstore auf, sondern werden oft einträchtig in ein und derselben Fabrik hergestellt, von denselben Arbeitern zusammengeleimt, mit denselben Maschinen genäht und gelötet.
Die Miete für die Fabriken in Cavite ist spottbillig: 120 Pesos (10 cents) pro Quadratmeter. In den ersten fünf Jahren müssen die Unternehmen weder Einkommens- noch Vermögenssteuer bezahlen. In Sri Lanka sogar 10 Jahre lang. Zudem unterliegt Cavite der alleinigen Jurisdiktion des Ministeriums für Handel und Industrie der philippinischen Bundesregierung. Die lokale Polizei und die Stadtregierung dürfen die Zone nicht einmal betreten. Hier verwaltet das Kapital sein Reich also selbst:
Saskia Sassen schreibt in "loosing control" dass durch solche Zonen die Nationalstaaten zerlegt, und ein Teil des Staates entstaatlicht würden. [S. 218]. Abgesehen von den Arbeiterströmen zu Beginn und Ende einer Schicht lässt nicht das Geringste darauf schliessen, dass es in Rosario über 200 Fabriken gibt. Die Strassen sind in verheerendem Zustand, es fehlt an fliessendem Wasser, und es gibt keine funktionierende Müllabfuhr.
Wenn ein Investor den Mindestlohn von sechs Dollar pro Tag als zu grosse Belastung empfindet, kann er bei der Regierung eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Und da die Regierung die ausländischen Investoren mit den Versprechungen anlockte, ihnen billige und gelehrige Arbeitskräfte zu bieten, will sie ihre Zusage auch einhalten. Aus diesem Grund drücken die Beamten des Arbeitsministeriums in den Zonen bei Verstössen gegen das Arbeitsrecht beide Augen zu oder Ermutigen gar zum Gesetzesbruch.
Hört nicht auf Unruhestifter und Agitatoren!
Infotafel in Cavite
Frauen, wie die im Buch erwähnte Carmelita, sterben oft an Überstunden, da sie in der stickigen feuchten Luft Krankheiten kaum ausheilen können: Der Überstundenstress könnte gemildert werden, wenn die Fabriken einfach mehr Arbeiter einstellen und zwei kürzere Schichten einrichten würden. Man hält sich dort aber an das selbe Prinzip wie hier: Zusätzliche Arbeitsplätze bedingen Mehraufwand, verlagern also das Problem der Arbeitskräfte auf das Management.. Es ist weitaus bequemer, eine Belegschaft zu Überstunden zu zwingen wenn es viel Arbeit gibt und weniger arbeiten zu lassen, wenn es weniger gibt. Das Gegenstück zur Überzeit, der unbezahlte Zwangsurlaub, würde man in Unternehmerkreisen auch hierzulande gerne intensiver verwenden.
Ganz in der Nähe, auf den nördlichen Marianen, gibt es sogar so was, dass sich US-Commonwealth nennt. Viele junge Frauen, die mit Versprechungen gut bezahlter Arbeitsplätze in den USA nach Saipan gelockt wurden - aber dort in Sweatshops landeten, reichten eine kollektive Klage in den USA ein.
Pusan ind Südkorea war in den Achtzigerjahren die Turnschuhhauptstadt der Welt (Rebook, Gear, Nike). 1985 produzierte Rebook fast all seine Turnschuhe in Südkorea und Taiwan. Sobald dort allerdings Gewerkschaften entstanden, verlagerten die Betriebe 30'000 Arbeitsplätze nach China.
In weniger als 3 Jahren war ein Drittel der Schuhproduktion vernichtet. Bis 1995 waren fast all diese Fabriken aus Korea und Taiwan verschwunden und 60% der Rebook Aufträge gingen nach Indonesien und China.
Tabelle 9.2: Prozentuale Veränderung der Beschäftigung in der Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Schuhindustrie, 1980-93
Finnland
Schweden
Norwegen
Österreich
Polen
Syrien
Frankreich
Ungarn
Niederlande
Grossbritannien
Neuseeland
Deutschland
Spanien
Australien
Argentinien
USA - 71.7
- 65.4
- 64.9
- 51.5
- 51
- 50
- 45.4
- 43.1
- 41.7
- 41.5
- 40.9
- 40.2
- 35.3
- 34.7
- 32.9
- 30.1 Mauritius
Indonesien
Marokko
Jordanien
Jamaika
Malaysia
Mexiko
China
Iran
Türkei
Philippinen
Honduras
Chile
Kenia
Israel
Venezuela 344.6
177.4
166.5
160.8
101.7
101.2
85.5
57.3
34
33.7
31.8
30.5
27.2
16.1
13.4
7.9
Wie die Tabelle rechts zeigt, hat die Auslagerung der Produktion Folgen. Es bringt wenig, diese zu beklagen, denn im Ursprung stehen die Aktivitäten der einheimischen, der eigenen Firmen. Die Basler Chemie etwa betreibt Standortsoptimierung und günstige Produktion im Ausland seit
Wir sind es es also höchstselbst, die diesen Krieg entfesselt haben. Schuldzuweisungen an China bringen da nichts.
Bei allen (teilweise) berechtigten Klagen über Chinas Handelsgebaren .... der Ursprung dieser Geschichte ist ganz offensichtlich einzig und alleine bei ausländischen Investoren zu suchen - von denen die Chinesen die Prinzipien der Marktgestaltung erst eigentlich gelernt haben. Die Tränen die heute im Westen vergossen werden, sind Krokodilstränen. Das selbe gilt für das Argument "Menschenrechtsverletzungen", wenn von Unternehmen zur wirtschaftlichen Eindämmung von China verwendet. Schliesslich benutzt man dort genau die selbe Theorie wie hier: Je tiefer die Löhne, desto höher der Profit:
Auf dieser neuen Etappe der Reise gehörten die Fabriken jedoch nicht mehr lokalen chinesischen oder indonesischen Auftragnehmern, sondern sie wurden noch immer von denselben koreanischen und taiwanesischen Unternehmen geführt. Für Chi Neng Tsai, einen der Besitzer des Unternehmens, ist es schlicht gute Geschäftspolitik hinzugehen, wo die Arbeiter hungern: "Vor dreissig Jahren, als Taiwan noch hungerte, war unsere Produktivität dort auch höher." S. 237
In Indonesien wir bei Streiks ohne grosses Federlesen das Militär eingesetzt. Begründung: Wenn die Behörden mit Streiks nicht fertig werden, insbesondere, wenn diese zu Gewalt und Brutalität führen, dann verlieren wir unsere ausländischen Käufer. Die staatlichen Exporteinnahmen gehen zurück, und die Arbeitslosigkeit steigt.
1.4 Die Dominanz des Marketing
Werbebudgets und der Marlboro Friday: Am 2. April 1993 senkt Philipp Morris den Preis von Marlboro Zigaretten um 20%, um sich gegen Billigmarken zu wehren. Die Preissenkung trieb die Marketingexperten zum Wahnsinn, und sie verkündeten unisono nicht nur den Top von Marlboro, sondern den Tod aller Markennamen.
Schnäppchenhungrige Käufer, die hart von der Rezession getroffen waren, begannen mehr auf den Preis zu achten als auf das Markenprestige. Die wilde Schnäppchenjagd der frühen Neunzigerjahre erschütterte die etablierten Marken bis ins Mark. Plötzlich schien es klüger, Ressourcen in Preissenkungen und andere Kaufanreize zu stecken als in sagenhaft teure Werbekampagnen. [S. 32]
Das, was heute noch von den Medien als Tragödie beklagt wird, ist also eigentlich nichts als eine berechtigte Korrektur ... denn:
1983 gaben die Markenartikler 70% ihres gesamten Marketingbudgets für Werbung aus und 30% für die anderen Arten der Verkaufsförderung (Werbegeschenke, Wettbewerbe, Schaufensterdekorationen, Preissenkungen). 1993 hatte sich das Verhältnis umgekehrt auf 25% Werbung, 75% andere verkaufsfördernde Massnahmen.
Diejenigen, die Marketing über Preispolitik gestellt hatten, erholten sich schneller aus der Rezession: Nike, Apple, Body Shop, Calvin Klein, Disney, Levi's und Starbucks. Nike gab 1991 sagenhafte 225 Millionen $ für Werbung aus
Wer innerhalb der USA, wo, wieviel und wofür ausgibt, erfahren Sie bei Advertising Age http://www.adage.com/images/random/lna2005.pdf (s. Ausschnitt Bild rechts). Schweizer Firmen sind da prominent dabei: Novartis Rang 21, Nestle Rang 31. Erstaunlich (na ja, nach Irak ...) auch die Werbekraft der US-Regierung, die Platz 25 belegt.
Unter den Betrieben Deutscher Provenienz dominieren Daimler-Chrysler 6, Deutsche Telecom 60, Volkswagen 63 und Bayer 81.
Apropos Marketing:
Guerlain, bekannte französische Marke für Parfums, bodycare, make up etc, sucht Promo-Personal für 50% Anstellungen, zu 2000.- Fr. pro Monat - unter der Bedingung, dass dieses nicht gleichzeitig für eine andere Firma Parfums oder Make Up verkauft. Diese Anwendung des Konkurrenzverbots nun auch auf schlecht bezahlte Scheissjobs bedeutet eine aktive Förderung der working poor. Der Grund ist klar, denn diese "Angestellten" werden nur für die produktive Arbeit bezahlt, müssen aber ausserhalb der Arbeitszeit noch aufräumen, putzen und Reporte verfassen, was zu einer effektiven Arbeitszeit von 70% führt. [Das ist keine historische Notiz zu seltsamen Arbeitsbedingungen im 19. Jahrhundert, sondern stammt vom 22.9.06!].
Problematisch ist auch die Verbindung von Kapital und Personalselektion, die mit zunehmender Konzentration der Firmen in immer weniger Händen den Zugang zu Stellen erschwert. Wer sich mehrfach bei einem Personaldienst beworben hat und abgelehnt wurde, hat mit jeder zusätzlichen Bewerbung geringere Chancen, auch wenn es sich um unterschiedliche Stellen und Tätigkeiten innerhalb der heute oft komplexen Strukturen handelt. Ein übles Beispiel, am selben Ort wie Guerlain (oben), nämlich am Flughafen Zürich, ist diesbezüglich z.B. die Nuance-Group: Die Shopping-Bereiche der Flughäfen Wien, Kopenhagen, Shipol-Amsterdam, Schweden, Genf-Zürich, GB (6 Flughäfen) werden von dieser Aktiengesellschaft verwaltet. Das Problem für die BewerberInnen besteht nun darin, dass sie sich nicht bei dem von ihnen bevorzugten Shop direkt bewerben können, sondern, sogar wenn sie die entsprechende Marke bereits erfolgreich verkauft haben, vom zentralen Personalbüro von Nuance "auserwählt" werden müssen. Das Selektionsverfahren gleiche da oft dem, was man allenfalls für eine Filmrolle in Hollywood erwarte, nicht aber bei einem relativ normalen, und auf keinen Fall überbezahlten, Verkäuferinnenjob. Dazu kommt, dass der "Personalchef", Jasper Overberg, zugleich unterschriftsberechtigter (Kollektivprokura) Aktionär ist. Nicht dass das verboten wäre ... aber hier wird aus einer anonymen Kapitalgesellschaft eine auf persönlichen Sym- und Antipathien beruhende neofeudalistische Herrschaft. Die Verbünzligung der kapitalen Herrschaft zeigt sich auch in der Argumentation: Sie haben sich bereits mehrfach beworben. Sie arbeiten ja als Aushilfe. Sie sind an Geld interessiert ... das wollen wir nicht. Die neofeudalistische Herrschaft verlangt also vollen, uneingennützigen Einsatz ... zum Wohle des Kapitals der Eigentümer, die das auch gleich noch selbst vertreten, als Personalchef.
Hier ist das Ende der Fahnenstange alles Zumutbaren erreicht. "Wehret den Anfängen" kommt hier schon zu spät. Wehret dem Neofeudalismus und seiner Verlogenheit!
1.4.1 Branding:
In den 80er Jahren des 19. JH wurden Massenprodukte wie Campbells Soup, Konserven von H.J. Heinz und Quaker-Oats-Haferflocken mit dem Logo des Herstellers versehen. Vertrauenserweckende Personen wie "Aunt Jeremia" und "Old Grand-Dad" ersetzten, als Metaphern, die Ladenbesitzer. Damals war das Label oder Logo aber nur Verkaufshilfe - heute ist es oft das Hauptprodukt, und der eigentliche Wertträger:
Das Konzept ist weder veraltet noch beschränkt auf die USA:
Wir verkaufen Lifestyle und nicht Joghurt.
Walter Huber, Chef Emmi
Die Unternehmen neuen Stils stellen nicht mehr in erster Linie Dinge her, sondern Markenimages. Ihre eigentliche Arbeit bestand nicht mehr in der Herstellung, sondern in der Vermarktung. Diese Formel hat sich - wie wir heute wissen - als unglaublich gewinnbringend erwiesen, und ihr Erfolg hat dazu geführt, dass die Grossunternehmen einen Wettstreit im Ballastabwerfen begonnen haben. Diesen Wettlauf gewinnt, wer am wenigsten besitzt, die wenigsten Arbeitskräfte beschäftigt und nicht die besten, sondern die mächtigsten Images produziert. [S. 26]
[Financial Times]
Die Zentrale der Konzerne kann sich, wenn die Arbeit durch Subunternehmen, vor allem in der 3. Welt ausgeführt wird, auf das wirklich wichtige Geschäft konzentrieren - die Schaffung einer Unternehmensmythologie, die machtvoll genug ist, um einfachen Gegenständen durch den schlichten Namen des Unternehmens Bedeutung zu verleihen. Marke x ist kein Produkt, sondern ein Lebensstil, eine Haltung:
Tommy Hilfiger wiederum ist eigentlich kein Kleiderhersteller; sein Geschäft besteht darin, Kleider zu signieren. Jockey International macht Hilfiger Unterwäsche, Pepe Jeans London macht Hilfiger-Jeans, Oxford Industries macht Tommy-Hemden und die Stride Ride Corporation stellt seine Schuhe her. Und was produziert Hilfiger selbst? Nichts. [S. 45]
Das bedeutet, dass, fast genau so wie an der Börse, das meiste Geld nicht durch effiziente Produktion gemacht wird, sondern durch das Verkaufen heisser Luft, eines Images!
Das Branding hat, wie wir gesehen haben, grosse Ähnlichkeit mit einem Ballon: Es lässt sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit aufblasen, enthält jedoch nichts als heisse Luft. ... Je ehrgeiziger ein Konzern die Kulturlandschaft markiert hat, und je unvorsichtiger er seine Arbeiter im Stich gelassen hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass er ein stilles Bataillon von Kritikern herangezüchtet hat, die nur darauf warten zuzustechen.
Das Logo ist eigentlich ein Nichts ... und es lässt sich sehr leicht wieder dazu machen. Auf Grund dieser Erkenntnis entstand das cultural jamming, das die Luft aus diesen Werbeblasen lassen wollte. Dass Werbung sehr wenig mit den reellen Produkten, ihren Rohstoffen oder den Herstellungsprozessen zu tun hat, war schon früh klar:
Wenn Sie für irgend ein Produkt Werbung machen, sehen Sie sich nie die Fabrik an, wo es hergestellt wird. ... Sehen Sie den Leuten nicht bei der Arbeit zu ... denn, sehen Sie, wenn Sie die Wahrheit über irgendwas wissen, die wirklich innerste Wahrheit, dann ist es sehr schwer, die oberflächliche Schaumschlägerei zu schreiben, durch die es verkauft wird.
Helen Woodward, Werbetexterin um 1920
Einem ähnlichen Zweck dienen die in den Teppichetagen, zunehmen im ganzen Haus, obligaten Tarnanzüge und Sauerstoffdrosseln (Krawatten), die das Denken verhindern sollen. Eine Vielzahl an Tempelhüterinnen des Kapitals, heute nicht mehr als Vestalinnen bezeichnet sondern als Stil- und Imageberatung, helfen den Anzugträgern das Dogma zu verteidigen, dass das gepflegte äusserliche Erscheinungsbild dem Gegenüber Respekt vermitteln und Vertrauen erwecken soll - während Sandalen auf unproduktive und verantwortungsscheue Ferienstimmung, und noch schlimmer Bärte, auf Maskerade und Hinterlist deuten sollen.
Die zwei wichtigsten Werbestrategien die mit den Logos verbunden waren war:
1. Die Exklusivität, die Zugehörigkeit zur reichen Oberklasse, die Leistungsfähigkeit, die heute meist nur noch als finanzielle Leistungsfähigkeit gemessen wird:: Ralf Laurens Polospieler, Lacostes Alligator Die Logos hatten die selbe Funktion, wie wenn man das Preisschild am Kleidungsstück gelassen hätte. [S. 47]
2. Jugendmarketing: Mitte der 90er wurde die Frage "Bin ich cool?" zur Existenzfrage. Hilfiger verkaufte den weissen Jugendlichen den schwarzen cool-Schein und jenen den weissen reich-sein-Schein, womit er seinen Absatz von 53 Millionen 1991 auf 847 Millionen 1998 steigerte.
Die wertvollsten Marken der Schweiz
[Interbrand]
1.4.2 Kultur & cultural jamming
Die wichtigste Kritik an der Globalisierung der Märkte betr. ihres Einflusses auf die Kultur lautet, dass durch betriebswirtschaftliche Homogenisierung die Vielfalt der Kulturen verloren geht. Das Prinzip ist einleuchten, was Vor- wie Nachteile betrifft. Wenn Unternehmen auf lokale Geschmäcker oder Sitten Rücksicht nehmen müssen, dann sind sie zum Scheitern verurteilt, da ihnen hier die lokalen Kleinbetriebe weit voraus sind. Also macht der Grossbetrieb genau das Umgekehrte: Er definiert sein Produkt als "guten Geschmack" - womit er die Bedürfnisse unterschiedlichster Nutzergruppen effizient homogenisiert. Der erfolgreichste Kulturimperialist in der Beziehung war und ist McDonalds (da Nestlé ein Schweizer Unternehmen ist, reden wir davon mal nicht ... ähum). Im Vergleich zur Rasanz der Ausbreitung dieser geschmacklosen Brötchen (ich konsumiere einen Hamburger jedes Jahr um mich zu vergewissern ...) humpelt die Gegenbewegungen des slow food in Frankreich und Italien (Deutschland, Schweiz) auf einem Bein daher. Warum?
Ein Musterbeispiel übelster Kulturversumpfung ist für Klein MTV. Dieser Musiksender wurde 1998 von 273 Millionen Haushalten empfangen, 70 Millionen davon in den USA. 1999 erreichte die Sendung bereits 83 Länder: Kritik: Je mehr Zuschauer die MTV-Vision von einem Stamm kulturaustauschender, globaler Teen-Nomaden akzeptieren, desto homogener wird der Markt für die Werbetreibenden, die ihre Produkte verkaufen müssen.
Cultural jamming wurde allerdings inzwischen von der Werbung derart assimiliert und von den Werbedesignern stilistisch dressiert, dass der ursprüngliche Zweck total unterging. Heutige Werbung, wie etwa Sprite: Gehorche deinem Durst, setzen das Konzept bereits selbst derart penetrant ein, dass damit der Kern des Widerstandes absorbiert, und der Widerstand gegen Werbung selbst gejammed wurde. Fazit:: Es gibt keinen Widerstand!
In seiner hohen Zeit, den letzten Jahren des vergangenen Millenniums, war cultural jamming eigentlich Zynismus pur - mit der klassisch stoisch-humorvollen Grundhaltung.
Beispiele:
*
Ein zusammengeschlagener Jugendlicher, mit dem Gesicht nach unten, ohne Schuhe, auf dem Betonboden liegend - auf der andern Seite des Bildes die Hand eines Jungen, der sich mit den Nike-Turnschuhen davon macht. Slogan: Just do it.
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Die Magersüchtigen Modelle wurden mit dem Slogan: füttere mich / gib dem Supermodell zu essen auf die Schippe genommen.
http://www.adbusters.org/home/
Die Kosten eines modernen Inkjet-Druckers setzen sich deshalb wie folgt zusammen: Logistik 20 Franken, Marketing und Vertrieb 70 bis 300 Franken. Die Kosten für die Fertigung sind heute so tief, dass sie irrelevant geworden sind.
Patrick Roettger, Man. Dir. Lenovo Schweiz in Ph. Löpfe: Das Geheimnis des globalisierten Notebooks. CASH, 13. Okt. 2005, S. 24-25.
Relativ einfach war es auch, die teuren Exklusivmarken durch Filme aus ihren Produktionszonen bloss zu stellen. So gab es etwa einen Film von indonesischen Nike-Arbeitern, denen der Mund offen stehen bleibt, weil die Schuhe, die sie für 2$ am Tag produzieren, im Nike Town von San Franzisko 120 Dollar kosten. [S. 360] Oder die Reaktion von Haitianischen Arbeitern, denen der lokale Wert eines Wal-Mart Pocahonts T-shirts umgerechnet wird. Der Verkaufspreis von 10.97 $ entspricht nämlich auf Haiti 172.60 Gourdes, damit dem Fünffachen eines Tagesverdienstes der Arbeiter, die an einem Tag hunderte solcher Shirts herstellen.
1.4.3 Das Problem der öffentlichen freien Meinungsäusserung
Das Burma-Gesetzt, das in Massachusetts diejenigen Firmen von staatlichen Kontrakten ausschloss, die mit Burma Handel betreiben, wurde von der WTO als illegal und wirtschaftsfeindlich erklärt. Stadt- und Einzelstaatregierungen wurden wegen Verstösse gegen WTO-Bestimmungen angeklagt, von der eigenen Regierung. Auf den ersten Blick scheint das einigermassen logisch. Die Begründung zeigt aber das Problem dahinter: Die selektive Wahl der Anbieter darf nicht auf Grund politischer Vorgaben geschehen. Die Idee der Verfasser aber war: Da Individuen die freie Wahl haben, sollten auch Kollektive, wie Schulen, Stadträte oder Staatsregierungen diese haben.
Ein ähnlicher Fall geschah in Vancouver. Hier machte das Gericht klar, dass über Handel keine Politik betrieben werden darf:
Shell Canada verklagte die Stadt Vancouver wegen Diskriminierung. Das Verfahren zog sich fast fünf Jahre hin, und im Februar 1994 entschied der kanadische Oberste Gerichtshof mit fünf zu vier Stimmen zugunsten von Shell. Richter John Sopinka schrieb, der Stadtrat dürfe sich bei ihren Beschaffungsbeschlüssen nur am Wohl der Einwohner von Vancouver orientieren - nicht an dem der südafrikanischen Bevölkerung. Der Zweck des Shell-Boykotts, schloss er, besteht darin, ohne jeden erkennbaren Vorteil für die Einwohner der Stadt Einfluss auf Angelegenheiten ausserhalb der Stadtgrenze zu nehmen. [S. 427]
Das ist schon ziemlich happig, denn es bedeutet, dass die Konzerne weltweit in ihrem Interesse Einfluss nehmen dürfen, die Politiker nur in ihrem eigenen Kreis - und auch das nur in Angelegenheiten, die diesen direkt betreffen.
1.4.4 "Volksbildung" durch Konzerne - Sponsoring durch Konzerne = Zensur durch Konzerne
Wir bieten wenig Existenzangst, nur ungehemmtes Konsumdenken.
MTV-CEO Tom Freston über den Programminhalt von MTV Indien im Juni 1997
Channel 1 legte eine Pipeline in die Schulklassen, für die er dann Höchstpreise von Werbekunden verlangen konnte, doppelt so viel wie das Fernsehen, da der Sender als Pflichtprogramm und ohne die Möglichkeit den Kanal zu wechseln oder den Ton abzudrehen wirklich "einzigartig" war.
Diese Markenkonzerne sind die besten und grössten Volksbildungsinstrumente des Planeten geworden. Die Aussage erinnert daran, dass auch in der Schweiz diese Verhältnisse schon lange herrschen. Die Migros deckt mit ihren Clubschulen mehr als die Hälfte des gesamten Schweizerischen Weiterbildungsangebots ab. Gratiszeitschriften wie 20 Minuten, aber noch mehr die Hauszeitschriften der dominierenden Detailhänder Migros und Coop werden von der Presse links (rechts?) liegen gelassen, wobei übersehen wird, dass diese mit 2 bis 2.5 Millionen LeserInnen mehr als das Doppelte des eben so überflüssigen Massenblattes 20 Minuten erreichen, das Dreifache der Boulevardzeitschrift, die mit Überschriften auskommt, und gar das Vierfache des gegenwärtig besten Massenblattes, des Tagesanzeigers.
Ein beliebter Werbezweig ist auch das Sponsoring:
Indem es das Unternehmerische überhöht, entwertet das Sponsoring zugleich, was es sponsert .... Das Sportereignis, das Konzert und das öffentliche Fernsehprogramm werden der Verkaufsförderung untergeordnet, da sie in den Augen des Sponsors und nach der Symbolik der Veranstaltung dafür da sind, Werbung zu machen. Dies ist nicht Kunst als Selbstzweck, sondern Kunst zu Reklamezwecken. [S. 51]
Die weltweiten Ausgaben für Sponsoring durch die Privatindustrie explodierten von 7 Milliarden $ 1991 auf 19.2 Milliarden 1999.
In allen drei Bereichen ist mit massiver Vertretung der Eigeninteressen zu rechnen, also mit der Unterdrückung von Kritik, d.h. mit Zensur. Die Grossen in den USA argumentieren mit "Familienfreundlichkeit". Ihre Anlagen sollen der ganzen Familie zum Einkaufen, zur Erholung, als Erlebnis dienen. Wal-Mart und die andern Supermarktketten, die 55% des amerikanischen Zeitschriftenverkaufs tätigen, werfen regelmässig Zeitschriften aus dem Verkauf, die zu viel nackte Haut zeigen oder sich sonst nicht "einkaufsfreundlich" zeigen. Da in den USA (wie hier) Meinungsfreiheit herrscht und es keine Zensur gibt ... legen Cosmopolitain und Vibe diesen Unternehmen jeweils Vorabdrucke vor. Als sich China für die ausländischen Medien öffnete, zeigten sich diese dankbar dafür, indem sie die Zensur auch hier gleich selbst leisteten. (nach S. 182)
1.4.5 Forschungspartnerschaften zwischen Universitäten und der Privatwirtschaft
Die Besteuerung von Grossunternehmen wurde in Kanada unter Britan Mulroney, in den USA unter Ronald Reagan, in Grossbritannien unter Margaret Thatcher (und in vielen anderen Ländern ebenfalls) drastisch gesenkt, ein Schachzug, der den Staatshaushalten Steuermittel entzog und den öffentlichen Sektor allmählich ausbluten liess. Angesichts sinkender Staatsausgaben liessen sich Schulen, Museen und Rundfunkanstalten in dem verzweifelten Bestreben, ihre Haushaltlöcher zu stopfen, bereitwillig auf die Partnerschaft mit Privatunternehmen ein. Zusätzlich gefördert wurde diese Entwicklung durch das damalige politische Klima, in dem es kaum möglich war, einen nicht-kommerzialisierten öffentlichen Bereich leidenschaftlich zu verteidigen. [S. 50]
Unternehmen die Sponsoring-Verträge mit Universitäten eingehen, schützen sich gerne mit einer Klausel gegen Rufschädigung: Keine Untersuchungen dürfen publiziert werden, die dem Ruf des Sponsors abträglich sind oder seinen Interessen entgegen stehen. Während des Maurier Tennis Tourniers 1996 an der New York Universität in Toronto wurde sogar das Verteilen von Flugblättern verboten.
Klein erwähnt eine Studie zu "Synthroid" von Boots - die herausfand, das die Wirkung von Synthroid äquivalent, aber nicht besser, ist als das viel günstigere Konkurrenzprodukt, woraus sich Sparmöglichkeiten von 365 Millionen $ auf der Einen, aber ein Verlust von 600 Millionen $ bei Boots ergeben hätten. Die Publikation der Resultate wurde durch Einspruch verhindert, kam allerdings durch einen Artikel im Wall Street Journal ans Licht, wurde also um 2 Jahre verzögert.
Eine andere Studie zeigte, dass Deferiprone von Apotex lebensbedrohliche Nebenwirkungen haben kann. Die Studie wurde abgebrochen und die Studienleiterin entlassen, da sie trotz Verbots publiziert hatte.
Wer denkt, so was gäbe es nur in den USA, der irrt. Es gab da mal einen Statistiker an der ETH, der hat statistisch belegt, dass Krebserkrankungen um Atomkraftwerke gehäuft vorkommen. Er hat bis heute Publikationsverbot. Es gab da mal eine Untersuchung die belegte, dass der Bödmerenwald eben doch kein Urwald ist. Die Untersuchung wurde eingestampft. Es gab da mal .... suchen Sie selbst. Es gibt jede Menge davon. Auch in der Schweiz. Man darf bei der heeren Forschung nicht vergessen, dass auch sie in Betrieben stattfindet, die auf Finanzierung angewiesen sind und die über Hierarchien gelenkt werden.
Peinlich sind eigentlich Professuren von Nahrungsmittelungernehmen, Webanbietern, Spielzeugfabrikanten oder gar Supermarktketten - aber offenbar nicht in den USA. Die von Naomi Klein erwähnten sind nach wie vor, und offenbar sogar mit Stolz, im Internet zu finden [S. 117]:
* Taco Bell Distinguished Professor of Hotel and Restaurant Administration, Washington State University
* Yahoo! Chair of Information-Systems Technology, Stanford University
* Lego Professorship of Learning Research, Massachusetts Institute of Technology
* J. Patrick Kelly, Prof. Kmart Chair of Marketing, Wayne State University - dessen Forschung Kmart ein Vielfaches der gespendete 2 Millionen eingebracht hat.
Irgend wann in diesen Jahren hörten Professoren und Studenten also auf, miteinander zu streiten, weil sie merkten, dass sie einen mächtigeren gemeinsamen Feind hatten: Marken erobern die Forschung und die Lehrfreiheit, vor allem aber die Forschungsfreiheit, wird zunehmend durch Kommerzialisierung bedroht. Stellte sich früher die Forschung (nicht jedoch alle Forscher) in den Dienst der schöpferischen Suche nach Erkenntnis und Fortschritt, der Lösung wissenschaftlicher Probleme, so scheint heute das wichtigste Ziel von Lehre und Forschung zu sein, neue, vermarktbare Produkte und Prozesse zu finden. In den letzten 15 Jahren wurden auch hier in der Schweiz die Universitäten mehr und mehr über die Anzahl der von ihr losgetretenen Startups, der von ihr aus beantragten Patente und der von ihr erzielten, bildungsmarkt- (nicht aber ausbildungs-)relevanten Nobelpreise gemessen.
Patente und Spin-offs sind aber Privateigentum, das private Recht, ein spezifisches Wissen zu verwenden und zu vermarkten. Dieses Wissen war aber nie Ziel und Sache der Universität, sonst hiesse sie nämlich Privatizität:
In vieler Hinsicht sind Schulen und Universitäten unsere fassbarste Verkörperung von öffentlichem Raum und kollektiver Verantwortung. Insbesondere der Campus- mit seinen Wohnanlagen, Bibliotheken, Gründflächen und allgemein anerkannten Regeln für den offenen und respektvollen Diskurs - spielt eine zentrale, wenn auch weitgehend symbolische Rolle: Er ist der einzige noch vorhandene Ort, wo junge Menschen noch echtes öffentliches Leben kennen lernen können. [S. 121]
Man muss hier vielleicht doch darauf aufmerksam machen, dass der Campus vieler Colleges und Universitäten Englands z.B. seit jeher geschlossen, und den höheren sozialen Schichten allein zugänglich waren. Insbesondere die Internate dienten der Erhaltung der geschlossenen Gesellschaft. Die Öffnung zu dem von Klein so geschätzten offenen Campus geschah erst langsam, vor allem durch die 68er - und der erneute Schluss derselben durch wirtschaftliche Interessen zeigt somit eine Gegenbewegung. Sollen Lehr- und Forschungsfreiheit, wie das Ideal des Campus, Forums oder der Agora erhalten werden, so wird dies nicht ohne Engagement und Anstrengungen möglich sein. Ein aktueller Fall anhand dessen sich die Entwicklung beurteilen lässt, ist der Novartis Campus.Novartis Campus
2. Förderung der Konzerninteressen
2.1 WTO, WELTBANK, IWF (Internationaler Währungsfonds, IMF auf engl. als International Monetary Fund), World Economic Forum ...
Die WTO (World Trade Organisation - WHO als Welthandelsorganisation), Nachfolgerin des GATT (General Agreement on Trade and Tarifs) vertritt die Interessen der Welthändler, und die sitzen zu 80% in den USA, Kanada, Japan und der EU. Widerstand ist also zwecklos oder sogar Selbstmord. Innerhalb der WTO sind es aber nur wenige transnationale Gesellschaften, ca. 200, die den Ton angeben. Man versucht über diese Organisation, das, was generell die Aufgabe von "Organisationen" ist, nämlich: die eigenen Interessen zu stärken, und die der Anderen zu unterlaufen: TRIPS, Ablehnung einer Sozialklausel und einer Umweltklausel, die es erlaubt hätten, Waren aus dem freien Verkehr auszuschliessen, die unter nicht hinnehmbaren sozialen oder ökologischen Bedingungen hergestellt wurden. [Jean Ziegler: Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher. C. Bertelsmann. München 2002]
Die WTO scheint auf den ersten Blick demokratisch. Entscheidungen werden aber in den sog. Green-Room-Sitzungen getroffen, die von der EU, den Vereinigten Staaten, Kanada und Japan kontrolliert werden. [George Monbiot: United People. Manifest für eine neue Weltordnung. Riehmann. One Earth Spirit. 2003. S. 25]
Die WTO wird vor allem getrieben durch Interessen globaler Konzerne, meist aus den USA. Ohne American Express und Citicorp hätte es kein WTO-Dienstleistungsabkommen gegeben, ohne Cargill (Getreidehandel) kein Landwirtschaftsabkommen, Diese Abkommen behandeln nationale Sozial- und Umweltgesetze zunehmend als Handelsschranken, die es zu beseitigen gilt. Der Zugang solcher Grosshändler macht allerdings die kleinen kaputt, der Zutritt grosser Banken verschafft den Kleinbetrieben (KMUs) keine Kredite, "erledigt" aber häufig ländliche Kleinbanken, die solche ermöglicht haben. Der internationale Handel von Nahrungsmitteln verdrängt lokale Kleinproduzenten. Die Politik der WTO begünstigt die eh schon Grossen.
Die Weltbank: Heute gibt es in der ganzen Dritten Welt riesige Staudämme, die verschlammt sind, Strassen, die verkommen und ins Nirgendwo führen, leer stehende Bürogebäude, verwüstete Urwälder und Felder und riesige Schulden, die niemals zurückgezahlt werden können. Das sind die vergifteten Früchte jener Politik, die die Weltbank seit den Tagen McNamaras bis heute verfolgt. [Zur Strategie und Taktik s. John Perkins]. Die Weltbank ist der führende Propagandist einer neoliberalen Wirtschaftsordnung, also der Vorteile einer Privatisierung öffentlicher Güter. Obwohl dies sachlich falsch ist, beten fast alle Entwicklungsorganisationen das Credo nach, da sich die meisten eben gerne am reichlich fliessenden Projekt-Tropf der Weltbank laben: Die Reden, welche auf den grossen internationalen Konferenzen gehalten werden, und die an die Adresse der Weltbank gerichtete Kritik werden plötzlich milder. Diese NGOs vehalten sich letztlich wie feile Dirnen. [Ziegler, S. 171] Dies passiert immer, wenn die grossen Geldgeber wieder mal ein restauratives Antiforum gründen, das mit reichlich Projektgeldern gesegnet ist: 1999 schlossen sich einige der meistgehassten Multis der Welt - Dow Chemical, Nestlé, Rio Tinto, Unocal - hastig einer Partnerschaft zwischen verschiedenen Menschenrechtsgruppen und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen an. Zusammen bildeten sie neue Dachorganisationen mit Namen wie Business Humanitarian Forum, Partners in Development und Global Sustainable Development Facility.
Die Demokratie der Weltbank ist eine Gelddemokratie, also eigentlich eine Plutokratie, denn die Stimmen entsprechen der jeweiligen Höhe der Einlagen. Auch hier haben die Herrschenden Bremsen eingebaut, die substantielle Änderungen verunmöglichen, denn da jeder Beschluss, der die Satzungen betrifft, mit einer Mehrheit von 85% gefasst werden muss, können die USA, die 17.4% der Stimmen halten, jede Änderung selbst verhindern.
Beim IWF, dem internationalen Währungsfonds, wird gemäss der Finanzkraft der 183 Mitgliedsländer abgestimmt, also mit ähnlichem Resultat wie bei WTO und Weltbank. Das Hauptanliegen des IWF scheint es zu sein, Verluste bei westlichen Banken zu verhindern. [Zur Strategie und Taktik s. auch hier John Perkins:]
Das Dogma der Herrscher und ihrer Söldlinge hat ein Herzstück: Privatisierungen. Jedes Mal wenn ein Minister nach Washington fährt, um kniefällig eine Kreditverlängerung zu erbitten, entreissen ihm die Aasgeier vom IWF ein weiteres Stück von der Industrie oder dem öffentlichen Sektor seines Landes.
Die Methode ist immer die Gleiche: Der IWF verlangt - und setzt durch -, dass Industrien oder Dienstleistungsunternehmen (Transport, Versicherung) eines rentablen Wirtschaftssektors an transnationale, im Allgemeinen nordamerikanische oder europäische Gesellschaften verkauft werden. Die nicht-rentablen Wirtschaftssektoren verbleiben natürlich bei der lokalen Regierung.
Die Asienkrise von 1997 ist dafür ein gutes Beispiel. Die südostasiatischen Staaten hatten, auf Druck der USA und der Finanzinstitute von Bretton Woods (Bretton Woods hat den Dollar als Leitwährung bestimmt, mit dem Problem, dass dies der USA einiges Potential gibt, diese Situation auszunutzen.), ihre Kontrolle über die Finanzströme aufgeben müssen. Als Folge kamen enorme Mengen kurzfristigen Investitionskapitals ins Land, die nach raschen Gewinnen riefen. Kolossale Bürotürme, Spielcasinos, Freizeitclubs, Luxuswohnungen wurden in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft, so dass das Angebot die Nachfrage bald übertraf (und die Renditen die Erwartungen untertrafen). ie Blase platzte und das "Investitionskapital" war genau so rasch wieder weg wie es gekommen war, hinterliess aber, präzise wie ein Tsunami, beim Rückzug gewaltige Schäden. Die Forderungen der ausländischen Spekulanten mussten mit IWF-Krediten gedeckt werden, der seinerseits auf drastischen Kürzungen der Haushalte, insbesondere der Sozialausgaben und Unternehmerkredite bestand. Dies präzise in einer Phase, in der hunderttausende die Arbeit verloren. Der Mittelklasse wurde der Boden unter den Füssen weggezogen.
Die G8-Staaten, also USA, Kanada, Japan, Russland, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien halten 49% der Stimmrechte am IWF und 48% der Weltbank. Die Macht ist unter den 148 Mitgliedstaaten also äusserst ungleich verteilt und hat mit Demokratie wenig zu tun. Da es eine Demokratie des Geldes ist, müsste man diese Herrschaftsform Pekunikratie nennen (pecunia = Vermögen, Geld, Kapital, von pecu, der Anzahl Köpfe der Viehherde). Diese Pekunikratie ist der Grund, warum sich alle Staaten darum reissen, dem IWF und der Weltbank das Geld nachzuwerfen, ganz den Gesetzen der Schwarzen Löcher gehorchend, deren Anziehung um so grösser wird, je mehr (untaugliche und schädliche Entwicklungsprojekte) sie schlucken.
Da die Mitgliedsländer verpflichtet sind, Währungsreserven in Dollar zu halten, stützen sie den Dollar als Weltwährung, ganz egal welchen Sch... Bush zu hause produziert. Die USA profitieren so 1) von der Seignorage (dem Gewinn des Münzers), und 2) zahlen arme Länder zwar 18 % an Zinsen für die Aufnahme von Dollarkrediten, erhalten aber in den USA bloss 3% auf ihr Depot.
In der Zwischenzeit scheint der IWF allerdings selbst auf dem absteigenden Ast zu sitzen, oder auf dem Ast, den er selbst absägt. Brasilien, Argentinien, Russland und einige Asiatische Länder haben ihre Kredite vorzeitig zurückgezahlt, Indonesien prüft dies, die Ukraine, Uruguay, Serbien-Montenegro und Pakistan wollen keine neuen Kredite. Diese sind zwischen April 2004 und Januar 2006 von 90 auf 31 Milliarden Dollar zurückgegangen - obwohl die Bank über 162 Milliarden verfügt, die sie ausschütten könnte. Den "Kunden" reichen aber die Vorschriften, die an IMF-Kredite gebunden sind, und mit denen die Situation, sogar die wirtschaftliche Situation, in den meisten Ländern verschlimmert wurde. Zur Zeit stürzt sich also die Bank, wen wundert's, auf den Irak. Vermutlich ist dort die Sparquote zu tief ... Beim IWF sind also dringend Reformen, und mehr Mitbestimmung nötig. [Bruno Gurtner: Dem IWF laufen die Kunden davon. Global+ No 21, 2006, S. 8-9]. Die Asiatischen Staaten haben, um sich vor der Einflussnahme des IWF zu schützen, inzwischen so viel Geld auf der hohen Kannte, dass sie auf den Verein spucken können. China z.B. könnte mit seiner Billion $ Währungsreserven die gesamte indische Wirtschaft aufkaufen - aber dennoch hat Asien insgesamt nur 10% der Stimmrechte, obwohl es 25% der Weltwirtschaft betreibt.
Sogar die UN wird, über den Sicherheitsrat, von den USA und den ... weitern Mitgliedern kontrolliert, den Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Russland, Frankreich und China. Gegen diese kommt kein kleines Land an. Eine Änderung der Statuten kann zudem immer vom Sicherheitsrat gebremst werden, in dem die 5 das Vetorecht haben. Dass die Kriege die seit 1945 von den USA geführt wurden nicht alle den hehren Zielen der UN entsprochen haben, also: der Bewahrung des Friedens, Schutz der Menschenrechte, Einhaltung internationalen Rechts, sozialer Fortschritt, weltweite Hebung des Lebensstandards, Verhinderung eines weiteren Weltkrieges, muss nach dem Irak-Krieg wohl kaum mehr erläutert werden. Alleine die USA haben seit 1945 über 200 Kriege geführt, die meisten im höchst eigenen Interesse wirtschaftlicher und politischer Macht.
Die 5 permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates können auch die Wahl eines Generalsekretärs, die Wahl der Richter des Internationalen Gerichtshofes oder die Aufnahme neuer Mitglieder in die UN blockieren. - Dafür sind die Stimmrechtsverhältnisse in der Generalversammlung recht eigenartig, denn da hat etwa Tuvalu mit 10'000 Einwohnern das selbe Gewicht in der Abstimmung wie Indien mit mehr als 1 Milliarde Einwohner.
Eine erste Protestwelle gegen unbegrenztes Wachstum war der Club of Rome, der zwar erst mal über seine zu Endzeitlichen und zu kurzfristigen Prognosen stolperte, im Nachhinein aber recht behalten wird. Dann setzte in den 90ern eine Welle des "sustainable development" ein, die zwar immer noch wellt, aber durch absurde umdefinieren von "sustainable, nachhaltig" z.B. in "nachhaltiges Wachstum", als Synonym für immerwährendes Wachstum, total verarscht wurde.
Über zweihundert Jahr lang herrschte dann, zumindest theoretisch, eine Art von labilem Gleichgewicht zwischen dem Wort der Mächtigen und dem Wort der Unterdrückten. Im ganzen 19. Jahrhundert und noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein stand die Arbeiterkultur in Blüte. Das Lager der Armen hatte seine Künstler, seine Intellektuellen, seine Philosophen. Es brachte seine eigenen Zeitungen heraus. Es hatte seine Theater, seine Festlichkeiten, seine Umzüge, seinen Kalender. Seine Gewerkschaften, seine Parteien wurden mächtig. Kurzum das Lager der Armen verfügte in dieser Zeit über eine solide kollektive Struktur von grosser Lebendigkeit und Dynamik, über eine in allen Farben schillernde Kreativität und einen felsenfesten Widerstandswillen.
Heute ist dieses Gleichgewicht zerstört. Das Wort Opfer ist praktisch aus dem Diskurs verschwunden.
[Jean Ziegler: Die neuen Herrscher der Welt. Bertelsmann. S. 227]
3. Wie weiter?
Alternative Bewegungen [s. 68er]
* Die Reifen, die Alten, die Fossile (1909-45 geboren - betrifft heute natürlich zunehmend die Babyboomer ...
* die Babyboomer (1946-1964 geboren, also die 40-60-jährigen). Man sieht hier leicht, dass diese Generation 1968 erst 4-18 Jahre alt, also nur am Rande an dieser Kulturrevolution beteiligt war. (Die meisten meiner Kollegen behaupten zwar, bereits mit 13 Jahren über ein ausgeprägtes politisches Bewusstsein verfügt zu haben. Ich war aber dabei - und von denen die da, mit dem Maobüchlein in der Tasche, ho-ho-hochiminh gerufen haben wusste wohl kaum einer recht, mich inbegriffen, worum es eigentlich ging.) Diese entstand primär an den Universitäten, wurde also von der Nachkriegsgeneration, den 43-48 geborenen, den Fossilen, angetrieben.
* Generation x (1960-70 geboren, also die bis 35-45-jährigen), die nach dem Motto leben:
Ich muss mir in dieser Welt nehmen, was ich kriegen kann, denn niemand wird mir was schenken.
Die wichtigsten Bewegungen seither:
*
Umweltbewegungen
*
Konsumkritik: Von den sozialen Bewegungen der Sechziger- und Siebzigerjahre war keine konsumkritischer als die Frauenbewegung.
o Fair Trade
Fair Trade improves lives through:
* fair wages
* long term partnerships
*environmental stewardship
* democratic decision making
* cultural connections
*
Identitätspolitik: Der Kampf gegen Unsichtbarkeit - und um kulturell bessere Repräsentanz.
*
Rückeroberung des öffentlichen Raums: reclaim the street s. streetparade.
*
Menschenrechte - insbesondere für Indigene Völker: In Indien (wie anderswo) wurden z.B. Stämme mit Gewalt an Protesten gegen den Bau von Hotels, Kraftwerken u.a. "Erschliessungen" auf ihrem eigenen Land gehindert: Die Lage in Indien ist laut Bericht "nicht nur am schlimmsten, sondern entspricht auch einem Trend in der Weltwirtschaft, die Menschenrechte zugunsten von "Entwicklung" zu missachten. (s. Bhopal. Aber auch Niger, wo Ken Saro Wiwa in den Auseinandersetzungen mit Shell erhängt wurde.)
o
Amnesty International CH, D, Oe
*
Antirassismus: Antiapartheid Bewegung
* Global Justice Movement [Übersetzung von mir. Hier wie beim Weltsozialforum (s.u.) sind die Formulierungen oft schlicht haarsträubend. s. 3: Was immer physikalisch möglich ist, ist auch finanziell möglich. In der Beziehung kommen wir zur Zeit bereits massiv mit den medizinischen Möglichkeiten in Bedrängnis, da wir ein Mehrfaches des BSP schon nur für die Dinge aufwenden könnten, welche heute zur "Verbesserung" der Gesundheit angeboten werden. Der "Zugang zu produktivem Eigentum" liesse sich verständlicher formulieren als: Recht auf Arbeit. Wir haben heute eine Pflicht zu arbeiten - aber kein Recht auf einen Arbeitsplatz, was doch nicht so ganz logisch erscheint. Besonders diffus ist Paragraph 4, in dem es um das Problem geht, dass ich als Machttreppe beschrieben hat, das Problem der persönlichen Bedeutung und Macht, das Problem des Thymos.]
Globale Gerechtigkeit für Alle
1. Viel Reichtum kann geschaffen werden durch Tätigkeiten und Innovationen von Menschen die längst tot sind. Ohne jemandem etwas weg zu nehmen ermöglicht dieses kulturelle Erbe:
o
Wärme, saubere Luft, reines Wasser, Nahrung und Behausung, Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheits- und Bildungsdiensten
o
respektiert zu werden, gleich frei und in der Lage, das eigene Schicksal zu wählen.
o
das emotionale, intellektuelle und spirituelle Potential auszufüllen
Respekt für die Erde
2. Jede Person muss den Rest der Schöpfung respektieren und Verantwortung für die Erhaltung der Umwelt übernehmen, inklusive Fauna und Flora, die alle in Verbundenheit existieren und mit den Menschen eine gemeinsame göttliche Herkunft teilen
Überfluss und Freiheit sind Möglich
3. Unveräusserliche Rechte des Individuums sind das Recht auf Leben, Zugang zu produktivem Eigentum, wirklich freie Märkte und Rechtsgleichheit. Was immer physikalisch möglich ist, ist auch finanziell möglich.
Kreativität an der Arbeit
4. Es gibt eine Hierarchie menschlicher Arbeit. Die höchste Form von Arbeit ist es, die soziale Ordnung zu verbessern und die Stellung jeder Person, oder, wenn gewünscht, die Macht, in ihren frei gewählten Beziehungen zu andern zu erhöhen. Die niedrigste Form der Arbeit ist Arbeit des Überlebens willen.
Wirtschafts-Demokratie
5. Es ist die Aufgabe demokratisch gewählter Regierungen, sicherzustellen, dass eine transparente öffentliche Verwaltung die Ziele erreicht, die ihr vom Volk gestellt werden - so weit als individuelle Rechte anderer nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
*
Konzernkritik (s. diesen Artikel, ATTAC, )
*
....
Die Methode, d.h. die Strategie dieser Bewegungen bestand in den letzten Jahren vor allem darin, zu Foren wie G8, Welthandelskonferenz, IWF Jahresversammlung, Weltwirtschaftsforum, etc ein Gegenforum am selben Ort abzuhalten - um die mediale Präsenz gleich mit nutzen zu können für die Kritik an den doch recht einseitigen Inhalten solcher Foren. Leider beschränkt sich die Präsentation der Gegenforen meist auf Darstellung von medial interessanten Aktionen wie Steine werfen und Schlägereien, während die Botschaft dahinter oft nicht weiter vermittelt wird. Dass diese Botschaft oft auch etwas diffus daher kommt, erleichtert ihre Unterdrückung.
Anstehende Probleme:
Loyalität kann nicht verordnet werden
Für Klein ist dieses Verhalten der Generation x ein bestimmendes Element der gegenwärtigen Probleme. Das verlorene Vertrauen in Politik und Konzerne führt zur Übernahme der sozialdarwinistischen Werte eben diesen Systems. Sie werden härter, gieriger, zielbewusster . Wobei sich mancher bei "zielbewusst" vermutlich am Kopf kratzen und fragen wird: really? Das Rätsel löst sich aber leicht. Auch wer chaotisch abgehoben und ohne höhere Ziele lebt - aber immer brav Geld und Karriere (getarnt als "Selbstverwirklichung") nachrennt, kann ja als zielbewusst gelten. Dadurch dass sich die Wirtschaft von allen Regeln befreien will, seien es Recht, Gesetz, Politik, Gesellschaft, und sich längst der "unsichtbaren, aber ordnenden Hand (Gottes)" entzogen hat, förderte sie einen destruktiven Vulgärdarwinismus: Jeder gegen Jeden, der zu Recht die Frage in den Vordergrund rückt: Warum sollten sie sich weiterhin für wirtschaftliche Ziele von Konzernen engagieren, die sich so effektiv von ihnen losgesagt haben? Warum sollten sie sich loyal gegenüber einem Sektor verhalten, der sie ihr ganzes bisheriges Erwachsenenleben lang mit der Botschaft "zählt nicht auf uns" bombardiert hat? [S. 278]. Mit dem Druck auf die Löhne kommt noch dazu:
Wer mit Peanuts bezahlt, kriegt Affen als Arbeitskräfte. [S. 278]
Die Wirtschaft führt mit der Jugend die klassische paradoxe Kommunikation (s. Watzlawick: double bind), und diese führt nicht nur zu Orientierungsverlust sondern auch zum weitern Abbau jeglicher Solidarität mit den Betrieben. Bereits vor 10 bis 15 Jahren zeichnete sich auch ab, dass die Werbung zwar auf die Jugend setzt, um ihre Produkte loszuwerden, dass gleichzeitig aber die Wirtschaft von den Jugendlichen immer mehr verlangt, also mit 25 Jahren die selbe Erfahrung zu haben die der zu ersetzenden Vorgänger mit 60 hatte; dass gleichzeitig die Jugend bereits im Kindergarten in den späteren Wettbewerb um die beste Pfründe (sprich Stelle) tritt.
Stil und Haltung von Jugendlichen gehören zu den besten Verdienstquellen in unserer Unterhaltungsgesellschaft, aber real existierende Jugendliche werden rund um den Erdball als eine neue Art von Wegwerf-Arbeitskräften missbraucht. S. 284
Indem sie auf ihre angestammte Rolle als direkte Verwalter von sicheren Arbeitsplätzen verzichten, um ihre markenpolitischen Träume zu verwirklichen, haben sie die Loyalität verspielt, die sie einst vor der Wut der Bürger schützte. Und indem sie einer ganzen Arbeitergeneration eingebläut haben, dass sie sich auf die eigene Kraft verlassen muss, haben sie unfreiwillig ihre Kritiker dazu befähigt, ihre Wut ohne Furcht zu artikulieren. [S. 455-6]
Der 11. September
Der 11. September 2001 setzte leider einen neuen Schwerpunkt, leider nicht für mehr Gerechtigkeit, sondern zum Krieg gegen den Terrorismus ... leider nicht gegen den grossen Terrorismus der Staaten und Unternehmen, sondern bloss gegen den Kleinen der Machtlosen.
Was damals schon deutlich wurde, nämlich dass die USA nicht im geringsten auf solche Katastrophen vorbereitet ist, da das Verkehrssystem, Wasserversorgung, Energieversorgung und insbesondere das Gesundheitssystem, also alle öffentlichen Dienste, am Anschlag arbeiten, hat sich anlässlich von Katarina aufs härteste bestätigt. Stunden Hilfsgüter weltweit bereit, sogar in Kuba, sahen sich die USA nicht mal in der Lage, diese Güter zu empfangen, zu verteilen und gezielt einzusetzen. Die UN musste den Job übernehmen.
Aktuelle Lösungsansätze
Die 90er haben den Vorteil offener, ehrlicher Informationen deutlich gezeigt: Wenn die Arbeiter wissen, dass die Produkte, die sie für ein paar Cents herstellen für 50 bis 100 Dollar verkauft werden, werden sie eher die Bezahlung von Überstunden verlangen oder die lange versprochene Gesundheitsvorsorge.
Naomi Klein findet ihre 90er Anarcho-Wurzeln offenbar bei den Zapatistas in Mexiko.
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Diese begegnen Konzentration durch Fragmentierung, Zentralisierung durch Lokalisierung und der Konsolidierung von Macht durch radikale Verteilung von Macht.
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Die Kritik an globalen Institutionen wird nur das Symptom einer tieferen Krise der repräsentativen Demokratie gesehen, einer Krise, die darauf beruht, dass Macht und Entscheidungsfindung an Institutionen delegiert werden, die immer weiter von den Orten entfernt sind, wo sich ihre Entscheidungen auswirken.
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Hoch zentralisierte Institutionen, die alles nach den gleichen Massstäben beurteilen, führen unmittelbar und zwangsläufig zu einer Homogenisierung der politischen und kulturellen Wahlmöglichkeiten und zu weit verbreiteter Lähmung und Gleichgültigkeit der Zivilgesellschaft.
Vielleicht kommt etwas völlig Neues dabei heraus. Nicht eine weitere vorgefertigte Ideologie für einen Gladiatorenkampf gegen den Fundamentalismus der freien Marktwirtschaft und gegen den islamischen Fundamentalismus, sondern ein Plan, um viele Welten möglich zu machen und zu entwickeln - oder, wie die Zapatisten sagen, eine Welt, die viele Welten enthält. Vielleicht wird diese Bewegung von Bewegungen die Vertreter des Neoliberalismus nicht frontal angreifen, sondern sie von allen Seiten umzingeln? [S. 520]
Motto:
Wir selbst sind die Führer, nach denen wir Ausschau halten. [S. 516]
Es waren darin einige Erfolge zu verzeichnen. So sah etwa in einer Gerichtsklage gegen zwei Greenpeace Mitglieder das Gericht die Behauptung als gerechtfertigt an, dass McDonald's "seinen Arbeitern niedrige Löhne bezahlt und dazu beiträgt, die Löhne im britischen Hotel- und Gaststättengewerbe zu drücken". So wurde etwa das britische Gesetz gegen Verleumdung 1993 so geändert, dass Regierungsorgane wie Stadträte nicht mehr berechtigt sind, wegen Verleumdung zu klagen. Die Reform sollte es dem Bürger erleichtern, Regierungsorgane zu kritisieren. Die Multis werden zurzeit rapide mächtiger als die Regierungen - und sind sogar noch weniger Rechenschaftspflichtig-, also sollten für sie die selben Regelungen gelten.
Hier besteht ein noch zu lösendes, nein, nicht bloss ein, das dringendste zu lösenden Problem der Gegenwart, nämlich
1.
der: Schutz der freien Meinungsäusserung angesichts der wachsenden Macht der Konzerne
2.
der Schutz der individuellen Handlungsfreiheit vor den Diktaten der Machtwirtschaft (Finanzwirtschaft)
Schon vor dem 11. September breitete sich eine neue Stimmung der Ungeduld aus, ein starkes Bedürfnis nach sozialen und wirtschaftlichen Alternativen, die an die Wurzeln der Ungerechtigkeit gehen - von der Landreform in der Dritten Welt über die Entschädigung für die Sklaverei in den USA bis zur partizipatorischen Demokratie auf Gemeindeebene in Städten rund um die Welt. Kondensationspunkt war 1999 die Demo in Seattle gegen WTO, IWF, Weltbank, Wirtschaftsforum - und das von diesen vertretene Globalisierungsmodell. das Milliarden von Menschen aus "seinem Weltmarkt" ausschliesst!
Der ehrgeizigste Versuch einer sozialen Neuordnung der Entwicklung ist gegenwärtig das Weltsozialforum (WSF), das erstmals im Januar 2001 im brasilianischen Porto Alegre, mit 10'000 Teilnehmern, stattfand.
Charta/Prinzipien (E/D) des Welt-Sozialforums von Porto Alegre, gekürzt und kommentiert:
Weiterentwicklung von: Postkapitalismus/Finanztheater-Kapitalismus: Kapitalismus ohne Investitionen = Kapital ohne Verantwortung. Nach: Naomi Klein: No Logo! Goldmann, Random House. 2000
Was ist das Weltsozialforum 1. Teil?
1. Das Weltsozialforum ist ein offener Treffpunkt für reflektierendes Denken ... freien Austausch von Erfahrungen und das Verbinden für wirkungsvolle Tätigkeit, durch und von Gruppen und Bewegungen der Zivilgesellschaft. Widerstand gegen Neoliberalismus und Kapital ... ja, sicher, aber hier ist eine präzisere Formulierung nötig sonst bleibt der Eindruck bestehen, dass es sich einfach um eine Gruppierung von Leuten handelt, die dagegen sind, wogegen auch immer.
2. Das Weltsozialforum ist ein permanenter Prozess des Suchens und des Aufbauens von Alternativen.
3. Das Weltsozialforum ist ein Weltprozess.
Was will das Weltsozialforum? Zielsetzung 1. Teil
4. Diese Alternativen sind so gestaltet, dass eine Globalisierung in Solidarität ... sicher gestellt wird. Diese wird die allgemeinen Menschenrechte respektieren, die Rechte aller Bürger - Männer und Frauen - aller Nationen, die Umwelt, und sie wird gestützt sein auf demokratische, internationale Systeme und Institutionen im Dienste sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit und der Selbstbestimmung der Völker.
5. Das Weltsozialforum bringt Organisationen und Bewegungen der Zivilgesellschaft aus allen Ländern in der Welt nur zusammen und verbindet sie, aber beabsichtigt nicht, eine Institution zu sein, welche die Weltzivilgesellschaft repräsentiert. Diese nicht-Formulierung sollte in eine positive gewandelt werden. Es ist klar, dass Repräsentation immer ein Problem darstellt, da die Repräsentanten sehr schnell vor allem ihre eigenen Interessen vertreten und versuchen, den Wähler mit passenden Erklärungen bei Laune zu halten. Dennoch sollte das Forum seine politische Kraft, die es hat, gezielter einsetzen und verlauten lassen als "Die vorherrschende Meinung des Forums", "Vorschläge des Sozialrates" oder so was. Das Produkt des Forums muss eine klare Form und Aussage kriegen, die politisch Wirkung erzeugt.
Wie funktioniert das Weltsozialforum?
6. Nicht als repräsentatives politisches Forum oder Parlament. Die Teilnehmer an den Foren haben keine repräsentative Funktion. Das Forum ist also kein Parlament, in dem über Machtverteilung und Kompromisse verhandelt wird. Die Teilnehmenden Organisationen und Personen sind frei sich an die gemeinsamen Beschlüsse zu halten oder eben nicht. > Umwandeln in positive Formulierung!
7. Das Forum nimmt Vorschläge für Aktionen auf und macht sie publik (- ohne zu kritisieren oder zu werten. Noch beabsichtigt es, die einzige Option für die Wechselbeziehungen und Aktivitäten der Organisationen und Bewegungen, die an ihr teilnehmen, festzusetzen. Hier wäre vermutlich noch einiges mehr an politischer Verhandlungsarbeit zum Wohle einer klareren Zielsetzung nötig. Chaotische Aktivismus erzeugt zwar mediale Aufmerksamkeit - wenn jedoch nicht klar ist, wozu diese dienen soll oder ob sie sogar Selbstzweck ist, sind die Aktionen ziemlich für die Katz. Auch ein Parlament kann ja den beteiligten Parteien nicht Optionen vorschreiben - aber es kann und soll die in den Parteien vertretenen Meinungen kritisch würdigen).
Was ist das Weltsozialforum 2. Teil?
8. Das Weltsozialforum ist ein pluraler, breit gefächerter, nicht-konfessioneller, nichtstaatlicher und nicht-parteiischer Zusammenhang, der auf dezentralisierte Art und Weise die Organisationen und Bewegungen verknüpft, die durch konkrete Aktionen von der lokalen bis zur internationalen Ebene dabei mitwirken, eine andere Welt aufzubauen. > zu Diffus. Netzwerk? s. Punkt 13.
Teilnehmer:
9. Das Weltsozialforum wird immer ein Forum sein, das offen ist für Pluralismus, Vielfältigkeit der Aktionen und Arten des Engagements der Organisationen und der Bewegungen, die sich entscheiden, an ihm teilzunehmen, sowie für Vielfalt der Geschlechter, der Ethnien, der Kulturen, der Generationen und der physischen Kapazitäten, vorausgesetzt sie halten sich an die Prinzipien dieser Charta. Weder Repräsentanten von Parteien noch militärische Organisationen können am Forum teilnehmen. Regierungsmitglieder und Staatsbeamte, die die Verpflichtungen dieser Charter annehmen, können als Einzelpersönlichkeiten eingeladen werden.
Zielsetzung 2. Teil:
10. Das Weltsozialforum widersetzt sich allen totalitären und reduktionistischen Ansichten der Wirtschaft, der Entwicklung und der Geschichte, und dem Einsatz von Gewalttätigkeit als Mittel der Sozialsteuerung durch den Staat. Es unterstützt Respekt für die Menschenrechte, die Praxis echter Demokratie, partizipatorische Demokratie, friedliche Beziehungen in Gleichheit und Solidarität zwischen Menschen, Ethnien, Geschlechtern und Völkern, und verurteilt alle Formen von Herrschaft und jede Unterdrückung eines Menschen durch einen anderen.
Was ist das Weltsozialforum 3. Teil?
11. (grauenhafte Formulierung in neomarxistischem Soziologendeutsch in der sämtliche Schlagwörter recht wild zusammengewürfelt sind; eine "Bewegung von Ideen", Reflexion, Zirkulation, Transparenz, Herrschaftskritik ... Mit derartigem werden 99% der Leser gleich erschreckt und vergrault.
12. Rahmen für Austausch von Erfahrungen ... s. Punkt1
13. Netzwerk: Das Weltsozialforum versucht nationale und internationale Verbindungen unter Organisationen und Bewegungen der Gesellschaft zu verstärken und neue zu schaffen.
14. Prozess der Entwicklung des Weltbürgers: lokal Handeln - global denken.
Kurzum, ein ziemliches strukturelles und inhaltliches Chaos. Wenn das bei Charta/Prinzipien schon so ist ... warum sollte sich jemand in dieses Gestrüpp verirren wollen?
Das Problem liegt schon mal bei der diffusen Formulierung der Charta. Man will globale hehre Ziele erreichen, Netzwerke bauen - aber keine Statements, keine gemeinsamen Aktionen, keine Kritik (s. 7), keine Statements, keine Verbindlichkeit .... da bleibt eben schon nicht viel.
Ich denke dass das SF eine weitaus grössere Chance und Breitenwirkung hätte, nähme es von unten her den Vorschlag von Johannes Heinrichs, der 4fache Pfad http://www.brainworker.ch/Orientierung/ordnungsmodelle.htm auf und würde über Grassroots ein Sozial- und Kulturparlaments aufbauen. Da es "Grassrootsparlamente" kaum noch gibt, eine beträchtliche aber zukunftsgerichtete Aufgabe. In der Form des Sozialparlaments, Werteparlaments oder Kulturparlaments müsste man dann auch Kritik zulassen und sich über Schwerpunkte einigen, mindestens so weit, dass Empfehlungen (nicht Gesetze) an die Öffentlichkeit möglich werden.
Diskussionsbeitrag M. Herzog, Basel, 9.10.05
„Unter dem Dröhnen des herangrollenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs werden die noch schlafenden Scharen der Proletarier erwachen wie von den Posaunen des Jüngsten Gerichts, und die Leichen der hingemordeten Kämpfer werden auferstehen und Rechenschaft heischen von den Fluchbeladenen. Heute noch das unterirdische Grollen des Vulkans – morgen wird er ausbrechen und sie alle in glühender Asche und Lavaströmen begraben.“
(Karl Liebknecht, veröffentlicht am 15. Januar 1919 in der Roten Fahne. Am selben Tag wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet)