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31 Oktober 2007

Politische Propaganda

Die Marke Hitler

Von Alexander Smoltczyk

Er machte den Führer zum Produkt und war so etwas wie der erste Spin-Doctor: Propagandaminister Joseph Goebbels. Mit den Mitteln der modernen Kommunikation bereitete er die Deutschen auf den Weltkrieg vor und ließ sie auch weiterkämpfen, als längst alles verloren war.

Die Losung hing über den Köpfen der Parteigenossen, wenn sie zu Großveranstaltungen der NSDAP in den Berliner Sportpalast getrommelt wurden. Es war die Losung einer neuen Zeit, groß und weiß auf blutrotem Grund: "Trink Coca-Cola - stets eiskalt".

Die Nazis schienen sich nicht daran zu stören. Die Reklametechnik der "Plutokraten" von jenseits des Atlantiks war ihnen nicht übel aufgestoßen.

Hermann Göring ließ sich 1937 auf der Düsseldorfer Ausstellung "Schaffendes Volk" mit einer Cola in der Hand fotografieren.

Als die "Reichsflaschenordnung" die einheitliche deutsche Flaschennorm dekretierte, erhielt Coca-Cola eine Ausnahmegenehmigung für seine kleine Gerippte. Dafür endeten die Geschäftsbriefe der deutschen Abfüller zum Mutterhaus bisweilen mit "Heil Hitler".

Einige Jahre später ging es im Sportpalast um andere Fragen als eiskalt oder nicht. Einige Jahre später würde ein krankhaft dürrer Mann mit niederrheinischem Akzent und Hinkefuß auf seine Frage "Wollt ihr den totalen Krieg?" ein brausendes, tobendes "Jaaaa ...!" zu hören bekommen.

Doch dieser Joseph Goebbels hatte mehr mit amerikanischer Werbekunst und Political Marketing zu tun, als sein Parteiausweis nahe legt. Goebbels hatte die Klassiker der Reklametechnik schon in den Zwanzigern studiert.

Von den Kommunisten hatte er die aufpeitschende Macht des Slogans und die Wirkung von Aufmärschen gelernt. Von den Limonadenbrauern aus Atlanta, dass Werbung alle Lebensbereiche ergreifen, dass sie total sein muss. Was die Propaganda betrifft, war Goebbels ein Kind von Marx und Coca-Cola.

Goebbels' Produkt hatte keinen Erfrischungsfaktor. Es hatte eine schräge Stirnlocke und einen gestutzten Oberlippenbart.

Hitlers Kopf wurde zum Markenlogo, aufgebaut mit exakter Berechnung. Schnauzbart und Locke, Viereck und Dreieck machten das Gesicht auch auf weite Entfernung unverwechselbar.

Je höher die Wahlergebnisse der Partei, desto steiler fällt die Haarlocke des "Führers", bis sie schließlich auf den Plakaten zur Volksabstimmung 1934 den 45-Grad-Winkel erreicht. "Was wäre unsere Bewegung ohne Propaganda geworden?", fragt Goebbels nach der Machtübernahme.

Sein neuer, totaler Begriff von Propaganda hat aus einer großdeutschen PolitSekte eine Bewegung gemacht, aus einem Haufen ressentimentgeladener Stammtischpropheten die bestorganisierte Massenpartei der Weimarer Republik.

Goebbels trieb die Kunst der politischen Propaganda zu einer gespenstischen Perfektion. Seither ist jede Form politischer Beeinflussung verdächtig.

Diese Woche wird auf der Berlinale der Dokumentarfilm "Das Goebbels Experiment" von Lutz Hachmeister und Michael Kloft präsentiert*. Darin wird Goebbels als ungemein effizienter PR-Techniker gezeigt. "Joseph Goebbels", so Hachmeister, "steht für eine spezifische Modernität im Nationalsozialismus. Seine Biografie bildet die Brücke von der totalitären und mythischen Konzeption des ,Dritten Reiches' zu ganz aktuell anmutenden kommunikationspolitischen Erwägungen."

Der Film arbeitet mit wenig bekannten Filmaufnahmen und Tagebucheintragungen, gelesen von dem Schauspieler Udo Samel. Er verzichtet auf jeden Kommentar. Dadurch kommt er dem Hetzer nah, erschreckend nah.

"Propaganda" ist heute allgegenwärtig. Der Begriff ist zur Grabbelkiste geworden, in der alles verstaut werden kann: Hirnwäsche, Spin-Doctoring, Konsensschaffung, Reklame, Kriegshetze, Lüge und PR, Marketing, Meinungsmanagement.

Das meiste davon ist zu finden bei jenem Mann, der es in den zwanziger und dreißiger Jahren geschafft hat, all diese Elemente zu bündeln und zu einer Waffe im totalen Werbekrieg um die Macht zu schmieden.

Womit heute Kriege durchgesetzt und Bestsellerlisten erobert werden, womit aussichtslose Wiederwahlen und Prime-Time-Minuten gewonnen werden, das ist irgendwann zwischen den Kriegen entstanden, zwischen Atlanta, Moskau und der Hedemannstraße in Berlin-Kreuzberg, wo Joseph Goebbels sein Büro hatte.

Goebbels war Einpeitscher und PR-Profi, absolut modern und zugleich abgrundtief brutal. Sein Name ist selbst zum Markenzeichen geworden. "Goebbels" steht für totalen Krieg und einen Propagandastil, der auf die Vernichtung des Gegners zielt.

Einmal an der Macht, ging Goebbels' Ehrgeiz über die Kontrolle hinaus. Er wollte die Totalität. Propaganda wurde zum pädagogischen Projekt, zum Mittel, ein ganzes Volk auf den Nationalsozialismus, später auf den Krieg, schließlich auf das Selbstopfer einzustimmen.

Es war eine unmögliche Aufgabe. Nur - das Goebbels-Experiment ist auf teuflische Weise geglückt. Die Propaganda dieses Mannes war "Der Krieg, den Hitler gewann", so der Titel eines Buchs des amerikanischen Historikers Robert Herzstein.

Jeder Tag, den Deutsche im April 1945 weiterkämpften, obwohl das Reich fast vollständig erobert war, jeder Tag war ein Sieg von Joseph Goebbels' Propagandaapparat.

Kurz vor Kriegsausbruch tagte in der Reichshauptstadt der "Kontinentale Reklamekongress". Goebbels lud die Teilnehmer zum Tee ins Propagandaministerium. Unter ihnen ist auch Hans Domizlaff, Erfinder von "Ernte 23", "R6" und dem Markenlogo der Siemens AG. Bis heute gilt der 1971 verstorbene Domizlaff als Säulenheiliger der deutschen Werber.

1932 hatte er das Buch "Die Propagandamittel der Staatsidee" geschrieben. Darin hatte er die Politiker zur "systematischen Ausnutzung moderner Propagandaerfahrungen zur Beeinflussung großer Volksmassen" aufgerufen und erklärt: "Das Volk will geführt werden. Das Volk will vergöttern und einen Repräsentanten gewinnen, dem es blindlings folgen kann, ohne sich selbst mit Verantwortung und Denkarbeit belasten zu müssen." Das Buch war im "Völkischen Beobachter" besprochen worden - von Hitler selbst, wie Domizlaff bis zuletzt glaubte.

Als Domizlaff dem Minister vorgestellt wird, soll Goebbels - so schreibt Domizlaff es in seinen Erinnerungen - über das Buch ausgerufen haben: "Das kenne ich auswendig!"

Der Werber und der Hetzer. Beide wurden in den neunziger Jahren des vorvergangenen Jahrhunderts geboren. Beide waren klug genug zu wissen, dass nicht die stupid durchgepeitschte Parole die Massen erreicht, sondern subtil durchkomponierte, Vertrauen ansaugende Propaganda.

Aber mehr noch verband Goebbels und Domizlaff die insgeheime Verachtung der Massen. "Menschenmaterial" war das. Beide hatten Friedrich Nietzsche gelesen und Gustave Le Bon: "Unter den Massen übertragen sich Ideen, Gefühle, Erregungen, Glaubenslehren mit ebenso starker Ansteckungskraft wie Mikroben."

Sie wollten Macht über die Massen, träumten sich als genialische Anti-Bourgeois. Vielleicht ist es kein Zufall, dass beide früh wegen ihres Aussehens verhöhnt wurden. Domizlaff schielte und war rothaarig. Über Goebbels' Körper wird 1945 im Protokoll der Roten Armee notiert werden: "Die Leiche des Mannes war von niedrigem Wuchs, der Fuß des rechten Beines steckte in halbgekrümmter Stellung in einer angekohlten Metallprothese; darauf lagen die Überreste einer verkohlten Parteiuniform der NSDAP und eines angesengten Goldenen Parteiabzeichens."

Der spätere großdeutsche Minister ist ein schmächtiger Krüppel mit zu großem Schädel, zu Hause geliebt, aber chancenlos auf dem Schulhof. Er ist der Ausgeschlossene, der Bespöttelte, der Loser. Zerrissen zwischen dem Gefühl der eigenen Minderwertigkeit und der Gewissheit, ein Großer zu sein.

Sein Vater hat sich zum Buchhalter einer Dochtfabrik hochgedient. Daheim wird gebetet. Die Familie dreht abends Lampendochte, um das Reihenhaus abzuzahlen. Es ist eine behütete Kindheit in Rheydt am frommen Niederrhein - wenn nur der Fuß nicht wäre.

Goebbels wird religiös erzogen, in der Bilderwelt des Katholizismus. Vom Glauben wird er nie abfallen, wird nur den Inhalt tauschen, als die Vorsehung ihm und dem auserwählten deutschen Volk den Erlöser, den Überirdischen, den Heiland schickt - in Gestalt eines cholerischen, unvorteilhaft frisierten Postkartenmalers aus Braunau am Inn. In seinem Drama "Michael" findet sich der Satz: "Es ist nicht so sehr von Belang, woran wir glauben; nur dass wir glauben."

Er ist kein Nazi, noch nicht. Wie ein Besessener liest er Dostojewski und Tolstoi, schwärmt für Van Gogh, den Rebellen, und für die neue Musik Paul Hindemiths. Er sieht sich als Revolutionär, will kaputtmachen, was ihn kaputtmacht. Diese Pose kommt an, auch bei den Mädchen: "Jedes Weib reizt mich bis aufs Blut. Wie ein hungriger Wolf rase ich umher. Und dabei bin ich schüchtern wie ein Kind."

Die erste große Liebe des Erotomanen kommt aus jüdischem Elternhaus. Es ist ihm gleich. Auch in Heidelberg, wo er sich für Germanistik einschreibt, sucht er die Gunst des berühmten (und jüdischen) Professors Friedrich Gundolf und promoviert schließlich bei einem Professor, der ebenfalls jüdischer Herkunft ist.

Sein Idol ist Theodor Wolff, der Chefredakteur des liberalen "Berliner Tageblatts". Wolff hat die Macht des Wortes, und Goebbels weiß, dass sein Weg zur Macht über das Wort führt. Goebbels will dabei sein. Dass auch Wolff Jude ist, spielt keine Rolle. Der frischpromovierte Germanist schickt Artikel ein, bewirbt sich für eine Redakteursstelle und schickt Bitt- und Klagebriefe. Keine Zeile wird gedruckt.

Theodor Wolff emigriert später nach Nizza. Nach der Besetzung Südfrankreichs wird der alte Mann verhaftet und ins Reich deportiert. Er stirbt 1943 auf dem Transport ins KZ.

Zweieinhalb Jahre hängt Goebbels im Hause der Eltern herum, schreibt Dramen, Gedichte, Pamphlete und nimmt übel. "Ich irre und schwärme durch das Universum umher", jammert er 1924. "Pessimismus gegen alles."

Später werden ihm Millionen zuhören müssen. Jetzt hat er nur sein Tagebuch. Wie unter Zwang füllt Goebbels die Bände, bis zur letzten Minute im Führerbunker. Es sind kitschige Erinnerungen, Wutausbrüche, Gesprächsnotizen, Hasstiraden und Selbstrechtfertigungen, gezieltes Lügen für die Nachwelt und ehrliche Beichte, Wehleidigkeit und Selbstüberredung.

Im Herbst 1924 hört Goebbels von einer freien Redaktionsstelle bei der "Völkischen Freiheit - Rheinisch-westfälisches Kampfblatt der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung für ein völkisch-soziales Großdeutschland".

Es ist das Käseblatt einer Wuppertaler Polit-Sekte, aber das ist Goebbels gleichgültig: "Ich habe ein Sprachrohr."

Goebbels hasst das System, hasst die Religion, hasst die Bourgeoisie, hasst die Theater, hasst alles, wozu der Zutritt ihm verwehrt ist. Die wenigen Seiten seines Blatts füllt er fast im Alleingang, schreibt Glossen, Kurzmeldungen, eine Kolumne, "Streiflichter", in der er Rache nimmt für die Zurückweisungen durchs jüdische Kulturestablishment.

Er fängt an, Reden zu halten. Er merkt, dass die Leute zuhören und nicht mehr auf seinen Fuß starren.

Wenig später wird der schmächtige Loser Geschäftsführer des NSDAP-Gaus Rheinland-Nord und Chefredakteur der "Nationalsozialistischen Briefe". Er ist einer der ersten Arbeitslosen, die durch Hitler zu Lohn und Brot kommen.

Die beiden werden erstmals im Sommer 1925 zusammentreffen. Hitler ist in den meisten Dingen völlig anderer Auffassung als der promovierte Sozialrevolutionär Goebbels. Aber geht es um Inhalte? Es geht um Glauben: "Ich beuge mich dem Größeren, dem politischen Genie", schreibt Goebbels in sein Tagebuch. Und: "Ich liebe ihn."

Ein Jahr später ernennt Hitler die arbeitswütige Nachwuchshoffnung Dr. Goebbels zum NS-Gauleiter von Berlin. "Berlin ist perfekt. Hurra! Nun geht's in einer Woche in die Reichshauptstadt."

Es kann losgehen. Jetzt müssen nur noch die Massen bearbeitet werden. Am 7. November 1926 steigt Goebbels am Anhalter Bahnhof aus dem Zug.

Schon der Erste Weltkrieg war ein Krieg der Waffen und der Werber. Die späteren Meisterdenker der US-Reklame lernten ihr Metier in der "Creel Commission", mit der Präsident Woodrow Wilson 1916 das kriegsunwillige amerikanische Volk für ein Eingreifen begeistern wollte.

Engländer und Franzosen stellten die Pickelhaubenheere als "Hunnen" und "teutonische Barbaren" dar, mit bis heute nachklingendem Erfolg. Sie hatten Schriftsteller wie H. G. Wells unter Vertrag. Ihre Dokumentationen deutscher Kriegsverbrechen waren gut gemacht und erhoben den Anspruch objektiver Tatsachenforschung.

Die kaiserliche Propaganda konterte so unbeholfen, dass mitten im Krieg der Bremer "Kaffee Hag"-Röster, Generalkonsul Ludwig Roselius, zur Feder griff. Er drängte die kaiserliche Regierung, endlich ein Hilfskomitee für internationale Propaganda einzurichten: "Propaganda braucht ein Symbol, eine Fahne, einen Kristallisationspunkt. Für die islamische Religion heißt er Muhammed, für die kaufmännischen Geschäfte ist es die Marke - und für das deutsche Reich ist es der Kaiser."

"Kaiser" oder "Kaffee Hag" - ohne starke Marke ist keine Kampagne zu gewinnen.

Er war ein Kind von Marx und Coca-Cola: Von den Kommunisten lernte er die Slogans, von den Amerikanern die Totalität.

Inzwischen warfen die Alliierten über deutschen Schützengräben fuderweise Flugblätter ab, in denen zwischen der räuberischen Kaste der Herrscher und den einfachen Soldaten unterschieden wurde. Nach dem Krieg machten Hindenburg und Ludendorff diese "Zersetzungspropaganda" für ihre Niederlage mitverantwortlich.

Und im Beelitzer Rotkreuzlazarett lag ein Meldegänger namens Adolf Hitler und war neidisch auf den Feind: "Was bei uns hier versäumt ward, holte der Gegner mit unerhörter Geschicklichkeit und wahrhaft genialer Berechnung ein. An dieser feindlichen Kriegspropaganda habe auch ich unendlich gelernt", schreibt er später.

Hitler hatte genug massenpsychologische Traktate gelesen, um zu wissen, dass der Einzelne sich in der brüllenden Masse auflöse und nur noch auf visuelle Reize, griffige Parolen, Trommeln reagiere. In Russland hatte Iwan Pawlow beim Hund die "bedingten Reflexe" erforscht, und "Tier bleibt der Mensch doch immer", so flüsterte Goebbels seinem Tagebuch zu.

Ist der Mensch erst Masse geworden, lasse er sich, so Hitler, auch führen durch den Starken. "Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt", heißt es in "Mein Kampf". Deswegen habe "sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag".

In ihrer Rezension des Buchs schrieb die "Times" über Hitler: "Er ist in seinen Kommentaren über die Massen genauso zynisch wie unsere eigenen Werbetexter."

1926 ist das Berlin, in dem Joseph Goebbels eintrifft, laut Selbstauskunft ihrer Prospekte die schnellste Stadt der Welt, das "New York Europas". Skandale jagen einander, Premieren und Rekorde, prahlerischer Reichtum und elendige Armut. Sechstagerennen und Kommunistenaufmärsche. Ein ewig gefräßiges, zitterndes Asphalttier: "Berlin braucht seine Sensation wie der Fisch das Wasser", notiert Goebbels. "Diese Stadt lebt davon, und jede politische Propaganda wird ihr Ziel verfehlen, die das nicht erkannt hat."

Berlin ist überschwemmt von Warenzeichen, Slogans, Neonreklamen, Plakatmännern und Litfaßsäulen. Alles ringt um Aufmerksamkeit, Kaffeesorten, Redner, Okkultisten und Parteien. Es bedarf eines starken Markenzeichens, um darin zu bestehen.

Hitlers großdeutsche Polit-Sekte hat in Berlin nur wenige Mitglieder, die Parteiarbeit liegt brach, ganze Stadtteile sind in der Hand der KPD. Der neue Gauleiter bewundert den Kampfgeist der Bolschewisten. Das seien die Gegenbilder zu den kleinbürgerlichen Krämerseelen. Im Kino sieht Goebbels, 1928, Sergej Eisensteins "Oktober". Er schreibt: "Das ist also Revolution. Man kann von den Bolschewisten vor allem im Anfachen, in der Propaganda viel lernen."

Goebbels ist klar, dass er die Massen des arbeitenden Volkes nur durch "einen zielsicher ausgebauten Presse- und Propagandaapparat" mobilisieren kann. Dazu müsse es in jeder Ortsgruppe neben dem Vorstand auch noch den Posten eines Propagandisten geben, "oder, um in der Geschäftssprache zu reden, eines Reklamechefs".
In den Buchhandlungen der Reichshauptstadt liegt 1926 "Die Kunst der Massenbeeinflussung in den Vereinigten Staaten von Amerika" von Friedrich Schönemann. Goebbels konnte darin Sätze lesen wie: "Nicht das ist maßgebend, dass Unrecht besteht, sondern dass es geglaubt wird", und: "Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit ist ein Kennzeichen der Propaganda. Die Wahrheit ist nur insofern wertvoll, als sie wirksam ist."

Moralische Gefühle und Sentimentalitäten aller Art dienten nur dazu, "die Massen seelisch auf eine bestimmte Politik einzustellen, aber nichts weiter".

Zynischer hätten weder Hitler noch Goebbels die Formbarkeit der Massen beschreiben können. Niemand setzt diese Prinzipien hemmungsloser, radikaler ein als Joseph Goebbels. Propaganda "ist ein Mittel und muss demgemäß beurteilt werden vom Gesichtspunkt des Zweckes aus", so Hitler im sechsten Kapitel von "Mein Kampf".

Der zeitgenössische marxistische Philosoph Georg Lukács bemerkte bei den Nazis die "Verschmelzung von deutscher Lebensphilosophie und amerikanischer Reklametechnik".

Schon die Markteinführung seines Blättchens "Der Angriff" ist ein Beispiel modernen Marketings. Zuerst werden Plakate geklebt mit der Aufschrift "Der Angriff" - und einem großen Fragezeichen. Später heißt es: "Der Angriff erfolgt am 4. Juli". Und schließlich die Auflösung: "Der Angriff. Das deutsche Montagsblatt in Berlin."

Die Kampagne ist professionell. Es gibt nur einen Fehler. Die erste Nummer ist, so der verantwortliche Dr. Goebbels, "gedruckter Käse".

Er trommelt eine 40 Mann starke Gau-Musikkapelle zusammen und kauft einen siebensitzigen blauen Opel-Landaulet als fahrende Rednertribüne - und um bei Schlägereien seine mobile Eingreiftruppe schnell zur Stelle zu haben.

Eine Rednerschule wird eingerichtet: "Nichts anderes hat den Faschismus und den Bolschewismus geformt als der große Redner, der große Gestalter des Wortes!" Die Besten werden zu "Reichsrednern" ernannt, Elitehetzern mit einer Lizenz für den Einsatz im ganzen Reichsgebiet.

Weil die Billigzettel der Partei im Berliner Reklamegebrüll nicht auffallen, lässt Goebbels blutrote Anschläge im Tapetenformat kleben. Das Corporate Design ist einprägsam, unübersehbar, schwarzweiß-rot. Das Hakenkreuz.

Der Berlinale-Film "Das Goebbels Experiment" zeigt, wie Goebbels auf den Ladeflächen und Podesten stand. Die linke Hand flattert wie ein festgehaltener bleicher Vogel, er reckt das Kinn nach vorn, er ist hager, bleckt die Zähne, spricht im niederrheinischen Singsang.

Aus dem manisch-depressiven Provinz-Raskolnikow Goebbels ist der Ledermantelmann geworden. In zugequalmten, durchbrüllten Kneipensälen verbreitet er Hass, Gift und Spott, hetzt, parodiert und gestikuliert, bis es endlich zur Saalschlacht kommt. Er redet mehrere Stunden lang, bis zur Heiserkeit, dieser "kleine, dunkle Dr. Goebbels mit den kohlschwarzen Fanatikeraugen und den schmalen Lippen", wie die "Vossische Zeitung" schreibt.

Seine Sprache ist verroht. Der promovierte Germanist erregt sich über das "viehische Gegeifer wildgewordener jüdischer Soldschreiber".

Während im Saal die Eisenstangen und Schlagringe krachen, steht der schmächtige Mann ohne Regung auf der Bühne. Die blutenden Opfer lässt er sich nach oben tragen und drapiert sie zu seinen Füßen. Die Zeitungen berichten in großer Aufmachung.

Denn darum geht es. Ins Gerede, in die Medien zu kommen. Er hetzt seine Schläger auf, jüdische Passanten auf dem Kurfürstendamm anzupöbeln und niederzuschlagen. Die Zeitungen berichten. Und weiter: "Immer am Feind bleiben" ist seine Devise, keine Atempause.

"Wir haben diesem Kampf seinen Impuls, seinen heißen Atem, sein wildes Tempo, seine mitreißenden Parolen und seine stürmische Aktivität gegeben. Tempo! Tempo!"

SA-Männer lassen bei einer Aufführung des Films "Im Westen nichts Neues" weiße Mäuse im Kinosaal los. Gewalt und Spaßguerilla, alles ist diesem Aktionismus recht, sofern es nur für Schlagzeilen sorgt.

Sein Meisterstück an Infamie liefert Goebbels mit der Hetzkampagne gegen Berlins jüdischen Vizepolizeichef Bernhard Weiß. Unter dem Spottnamen "Isidor" übergießen der Gauleiter und sein Kampfblatt den Mann mit Hohn und Unflat. Goebbels' Zeichner Hans "Mjölnir" Schweitzer stellt Weiß Tag für Tag als krummnasigen Widerling dar, so lange, bis dem Mann die Kinder auf der Straße nachrufen: "Isidor! Isidor!"

Die Kampagne zieht sich über Jahre hin, immer wieder genährt von Prozessen, hilflosen Protesten und weiteren hanebüchenen Unterstellungen in einer Kloakensprache voller "Schleim", "Brechreiz", "Schwein".

Die "Isidor"-Kampagne hat bereits den Geruch der Öfen an sich.

Es ist eine immer wieder geübte Technik, einen Unsinn so lange stereotyp zu wiederholen, bis der Gegner der Widerlegungen überdrüssig ist, so dass die freche Lüge als letztes Wort haften bleibt: Auch "Christus hat für seine Bergpredigt keine Beweise angetreten".

Er hetzt seine Schläger auf, jüdische Passanten niederzuprügeln. Die Zeitungen berichten - darum geht es.

Die Septemberwahlen 1930 sind der erste deutsche Wahlkampf im amerikanischen Stil: "Wir wollen einen Wahlkampf führen, wie ihn die parlamentarischen Bonzenparteien noch nie gesehen haben", schreibt Goebbels.

Von allen Zäunen, Häuserwänden, Litfaßsäulen leuchten die Plakate der NSDAP. Wagenkolonnen rasen durch Deutschland, die mobilen Rednerkommandos werden in jedes Dorf geschickt. In den beiden letzten Tagen veranstaltet Goebbels in Berlin 24 Großversammlungen.

Es ist der totale Wahlkrieg: "Noch nie zuvor hatte eine politische Bewegung so viele öffentliche Versammlungen in so kurzer Zeit abgehalten wie die NSDAP zwischen 1930 und 1933", schreibt der Kommunikationswissenschaftler Randall Bytwerk.

Die Reichspropagandaleitung lässt das 26-seitiges Pamphlet "Moderne politische Propaganda" in einer Auflage von 55 000 Stück drucken. In solchen Anweisungen war festgelegt, wann und in welcher Lautstärke das Horst-Wessel-Lied gesungen werden soll und wie die Lampen im Fall einer Schlägerei zu schützen sind. Ein eigener Versicherungsfonds wird eingerichtet, um die Kosten für Saalschlachten zu decken.

Die meisten bürgerlichen Politiker stehen der Reklame naserümpfend gegenüber. Für sie ist Propaganda eine Kunst der Aufdringlichkeit und des Lügens, keine Beschäftigung für ernsthafte Politik. Das staatlich kontrollierte Radio wird zur politikfreien Zone erklärt, das Werben ums Volk erschöpft sich in blasser Staatsbürgerideologie und Appellen an die Harmonie.

Die Nazis verneunfachen die Zahl ihrer Abgeordneten und ziehen mit einer 107köpfigen Fraktion in den Reichstag ein. Goebbels heiratet im Jahr darauf die damals 30-jährige Magda Quandt in einer Kirche in Mecklenburg. Hitler ist Trauzeuge.

Der Film "Das Goebbels Experiment" zeigt eine Szene von 1931, in der die damaligen Spitzenpolitiker den Reichstag betreten, genau an der gleichen Stelle wie heute die Bundestagsabgeordneten. Die Journalisten stehen mit ihren Blöcken und Mikrofonen Spalier. Brüning, Hugenberg, Goebbels. Keiner der bürgerlichen Politiker nimmt von der Presse Notiz, alle eilen angeekelt zum Eingang. Goebbels dagegen nimmt sich Zeit. Er stellt sich zur Kamera und diktiert den Medien, was morgen in den Blättern stehen wird.

Nie nachlassen: "Tempo! Tempo!" Goebbels bestärkt Hitler, bei der Reichspräsidentenwahl 1932 gegen den Amtsinhaber Hindenburg anzutreten. Zum Auftakt wird der Sportpalast gemietet. "Zunächst betritt Goebbels das Podium, um die Masse durchzukneten", schreibt die "Vossische Zeitung". "Dann erfolgt an die SA das Kommando 'Still gestanden', und man hört in der plötzlichen Stille des Riesenraumes die anschwellenden Heil-Rufe von draußen. Durch die Gasse des 'Volkes' schreitet Adolf Hitler."

Der Kandidat als Heilsbringer, die Aufheizung durch den Vorredner, der einsame Gang durch die Massen, die dräuende Musik - was heute zu jedem guten Wahlparteitag gehört, war 1932 etwas nie Gesehenes.

Die Nazis richten ein fliegendes Pressebüro ein, dem von eigenen Telefonleitungen bis zu Sonderkurierflugzeugen alles zur Verfügung steht. 50 000 Grammophonplatten werden gepresst, mit Reden und grausigen Kampfgesängen, klein genug, um per Post verschickt zu werden. Eine Zehn-Minuten-Rede wird abgefilmt und als Werbespot abends auf Großstadtplätzen vorgeführt. Das hatte bis dahin noch keiner gemacht.

Goebbels lässt die Wirksamkeit der Plakate und Slogans vor Testpublikum ausprobieren. Für den zweiten Wahlgang entwirft er eines der modernsten Wahlposter der Weimarer Zeit. Es wird nur der Kopf des Kandidaten gezeigt, ausgeschnitten, ohne Halsansatz freischwebend auf schwarzem Grund. Kein Parteilogo, keine inhaltliche Erklärung, nur ein Wort: HITLER.

Die Montagetechnik hat Goebbels von John Heartfield abgeschaut, den Schriftzug von der Bauhaus-Avantgarde in Dessau. Das Minimum an Aussage eröffne ein Maximum an Projektionsfläche fürs Volk.

Dabei sind die ideologischen Botschaften für Goebbels bis zu einem gewissen Grad beliebig einsetzbares Propagandamaterial, Blut-und-Boden-Politainment. "Er verkauft Nationalsozialismus, wie andere Leute Waschmittel oder Kühlschränke verkaufen", schreibt Helmut Heiber in seiner Biografie.

Ständig taxiert er seine Lage neu und richtet sein Handeln danach aus. Er ist wendig, argwöhnisch, zynisch durch und durch. Er ist gemein, und er ist ungemein fleißig. Selbstgefällig, unausgereift, haltlos und labil, aber wendig, phantasievoll und völlig skrupellos in der Wahl der Mittel. Goebbels kann schreiben, reden und ist gewissenlos.

Nur "mit grandiosen Mitteln" könnten die Massen aufgerüttelt werden, predigt Goebbels seinen Leuten. Das spätere Benetton-Prinzip: Schon die Werbung muss Tagesgespräch sein.

Es war Hermann Göring, der die Idee hatte - und die nötigen Kontakte zur Deutschen Luft Hansa AG. Hitler wurde für die heiße Phase des Wahlkampfs eine Flotte von Flugzeugen zur Verfügung gestellt. Im Jahr 1932 flog Hitler 30 000 Meilen und sprach auf 200 Veranstaltungen, zu 15 Millionen Menschen. Hitler war überall, allgegenwärtig, dem Himmel entstiegen.

Die Zeitungen schrieben, als handelte es sich um den Lindbergh-Flug. "Hitler über Deutschland", diese Mischung aus Heldenkult und Sportrekord, wurde zur Sensation. Es war, wie George Weifenfeld 1942 für die BBC schreibt, "einer der gigantischsten persönlichen Werbefeldzüge, die je von einem Mann ohne Amt ausgeführt wurden. Massenagitation in einem Maßstab, den die Welt noch nicht gesehen hatte". Monate später ist Hitler an der Macht.

"21. Februar 1933. Unsere Propaganda wird nicht nur von der deutschen, sondern auch von der internationalen Presse als vorbildlich und nie da gewesen anerkannt", schreibt Goebbels. "Wir haben uns in den vergangenen Wahlkämpfen so umfassende Kenntnisse auf diesem Gebiet angeeignet, dass wir schon vermöge unserer besseren Routine unschwer über alle Gegner triumphieren können. Die sind ohnehin so verschüchtert, dass sie kaum Laut geben. Jetzt zeigen wir ihnen, was man mit dem Staatsapparat machen kann, wenn man ihn zu gebrauchen versteht."

Am Vorabend zur Neuwahl des aufgelösten Reichstags, am 4. März 1933, soll Hitler in Königsberg sprechen. Goebbels macht aus der Rede ein multimediales Weihespektakel, eine Vorprobe der Reichsparteitage in Nürnberg. Überall auf Hügeln und Bergen lässt er "Freiheitsfeuer" anzünden, organisiert Fackelzüge der SA, bestellt Wagenladungen von Hakenkreuzbannern, dazu "blonde Kinder, kleine ostpreußische Mädels" mit Blumen für den Führer.

Die einleitende Rundfunkreportage spricht er selbst, redet von "schweigenden Wäldern", über denen in ganz Ostpreußen jetzt die Glocken läuteten. Zwar haben sich beide Kirchen geweigert, den Glockenchor für die Partei herzugeben, aber es gibt genügend Schallplatten im Lager der Reichsrundfunkgesellschaft.

Trompetengeschmetter, Paukenwirbel, brausende Heil-Rufe und dann die Rede. Im Anschluss lässt Goebbels das "Niederländische Dankgebet" abspielen. Es ist ein archaisches Spektakel, mit Präzision in Szene gesetzt und mit modernsten Mitteln verbreitet. In dieser Nacht ist die Stimme Hitlers überall zu hören, in den Wohnungen, Gaststätten, auf den Straßen und Plätzen. Die Propaganda ist total geworden. Niemand kann sich mehr entziehen.

Goebbels weiß, dass diese Regierung "niemals, nimmer und unter keinen Umständen" die Macht wieder abgeben wird.

Die "Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat" führt eine weitgehende Zensur ein, das Schriftleitergesetz unterwirft die Presse einer rigiden ideologischen und "rassischen" Kontrolle, das Reichskulturkammergesetz schafft die Freiheit der Künste ab. Im Juli feiert Goebbels das Ende des Verlagshauses Mosse, bei dem er sich ein Jahrzehnt zuvor vergeblich um Anstellung bemüht hat.

Vom Kinokartenabreißer bis zum Chef der Berliner Philharmoniker muss von nun an alles auf das Kommando des kleinen Dr. Goebbels hören. Bald kontrolliert er den kompletten Kultur- und Medienbereich.

Im Jahr 1932 flog Hitler 30.000 Meilen, er sprach auf 200 Veranstaltungen, zu 15 Millionen Menschen.

Goebbels bekämpft die Bezeichnungen "Führer des Betriebes", "Zugführer" oder "Führer Christus". Die Funktion des "U-Boot-Führers" wird umbenannt in "U-Bootkommandant" - alles Copyright-Maßnahmen, die eingeleitet werden, um die mühsam etablierte Marke "Führer" rein zu halten.

Auch der Begriff "Propaganda" darf ab Ende Oktober 1933 ausschließlich für die politische Werbung des nationalsozialistischen Staates benutzt werden. Der "Werberat der deutschen Wirtschaft" teilt seinen Mitgliedern mit, dass "Warenbezeichnungen, die das Wort ,Propaganda' enthalten, z. B. ,Propaganda-Kaffee', ,Propaganda-Mischung' usw.", nicht mehr gestattet seien.

Das Goebbels-Ministerium wächst in den nächsten Jahren von 350 Mitarbeitern auf eine 2000-Mann-Behörde an und besetzt in Berlin 22 Gebäude. Mit der Machtübernahme muss Goebbels' Propagandamaschine auf Schubumkehr schalten. Bisher gab es einen Feind, das System. Jetzt muss das neue System gesichert werden. Aus der Hetze muss hoheitliche Integrationspropaganda werden.

Ursprünglich hat Goebbels Hitler vorgeschlagen, seinen neuen Einsatzort "Reichsministerium für Kultur und Volksaufklärung" zu titulieren. Als Hitler auf dem Wort "Propaganda" besteht, redet Goebbels sich die Niederlage wieder schön: Propaganda sei zu Unrecht ein "viel geschmähtes und oft missverstandenes" Wort. Sei doch der Propagandist vielmehr auch ein staatspolitischer Künstler, der die "geheimen Schwingungen der Volksseele nach dieser oder jener Seite hin verstehen" müsse.

Der Propagandist als Welterschaffer. Goebbels zielt auf die Totalität, auf die Neuschöpfung der Gesellschaft mittels Propaganda. Das Volk müsse anfangen, "einheitlich zu denken, einheitlich zu reagieren und sich der Regierung mit ganzer Sympathie zur Verfügung zu stellen". Auch wenn man einen Teil der Gegner wegsperren und totschlagen kann, so soll der größere Teil der Bevölkerung doch für die Sache gewonnen werden. Die Massen, erklärt er 1933, seien jetzt so lange zu "bearbeiten, bis sie uns verfallen sind".

Deswegen braucht er den Rundfunk. Auf den Plätzen lässt er 6000 "Reichslautsprechersäulen" aufstellen. Das Radio sei "seinem Wesen nach autoritär", weil allgegenwärtig und zentral gesteuert. Rundfunk würde die totale Erfassung der Bevölkerung gewährleisten, solange das Fernsehen noch nicht einsatzbereit ist: "Eine Frage von Monaten", hofft Goebbels nach dem Besuch der Berliner Funkausstellung 1933.

Aus der Nazi-Führung steht Goebbels der Medienkultur am nächsten, er ist einer der wenigen Intellektuellen in der obersten Riege. Goebbels hat nichts gegen die dumpfe Brutalität faschistischer Äußerungen. Nur traut er ihnen nicht zu, die Nazi-Botschaft "in das Gehirn der Masse einzuhämmern", wie sein Reklamelehrer Hans Domizlaff es geschrieben hat.

Er möchte "eine neue moderne Sprache, die nichts mehr mit altertümlichen, sogenannten völkischen Ausdrucksformen zu tun" hat: "Die Hauptsache ist heute bei unserer Propaganda, dass sie menschen- und lebensnah bleibt. Je weniger wir uns in Doktrinarismus verstricken, desto besser ist es für unsere Sache."

Statt der Wahlfeldzüge führt Goebbels nun Kampagnen gegen "Gerüchtemacher und Nichtskönner", eine "Reichsaktion Mottenbekämpfung" oder die "Reichsverkehrserziehungswoche".

Die Sportpalast-Rede ist über Volksempfänger verbreitet worden. Bochum meldet eine "leichte Pogrom-Stimmung".

Aus dem Goebbels der Kampfzeit ist der Propagandaminister geworden, im weißen Maßanzug und mit Hut, der nach Büroschluss erst auf seiner Yacht "Baldur" segeln geht und dann ein Gartenfest gibt, mit den Schmelings, der Riefenstahl und Veit Harlan.

Endlich wird sein Jugendwerk gedruckt. Er genießt die neue Macht in allen ihren Facetten. In Filmkreisen nennt man ihn bald den "Bock von Babelsberg".

1936 verliebt sich Goebbels heftig in die tschechische Schauspielerin Lida Baarova. Es kommt zu einer Kombination aus Ehekrise und politischer Lähmung. Es ist das einzige Mal, dass Goebbels einer anderen Stimme gehorcht als der seines Führers. Goebbels ist bereit, auf das Ministeramt zu verzichten. Aber Hitler verfügt die Fortsetzung der Ehe aus Staatsräson. Goebbels trennt sich unter Tränen von der Geliebten. Um seine Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen, wird er zum Antreiber der antijüdischen Pogromnacht im November.

Aber er hat an Einfluss verloren. Die Zeit des Propagandisten kam erst wieder, als der Krieg begann.

Der Krieg, den er selbst bis zuletzt gefürchtet hatte, sollte Goebbels auf den Höhepunkt seiner Macht bringen und - für einen gespenstischen Moment - zum Nachfolger Hitlers und Kanzler eines von Ruinen und Toten umgebenen Schattenreichs "Großdeutschland" von wenigen Quadratkilometer Fläche machen.

1939 steht der Propagandaminister vor der Aufgabe, knapp 80 Millionen Deutsche dazu zu bringen, in einen Krieg zu ziehen, den sie nicht wollen. Er ist für die Aufrechterhaltung der Heimatfront zuständig. Er muss dafür sorgen, dass die Menschen Entbehrungen auf sich nehmen und unter Bomben ausharren. Muss sie dazu bringen, sich zusammenschießen zu lassen, zu hungern, zu morden und zu hassen.

Trotz des Terrorapparats von Himmler ist dies auch ein Krieg um die Köpfe, und, wie der Historiker Herzstein schreibt: "Dank Goebbels hat Hitler diesen Krieg gewonnen, jenen Mann, den er zu seinem Nachfolger wählte."

Im Winter 1938/39 haben Goebbels und Wilhelm Keitel ein Abkommen unterzeichnet, in dem es heißt: "Der Propagandakrieg wird als wesentliches, dem Waffenkrieg gleichrangiges Kriegsmittel anerkannt."

Seine kämpfenden Journalisten schickte er an die Front. Eingebettet als "Soldat unter Soldaten" solle der Berichterstatter an der Front stehen, "todesverachtend und kaltblütig" festhalten, wenn "feindliche Bunker aufgeknackt" würden.

Solange die Feldzüge erfolgreich sind, kann Goebbels seinen Apparat ohne große Veränderungen weiterlaufen lassen. Nur das Einsatzfeld weitet sich.

Goebbels kümmert sich um die Produktion von Bier und Ufa-Filmen. Er kümmert sich um die Besuche deutscher Soldaten beim Papst, um Öffnungszeiten von Frisiersalons und um die Einrichtung von Bordellen in deutschen Großstädten: "Gute Laune ist ein Kriegsartikel."

Der Sprachgebrauch wird noch minutiöser geregelt. Im Mai 1940 untersagte er die Verwendung von "nach dem Krieg" oder "nach Friedensschluss", um in der Bevölkerung keine voreilige Entspannung aufkommen zu lassen. "Tempo! Tempo!"

Goebbels beginnt verstärkt mit Umfragen zu arbeiten. Seine lokalen Dienststellen beliefern ihn persönlich mit detaillierten Stimmungsberichten. Er lässt Fragebögen an die Ortsgruppenleiter ausarbeiten, um die Haltung des Volkes zum Krieg zu kennen und die nächste Kampagne darauf abzustimmen.

Durch dieses Screening merkt er etwa, wie seine Kampagne gegen die "britischen Plutokraten" langsam in die Köpfe dringt, und verstärkt sie. Im Februar 1940 notiert der Berliner Büroleiter von AP, Louis P. Lochner: "Kein objektiver, leidenschaftsloser Beobachter kann leugnen, dass die Propaganda wirksam ist. Männer und Frauen, die selbst letzten Oktober und November noch keineswegs sicher waren, was Ursachen und Zwecke des Krieges gegen die Westmächte anbetraf, benutzen jetzt identische Sprache."

Die antijüdische Propaganda erweist sich in der Anfangszeit des NS-Regimes als wenig effektiv. Viele Deutsche empfinden die hysterische Gräuelpropaganda im "Stürmer" als überzogen und abstoßend. Doch niemand wehrt sich öffentlich gegen Goebbels' Lügengeschichten. Als die ersten Stadtviertel in Trümmern liegen, wird die antijüdische Propaganda verstärkt: Alles sei die Schuld der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung mit ihrem Hass auf das deutsche Heldenvolk.

Während des ganzen Krieges hält sich Goebbels an seine Regeln: Propaganda muss den Hass auf einen Sündenbock lenken.

Bis 1942 hat Goebbels noch leichtes Spiel. Er kann es sich leisten, im "Reich" zu schreiben: "Propagandasiege auf Dauer werden nur mit der Waffe der Wahrheit erfochten."

Er schärft seinen Leuten ein: "Lüge darf man nur als Abwehrmaßnahme gebrauchen, nicht aber um Erfolge vorzutäuschen. Je sachlicher die Berichterstattung, desto besser. Jegliches Pathos ist falsch am Platz." Das ist eine goldene Regel der Reklame: Erst vor dem Hintergrund der Sachlichkeit wirkt der direkte Angriff.

Mit Beginn der britischen Bombenangriffe auf Deutschland gibt er Anweisung, der Öffentlichkeit die korrekten Opferzahlen mitzuteilen. Fälschungen, so meint Goebbels, würden den Glauben an die amtlichen Bekanntmachungen untergraben. Dann würden auch die Meldungen über die Siege der Wehrmacht ihre Wirkung verfehlen.

Natürlich hindert ihn das nicht, später, nach der Kriegswende, von "poetischer Wahrheit" zu schwärmen: Entwicklungen, wie sie sein könnten, Ereignisse, wie sie hätten sein müssen. Vier Abteilungsleiter sind nur mit dem Erfinden geeigneter Falschmeldungen beschäftigt. Viele Meldungen über deutsche "Werwolfaktionen" in den befreiten Gebieten sind von Goebbels erfunden worden. Mancher glaubt sie noch heute.

Nach Stalingrad muss die Kommunikation vollkommen umgestellt werden auf eine schrille Gräuel- und Durchhaltepropaganda, die den Verteidigungswillen der Deutschen anstacheln soll.

Am 18. Februar 1943 fordert Hitlers Propagandaminister im Sportpalast mit inbrünstiger Stimme den totalen, weil kürzesten Krieg.

Die Cola-Plakate sind zu diesem Zeitpunkt abgehängt, die friedliche Koexistenz mit der Company aus Atlanta beendet. Mit dem Kriegseintritt der USA hören die Coca-Cola-Lieferungen nach Deutschland auf. Die USA hatten den Sprudel als "wichtig für die Kriegswirtschaft" eingestuft, und General Eisenhower bestellt gleich nach seiner Landung in Afrika zehn neue Abfüllstationen für seine Truppen. Cola würde die GIs in jedes Kriegsgebiet begleiten, und als Zeichen der Befreiung würden rot-weiße Automaten aufgestellt werden: "Trink Coca-Cola, eiskalt."

Die Sportpalast-Rede ist über die Volksempfänger verbreitet worden und hat auch außerhalb Berlins den gewünschten Erfolg. Bochum meldet eine "leichte Pogromstimmung" gegenüber den noch in der Stadt lebenden Juden.

Goebbels wird die Stimme des totalen Krieges sein. Unterbrochen von Trauermärschen wird er Verlustmeldungen vorlesen, in Götterdämmerungen schwelgen und die Deutschen zu noch härteren Kriegsanstrengungen antreiben. Er redet noch, als die Bomben auf die Städte fallen und Hitler auf kein Podium mehr zu bekommen ist.

Nach dem gescheiterten Attentat am 20. Juli 1944 wird aus dem Erfinder der totalen Propaganda der "Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz". Goebbels hat nun unumschränkte Macht über alle Lebensbereiche. Er führt die 60-Stunden-Woche und die Arbeitspflicht für Frauen ein, schließt Theater, Akademien, verbietet Empfänge, Festspiele und Urlaub.

Aus allen Ämtern und Betrieben wird jetzt an die Front geschickt, wer nicht unbedingt notwendig ist. Dr. Goebbels jagt Menschen.

Und doch, trotz aller Apathie und Verzweiflung, scheint die Propaganda teilweise anzukommen. Mehr als vom Phantasieren dieses heillosen Fanatikers über den Endsieg lassen sich die Deutschen beeindrucken vom Menetekel der Hunnenstürme, all den Berichten über geschändete Frauen, hingeschlachtete Kinder. Sie glauben einem Kerl, der damit droht, ganze Straßenzüge sprengen zu lassen, in denen sich eine weiße Fahne zeigt, ungerührt von Hinweisen auf Frauen und Kinder. Sie glauben jemandem, der in seinen Tagebuchergüssen kein Wort des Zweifels, des Zögerns über den Mord an den europäischen Juden hinterlässt.

Kein einziges.

Er lässt seine Beamten eine Mappe anlegen über "Suggestivnamen für neue Waffen". In immer schaurigeren Berichten preist er die Verheerungskräfte dieser Wunderwaffen an, Lungentorpedos, Kältebomben, Todesstrahlen. Ein Bluff, der Wirkung zeigte, noch über das Kriegsende hinaus. Noch unter Trümmern begraben, wollen die Deutschen die Niederlage nicht akzeptieren, gefangen im Glauben und im Wahn der Goebbelsschen Reden. Ein nebulöses Delirieren, das die Deutschen erst nach dem Krieg für lange Zeiten pathosresistent machen wird: "In wilden Stürmen rast der Taifun dieses gigantischen Völkerdramas noch einmal über die Menschheit hin. Aber schon kündigen sich allüberall Zeichen einer wachsenden Erschlaffung an."

Die letzte Propagandaaktion des Joseph Goebbels besteht darin, am 27. April Flugblätter über Berlin abwerfen zu lassen, die General Wencks Armee zur Eile auffordern, jetzt, wo er schon vor den Toren Berlins stehe. Wencks Armee ist damit völlig überfordert. Die Zettel haben allein den Zweck, die Berliner zum Hoffen und Weiterkämpfen zu bringen.

Von seinen Mitarbeitern verabschiedet er sich in einer zerbombten, nur noch von Kerzen beleuchteten Notunterkunft mit den Worten: "Warum haben Sie schon mit uns gearbeitet, meine Herren? Nun schneidet man Ihnen das Hälschen durch!"

Das Ministerium für Propaganda hat aufgehört zu bestehen. Es wird keinen Nachfolger geben. Trotz aller Propagandisten, aller Lügner im Ministerrang, die auf Joseph Goebbels folgen.

Goebbels erscheint der Gegenwart so ähnlich, weil er modern in seinen Mitteln war. Doch Goebbels' totale Propaganda war getragen vom Willen zur Vernichtung des Anderen. Ihr Kern war nicht der Wille zur Überzeugung, sondern der Wille zum Tod.

Goebbels' Propaganda war eine Erfahrung mit der Macht des Wortes und der Medien.

Im Führerbunker wird Goebbels Trauzeuge von Hitlers Hochzeit mit Eva Braun sein. Mit gehobenem Arm wird er am brennenden Leichnam seines Führers stehen, im Garten der Reichskanzlei. Am 1. Mai vergiftet Magda Goebbels ihre Kinder. Eine Welt, die nach dem Führer kommt, wäre nicht mehr lebenswert.

Gegen 20.30 Uhr des 1. Mai 1945 begehen Goebbels und seine Frau Selbstmord.

Es bleiben zurück die verkohlten Leichen einer Frau und eines Mannes, der seine zur Kralle verbrannte Linke zum Himmel reckt, und unten im Bunker sechs tote Kinder in weißen Nachthemden.


Bericht über irakische Massenvernichtungswaffen

Bush und Demokraten der Lüge überführt

Von der Redaktion
13. Oktober 2004
aus dem Englischen (8. Oktober 2004)

Der Bericht, den Charles Duelfer als Vorsitzender der Iraq Survey Group (ISG) am 6. Oktober veröffentlichte, ist eine vernichtende Anklage nicht nur gegen einen Präsidenten oder eine Regierung, sondern gegen eine ganze herrschende Elite. Er bestätigt, dass die Behauptungen über die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak kriminelle Lügen waren - verbreitet von drei US-Regierungen, demokratischen wie republikanischen, und unkritisch übernommen von den amerikanischen Medien.

Die irakische Regierung sagte die Wahrheit über die Massenvernichtungswaffen, die sie angeblich stapelweise hortete. Die UN-Inspekteure Mohammed El-Baradei und Hans Blix sagten die Wahrheit über das völlige Fehlen irgendwelcher Beweise für die Existenz dieser Lager oder für ein Atomwaffenprogramm. Der ehemalige Waffeninspektor Scott Ritter sagte die Wahrheit, als er feststellte, der Irak habe seine diesbezüglichen Kapazitäten schon seit langem zerstört.

Die Hunderte von Millionen Menschen überall auf der Welt, die die Lügen der amerikanischen Regierung durchschauten und in Dutzenden von Ländern gegen die Invasion demonstrierten, hatten Recht. Der US-Imperialismus ist überführt, sich der Methoden eines Joseph Goebbels bedient zu haben, der Technik der "Großen Lüge" im Dienste einer kriminellen Verschwörung.

Duelfers Bericht stellt fest, die biologischen und chemischen Waffen des Irak seien 1991 zerstört und niemals wieder hergestellt worden. Das Land unterhielt kein Atomwaffenprogramm und unternahm auch nichts, um an die Materialien oder die Produktionstechnik zu gelangen, die zum Bau von Atomwaffen nötig sind. Im Gegenteil: Aufgrund der Auswirkungen der verheerenden Blockade - die wegen des Mangels an Nahrung und medizinischer Versorgung vermutlich eine Million Iraker das Leben kostete, die Hälfte davon Kinder - verringerten sich die Fähigkeiten des Landes, seine militärische Schlagkraft aufrecht zu erhalten, kontinuierlich.

Die ISG setzte unter dem Kommando der CIA über 1.200 Inspektoren ein und durchsuchte nach der US-Invasion fünfzehn Monate lang das ganze Land. Sie fanden keine der Lagerstätten, Waffenfabriken, Geheimlabore oder anderen von der Bush-Administration beschworenen Einrichtungen. Die Erkenntnisse der ISG entkräften sämtliche Erklärungen, die das Weiße Haus, das Pentagon, das Außenministerium und die CIA im Vorlauf des Krieges verbreitet haben.

· Es gab kein aktives irakisches Atomwaffenprogramm. Laut Duelfer erbrachten die Nachforschungen der ISG "keine Hinweise, dass der Irak die Erforschung und Entwicklung von nuklearem Spaltmaterial oder Waffentechnik seit 1991 wieder aufgenommen habe."

· Der Irak importierte Aluminiumröhren für die Herstellung kleiner Raketen, wie es die irakischen Offiziellen erklärt hatten, und nicht für Zentrifugen zur Urananreicherung.

· Der Irak versuchte nach 1991 nicht, sich im Ausland Uran zu besorgen; er lehnte sogar das Angebot eines afrikanischen Geschäftsmannes ab, mit Verweis auf die UN-Sanktionen.

· Die LKWs, die US-Offiziellen zufolge mobile Biowaffenlabore waren, dienten tatsächlich der Herstellung von Wasserstoff für Wetterballone - wie der Irak erklärt hatte.

· Es gab keine "Rote Linie" südlich von Bagdad, an welcher mit Chemiewaffen bestückte irakische Truppen ihr Massenvernichtungspotential gegen einfallende US-Truppen entfesseln sollten.

Duelfer, selbst sechs Jahre lang Chef der UN-Waffeninspekteure im Irak, wurde von CIA-Direktor George Tenet an die Spitze der ISG berufen. Er genoss die besten Beziehungen zum Weißen Haus unter Bush. Bevor er den Posten bei der ISG annahm, erklärte er sich überzeugt von einer Verbindung zwischen dem Irak und den Terroranschlägen vom 11. September. Doch als er vergangenen Mittwoch vor dem Komitee des Senats erschien, um seinen Bericht vorzustellen, sagte er: "Wir lagen [in Bezug auf den Irak] fast komplett daneben".

Mitglieder der Bush-Administration durchkämmten den Bericht auf der Suche nach etwas, das ihre Behauptungen rechtfertigen könnte, Husseins Irak habe eine Bedrohung für die Sicherheit der USA dargestellt. Sie zitierten Behauptungen, Hussein habe die "Fähigkeit und Absicht" behalten, sich gefährliche Waffen zu verschaffen, wie es der stellvertretende Außenminister Richard Armitage ausdrückte. Welch eine Spitzfindigkeit.

Während Duelfer spekulierte, Hussein habe die Entwicklung chemischer, biologischer und atomarer Waffen für den Fall einer Aufhebung der UN-Sanktionen beabsichtigt, musste er gleichzeitig zugeben, dass die ISG keinerlei konkrete Pläne oder andere Belege gefunden hat, die derartige Vorwürfe stützen könnten. Was die "Fähigkeit" anbelangt, so bedeutet sie lediglich, dass der Irak - wie jedes andere halbwegs industrialisierte Land - Wissenschaftler und Ingenieure besaß, die derartige Waffen hätten produzieren können, hätten sie über Ressourcen und Technologie dazu verfügt.

Wie der Angriffskrieg vorbereitet wurde

Das vielleicht wichtigste Ergebnis der ISG-Nachforschungen ist die Feststellung, dass die Waffenprogramme des Irak nach dem Golfkrieg von 1991 praktisch eingestellt wurden. Das Hussein Regime entwickelte chemische Waffen ursprünglich für den Gebrauch im Iranisch-Irakischen Krieg von 1980-88, den Hussein auf Drängen der USA hin entfesselte und in dem er quasi als US-Agent wirkte. Er attackierte das fundamentalistische islamische Regime, das den Schah von Persien gestürzt hatte - den wichtigsten Verbündeten der USA in der Region.

US-Offizielle stockten damals die militärische, nachrichtendienstliche und diplomatische Hilfe für den Irak auch dann noch weiter auf, als der großflächige Einsatz von Chemiewaffen gegen iranische Truppen bereits offengelegt war. Donald Rumsfeld, heute Verteidigungsminister, fungierte 1983-84 als Sondergesandter im Irak, wobei er zweimal Bagdad besuchte, um Hussein der weiteren Unterstützung durch die Reagan-Administration zu versichern.

1991, nachdem US-Truppen die irakischen Streitkräfte aus Kuwait vertreiben hatten (wobei sie Zehntausende praktisch unbewaffnete Wehrpflichtige getötet hatten), akzeptierte Hussein ein strenges Regime von UN-Waffeninspekteuren. Diese vernichteten sehr schnell seine Produktionsstätten für Chemiewaffen, ebenso wie die Forschungsprogramme zu atomaren und biologischen Waffen. Die letzte dieser Forschungseinrichtungen wurde laut dem Bericht der ISG 1996 zerstört.

Dennoch nannten US-Offizielle während der gesamten neunziger Jahre ein ums andere Mal Iraks angenommenen Besitz von Massenvernichtungswaffen und seine angebliche Weigerung, mit den Waffeninspekteuren zu kooperieren, als Grund für die dauerhafte wirtschaftliche Strangulation des Landes. Die erste Bush-Administration begann diesen fortgesetzten Betrug; die Clinton-Administration führte ihn acht Jahre lang weiter (1993-2001); die zweite Bush-Administration schließlich brachte die Sache zum Abschluss durch die Eroberung und Besetzung des Irak.

Es ist kein Zufall, dass der Betrug mit den Massenvernichtungswaffen 1991 begonnen wurde: Dies war das Jahr, in dem die Sowjetunion kollabierte. Noch während des ersten Golfkrieges, der im Februar 1991 endete, wurde die Bush-Administration von der Existenz der Sowjetunion, eines mächtigen militärischen Gegners mit langjährigen Verbindungen zum baathistischen Regime, davon abgehalten, auf Bagdad zu marschieren und die volle Kontrolle über das ölreiche Land zu etablieren.

Mit dem Ende der UdSSR im Dezember 1991 hatte der US-Imperialismus nicht länger militärische Vergeltung zu befürchten oder mit sowjetischer Hilfe an den Irak zu rechnen. Schnell zeichnete sich in der amerikanischen herrschenden Elite ein Konsens ab, die Kontrolle über die Ölschätze des Landes zu übernehmen und, militärisch wie politisch, einen Fuß in die Tür zu der Schlüsselregion zu setzen.

Es bestanden verschiedenen Meinungen darüber, wie dies am besten zu erreichen sei. Die erste Bush-Administration stand einem Bodenkrieg und der militärischen Besetzung im Mittleren Osten vorsichtig gegenüber. Sie nahm an, die Auswirkungen der militärischen Niederlage, wirtschaftliche Sanktionen sowie offene und verdeckte Aktionen von ihrer Seite würden in den Sturz Saddam Husseins münden und den USA die Möglichkeit verschaffen, ein gefügigeres Regime zu installieren. In der Zwischenzeit unterstützten sie Hussein gegen die Aufstände von Kurden und Schiiten. Man fürchtete, dies könnte zu einer Verbindung des Irak mit dem Iran führen.

Als sich der erwartete Militärputsch gegen Saddam nicht einstellte, wurden diejenigen Fraktionen aktiver, die mit dem Ergebnis des ersten Krieges unzufrieden waren und auf eine militärische Besetzung des Irak drängten. 1992 legte Paul Wolfowitz, damals in der Behörde von Verteidigungsminister Richard Cheney tätig, die ersten Pläne für eine langfristige militärische Intervention im Mittleren Osten vor.

Dieses Dokument stellte den ersten Entwurf des Programms dar, das von neokonservativen Gruppen, wie dem "Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert", propagiert wurde. Sie riefen nach weltweiter amerikanischer Hegemonie und einer Politik des "Regimewechsels" gegenüber jedem Land, das sie als Hindernis für die amerikanische Außenpolitik betrachteten.

Clinton versuchte, eine verschärfte Version der Strategie der ersten Bush-Regierung zu verfolgen. Seine Regierung unternahm wiederholt Angriffe mit Cruisemissile-Raketen und zwei kurze, aber blutige Bombardements. Sie organisierte Provokationen durch die UN-Inspekteure, hielt die Sanktionen und die Flugverbotszonen aufrecht und schleuste CIA-Agenten in das Team der UN-Inspekteure ein, die Saddam Hussein töten sollten. Clinton autorisierte mehrere Versuche von Staatsstreichen, ebenso wie offene terroristische Aktionen der CIA, eingeschlossen diejenigen, die Mitte der Neunziger von Ayad Allawi unternommen wurden, dem heutigen von den USA eingesetzten Premierminister. Clinton unterzeichnete auch des "Gesetz zur Befreiung des Irak", welches den "Regimewechsel" zur offiziellen Linie der US-Politik machte.

Als die Sanktionen nachließen und Rivalen der USA, wie Frankreich und Russland, ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen im Irak aggressiver zu verfolgen begannen, wandte sich die Elite in den USA zunehmend dem Krieg als bevorzugter Option zu. Mit der Amtsübernahme der Bush-Administration im Januar 2001 kamen die Befürworter von Invasion und Besetzung an die Macht. Ihre Pläne für eine Okkupation des Irak waren bereits auf den Weg gebracht, als der 11. September 2001 kam - unter mysteriösen und noch immer ungeklärten Umständen. Er lieferte den Vorwand, den sie eifrigst ergriffen, um die Ausführung ihrer Pläne vorzubereiten.

Von Anfang an benutzten die USA das Thema Massenvernichtungswaffen als Vorwand für ihre räuberischen Ziele. Sie waren der ideale Aufhänger, um immer wieder Provokationen und Militärschläge zu rechtfertigen und um einen Allzweckvorwand für die Zerstörung des Landes und die Installation der US-Herrschaft zu bieten. Auch dienten sie dazu, die Öffentlichkeit zu ängstigen, zu verwirren und zu bewegen, einem "präventiven" Krieg gegen den Irak zuzustimmen.

Doch die verlogene Kampagne über Massenvernichtungswaffen konnte keine Massenunterstützung für den Krieg zustande bringen, nicht einmal im Gefolge des 11. Septembers. Die Invasion stieß auf massenhafte Opposition, sowohl in den USA als auch international. Millionen von Amerikanern wussten im März 2003, dass der Irak keine Bedrohung für sie darstellte.

Der Irakkrieg - ein Verbrechen, kein "Fehler"

Was sagt uns diese Vorgeschichte? Sie zeigt, dass die Besetzung des Irak keine plötzliche Verirrung George W. Bushs war. Sie erwuchs aus der Politik von mehr als einem Jahrzehnt, unter drei verschiedenen Regierungen, demokratischen und republikanischen. Solch eine Entscheidung ist kein "Fehler", wie der demokratischen Präsidentschaftskandidat John Kerry behauptet, sondern ein monströses Verbrechen: Es geht um die kriminelle Ausführung einer genau kalkulierten Politik, für welche die herrschende Elite in den USA zur Verantwortung gezogen werden muss.

Duelfers Bericht behauptet, obwohl es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gegeben habe, hätten die Verantwortlichen in den USA an ihre Existenz geglaubt und dementsprechend gehandelt. Diejenigen, die Bushs Entscheidung zur Besetzung des Irak bis zum bitteren Ende verteidigen, beispielsweise die Herausgeber der Washington Post, begrüßen natürlich diese Sicht der Dinge. In ihrem Leitartikel zu dem Bericht erklären sie, auch wenn Bush sich über die Existenz der Massenvernichtungswaffen getäuscht habe, sei er bei den ihm zur Verfügung stehenden Geheimdienstinformationen verpflichtet gewesen, die Entscheidung für den Krieg zu fällen.

Eine weitere Lüge. Es ging niemals um die Massenvernichtungswaffen - die es nicht gab - oder um tatsächliche Befürchtungen der Bush-Administration, der Irak stelle eine Bedrohung dar. Im Gegenteil, die Verschwörer, die die Invasion vorbereiteten, rechneten fest damit, dass das Land völlig wehrlos sei.

Die Bush-Administration entschied sich für den Krieg, weil sie wusste, dass der Irak ausgeblutet, durch die Sanktionen verwüstet, unfähig zu ernsthaftem militärischem Widerstand und folglich reif zur Übernahme war. Es war ein Akt der Plünderung, motiviert durch die Gier, sich die reichhaltigen Ölvorkommen des Irak anzueignen und den Willen, amerikanische Truppen im Herzen des Mittleren Ostens zu stationieren - einer strategischen Position, die dem US-Imperialismus einen entscheidenden Vorteil gegenüber all seinen Rivalen in Europa wie in Asien verschaffen würde.

Dies stellt ein Kriegsverbrechen im vollen Sinn des Wortes dar. Den Grundsätzen der Nürnberger Prozesse zufolge ist die Vorbereitung und Ausführung eines Angriffskrieges ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Belege für eine derartige Vorbereitung und Ausführung durch diejenigen, die heute an der Macht sind, existieren reichlich. In den Monaten vor dem 11. September beispielsweise brütete Cheneys hinter verschlossenen Türen tagende Energiebehörde (in der sich hochrangige US-Energiepolitiker befanden) über Karten der irakischen Ölfelder. Es wurde diskutiert, wie diese unter den zahlreichen Interessenten in der amerikanischen und europäischen Ölindustrie verteilt werden sollten.

Auch wenn Kerry sich derzeit als Kritiker des "falschen Kriegs am falschen Ort zur falschen Zeit" aufspielt, war die Demokratische Partei kein Gegner, sondern ein Komplize und Partner bei der Vergewaltigung des Irak. Die Clinton-Regierung wirkte acht Jahre lang daran mit, das irakische Volk auszuhungern, zu bombardieren und zu morden, und die Mythen zu verewigen, die Bushs Kriegspropaganda dann als Vorwand dienen sollten. Seit der Invasion sind Clinton und seine Frau, Senatorin Hillary Clinton, treue Befürworter der Eroberung und weiteren Besetzung des Irak.

Kerry selbst stimmte im Oktober ebenso wie sein Mitbewerber John Edwards für die Kriegsresolution des Kongresses, wohlwissend, dass Bush sie benutzen würde.

Angesichts des Duelfer-Berichts unternahmen die Demokraten neue Anstrengungen, sich von dem Krieg zu distanzieren. Der verantwortliche demokratische Vertreter im Geheimdienstkomitee des Senats, John D. Rockefeller IV, nannte den Bericht "vernichtend."

"Die Regierung will das amerikanische Volk glauben machen, Saddams Absicht zur Aufnahme eines Waffenprogramms hätte die Besetzung des Irak gerechtfertigt, ohne Rücksicht auf tatsächliche Waffenbestände oder die tatsächliche Fähigkeit, Waffen zu produzieren", so Rockefeller in einer Stellungnahme. "In Wahrheit haben wir ein Land angegriffen, Tausende Menschen sind gestorben, und dabei hat der Irak niemals eine schwere oder wachsende Bedrohung dargestellt."

Die Demokraten verwickeln sich in unauflösbare Widersprüche, wenn sie versuchen, sich als Kritiker des Krieges darzustellen. Sie kritisieren die Entscheidung zur Invasion und verlangen gleichzeitig die Weiterführung des Krieges. Sie bezeichnen den Krieg als "Fehler" und wollen dennoch bis zum Sieg weiterkämpfen. Gemeinsam mit den Republikanern diffamieren sie die Iraker, die gegen die Besatzer kämpfen, als "Terroristen" und "feindliche Kräfte", die zerstört werden müssen.

Das sich vertiefende Desaster im Irak hat eine akute Krise in der herrschenden Elite und ihrem Staatsapparat ausgelöst. Daher der plötzliche Umschwung in Kerrys Kampagne, hin zu einer scheinbar kritischeren Haltung gegenüber dem Krieg, und die Flut von Berichten - viele davon aus den höchsten Kreisen in Militär und Geheimdiensten - die Bushs Lügen eine nach der anderen entlarven. Der scharfe, kritische Charakter des Duelfer-Berichts illustriert die Tiefe und Intensität dieser Krise - ebenso wie der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung, auf dem Höhepunkt des Präsidentschaftswahlkampfes, wo er der Bush-Administration den größten Schaden beibringen wird.

Dennoch: Die amerikanische Arbeiterklasse kann sich hinter keine der Fraktionen in diesem Kampf zwischen Imperialisten stellen. Ob Bush oder Kerry die Wahl gewinnen wird, auch der nächste Bewohner des Weißen Hauses wird ein loyaler Verteidiger des Imperialismus sein, unter allen Umständen darauf aus, die Herrschaft der USA im Irak und dem gesamten Mittleren Osten aufrechtzuerhalten.

Die Aufgabe der amerikanischen Arbeiterklasse ist es jetzt, eine unabhängige politische Massenbewegung aufzubauen, die sich dem imperialistischen Krieg ebenso entgegenstellt wie der amerikanischen herrschenden Klasse von Unternehmenschefs und Multimillionären, deren Interessen untrennbar mit dem Krieg verbunden sind. Der Aufbau einer solchen Bewegung ist die Perspektive, für die die Socialist Equality Party in der Wahl von 2004 kämpft, und unter der sie auf die politischen Massenkämpfe vorbereitet, die unvermeidlich folgen werden.

Siehe auch:
Wachsende Bedenken wegen des Debakels im Irak
(23. September 2004)

29 Oktober 2007

Ein mörderisches Meisterstück

Primus Inter Paris...
...oder wie man dafür sorgt, dass Gleichgesinnte gleichgesinnt bleiben.

Am 9. September 1952 erscheint der frühere SS-Hauptstürmführer Hans Otto
bei der Frankfurter Kriminalpolizei. Seine Aussage führte zu einem der
ersten Skandale der noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Sie betraf den
sog. „Technischen Dienst des Bundes Deutscher Jugend". Dieser, mit Hilfe
eines anderen Dienstes, nämlich der CIA, gegründete und ausgebildete
Dienst war gegründet worden, um in Falle eines Rückspieles zum großen
vaterländischen Krieg zwei Aufgaben zu erfüllen: Sabotageakte hinter der
Front gegen russische Besatzungstruppen und die Ausschaltung von
potentiellen Kollaborateuren. Letzteres war die harmlose Umschreibung für
die Ermordung deutscher Politiker. Auf den mit CIA Geldern aufgestellten
Listen fanden sich die Namen praktisch der gesamten damaligen SPD
Prominenz, von Wilhelm Apel bis Herbert Wehner. Ein Aufschrei ging durch
die Republik, aber nach 2 Wochen war alles vorbei. Die Bundesanwaltschaft,
schon vorher eher uninteressiert an den Akten des hessischen
Verfassungsschutzes zum Technischen Dienst, ordnete die Freilassung aller
inhaftierten TD Mitglieder an. Man sollte annehmen das diese
Strafvereitelung Konsequenzen haben würde und sie hatte es auch, der
ehemalige NS Staatsanwalt Dr. Hubertus Schrübbers fiel bis auf den
Chefsessel des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Den interessantesten
Einlass der Affäre lieferte jedoch der Spiegel am 29.10.1952. „Der
„Technische Dienst" in Deutschland ist nämlich nur ein Zweig einer über
ganz Europa verbreiteten und von den Amerikanern unterstützten
Partisanenorganisation, deren Schwergewichte in Frankreich, den
Beneluxländern, Italien, aber auch auf der iberischen Halbinsel liegen."

Am 17.10.1990 konnte es Giulio Andreotti, dem damaligen italienischen
Ministerpräsidenten, gar nicht schnell genug gehen. Seine Boten
überbrachten einer Terrorismuskommission des italienischen Parlamentes ein
Dossier über den hiesigen Zweig des US Partisanennetzwerkes in Europa,
Gladio genannt. Was als durchdachter, innenpolitischer Schachzug
Andreottis begann, sollte, ebenso wie der technische Dienst in
Deutschland, zu einem handfesten Skandal heranwachsen.
Nur diesmal hatte er Konsequenzen. Im Verlauf der nächsten Jahre waren die
italienischen Gerichte gut mit Gladio beschäftigt. Gladio Mitglieder
standen plötzlich im Mittelpunkt der Ermittlungen zu Terroranschlägen in
den 60er, 70er und Anfang der 80er Jahre und wurden u.a. wegen des
Bombenanschlages auf den Bahnhof von Bologna, wohl der 11. September der
damaligen Zeit, verurteilt und im Gegenzug etliche fälschlich beschuldigte
und verurteilte Mitglieder der „Roten Brigaden", einer linken
Terrororganisation vergleichbar mit der deutschen RAF, auf freien Fuß
gesetzt.

Auch für einige offiziell nicht aufgeklärte Straftaten & Attentate konnten
erfolgreich Gladio Mitglieder dingfest gemacht werden. Bei anderen Taten
der „Roten Brigaden" konnten merkwürdige Gladio Aktivitäten festgestellt
werden. Bei der Moro Entführung z.B., daß ein Oberst des ital.
Geheimdienstes Camillo Guglielmi, Gladio Offizier und dort verantwortlich
für die Ausbildung, die Entführung von Moro mit angesehen hat. Ohne was zu
tun, zu helfen, einen Bericht darüber zu verfassen oder auch nur einen
Krankenwagen für die niedergeschossenen Begleiter oder gar die Polizei zu
rufen.
Aber das war noch nicht alles, Obendrein fand man in einem Notizbuch des
Brigademitgliedes Valerio Morucci die Telefonnummer des Chefs des
Vatikangeheimdienstes Pro Deo, des SISMI-Generals & Gladio Kommandeurs
Giovanni Romeo und des am Tage der Entführung diensthabenden Offiziers im
Polizeipräsidium Esposito. Weiter wurden am Tatort auch Patronenhülsen
sichergestellt die, wie die von Gladio verwendete Munition, mit
Speziallack versiegelt waren, damit man sie bedenkenlos irgendwo vergraben
kann. Im Zuge der Gladio Ermittlungen bekam die Familie des „abgestürzten"
Industriellen Matthei endlich die seit 30 Jahren verweigerte Obduktion
seiner Leiche, an ihr fand man Sprengstoffreste...
*Zufällig* war einer der Leibwächter Matteis, der die Maschine vor dem
Start inspizierte, Gladio Mitglied. Die CIA hat über den Tod Matteis
natürlich auch einen Bericht, dessen Veröffentlichung allerdings auch nach
Ablauf der Sperrfrist mit "nationalen Sicherheitsgründen" verweigert wird.
1994 schließlich sagte ein ex-Mafia Boss vor einem Untersuchungsrichter
aus, daß seine Leute von der CIA den Auftrag bekamen den Journalisten De
Mauro zu ermorden....der just grade zum Tod Matteis recherchierte. Um die
Verbindung Gladio <-> CIA endgültig dingfest zu machen, sollte man sich
einen Prozess gegen Gladio Offiziere im Jahre 1994 ansehen: dort konnte
der Richter Felice Casson nachweisen, daß Gladio der CIA durch eine SACEUR
(eine NATO Einrichtung) Direktive vom Juni 1968 der CIA *direkt*
unterstellt war.

Das es nun eine NATO Partisanentruppe gab die direkt der CIA unterstellt
war und in Italien offenbar Jahrzehnte gemordet hat erklärt nun aber noch
nicht wie es gelang dies nicht nur unentdeckt zu tun, sondern auch noch
Linksterroristen erfolgreich dafür verantwortlich zu machen und in
Gefängnissen verschwinden zu lassen.

Zwischen dem Zweiten Weltkrieg und mindestens bis zum Ende des Kalten
Krieges gab es in Europa ein Partisanennetzwerk der NATO, in Italien
Gladio, in Deutschland SBO (stay behind Organisation) genannt. In Italien
konnten dieser Geheimarmee diverse Terroranschläge nachgewiesen werden,
für die man zuvor Linksterroristen verantwortlich gemacht hatte. In
Deutschland konnte man in Sachen Staatsterrorismus lediglich auf das
Celler Loch verweisen, das 8 Jahre lang Sympathisanten des einsitzenden
Terroristen Sigurd Debus zugerechnet wurde, bevor Verfassungsschutz und
GSG 9 1986 als Täter entlarvt wurden, und auf Peter Urbach, dem netten
Verfassungsschutzbeamten, der randalierenden Studenten vor dem Springer
Verlag in Berlin die Molotow-Cocktails in die Hand drückte und auch so
freundlich war, die Zeitzünderbombe zu besorgen mit der US Präsident
Richard Nixon begrüßt werden sollte.
Nur warum konnten die italienischen "Gladiatoren" nicht nur viele Jahre
lang unentdeckt operieren, sondern auch noch erfolgreich Linke für ihre
Taten verantwortlich machen?

"Licio Galli" heißt die Antwort, oder viel mehr "Propaganda Due"(P2), eine
italienische Geheimloge, Freimaurer gewissermaßen. Der Linksterrorismus,
die Gladio Aktivitäten, all das endete praktisch auf einen Schlag als die
Loge aufflog. Der Staat sah sich gezwungen eine Generalamnesty
auszusprechen, da sonst das Staatswesen zusammengebrochen wäre. Zu viele
Polizisten, Militärs, Richter, Wirtschaftsgrößen und Geheimdienstler
fanden sich auf der Mitgliederliste, unter ihnen auch der heutige
italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Die Loge war eine Art
Euro-Arm der CIA, verkündete der öffentlich-rechtliche Sender RAI und
wurde mit 10 Millionen US$/Monat aus CIA Geldern unterstützt, wie das
italienische Parlament herausfand.
Was tat die Loge P2 nun mit all ihren Mitgliedern und Unmengen an Geld?
Neben bewaffneten und faschistischen Aktivitäten sah man eine der
Hauptaufgaben darin, Terrorgruppen zu restrukturieren und sie sich, und
damit der CIA, unterzuordnen. Eine dieser Gruppen waren die Roten
Brigaden, das einheimische Gegenstück zur RAF.

Der wohl spektakulärste Anschlag der Roten Brigaden dürfte die Entführung
Aldo Moro gewesen sein, dem Führer der italienischen Christdemokraten und
Schöpfer des "historischen Kompromisses" zwischen Christdemokraten und
Kommunisten. Diese Entführung, durchgeführt durch die Roten Brigaden,
wurde dennoch organisatorisch durch die Loge P2 betreut. Der offiziellen
Ermittlungskommission arbeitete eine Schattenkommission entgegen, die
zuverlässig ein Auffinden des Versteckes Moros verhinderte, bis zu seiner
Ermordung am 9. Mai 1979. Die Überwachung der Ermittlungstätigkeiten
funktionierte vor allem deshalb so reibungslos, weil 5 Mitglieder
gleichzeitig in beiden Kommissionen saßen, darunter die beiden
italienischen Geheimdienstchefs und gleich zwei CIA Agenten, Umberto
Federico D'Amato (viele Jahre Chef des CIA Büros in Bern) und Steve
Pieczenik (Chef der Anti- Terrorismusabteilung des State Department).
D'Amato war in den 70?er Jahren hauptsächlich mit dem Infiltrieren
linksradikaler Organisationen, u.a. der Roten Brigaden, befasst.
Das "Killerkommando" der Roten Brigaden erwartete Moro und seine Begleiter
in einer engen Straße, tötete all seine Begleiter mit militärischer
Präzision und konnte unerkannt entkommen. Und das durch großen "Zufall",
denn in einer der Fluchtstraßen war ständig ein Polizeiwagen postiert
(Objektschutz), er wurde nur genau in diesem Moment abgezogen. Bei den
Ermittlungen wurden auf der anderen Straßenseite Patronenhülsen gefunden,
deren Herkunft zunächst unbekannt war, bis Gladio aufflog. Die Munition
war mit Speziallack versiegelt, genauso wie die Gladio-Munition, die so
bedenkenlos in Erdlöchern versteckt werden konnte. Im Zuge der
parlamentarischen Ermittlungen zu Gladio kam unter anderem zu Tage, daß
ein Oberst des italienischen Geheimdienstes, Camillo Guglielmi, ein
Offizier des Gladio war und dort verantwortlich für die Ausbildung, die
Entführung Moros mit angesehen hatte. Ohne irgendetwas zu tun, zu helfen,
einen Bericht darüber zu verfassen oder auch nur die Polizei oder einen
Krankenwagen für die niedergeschossenen Begleiter zu rufen...
Als wäre das noch nicht genug, fand man in einem Notizbuch des Brigade
Mitgliedes Valerio Morucci die Telefonnummern des Chefs des
Vatikangeheimdienstes Pro Deo, des SISMI-Generals und Gladio Kommandeurs
Giovanni Romeo und des am Tage der Entführung diensthabenden Offiziers im
Polizeipräsidium Esposito. Gleich dreimal fiel während der Entführung das
Telefonsystem aus; der Generaldirektor der staatlichen Telefongesellschaft
SIP, Michele Principe, war Mitglied der Loge P2. Teile von Moros
"Gefängnisstagebuch" wurden 12 Jahre nach der Entführung im Rahmen der
Gladio Ermittlungen eingemauert in einer Wonhung gefunden, die 12 Jahre
zuvor bei einer Razzia gegen die Roten Brigaden durchsucht wurde. Die
Druckerpresse, mit der die Entführer ihre Mitteilungen vervielfältigten,
stammte aus der Abteilung für Spezialeinheiten des italienischen
Geheimdienstes. Hinweise von Augenzeugen über vier am Tatgeschehen
Beteiligte wurden erst nach mehr als einem Monat an die Spezialeinheit
weitergegeben. Schon einen Tag nach der Entführung wurde das Versteck von
Polizisten aufgesucht, die anklopften und gleich wieder gingen, weil
niemand öffnete. Diverse weiterer Hinweise auf das Versteck der Entführer
wurden ähnlich sorgfältig behandelt oder gingen gleich ganz verloren.
Moros Schicksaal wurde jedoch dadurch besiegelt, daß der italienische
Staat zum ersten Mal nicht zu Verhandlungen mit den Entführern bereit war.
Man fand seine Leiche in einem Kofferraum.

Am Montag, den 5. September 1977 erwarteten Hanns-Martin Schleyer
Bewaffnete, die all seine Begleiter töteten und unerkannt von Tatort
entkommen konnten. Der Anschlag war erwartet worden, Schleyers Name war
schon in Planungspapieren der RAF aufgefallen; für ihn galt die
Sicherheitsstufe 1, mit einem Anschlag war zu rechnen. Die Terroristen
machten exakt was von ihnen erwartet wurde, folgten präzise den im
Fahndungskonzept 106 formulierten Verdachtsmomenten und von Terroristen zu
erwartenden Verhaltensweisen. All dies half nichts, Hanns-Martin Schleyer
konnte trotzdem entführt werden.
Und auch in diesem Fall ging alles schief. Z. B. fielen einem aufmerksamen
Anwohner 3 Tage vor der Entführung 2 Frauen in einem Alfa Romeo auf. Er
meldete diese gleich der Polizei und sagte, er glaube, es handele sich um
gesuchte Terroristinnen. Sie seien ihm schon am Vortag aufgefallen, als
sie stundenlang in ihrem Wagen saßen und nichts anderes taten als den
Verkehr zu beobachten. Eine Streife wurde geschickt, das Kennzeichen
überprüft, doch es war scheinbar in Ordnung. Die RAF war jedoch dafür
bekannt sog. Dubletten zu verwenden, gestohlene Autos, die mit dem
Kennzeichen typ-, farb- und ausstattungsgleicher anderer PKW versehen
wurden, die legal im Straßenverkehr unterwegs waren. Deshalb überprüften
die Streifenpolizisten auch die Papiere der beiden Frauen, funkte die
Personalien an die Zentrale, aber der Computer, der gleiche Computer der
Sekunden zuvor noch das Kennzeichen überprüfte, war plötzlich ausgefallen.
Hätte der Computer funktioniert wären nun alle Alarmleuchten angegangen.
Die Ausweise der beiden Frauen waren gefälscht.
Die Großfahndung lief, überall wurden Bürger nach verdächtigen
Beobachtungen befragt, auch in Erftstadt-Libar bei Köln. Eine Vermieterin
erzählte zwei Beamten der lokalen Polizei von einer Frau, Annerose
Lottmann-Bücklers, die just eingezogen war und die Miete in bar bezahlt
hatte. Wieder ein typisches Verhalten der RAF beim Anmieten konspirativer
Wohnungen. Die Polizisten meldeten ihren Fahndungserfolg der zuständigen
Polizeidienststelle aber dort lässt man den Hinweis erst mal zwei Tage
lang liegen. Endlich ging der Hinweis an das zuständige Polizeipräsidium
Köln, aber wieder wurde der Name der Mieterin nicht in den Computer
eingegeben, wieder hätte er alle Alarmleuchten auslösen müssen, denn
Annerose Lottmann-Bückler verliert ihren Ausweis ständig; eine Methode,
mit der die RAF schon seit langem an echte Papiere kam und die es zu einem
sicheren Indiz der Terroristenunterstützung gemacht hatte, wenn man häufig
seinen Ausweis verlor. Der gleiche Behördenapparat, der zuverlässig 5
Terroristenbriefe aus 500 000 Sendungen ausgefiltert hatte, die gleiche
EDV, die binnen Sekunden die Klarnamen der Landshut Entführer ausspuckte,
hatte gleich 2 todsichere Hinweise auf den Aufenthaltsort Hanns-Martin
Schleyers verschlampt. Und als es die Polizei endlich vor die Wohnung 104
im Renngraben 8 schaffte, horchte sie nur an der Wand, hinter der Schleyer
festgehalten wurde, und zog wieder ab. Man fand seine Leiche ebenfalls im
Kofferraum eines Wagens.

Rote Brigaden = RAF, Gladio = SBO, P2 = ?

1990 sagte der CIA Mann Richard Brenner dem italienischen Fernsehsender
RAI, das die italienischen Roten Brigaden, die franz. Action Directe und
die Baader-Meinhof Gruppe (=RAF) assoziiert und infiltriert waren. 1977
sagte Peter Jürgen Boock, eine zentrale Figur der RAF, daß die Autonomie
der RAF eine Fiktion gewesen sei und man wohl des öfteren von
Geheimdiensten geführt worden war.

Italiens Terror endete mit der Loge P2; in Deutschland mordete die 3.
Generation der RAF weiter, neuerdings ohne Spuren, mit nicht mehr Beweisen
als ein paar Bekennerschreiben dubioser Herkunft.

1.2.1985 Erschießung von Ernst Zimmerman

8.8.1985 Sprengstoffanschlag auf die US Airforce Base in Frankfurt und
Erschießung eines US-Soldaten in Wiesbaden

9.7.1986 Ermordung Karl Heinz Bekurts und seines Fahrers

10.10.1986 Erschießung Gerold von Braunmühl

30.11.1989 Ermordung von Alfred Herrhausen

1.4.1991 Erschießung von Detlev Karsten Rohwedder

Alles Morde ohne Spuren, ohne Tatverdächtige, ohne Prozess, ohne Urteil
und mit der militärischen Präzision, die Gladio in Italien, aber niemals
die Roten Brigaden oder die RAF auszeichnete. Zum Schluß bleiben im
wesentlichen 2 Fragen:

- gibt es eine deutsche Loge P2
- und wenn ja, wer sind die deutschen Mitglieder in Führungspositionen von
Wirtschaft, Militär, Justiz, Polizei & Geheimdiensten?

von tommy1808
http://www.userchannel.de/sonntagsseite/newsseite.php?datum=28.12.2003&newsID=374
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Der Name Gladio taucht in der Schweiz in Zusammenhang mit der P 26, P27
auf. P26 war eine Geheimarmee, P27 der Geheimdienst dazu. (P für Projekt)
Die (berechtigte) Idee war, im Falle einer Besetzung (durch die
Sowjetunion) der Schweiz diese Organisationen zu aktivieren. Kampftaktik:
Guerilla; Sabotage, Attentate gegen hochrangige Mitglieder der
Besetzungsmacht usw.
Die Schweizer Armee hätte sich ins Alpenreduit zurückgezogen und von dort
aus den Feind bekämpft, ihm aber eigentlich das Mittelland mehr oder
weniger kampflos übergeben hätte. P26/27 hätten den Feind dann von innen
bekämpft, mit logistischer Unterstützung der Armee.

Ende des Kalten Krieges kam dann das ganze ans Licht. Eine
Untersuchungskommission fand dann auch den Zusammenhnang mit Gladio. Im
Untersuchungsbericht wird Gladio als NATO-Netzwerk mit den gleichen Zielen
wie P26/27 beschrieben. Von Nazibeteiligung ist nichts geschrieben. In der
Schweiz war damit jedoch das Neutralitätsproblem im Rampenlicht, da P26/27
an einem NATO-Netzwerk beteiligt war. In Grossbritannien wäen
Exil-Schweizer stationiert worden. Auch ein Funksystem sollte da
stationiert sein, für alle Gladio-Verbände, der Name fällt mir gerade
nicht mehr ein. Alle Gladio-Verbände hätten von Grossbritanien aus ihre
Befehle erhalten.

Nach Abschluss der Untersuchungsberichts wurden in der Schweiz grosse
Waffen-/ Sprengstoff- und Materiallager ausgehoben, welche ohne Wissen der
Armee angelegt worden waren

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es gibt das buch "raf - phantom". hochinteressant. auch ein film dazu
gelaufen ( beides von Gerhard Wisnewski, hochrangiger journalist ). hab es
gelesen.

zitat : Das bei Knaur erschienene Buch "Das RAF-Phantom", ein Klassiker
der Terrorismus-Literatur ... Der auf diesem Buch basierende Fernsehfilm
"Das Phantom" gewann den 3sat-Zuschauerpreis und den Grimme-Preis.

Inhalt : die raf existiert seit spät. 1982 nicht mehr; seitdem benutzt der
bnd sie als "mantel" um unter diesem namen u. a. attentate ( z. B. auf
herrhausen ! ) u. a. auszuüben.

Es werden vergleiche zur p2-loge und zum aldo moro attentat gezogen.
übrigens gab es da auch seinerzeit, anfang der 80er spiegel-artikel
drüber. gladio - patronenhülsen waren am tatort gefunden worden. die tat
wurde den roten brigaden ( deckmantelvergleich zu raf ) und der gladio -
truppe zugeordnet. sehr brisant und explosiv.

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In Deutschland stellt sich die Jihad-Union als Internet-Erfindung heraus,
während in Österreich doch mehr an einem unter Terrorverdacht Verhafteten
dran zu sein scheint als anfangs angenommen wurde. Wie kann man derlei
aber bewerten ohne Zugang zu den Ermittlungsunterlagen zu haben?

Zunächst hilft es, sich von der Vorstellung klar umrissener Grenzen zu
lösen: hier die Terroristen, die meinen, "gut und edel" jemanden auf
irrige Weise zu "befreien" oder eine für sie "gute" Sache zu unterstützen;
dort die gute und edle Polizei, die guten und edlen Geheimdienste, die
guten und edlen Politiker, die freudestrahlend Fahndungserfolge
präsentieren, die das Volk daheim vor dem Fernseher erleichtert
zurücksacken lassen.

Es kann durchaus sein, dass Terroristen mitnichten jenen dienen, an die
sie denken, sondern am Gängelband ganz anderer hängen, denen der Sinn
weniger nach Befreiung als nach ewigem Unfrieden steht. Auch können
Ermittler den schmalen Grat zwischen Einschleusen und Provozieren
überschreiten, und Geheimdienstangehörige lieber anzetteln als
Informationen mit dem Ziel der Prävention sammeln. Auch Politiker sind
nicht immer ganz frei von verdeckten Motiven, etwa wenn ihnen
Fahndungserfolge sehr recht kommen, um damit ungeliebte neue Maßnahmen
durchzusetzen (in Deutschland wird Innenminister Schäuble gerne so
wahrgenommen).

Zum internationalen Terrorismus Ende der neunziger Jahre schrieb Andreas
von Bülow, einst Minister und Abgeordneter in Deutschland (als
Abgeordneter war er auch im Ausschuss zur Kontrolle der Geheimdienste) in
"Im Namen des Staates": "Man muss von einer Art Marionettenspiel ausgehen,
bei dem die verschiedensten Geheimdienste der Welt ihre jeweiligen Puppen
agieren lassen, ohne ohne dass die Globalleitung zu erkennen gibt, wer für
wen spielt und einsteht." Grenzen gab es dabei keine: die Abu
Nidal-Organisation arbeitete für den israelischen Mossad, der wiederum
nicht immer Berührungsängste nach ganz rechts hatte; der angebliche
KGB-Mann Carlos wurde von einem CIA-Agenten ausgebildet; RAF-Aussteiger
wurden mit Wissen der CIA in der DDR untergebracht; vermeintlicher
Linksterror in Europa war meist Gladio zuzuordnen und wenn es um Waffen,
Finanzierung, sichere Häuser, neue Papiere und Attentate ging, fand
ohnehin vernetzter Austausch statt.

Fast prophetisch fügte Andreas von Bülow drei Jahre vor 9/11 hinzu: "Es
erhebt sich allerdings die Frage, ob dieses Marionettenspiel der nach den
Zunftregeln untereinander abgeschotteten Geheimdienste letztlich wieder
einer Gesamtstrategie unterliegt, indem in der weltweiten
Auseinandersetzung eine Weltmacht versucht, die Supervision zu übernehmen
und den Antiterroristenkampf für ihre eigenen Zwecke zu Lasten anderer
Länder zu missbrauchen." Stichworte wie "Osama Bin Laden" oder "Al Qaida"
fehlen in dem dicken auch als Nachschlagewerk verwendbaren Buch.

Früher konnte man mehr Offenheit in europäischen Gesellschaften
verhindern, in dem man linke Bewegungen (die ja nicht unbedingt mit
Moskauer Kommunismus ident waren) stigmatisierte und nach angeblich
linksextremistischen Anschlägen, von denen eben viele auf das Konto ganz
anderer Kräfte gingen, war jeder Politiker verloren, den man als soft on
communism oder auch direkt als soft on terrorism bezeichnen konnte.
Finanziert wurde der "Euroterror" übrigens, schreibt von Bülow, auch aus
den Marshallplan-Mitteln.

Können wir diese historischen Traditionen auch auf "islamistischen Terror"
anwenden, bei dem zwar ebenfalls eine Instrumentalisierung bekannt ist,
bei dem aber doch oft an verzweifelte junge Männer etwa in den
Palästinensergebieten gedacht wird, die meinen, sich nicht mehr anders als
mit Terror helfen zu können? Was Al Qaida betrifft, so wurde damit
eigentlich die Liste jener Mujaheddin gemeint, die Bin Laden für den Kampf
in Afghanistan im Auftrag von ISI (Pakistanischer Geheimdienst) und CIA
rekrutierte. Nach dem Abzug der Sowjets verloren sie jedoch ihre
Existenzberechtigung, sodass viele als Söldner im Balkankrieg auftauchten
(unter Beteiligung von Bin Ladens "Stellvertreter" Al Zawahiri, wiederum
Interesse der alten "Herren").

Die Jihad-Internet-Union

Anfang September 2007 wurden drei Männer in Deutschland festgenommen, die
der aus Usbekistan stammenden Jihad-Union angehören sollen. Man legte
ihnen zur Last, mehrere Anschläge auch auf US-Stützpunkte geplant zu
haben, und griff angeblich gerade noch rechtzeitig zu, ehe der Sprengstoff
gebastelt werden konnte. Hier begann es sich aber gleich zu verhaken, denn
es handelte sich um H2O2, handelsübliches Wasserstoffperoxid, das
angeblich in grösseren Mengen nur nach Eintrag in ein Buch bei einem
Grosshändler verkauft wird. 720 Liter (wären 72 10l-Kanister oder 12
Fässer, wobei man auf Bildern nur Kanister sieht) sollten mit zwei
weiteren Substanzen zu TATP gemischt oder mit Zündern versehen werden.

Beides ergibt nicht viel Sinn, da Hantieren mit H2O2 und Säuren auch für
Kenner eine Herausforderung ist und sich die "Amateure" wahrscheinlich
selbst in die Luft gesprengt hätten, und H2O2 und Zünder eine seltsame
Kombination darstellt. Dann war auch noch davon die Rede, dass man das
35%ige H2O2 gegen 3%iges ausgetauscht habe, wodurch es für den behaupteten
Zweck erst recht untauglich war, also auch niemand kurz vor einem Anschlag
verhaftet werden musste. Die Kenntnisse der drei müssen auch so überragend
gewesen sein, dass ihnen dies nicht auffiel - und dies sollten wir ohne
Ironie sagen, gingen sie doch laut Minister Schäuble ganz besonders
professionell mit der dauernden Überwachung um.

Sie ignorierten nicht nur diese, sondern gaben auch Interviews als
"Verdächtige" und standen mit ihrem angeblichen Plot bereits im Mai im
"Focus". Auch Festnahme und Wohnungsdurchsuchung waren für sie keine neuen
Begriffe. Den Jüngste von ihnen, Daniel S., wollte der Verfassungsschutz
anwerben, angeblich ohne Erfolg. S. schlug den anderen dann die US-Basis
Ramstein als Anschlagsziel vor, als eine Art Aufnahmeprüfung für Al Qaida.
Fritz S., der im Juli im "stern" erzählen dürfte, wie man sich als
Gefährder unter Beobachtung fühlte, kam im Multi-Kultur-Haus Ulm dem Islam
nahe. Dieses Haus galt als eine Art nachrichtendienstliches
Rekrutierungsbüro und hatte einen Imam als Mitarbeiter, der auch für den
Verfassungsschutz arbeitete. Als Showdown vor der Verhaftung sind sich
dann Ermittler so zahlreich in einem hessischen Dorf auf die Zehen
getreten, dass die Bevölkerung längst merkte, was den Terroristen entging,
die offenbar auch Basics nicht kennen wie die Autokennzeichen und
Automarken des BND.

Der stern schreibt: "Wenn sich islamistische Terrorverdächtige in
Deutschland trafen, dann besonders gerne an der schönen blauen Donau: in
den Städten Ulm und Neu-Ulm. Bin Ladens Finanzchef Mamdouh Mahmud Salim
war hier, laut mehrerer Zeugenaussagen auch Mohammed Atta, einer der
al-Kaida-Todespiloten bei den Flugzeugattentaten in den USA am 11.
September 2001. Zudem soll Mullah Krekar schon an die Donau gereist sein,
der geistliche Kopf der Terrorgruppe Ansar al Islam, die im Nordirak
zahlreiche Anschläge auf Amerikaner verübt hat. Von hier zogen drei
muslimische "Gotteskrieger" los, um in Tschetschenien zu kämpfen. Und der
Terrorverdächtige Reda Seyam, der den Bali-Anschlag im Oktober 2002
mitfinanziert haben soll, lebte in der Region."

Mittlerweile sind Medien den ersten Verweisen auf die merkwürdige Natur
der "Jihad-Union" in Blogs und auf alternativen Nachrichtenseiten
nachgegangen. Und siehe da: die "JU" existiert eigentlich nur im Internet.
Hier ist auch ein Video aus der Sendung "Monitor" abrufbar: Der
Verfassungsschutz Baden-Württemberg, anerkannt kompetent in Sachen
islamischer Terrorismus, suchte monatelang nach der Jihad-Union, die nur
im Internet existiert, ohne Videos von Ausbildung oder Anschlägen, die
andere Selbstdarstellungen von Gruppen kennzeichnen. Es gibt ein paar
Bilder von Vermummten mit Waffen vor einem Transparent und ein Interview
mit dem Anführer; mehr findet sich nicht auf einer türkischsprachigen
Plattform für derlei radikale Organisationen. Eine Woche nach den
Festnahmen tauchte dort auch ein Bekennerschreiben auf, wieder in Türkisch
statt in Usbekisch oder Arabisch.

Angeblich wollten die drei Verhafteten einen Anschlag auf die US-Basis in
Ramstein verüben - aus ihren eigenen Aussagen geht jedoch nicht hervor,
dass sie schon wussten, was sie tun wollen. Deswegen halten die
baden-württembergischen Verfassungsschützer dieses Schreiben auch nicht
für echt. Craig Murray war britischer Botschafter in Usbekistan und
erlebte, dass Erschiessungen von Dissidenten als "Anschläge" bezeichnet
wurden. Die Jihad-Union gab es zuerst als Propaganda, immer waren
usbekische Sicherheitsorgane dahinter, jede einzelne Information, der er
und seine Mitarbeiter nachgehen konnten, erwies sich als falsch.
Bedenklich sei, meint Murray, dass Deutschland enge Beziehungen zum
usbekischen Regime pflege. Benno Köpfer vom Verfassungsschutz
Baden-Württemberg spricht auch in Interviews offen davon, dass die
Jihad-Union nur im Internet existiere. Was das wohl bedeutet für den Plot
um Fritz G.?

Mohamed M. mit "Top-Kontakten"

Laut "News" vom 4.10.2007 hat der am 12.9. verhaftete Hauptverdächtige in
Österreich, der 22jährige Mohamed M. "internationale Top-Verbindungen" und
ist Mitglied von Ansar al-Islam. Diese Gruppe wird auch mit dem von der
CIA aus Italien entführten Abu Omar in Verbindung gebracht, der sich auch
in Österreich aufhielt. Der Chef der Organisation Mullah Krekar pendelte
zwischen Norwegen und dem Nordirak her und musste schon mal für
Anschlags-Fehlalarm in Deutschland 2004 herhalten, wobei der Fehler auf
das Konto der CIA geht. "Sources at the German intelligence bureau claim
that CIA misinformed them about the alleged planned terror action in
Hamburg December 30. Ansar al-Islam was accused of being behind the
attempt. According to information provided TV 2 Nettavisen by German
intelligence, they are convinced that the CIA information is wrong, and
they allegedly fear that American authorities planted the information."

Zur Natur von Ansar al-Islam gibt es unterschiedliche Aussagen, die
einander aber nicht widersprechen: "Then CIA chief George Tenet testified
before the Senate intelligence committee in February 2003, Tenet said that
while the CIA believed Ansar al-Islam had received funding from al Qaeda,
Zarqawi considered himself and his network "quite independent" of al
Qaeda. Receiving money from al Qaeda might qualify Ansar al-Islam as an
"affiliate," but according to Tenet's testimony Zarqawi was no "al Qaeda
leader." Bei Global Research lesen wir: "In all likelihood, Ansar
al-Islam, which is also integrated by Afghan-Arabs, is supported through
the same covert US intelligence channels as other Al Qaeda related
organisations in Central Asia and the Middle East. According to Powell,
the head of the Kurdish terrorist group is a person by the name of Abu
Musab Al Zarqawi who "fought in the Afghan war more than a decade ago".
(Colin Powell's Address to the UNSC, 5 February 2003 ). Ironically, this
statement points to the complicity of Washington rather than Baghdad. What
it actually means is that Al-Zarqawi fought in the US sponsored Afghan
wars as part of a CIA led operation. What Colin Powell's statement
suggests is that their "main suspect" Abu Musab Al Zarqawi was in all
likelihood trained and indoctrinated in a CIA sponsored training camp in
Afghanistan or Pakistan."

Zarqawi gründete die Jama'at al-Tawhid wal-Jihad, als er in Europa war,
und ging dann möglicherweise nach Afghanistan. Später hiess die Gruppe Al
Qaida im Irak, meint Wikipedia. Wenn wir nach der "Army of Palestine"
suchen, die laut "News" einen wichtigen Auftrag vom "Al Qaida-Netzwerk"
erhalten haben, durch den das "Terror-Video" entstand, finden wir Jaish
al-Islam, eine im Irak eher gemäßigt agierende Gruppe, deren anderer Name
aber Tahwid wal Jihad sein soll. Die Frage, ob Saddam Hussein eine
Unterstützung von Al Qaida nachgewiesen werden kann, spielte eine Rolle
vor dem Angriff auf den Irak im März 2007. Deshalb sind Konstrukte
beliebt, mit denen eine existente, zumindest aus greifbaren Personen
bestehende Gruppe ins Al Qaida-Netzwerk verortet wird. Bei Abu Musab
al-Zarqawi werden jedoch sowohl Existenz als auch Ende so phantomhaft wie
bei Bin Laden, der zuletzt gesund im Jahr 1998 und von Krankheit
gezeichnet 2001 aufgenommen wurde.

Er hatte auch ein ähnliches Schicksal wie Osama Bin Laden, da bereits
mehrfach sein Tod gemeldet wurde, ehe er 2006 tatsächlich als tot galt.
Man porträtierte ihn als Schlächter Allahs wegen der Hinrichtung von
Geiseln und erkannte ihn nach seinem Tod wohl an seinem fehlenden Bein, da
das Gesicht seinen früheren Fotos nicht sehr ähnlich sah. Wie viele Beine
hatte er, fragt Karl Weiss in seinem Blog: "Zumindest gab es ihn. Falls es
ihn noch gibt, müßte er nur ein Bein haben - aber das könnte bereits ein
Teil der Desinformationskampagne gewesen sein. Das nämlich, so entnehmen
wir jetzt - keineswegs verwundert - der "Washington Post", ist die Al
Zarqawi-Story, zumindest in ihrer offiziellen Version. Bewußter, andauernd
wiederholter Bullshit - und alle Mainstream-Medien tun beschäftigt und
reden über etwas anderes, als hätten sie nicht mitgemacht. Was das
berühmte Fünkchen an Wahrheit dahinter ist, kann man nur erraten.

Es war für jeden verständigen Menschen, der die ihm vorgesetzten
"Informationen" kritisch betrachtet, bereits einige Zeit abzusehen, daß
ein einzelner Mann nicht all das anstellen kann, was man Al-Zarkawi
andichtete, dem angeblich "zweiten Mann" der Al-Quaida nach Bin Laden, und
angeblich Verantwortlichen für alle Anschläge auf schiitische Zivilisten
im Irak. Ein internes Dokument, welches vom US Militärhauptquartier im
Irak produziert worden war, stellt fest, daß "das Sarkawi PSYOP-Programm
die bislang erfolgreichste Informationskampagne ist." " Er wird für die
Ermordung des zuerst von den USA festgehaltenen Amerikaners Nicholas Berg
verantwortlich gemacht, die besonders brutal, da live auf Video
festgehalten wurde, bei der aber 50 offene Fragen bleiben. Im Sommer 2004
wurde in den USA ein angeblicher Anschlag vereitelt, bei dem ebenfalls
Ansar al-Islam beteiligt gewesen sein soll:

"It wasn't all that long ago that Mullah Krekar, reputedly the leader of
Ansar al-Islam, told the al-Hayat newspaper that he met with "a CIA
representative and someone from the American army in the town of
Sulaymaniya (Iraqi Kurdistan) at the end of 2000," according to the
American Free Press. Moreover, although Reuters never mentions such things
or bothers to put things into historical context (we might reach the wrong
conclusions), members of Ansar al-Islam trained in the CIA's Afghanistan
camps during the US financed covert war against the Soviets. In other
words, Ansar al-Islam, following a long established and well-documented
pattern, is probably a CIA-(Pakistan) ISI creation, part of the Islamic
Terror Network. Funny thing is, as we recall, Colin Powell attempted to
connect Ansar al-Islam to Saddam, a stupid and fatuous claim only the
intellectually somnolent -- that is to say, most Americans -- would buy
into."

Überhaupt kann Terror im Irak auch ganz andere Auftraggeber haben, wie der
Journalist Robert Fisk zitiert wird: "Bereits seit geraumer Zeit war zu
vermuten, daß die fast täglichen Terroranschläge auf friedliche oder
betende Schiiten im Irak, die von "US-Sicherheits-Quellen" dem Geist Al
Zarkawi zugeschrieben werden, in Wirklichkeit Werk der Besatzer im Irak
sind. Sie werden in den Medien meist als Selbstmordanschläge bezeichnet,
haben aber oft die typischen Anzeichen ferngezündeter Bomben, wie sie der
CIA verwendet. Unklar blieb aber weiterhin, wer dann die wirklichen
Selbstmordanschläge durchführt, bei denen irakische Zivilisten das Ziel
sind." Das sieht dann so aus, dass ein Iraker als Sicherheitsmann
ausgebildet wird und dann den Auftrag bekommt, mit dem Auto an einen
bestimmten Punkt zu fahren, anzuhalten und anzurufen. Manchmal steigt so
jemand aus, weil er keinen Empfang hat - und hinter ihm fliegt das Auto in
die Luft...

Der irakische Widerstand ist sehr darauf bedacht, sich von allem
fernzuhalten, was sich "Al Qaida" nennt, wie eine Artikelserie über die
einzelnen Gruppen zeigt. Die auch untereinander koordinierten Gruppen
wenden sich gegen jene, die Anschläge verüben, weil sie wissen, dass es
auch gegen sie gerichtet ist. Oftmals sind jedoch Söldner vor Ort, wenn es
Anschläge gibt, so ihre Erfahrung. "Al Qaida" sind vergleichsweise wenige
und auch eher suspekte Personen. Jaish al-Islam, was vom Wort "Kampf"
kommt, soll darum bemüht sein, zivile Opfer zu vermeiden, ergo auch nicht
terroristisch agieren. Die Organisation in Palästina (ident? verwandt?
namensgleich? es liess sich wenig finden) ist bekannt für die Entführung
und spätere Freilassung eines BBC-Journalisten in diesem Jahr. Diese "Army
of Islam in Palestine", wie sie "News" nennt, leitete nun eine von
"befreundeten Diensten" abgefangene Nachricht, die im Februar an das
österreichische Heeresnachrichtenamt weitergegeben wurde und die von Al
Qaida stammen soll, an ihre "Verbündeten" weiter.

Hier wird es nicht präzise, doch geht es darum, Länder zu bedrohen, die
Soldaten in Afghanistan haben, explizit Deutschland, Niederlande,
Österrreich, mit Botschaften in der Landessprache. Natürlich wird man eine
Botschaft, die ein "befreundeter Dienst" abgefangen haben will, erstmal
analysieren. Dann gab es das amateurhaft gebastelte Video, das von manchen
am 9., von anderen am 10.3. abgefangen oder veröffentlicht wurde. Es liess
sich schnell feststellen, dass ein paar der Bilder von der Webseite des
Verteidigungsministeriums stammten und via Server in Malaysia
runtergeladen wurden. Mohamed M. sah sich mit Malaysia wohl auf der
sicheren Seite, doch verfolgten US-Behörden den Download von dort zu dem
Wiener Telekabel-Kunden M. zurück. "Der ist beim Verfassungsschutz kein
Unbekannter", meint "News" und zitiert: "Der Vater des Genannten war bis
zum Jahre 2003 Leiter der 'Islamischen Union - Sahaba Moschee' in Wien,
welche als Zentrum der ägyptischen Terrororganisation Al Gamma Al Islamiya
in Österreich gilt." Diese Organisation liegt, um es salopp zu sagen,
schon lange im Clinch mit dem ägyptischen Staat: "The group is reported to
be responsible for the killing of Egyptian president Anwar Sadat in 1981;
and hundreds of civilians, dozens of tourists and over 100 Egyptian
policemen in a terror campaign in the 1990s. In 2003 the group renounced
bloodshed but three years later there were reports of an alliance with
terror group al-Qaeda."

Mit der Gamma Al Islamiya wird auch Omar Abdel-Rahman in Verbindung
gebracht, der für das Attentat auf das World Trade Center 1993
verantwortlich gemacht wird. Ebenso zählt Bin Ladens Stellvertreter, Ayman
Al Zawahiri, zu diesen MIlitanten. Abdel-Rahman, der natürlich auch Bin
Laden kannte, gilt auch als "blind Sheikh" und reiste mit CIA-Visum in die
USA, nachdem er bereits als Mujahedin der CIA diente, und arbeitete weiter
für sie, wie die Timeline bei Cooperative Research zeigt. WTC 1993 wird
mittlerweile als inszenierter Terroranschlag betrachtet, bei dem das FBI
die Terroristen lenkte und steuerte, etwa über Emad Salem. Andreas von
Bülow schreibt dazu: "Inzwischen stellte sich heraus, dass die
Terrortruppe von New Jersey lange vor ihrem Anschlag auf das World Trade
Center von CIA und FBI unterwandert war. Bei der Tat war mit dem
Führungsoffizier des FBI abgesprochen, die zur Verwendung vorgesehenen
Chemikalien rechtzeitig gegen harmlose auszutauschen, sodass die Täter
zwar hätten in die Falle gelockt, ein Schaden jedoch hätte vermieden
werden können." Im letzten Augenblick wies der Führungsoffizier aber
seinen Informanten dazu an. die Stoffe doch nicht auszutauschen - mit dem
tragischen Resultat Toter und Verletzter. Für Clinton gab es aber, so von
Bülow, die Chance, sich im Kongress als "tough on terrorism" hinzustellen.

Zwar drängt sich bei diesem Beispiel der Gedanke an die ausgetauschten
Chemikalien in Deutschland im Herbst 2007, dreißig Jahre nach dem
deutschen Herbst, geradezu auf - dennoch sollte unser Augenmerk auch
darauf liegen, was derlei Szenarien für Terroristen bedeuten. Abgesehen
von der Unmoral, Anschläge auf Menschen verüben zu wollen, gehört auch
eine Portion Ignoranz gegenüber Zusammenhängen dazu, wirklich zu glauben,
man könne etwas autonom, unbemerkt und komplex durchziehen. "wie
Pfingstochsen" seien RAF und Co. von den Geheimdiensten an der Nase
herumgeführt worden, wird der RAF-Aussteiger Peter Jürgen Boock zitiert,
für den die Selbstbestimmung der RAF ein Mythos war und der mit der
Entführung von Hanns Martin Schleyer und Ermordung in Verbindung gebracht
wird. Dabei spricht er von den Überwachungsmethoden der 70er Jahre und
nicht von den Zeiten grenzenloser und grenzenlos verfolgbarer virtueller
Kommunikation. Mohamed M. hätte also bei all den Namen und Gruppen, die
uns bisher begegneten, ebenfalls eine Recherche anstellen und sehen
können, ob er jemanden oder etwas findet, wo es keinerlei Indizien der
Instrumentalisierung gibt.

Vermutlich ist er aber zu jung, denn laut "News" meldete ihn sein Vater
2002 abgängig (er war damals 17). Dann stellte sich heraus, dass er sich
mehrere Monate im Umfeld des Islamischen Zentrums Mailand aufhielt, wobei
diese Stadt manchmal auch als Zentrum des militanten Islam in Europa
bezeichnet wird. Mehr Background und weniger Schwarzweiss bietet die BBC:
In Italien gibt es keine Integrationspolitik, sodass die meisten Muslime
kaum Italienisch sprechen. In Mailand wurde Abu Omar 2003 auf dem Weg zur
Moschee gekidnappt, der einst in Bosnien gekämpft hatte. Zuerst wurde
behauptet, er sei nach Bosnien gereist, während er längst entführt und
"verhört" wurde. Unser Mohamed M. reiste von Mailand über Syrien legal in
den Nordirak und soll auch in Gebieten gewesen sein, wo Ansar al-Islam
Ausbildungslager unterhielt. Dann versuchte er es mit einer illegalen
Einreise in den Iran, wurde bei einer Polizeikontrolle festgenommen und
kam in Haft. Nur durch Interventionen der österreichischen Botschaft kam
er frei und wurde mit einem lebenslangen Einreiseverbot in den Iran belegt.

Man möchte fast annehmen, dass sowas einem 17jährigen in den Knochen sitzt
und er seinen Befreiern dankbar ist - aber offenbar weit gefehlt, wie die
weitere Geschichte zeigt. Am 10. März 2007 konnte Mohamed M., der immer
auch die Öffentlichkeit suchte, nicht nur das von ihm mitgestaltete
"Terrrorvideo" im TV sehen, sondern auch Kontakt via Web zu "Muheb"
herstellen, einen "Al Qaida-Kader, der für die Öffentlichkeitsarbeit
sorgt". Wie bei der "Jihad-Union" sollte er sich eigentlich nicht ganz
sicher sein können, es hier wirklich mit einem "Al Qaida-Kader" zu tun zu
haben, der mehr will, als Internetfiktionen zu finden. Mohamed M., der von
allen, die ihn kennen, als "liebenswerter Dampfplauderer" beschrieben wird
und so markant im Gedächtnis blieb, dass viele in Wien eine deutliche
Ahnung hatten, wer hinter dem Video steckt, bittet "Muheb", Al Zawahiri
auf "die Drohvideos gegen Deutschland und Österreich" und die
deutschsprachigen Aktivitäten aufmerksam zu machen. Auf dem Video ist auch
ein Ausschnitt auf einem Zawahiri-Video zu sehen, das mit As Sahab-Logo
dem "Multimedia-Arm von Al Qaida" zugeordnet wird. Auf deren Produktionen
gibt es aber auch den Mossad-Agenten Pearlman in Islamisten-Outfit,
manchmal mit Zawahiri zusammengeschnitten, wie wir bereits berichteten.

Mohamed M. und sein Netzwerk

M. fühlte sich sicher, da er anscheinend nicht merkte, dass sein
Fernsehauftritt als vermummter Islamist am 13.3.2007zu auffällig war, wo
er sich auch als "Chef von Al Qaida Österreich" bezeichnete und angab, das
"Terrorvideo" verbreitet zu haben, wobei man ihn wegen des Servers in
Malaysia nicht ausforschen könne (der Upload des Videos ins Netz erfolgte
laut einer deutschen Internetsecurity-Firma in Erfurt). Auch da werden
sich viele gedacht haben, die ihn kennen, dass es nur er sein könne.
Mohamed, der sich cool vorzukommen scheint, bot "Muheb" am 10.3. auch
"Aufklärung" an, was "Erkundung von Anschlagszielen" bedeutet, sofern
"man" sich für Deutschland, Österreich oder Kanada entscheidet. Reizende
Aussichten, kann man da nur als unbedarfter Mensch sagen, Anschlagsziele
en passant im Angebot. Seit dem 26.4.2007 wurden Mohameds sieben (!!!)
Handys abgehört, alle Rufdaten zurückverfolgt. Als normale Handynutzerin,
die schon manchmal verwirrt wird, wenn in einer Besprechung mehrere Handys
am Tisch liegen und man gebeten wird, kurz ein fremdes abzuheben, stehe
ich fassungslos vor den sieben Handys.

Wie bitte hat er sich da zurechtgefunden und nicht vertan, wusste, wo er
wie "konspirativ" zu reden hat (da er ja, wenn er schon sich selbst für
sauber hielt, doch zumindest mal erwägen könnte, dass andere überwacht
werden)? Natürlich ist es, für sehr gut organisierte Menschen, theoretisch
möglich, sieben Handys zu überblicken, auch aufzupassen, was auf welchem
Exemplar gespeichert ist und was wo gelöscht werden sollte. Aber Mohamed
wird auch als Chaot geschildert, der beispielsweise unbedingt bei der
Kundgebung nach der Demo zum Bush-Besuch im Juni 2006 reden wollte. Dann
mussten sie ihn aber erst eine Stunde lang sichen, erzählte mir einer der
Veranstalter kürzlich, der noch hinzufügte, dass er Mohamed M. öfter
begegnete, wenn dieser an linken Demos teilnahm und diesen für einen
"Kasperl" hielt. Unfassbar ist auch, dass M. keinerlei Verdacht hatte,
dass er abgehört wird, da man sowas durchaus merken kann und gerade bei
Anrufen ins Ausland durch Echelon auch die Frequenzen verzerrt werden
(manchmal sind etwa Gespräche mit in Brüssel weilenden Menschen zuerst von
Echos überlagert und dann kaum mehr verständlich).

Gut, Mohamed war liebenswert und unbekümmert (so landete er ja auch in
einem Gefängnis im Iran) und gerade mal 22 Jahre alt - ein Alter, in dem
sich auch viele linke Burschen gerne zumindest in Gedanken und Worten
radikalisieren. Dass "Befreiungskampf" nicht auf Kosten von Zivilsten
gehen darf (wenn sie schon manche andere Menschen als Soldaten sehen
wollen, bei denen andere Kriterien gelten sollen), niemals das Gegenteil
vom eigentlichen Ziel erreichen soll und dass man vor Instrumentalisierung
auf der Hut sein soll, sind da oft leere Worte der alten Abgeklärten, die
mit Bequemlichkeit und Resignation abgetan werden. Ab 2. Mai werden seine
Telefonate auch mobil erfasst, es gibt Bewegungsprotokolle, und tags
darauf setzt die lückenlose Überwachung seiner Internetaktivitäten ein. Am
29. Juli wurde dann auch sein Kinderzimmer verwanzt, man kann nun
ebenfalls Screenshots von seinem Laptop machen. Bei der Entführung von
BBC-Mann Johnston (durch Islamic Army / Jaish al-Islam) soll M. eine
"zentrale Rolle" gespielt haben. Er chattete munter mit "Abu.Ahmed", der
sich wahrscheinlich am Aufenthaltsort Johnstons aufhielt, und leitete als
Mittelsmann Videos an die BBC weiter. Da Johnston am 4.7.2007 freigelassen
wurde, waren M.s Internetaktivitäten in seiner "Vermittlerzeit" bereits
überwacht gewesen.

Er soll auch weitere Internetbeiträge rund um diese Entführung empfangen,
aufbereitet und versendet haben, sowohl schriftlich als auch visuell. Im
Umfeld von Mohamed werden die Behörden auf Umer H. aufmerksam, der
pakistanische Wurzeln hat und beim Heer in der Garde diente.
"Zwischenzeitlich ist auch Mohamed nicht entgangen, dass er überwacht
wird", schreibt News und verweist aud ein abgehörtes Gespräch mit seiner
späteren Frau am 11.6., wo er gesteht, Heroin genommen zu haben. Geld
bekommt Mohamed aus Saudi-Arabien über Western Union, das weltweit zum
Spionieren verwendet wird, und nicht via Hawala. Muss man sich mal
vorstellen, was Mohamed M. und seine Financiers da vorziehen:

"In ''The One Percent Doctrine,'' Mr. Suskind discloses that First Data
Corporation -- one of the world's largest processors of credit card
transactions and the parent company of Western Union -- began cooperating
with the F.B.I. in the wake of 9/11, providing information on financial
transactions and wire transfers from around the world. The huge
data-gathering operation in some respects complemented the National
Security Agency's domestic surveillance program (secretly authorized by
Mr. Bush months after the Sept. 11 attacks), which monitored specific
conversations as well as combed through large volumes of phone and
Internet traffic in search of patterns that might lead to terrorism
suspects. Despite initial misgivings on the part of Western Union
executives, Mr. Suskind reports, the company also worked with the C.I.A.
and provided real-time information on financial transactions as they
occurred."
Man müsste also gar nicht die Telefonate mit Western Union abfangen, wie
es bei Mohamed M. der Fall war, wenn es ohnehin "real time" Informationen
über Finanztransaktionen gibt (ergo auch über die Seite, die eine
Geldsendung abschickt). M. gibt sich als sein Freund Hashem H. aus, der
beim Heer in der Garde dient und nachdem sein Name bei Western Union
angegeben wurde, nun auch überwacht wird. M. ist unverdrossen und geht nun
daran, das Buch "This is our Aqida" von Abu Mohamed El Maqdisi, dem
Chefideologen von Al Qaida und geistigen Ziehvater von Abu Musab
al-Zarqawi, gemeinsam mit Umer H. ins Deutsche zu übersetzen. Bei der
Finanzierung hilft nicht (nur) das Western Union-Geld aus Saudi-Arabien,
sondern auch ein "befreundeter Gastronom aus Wien". Mohameds
Deutschkenntnisse sind, wie auch viele Journalisten wissen, die von ihm
dauernd Briefe bekamen, fehlerhaft. Deswegen wird auch angenommen, dass
nicht er allein für den Text des "Terrorvideos" verantwortlich sein kann,
da hier das Deutsch korrekt ist.

Am 3. Juli, dem Tag, bevor Johnston freigelassen wird, chattet Mohamed
wieder mit Abu Ahmed und will von diesem wissen, ob er Sprengstoffgürtel
vorbereitet habe, was dieser verneint, da er Handgranaten parat habe.
Mohamed drängt ihn, auch einen Sprengstoffgürtel anzulegen. Vier Tage
darauf wird Mohamed gefragt, ob er verhört wurde. Dies nicht, aber die
Sache fange an, denn: "Ich werde streng beobachtet. Immer mindestens fünf
bis sieben Leute, die mich beobachten." Da muss man sich doch wieder an
den "Terrorverdächtigen" Fritz G. in Deutschland denken, der dem "stern"
ebenfalls im Juli und auch zwei Monate vor dem Zugriff erzählte, wie es
sich im Visier der Fahnder lebt. Die Fahner vermuten, so News, dass
Mohameds Gesprächspartner kein Geringerer als Scheich Atiyah Abd al-Rahman
sei, "Senior Officer" der Al Qaida, derzeit Nordiran (?). Eher auf den
Nordirak bezogen wird er in Medienberichten als neue Al Qaida-Hoffnung
genannt.

Man kennt von ihm einen Brief aus dem Jahr 2005 der als authentisch
erklärt wird und wie einer von Al Zawahiri die US-Politik im Irak geradezu
spiegelt, der die "Kalifat"-Pläne offenbar für Dauerpräsenz
entgegenkommen: "For instance, in a Sept. 5, 2006, speech, Bush declared,
`This caliphate would be a totalitarian Islamic empire encompassing all
current and former Muslim lands, stretching from Europe to North Africa,
the Middle East, and Southeast Asia,` Bush said. `We know this because
al-Qaeda has told us.` Yet, Gen. Petraeus and the Bush administration have
chosen to draw the opposite conclusions from the evidence.

Instead of citing this intelligence as reason to begin pulling American
troops out of Iraq, they have used it to justify both the escalation that
lifted U.S. troop levels from about 130,000 in January to around 170,000
now - and Petraeus`s plan to return to the 130,000 troop level next July.
But the facts seem to point the other way - that the U.S. invasion of Iraq
in 2003 relieved pressure on al-Qaeda leaders in hiding and gave them hope
by attracting a new generation of young Muslims to the extremist cause.
Now, by extending the U.S. occupation of Iraq indefinitely, Bush appears
to be continuing to play into al-Qaeda`s hands. ...Or, as Atiyah observed,
`prolonging the war is in our interest."

Man erinere sich hier daran, dass der irakische Widerstand nichts mit der
suspekten Al Qaida zu tun haben will, die zahlenmäßig auch nur sehr klein
ist, und ganz sicher nicht dauernde Kämpfe und Anschläge haben will.
Mohamed steigen die im Grunde anonymen Gesprächspartner zu Kopf, er redet
nun frei davon, "1000 Hamas-Anhänger töten" zu wollen. Er soll vorerst
beim Abhören des Hamas-Führer Ismael Hanniyah helfen, indem er in England
Equipment für zwei Mobiltelefon besorgt. Mohamed verlangt für sich
Kalaschnikow, Patronen und Bomben, da er im Sudan einen Spezialkurs
besuchen will. Die Ermittler erfahren am 1.8. von diesem Vorhaben und
davon, dass Mohamed im September nach Ägypten reisen will. Ende August
spricht er am Telefon darüber, dass im Parlament bald über die
Verlängerung des Einsatzes von ein paar Soldaten in Afghanistan abgestimmt
wird, sodass offenbar ein weiteres Video entstehen soll. Videos sind für
Mohameds Kontakte zu wenig, es müssen schon Taten sein. Mohamed, Mitglied
der irakischen Ansar al-Islam, schlägt dann vor, Deutschland und England
gleichzeitig anzugreifen, weil beide Länder nach den USA am stärksten in
Afghanistan vertreten sind.

Für die Ermittler ist Mohamed in Verbindung mit "maßgeblichen
Entscheidungsträgern", die ihre Zustimmung zu einem bevorstehenden
Anschlag in einem nicht näher bezeichneten Land mit einer großen Zahl an
Menschenopfern noch nicht gegeben haben, und über den Stand der
Vorbereitungen informiert. Im einem Chat erklärt Mohamed, er sei Mitglied
von Ansar al-Islam und 2003 im Irak gewesen, und versucht eine ägyptische
Ärztin für einen Selbstmordanschlag zu rekrutieren. Er wisse "aus
unerfindlichen Gründen" schon, dass sein kanadischer Kontakt überwacht
wird, und sucht nach Software, um seinen Laptop zu überschreiben. Wieder
einmal sind die Fahnder unbemerkt im Kinderzimmer zu Gast und installieren
am 1.9 eine Art Online-Trojaner, sodass sie seinem Vorhaben zuvorkommen.
Am selben Tag heiratet M. und bucht für den 7. zwei Tickets nach Kairo.
Man wollte ihn am 5.9. verhaften, hätte aber dann den Papstbesuch vom 7.
bis 9.9. überschattet. Zum Glück entschloss sich Mohamed, die Reise um
eine Woche zu verschieben, sodass der Besuch des deutschen Papstes
ungehindert über die Bühne gehen kann. Zuerst muss noch sichergestellt
sein, dass die "Zelle" um Mohamed M. keine Verbindungen mehr zur Garde hat.

In Haft behauptet Mohamed M. nun, er habe schon mehrmals verhindert, dass
in Österreich etwas passiere, etwa als ein Mann bei den Protesten gegen
die Mohamed-Karikaturen (die von Hizb ut-Tahrir organisiert wurden, einer
von MI6 und CIA instrumentalisierten Organisation) an ihn herangetreten
sei und sagte, er wolle FPÖ-Chef Strache mit einem Scharfschützengewehr
töten. Dies habe Mohamed verhindert, der Strache in Interviews auch als
einzigen Politiker bezeichnet hat, der ihm imponierte. Mohameds Konflikte
mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft begannen übrigens, als er auch
unbedingt etwas gegen die Mohamed-Karikaturen auf die Beine stellen
wollte. Er versucht zu verhandeln, da er dafür gesorgt haben will, dass
die deutsche Geisel Hannelore Khadim im Irak freigelassen wurde (während
ihr Sohn verschwunden bleibt).

Er könne auch erreichen, dass der österreichische Security-Mann Bert
Nussbaumer freikommt, der ebenfalls im Irak entführt wurde. So hofft er
vergeblich, selbst bald wieder freizukommen - offenbar hat er noch nicht
realisiert, wo er sich durch seine Chats und Telefonate hineingeredet hat.
Die Staatsanwaltschaft Wien weist übrigens den Bericht von News durch
Sprecher Gerhard Jarosch als "weit hergeholt" zurück, da es ein
Gefahrenpotenzial, aber keine konkrete Gefahr gegeben habe: "Der (M.) hat
sehr wohl mit anderen gesprochen, was man denn nicht tun könnte. Dass da
demnächst irgendwo eine Bombe hochgehen hätte können, davon sind wir weit
entfernt." In die Ermittlungen fliessen übrigens neben Akten
österreichischer Polizei- und Sicherheitsstellen auch Unterlagen der
deutschen Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ein. Auch bei Mullah Krekar, dem
obersten Führer von Ansar al-Islam, der Organisation, die
Frauenrechtlerinnen im Irak mit dem Tod bedroht, ergab sich mal durch
Observation die Frage, ob er via Internet Anschläge befahl oder einfach
nur chattete. Bei Jaish al-Islam können wir noch das Detail nachreichen,
dass die Webseite in den USA gehostet wird:

Jihad Websites hosted in US (Auszug)

The website of Al-Jaysh Al-Islami fi Al-Iraq
http://www.iaisite.info/
ISP: Zipa LLC, New Orleans, LA, USA

Blog featuring video messages by prominent Islamist figures (e.g.
Al-Zarqawi)
http://almagribi.blogspot.com/
ISP: Google Inc., Mountain View, CA, USA

Um es zusammenzufassen, wird Mohamed M. platziert zwischen:

Ansar al-Islam, durch die selben Kanäle verdeckt von den USA unterstützt
wie "Al Qaida" und ähnliche Organisationen

Führer Abu Musab al Zarqawi von CIA trainiert, ihm wurden mehr Anschläge
im Irak zugeschrieben als er sich an unterschiedlichen Orten aufhalten
konnte, es gab eine "PSYOP", die ihn dämonisierte

Wegen Führer Mullah Krekar wird von CIA falsche Anschlagswarnung an
Deutschland herausgegeben; Krekar gibt Treffen mit CIA zumindest 2000 zu,
Krekar besuchte Ulm mit der "nachrichtendienstlichen
Rekrutierungszentrale" Multikultur-Haus

Al Gamma Al Islamiya, zu der auch der "blinde Scheich" des
"unterwanderten" WTC-Attentates von 1993 gehörte und Al Zawahiri, der die
Mujahedin-Operationen in Bosnien und dem Kosovo im Interesse der
Angloamerikaner unterstützte und früher in London Zulunft fand.

Mohamed M. übersetzt Buch von El Maqdisi von "Al Qaida" (über Al Qaida und
CIA gibt es ja nun wirklich massenhaft Literatur)

Auf Terrorvideo Ausschnitte mit Al Zawahiri als Produktion von As Sahab,
Al Qaida-Multimedia-Arm; manchmal werden diese Ausschnitte mit As
Sahab-Produktionen mit Adam Pearlman (Mossad) zusammengeschnitten, wenn
dieser als Islamist auftritt

Geldtransfer über Western Union, das mit der CIA zusammenarbeitet, und
nicht etwa via Halawa

Proteste gegen Mohamed-Karikaturen, die vom CIA- und MI6-asset Hizb
ut-Tahrir angezettelt werden, bringen Mohamed, der dies nachahmen will,
gegen die Islamische Glaubensgemeinschaft auf.

Briefe von Al Ramdan und Al Zawahiri "spiegeln" die Pläne der USA für
Irak-Präsenz

Zumindest die abgefangene Nachricht, dass Videos gegen Deutschland,
Österreich und Holland gerichtet werden sollen sowie die Rückverfolgung
des Herunterladens von Bildern für das Video zu Mohamed M. sind Beitrag
"befreundeter Dienste".

Personen bei Al Qaida, die Mohamed kannte: 0 (kennen = Gesicht, Name,
persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht)
Personen bei Ansar al-Islam, die Mohamed kannte: ? (es sei denn, er hat
mit 17, als er ausriss, gezielt Kontakte geknüpft)

Alexandra Bader

===========

Natürlich ist jeder, der nicht ein ausgesprochener Menschenhasser oder
abgestumpfter Ignorant ist, entsetzt über Bilder von Menschen, die von
Bombenexplosionen zerfetzt worden sind. Das gilt für die unschuldigen
Opfer des 11. September ebenso wie für die jüngsten Opfer in London. Das
galt früher für die Napalmopfer Vietnams sowie gegenwärtig für die durch
Splitterbomben Verstümmelten in Afghanistan und im Irak. Und es wird für
die künftigen Opfer im Iran und in Syrien gelten. Aufrichtige Trauer und
echtes Entsetzen über Gewalt und Terror ist wahrlich unteilbar und kennt
keine ethnischen Grenzen. Und doch erweist sich die vordergründige Formel
»Die Anglo-Amerikaner haben aus imperialistischen Gründen die Gewalt
begonnen und ernten nun, was sie gesät haben« bei näherer Betrachtung der
tatsächlichen Umstände als viel zu kurzsichtig.

Als es in der BRD noch wortgewaltige Linksintellektuelle gab, ist mit dem
Thema Gewalt und Terror oftmals anspruchsvoll und vor allem öffentlich
umgegangen worden. Heinrich Böll beispielsweise engagierte sich gegen die
Gewalt, die in den siebziger Jahren vom Staat ausging. Peter Brückner und
Jürgen Seifert – wer kennt heute noch ihre Namen? – setzten sich kritisch
und konstruktiv mit dem sogenannten Verfassungsschutz auseinander, der
nachweislich in vielen Gewalttaten direkt und indirekt involviert war.
Diese Zeiten sind vorbei, obgleich die Geheimdienste heute mehr denn je in
Terroranschläge und Attentate verstrickt sind. Diesbezüglich so dringend
notwendige Hintergrundinformationen werden durch die Massenmedien
bezeichnenderweise nicht verbreitet. Die Einseitigkeit und Einfältigkeit
in den Medien genießt totale Luftüberlegenheit. Heute sind die ehemaligen
Vertreter des Linksintellektualismus, sofern sie nicht verstorben sind,
längst die Büttel des Systems, das sie einst vorgaben zu bekämpfen.

Viele Aspekte über Gewalt und Terror gehen in der gegenwärtigen
Berichterstattung verloren oder werden schlicht totgeschwiegen. Es tut
schon aus diesem Grunde not, sich ein ebenso unkonventionelles wie
undogmatisches Denken zu leisten. Hinter den jüngeren und jüngsten
Anschlägen, verbirgt sich viel mehr als uns die mediale Einheitsfront von
Spiegel bis Welt von »Tagesthemen« bis »Panorama« vormachen will!

Der amerikanische Journalist und Historiker Webster Griffin Tarpley
beispielsweise, seines Zeichen ein unbestrittener Experte in Sachen
Hintergrundinformationen zu Terroranschlägen (vergleiche

http://www.waronfreedom.org), gibt viel Detailwissen weiter, das den
Redakteuren der hierzulande selbstredend »unabhängigen und freien« Presse
entweder verborgen bleibt oder aber von ihr verschwiegen wird. Keiner
dieser beiden Gründe gereicht ihnen zur Ehre. Bereits 1978 enthüllte
Tarpley, daß die Roten Brigaden nichts anderes als die Marionetten der –
heute würde man sagen: neokonservativen – Geheimloge P2 waren. Mit den
Anschlägen zum 11. September verhält es sich sehr ähnlich, wie dies im
deutschen Sprachraum zum Beispiel Gerhoch Reisegger, Mathias Bröckers,
Gerhard Wisnewski und Andreas von Bülow überaus eindrucksvoll dargelegt
haben.

Spinnen wir das Rad doch einmal weiter: Was wäre, wenn Al Qaida sich als
nichts anderes als eine Filiale der anglo-amerikanischen
Nachrichtendienste entpuppen würde? Dann hätte die »westliche
Wertegemeinschaft« den Terrorismus selbst geschaffen und hergestellt.
Tatsächlich sprechen viele Argumente für und nicht etwa gegen diesen auf
den ersten Blick abstrus erscheinenden Gedanken des sogenannten
»synthetischen Terrorismus«. In diesem Zusammenhang sei stellvertretend
nur an das Zusammenspiel des britischen Geheimdienstes MI 5 mit Al Qaida
gegen den Staatschef Libyens, Oberst Muammar al Ghaddafi, auf den 1995 ein
blutiges Attentat verübt worden war, erinnert. 1998 bestätigte der frühere
MI-5-Offizier David Shayler, daß der britische Geheimdienst das Attentat
finanziert habe. In der Folge kam Libyen – und nicht etwa die USA! – mit
dem ersten internationalen Haftbefehl gegen Bin Laden heraus. Nach dem 11.
September gab Ghaddafi Al Dschasira ein Interview und erklärte
bezeichnenderweise: »Wenn es Amerika ernst meinte mit der Ausmerzung des
internationalen Terrorismus, sollte es als erste Hauptstadt London mit
Cruise Missiles angreifen.«

Die Täter und die Auftraggeber sind beim synthetischen Terrorismus ganz
unterschiedliche Leute. Als Täter instrumentalisiert man gerne labile
Menschen, die sich gut als Sündenbock eignen und mit deren Hilfe man
Spuren in die falsche Richtung legen kann. Hierzu zählen etwa Lee Harvey
Oswald, der Kennedy-Mörder, der im übrigen ausgezeichnete Beziehungen zur
Sowjetunion unterhielt. Dies gilt nicht minder für die zweifelhafte
Gestalt Demetrio Tsafendas, den Mörder des Ersten Ministers Südafrikas,
Dr. H. F. Verwoerd, welcher von jenem am 6. September 1966 im Parlament
erstochen wurde. Weder Oswald noch Tsafendas hätten allein auf sich selbst
gestellt ihre Attentate, die das Weltgeschehen verändern sollten,
ausführen können. Genausowenig wie Mohamed Atta am 11. September 2003 ein
Passagierflugzeug ins World Trade Center hätte steuern können. Die
Auftragstrottel, wie Tarpley diese Sorte Attentäter in einem jüngst
erschienenen Interview in der jungen Welt bezeichnet, sind, meist ohne
sich dessen selbst bewußt zu sein, nur die Bauern in einem großen Spiel.
An der Richtigkeit dieser Feststellung kann nicht ernsthaft Zweifel
bestehen.

Dennoch bleibt freilich die Frage offen, wer nun hinter diesen und
ähnlichen Anschlägen tatsächlich steht. Tarpley gibt hierfür eine Antwort,
die dankenswerterweise nicht mit der längst überfälligen Deutlichkeit
hadert: »Ich gehe von einer Geheimregierung in den USA aus, die sich
spätestens zu Beginn der 60er Jahre etabliert hat. Gründer waren CIA-Chef
Allan Dulles, Außenminister John Forster Dulles und Lyman Lemnitzer, der
die Operation Northwood erfunden hat – mit entführten Flugzeugen sollten
US-Städte angegriffen und das Ganze Kuba in die Schuhe geschoben werden.
Später gründete er als NATO-Oberbefehlshaber Europa die bereits erwähnten
Gladio-Einheiten für verdeckte Operationen. Diese klandestine Struktur hat
alles angezettelt: den Kennedy-Mord, den Tongking-Zwischenfall zur
Entfesselung des Vietnamkrieges, die Iran-Contra-Affäre, den 11.
September.« (junge Welt v. 26.7.2005)

Daß das politische Mittel Gewalt und Terror von, nennen wir sie ruhig,
sinisteren Kräften geplant und vorbereitet und mit Hilfe nützlicher
Idioten immer wieder rigoros durchgesetzt wird, ist freilich keine
einzigartige Erscheinung der Gegenwart. In den dreißiger Jahren waren die
bestialischen polnischen Übergriffe gegen Deutsche in den seit dem Ersten
Weltkrieg besetzten Gebiete Ostdeutschlands gezielte Mittel, einen Krieg
zu provozieren. Einen Krieg zu provozieren mit einem Staat, der sich als
das gefährlichste Bollwerk gegen die Errichtung der One World entpuppt
hatte.

Und heute? Gegen welche Länder richtet sich gegenwärtig der Terror? Wofür
stehen diese Staaten ein und gegen wen oder was begehren sie auf? Wem
nützen die Terroranschläge von New York und London? Was anderes sollten
die jüngsten Anschläge zum Ziel haben, als Verunsicherung unter der
jeweiligen Bevölkerung zu schaffen, eine weitere Verschärfung sogenannter
Sicherheitsgesetze durchzusetzen, die in der endlichen Abschaffung
bürgerlicher Freiheiten mündet? Nennen wir das Kind doch endlich beim
Namen: Die Anschläge – Gewalt und Terror – dienen als vermeintliche
Rechtfertigung, souveräne Staaten, die sich der Errichtung des anvisierten
globalen Einheitsstaates noch entgegenstellen, auszulöschen bzw. zu
transformieren. Nicht mehr und nicht weniger.
http://www.nordbruch.org/artikel/aGewalt.html