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14 Februar 2007

Privat Herrschaft in Muenchen Feb 07

Macht und Raum auf der Sicherheitskonferenz

Rudolf Stumberger 12.02.2007

Ein soziologischer Nachtrag über die räumlichen Ein- und
Ausschließungsprinzipien der privaten "Teltschik-Festspiele" in München

Wer in Zeiten der Digitalisierung von Welt glaubt, der Ort und mit ihm der
Raum schrumpfe zu einer irrelevanten, untergeordneten Kategorie, der irrt.
Zu besichtigen und zu erleben war dies bei der 43. Konferenz für
Sicherheitspolitik vergangenes Wochenende in der weißblauen
Landeshauptstadt München. Diese alljährliche Versammlung von
Regierungschefs, Ministern, Generälen und Rüstungslobbyisten im Nobelhotel
Bayerischer Hof inmitten des Stadtzentrums gab erneut ein anschauliches
Beispiel, wie Macht den Raum braucht, um zu wesen.

Das alljährliche Spektakel dieser "Teltschik-Festspiele" - so benannt nach
dem privaten Organisator des Auftriebes, Horst Teltschik, vormals
Vize-Kanzleramtschef unter Kohl und später unter anderem Deutschlandchef
des Luft- und Rüstungskonzerns Boeing – funktioniert macht- und raummäßig
nach dem Prinzipien der Ausschließung und der Einschließung. Ersteres
entfaltet sich so, dass quasi auf naturwüchsige Weise rund um das
Tagungshotel Bayerischer Hof zunächst eine Sicherheitszone wächst. Das
Kreisverwaltungsreferat (zuständig für das Wachstum) genehmigt dabei
lediglich die von der Polizei beantragten Sicherheitsmaßnahmen, die dann
als "Allgemeinverfügung" im Amtsblatt veröffentlicht werden: "In der Zeit
vom 09.02.2007, 06.00 Uhr, bis einschließlich 11.02.2007, 15.00 Uhr, wird
im Umgriff des Hotels Bayerischer Hof, Promenadeplatz, ein
Sicherheitsbereich eingerichtet." Die Münchner Polizei begründet dies mit
"Staatsmännern" (keine "Staatsgäste", weil alles privat!), die es zu
schützen gebe ("sehr personalintensiv"), und tätig wird sie ("wir stehen
in regelmäßigem Kontakt") auf Veranlassung des Privatmannes Horst
Teltschik.

Auch auf der Website macht Horst Teltschik, der Diktaturen für ihren
Umgang mit der Meinungsfreiheit schätzt, jedem klar, wer die wichtigste
Person der Sicherheitskonferenz ist

Weil die Festspiele also so privat sind (obwohl sie von der
Bundesregierung mit 323.000 Euro an Steuergeldern und mit unbekannten
Kosten der das Hausrecht ausübenden Bundeswehr getragen werden) kann Herr
Teltschik einladen, wenn er will. Oder eben nicht will, wie zum Beispiel
den parteilosen Europaabgeordneten und Konferenzkritiker Tobias Pflüger
("aus Kapazitätsgründen ist eine Einladung nicht möglich"). Gleiches gilt
für die Presse, so mancher Journalist scheitert aus "Kapazitätsgründen" an
der Akkreditierung. Wer aber doch "eingeladen" wird, sieht sich mit feinen
Abstufungen der Nähe zu den Mächtigen konfrontiert.

Der erste spatiale Verteidigungsring der Sicherheitskonferenz dient der
Ausschließung des normalen Volkes durch polizeibewehrte Absperrgitter in
einer weiträumigen Zone um das Nobelhotel. Wer diese passieren durfte,
gelangte zunächst über Sicherheitsschleusen in den Vorhof der Macht, das
Foyer des Hotels Bayerischer Hof. Drei derartige Schleusen standen bereit,
wobei die dritte sinnigerweise mit einem Schild: "Waffenträger" versehen
war – was soll man sich von einer Sicherheitskonferenz auch anderes
erwarten. Eine Balustrade umringt dieses Foyer, und wer diese betreten
will, erfährt: Es gibt zwei Klassen von Journalisten. Die eine darf hinauf
– zum Beispiel der alte TV-Haudegen Dieter Kronzucker –, die andere nicht.
Damit nicht genug – der Normaljournalist (also der journalistische Plebs)
darf grad mal zwischen Foyer und Klo hin und herpendeln, die Reden kann er
sich über Monitore in zwei Presserräumen ansehen.

In den Konferenzsälen der Konferenz aber, dort wo die Sonne der Mächtigen
über Teltschik erstrahlt, gibt es eine dritte Kategorie von Journalisten.
Was soll sie angesichts der Bedeutungsschwere der Veranstaltung anderes
sein als – das Exzellenzcluster der deutschen Publizistik, mit
Leistungsträgern aus den Redaktionsstuben der "Süddeutschen" oder der
"Zeit". Diese weitere Klasse, zu der gerade mal vier oder fünf Auserwählte
zählen, sozusagen das "Premiumsegment" der Journalisten, dürfen so nahe an
das Zentrum der Macht, dass sie sogar Fragen stellen können, auch launige
Fragen - und dann sind sie einen Moment so, wie die Geschöpfe rings umher,
all die Außenminister und Innenminister und Verteidigungsminister- und
vielleicht sogar mehr. Eben sehr wichtige, kritisch und launisch fragende,
über den Dingen stehende – Journalisten.

Man spürt, mit jedem Schritt, der einem vorbei an den verkabelten jungen
drahtigen Männern im sprintbereiten Alter um die 30 Jahre bringt und mit
dem man sich dem Zentrum nähert, ergreift einen gleichsam ein Prozess der
Erhöhung und die eigene Bedeutung wächst mit jedem Meter an rotem Läufer.
Die Konferenz ist ein gigantisches Fest der gegenseitigen
Wichtigkeits-Beteuerung, freilich räumlich unterteilt, wie die Jahresringe
der Bäume legen sich die spatial untergliederten Bedeutungszonen um die
Akteure, in deren Zentrum trunken von den Auren der Mächtigen "der Horst",
wie der neue US-Verteidigungsminister Robert Gates in seiner Rede
Teltschik zu nennen pflegte, sitzt oder steht. "Der Horst" sagt dann – mit
Blick auf die Gegendemonstrationen - in diesem Zustand schon mal so
Sachen, wie dass es eben die "Tragik" der Demokratie sei, dass bei uns
"jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf", in Diktaturen würde so
etwas halt nicht passieren (in einem Interview mit dem Bayerischen
Rundfunk).

An den Gegendemonstranten, die mit der "Nato-Kriegskonferenz", wie sie die
Teltschik-Festspiele nennen, nichts am Hut haben und die
Sicherheitskonferenz als eine Veranstaltung von Militaristen und
Kriegstreibern kritisieren, an ihnen wird das Macht-Raum-Prinzip der
Einschließung praktiziert. Dient das Sperrgitter rund um das Hotel
Bayerischer Hof der Ausschließung zum Beispiel von "aus Kapazitätsgründen"
Unwichtigen, dient das gleiche Sperrgitter rund um die Menge der
Demonstranten der Einzäunung. Und weil man nicht die ganze Demo-Strecke
wie die Nürnberger-Autobahn bei Freimann einmauern kann, übernehmen die
Funktion der Einschließung während des Vollzugs des Protestes flexible
Polizeitruppen in Grün oder Schwarz, die gerne ein sogenanntes wanderndes
Spalier bilden oder sich gelegentlich im Kesseln üben.

Ausschließen und Einschließen, das sind die zwei räumlichen Arten der
Machtausübung. Nähe und Distanz, Kontrolle von Zugang und Weggang, 400
Body-Guards und 4000 Polizisten – das Leben ist konkret. Und die
Pendellinie zwischen Foyer und Klo für die Normaljournalisten, die
Akkreditierungsformulare mit unscharfem Passfoto, die Sperrgitter, die
Funk-Stöpsel in den Ohren der CIA-Agenten, das Mineralwasser für vier
Euro, die Schusswaffen in den Holstern der "Waffenträger" und die
Fußschritte, die einen näher an die Mächtigen bringen – sie sind die
räumlich-materiellen Bedingungen, die sich um die virtuelle
Berichterstattung zum Beispiel der Fernsehübertragung ranken wie der Efeu
um den Laubbaum und stellen doch deren unmittelbare Voraussetzung dar.

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