CIA, NATO Geheimdienst Mord-terror in Europa
Die Lüge als Instrument der politischen Manipulation
Die Strategie der Spannung und die Nato
von Silvia Cattori, 18. Januar 2007
Gespräch zwischen Silvia Cattori und Dr. Daniele Ganser ‚ [1], Dezember 2006
Silvia Cattori: Ihr Werk befasst sich mit den „geheimen Armeen der Nato“ [2] und zeigt, dass die Strategie der Spannung [3] und der False Flag terrorism [4], von denen die Medien interessanterweise nie sprechen, grosse Gefahren mit sich bringen. Es informiert darüber, wie die Nato während des kalten Krieges – in Abstimmung mit den Nachrichtendiensten aller europäischen Länder und dem Pentagon – sich der Geheimarmeen bedient hat, Agenten aus dem rechtsextremen Lager rekrutiert und terroristische Anschläge organisiert hat, die man dann der Linken zuschrieb. Wenn man das erfährt, kann man sich fragen, was denn heute ohne unser Wissen passiert.
Daniele Ganser: Es ist zuerst sehr wichtig zu verstehen, was die Strategie der Spannung wirklich umfasst und wie sie während dieser Periode funktioniert hat. Das kann uns helfen, die Gegenwart zu beleuchten und besser zu sehen, in welchem Ausmass sie immer noch funktioniert. Nur wenige Leute wissen, was dieser Ausdruck Strategie der Spannung bedeutet. Darüber zu sprechen und ihn zu erklären, ist sehr wichtig. Die Strategie der Spannung ist eine Taktik, mit der man Attentate selber begeht, um sie dann anderen in die Schuhe zu schieben. Der Ausdruck Spannung will auf eine gewollt gemachte emotionale Spannung hinweisen, die ein Angstgefühl erzeugen soll. Der Ausdruck Strategie zeigt, dass es darum geht, die Angst der Menschen gegenüber bestimmten Gruppen zu nähren. Die geheimen Strukturen der Nato wurden von der CIA in Zusammenarbeit mit dem MI6 (Britischer Geheimdienst) ausgerüstet, finanziert und trainiert, um die bewaffneten Kräfte der Sowjetunion im Kriegesfalle als Guerilla zu bekämpfen. Aber auch - gemäss der Informationen, über die wir heute verfügen -, um terroristische Attentate in verschiedenen Ländern zu begehen. So haben seit den 70er Jahren die italienischen Geheimdienste diese geheimen Armeen benutzt, um „terroristische“ Attentate anzuzetteln. Das Ziel war zu provozieren, in der Bevölkerung Angst zu schüren und dann die Kommunisten als Urheber zu beschuldigen. Das war zu der Zeit als die kommunistische Partei ein grosses Gewicht im Parlament besass. Mit der Strategie der Spannung sollte sie diskreditiert und geschwächt werden, damit sie nicht auch noch in der Exekutive Fuss fassen konnte.
Silvia Cattori: Zu erfahren, was das heisst, ist das eine. Aber es bleibt schwer zu glauben, dass unsere Regierungen die Nato, die europäischen Nachrichtendienste und die CIA einfach so haben machen lassen und damit die Sicherheit ihrer eigene Bürger bedroht haben!
Daniele Ganser: Die Nato stand im Zentrum dieses mit dem Terror verbundenen Geheimnetzes. Das Clandestine Planning Comittee (CPC) und das Allied Clandestine Committe (ACC) waren Unterabteilungen der Nato, die heute klar identifiziert sind. Aber auch heute, wo das allgemein anerkannt ist, ist es immer noch schwierig zu erfahren, wer eigentlich was gemacht hat. Es gibt keine Dokumente, in denen man nachzuprüfen könnte, wer kommandierte, wer die Strategie der Spannung organisierte, wie die Nato, der MI6 und die aus dem rechtsextremen Lager rekrutierten Terroristen sich die Rollen untereinander aufteilten. Dass es im Innern dieser geheimen Strukturen Elemente gab, die die Strategie der Spannung angewendet haben, ist die einzige Gewissheit, die wir haben. Die Terroristen der extremen Rechten haben in ihren Aussagen vor Gericht oder gegenüber Journailsten erklärt, dass die Geheimdienste und die Nato sie in diesem Untergrundkampf unterstützt hatten. Aber wenn man Erklärungen von den Mitgliedern der Nato und des CIA verlangt - was ich über mehrere Jahre versucht habe -, beschränken sich sowohl Nato als auch CIA darauf zu sagen, dass es vielleicht einige kriminelle Elemente gegeben haben könnte, die sich ihrer Kontrolle entzogen hätten.
Silvia Cattori: Waren diese geheimen Armeen in allen europäischen Ländern aktiv?
Daniele Ganser: Mit meinen Recherchen habe ich belegt, dass diese geheimen Armeen nicht nur in Italien existierten, sondern in ganz Westeuropa, in Frankreich, in Belgien, in Holland, in Dänemark, in Schweden, in Finnland, in der Türkei, in Spanien, in Portugal, in Österreich, in der Schweiz, in Griechenland, in Luxemburg und in Deutschland.
Man würde zuerst vielleicht denken, dass es eine einheitliche Guerillastruktur gegeben habe, und diese geheimen Armeen alle bei der Strategie der Spannung mitgemacht hätten, also auch bei terroristischen Attentaten. Nun haben aber diese Geheimarmeen nicht alle an Attentaten mitgemacht. Sie haben sich unterschieden, hatten sie doch zwei ganz verschiedene Arten der Aktivität. Die geheimen Strukturen der Nato - gewöhnlich „Stay behind“ [5] genannt – waren zu Beginn so konzipiert, damit sie als Guerilla im Falle einer Okkupation Westeuropas durch die Sowjetunion eingreifen konnten. Das ist heute ganz klar. Nach Meinung der Vereinigten Staaten war dieses Guerillanetz nötig, weil die im Zweiten Weltkrieg von Deutschland eroberten Länder zu wenig vorbereitet waren und es nach der Besetzung sehr schwer war, eine Widerstandsbewegung aufzubauen.
Eine Anzahl von Ländern, die von Deutschland besetzt waren wie zum Beispiel Norwegen, zogen aus ihrer Unfähigkeit zum Widerstand gegenüber den Besatzern ihre Schlüsse und sagten sich, dass sie für eine neue Besetzung besser vorbereitet sein sollten. Sie wollten über eine andere Option verfügen und für den Fall, dass die reguläre Armee besiegt wäre, auf eine Geheimarmee zählen können. Es hatte in diesen Geheimarmeen ehrliche Leute, ernsthafte Patrioten, die ihr Land im Falle einer Besetzung verteidigen wollten.
Silvia Cattori: Wenn ich es richtig verstehe, wurden diese Stay behind, deren anfängliches Ziel die Vorbereitung auf den Fall einer sowjetischen Invasion war, von diesem Ziel abgebracht, um neu die Linke zu bekämpfen. Es fällt schwer zu begreifen, weshalb die linken Parteien nicht Untersuchungen angestellt haben und diese Umorientierung nicht früher publik gemacht haben.
Daniele Ganser: Im Falle Italiens beispielsweise wird klar, dass die kommunistische Partei nie eine Antwort bekam, wenn sie Auskünfte über die geheime Armee verlangte, die in diesem Lande unter dem Codename Gladio [6] operierte. Man schob stets den Schutz des Staatsgeheimnisses als Vorwand vor und verweigerte damit weitere Auskünfte.
Erst 1990 hat Giulio Andreotti [7] die Existenz der Gladio Geheimarmee und ihre direkten Verbindungen zur Nato, zum CIA und zum MI6 vor dem Senat bestätigt. In dieser Zeit hat der Richter Felice Casson nachgewiesen, dass der eigentliche Urheber des Attentates von Peteano im Jahre 1972, das damals Italien erschüttert hatte, und das bis zum damaligen Zeitpunkt militanten extremen Linken zugeschrieben worden war, Vincenco Vinciguerra war, der dem Ordine Nuovo nahestand, einer Gruppe der extremen Rechten. Vinciguerra hat zugegeben, das Attentat mit Hilfe der italienischen Geheimdienste begangen zu haben. Auch Vinciguerra hat von der Existenz dieser Geheimarmee Gladio gesprochen. Und er hat ausserdem erklärt, dass während des kalten Krieges diese geheimen Attentate in Europa den Tod von Frauen und Kindern verursacht hatten. Ebenfalls bestätigt hat er, dass diese von der Nato kontrollierte Geheimarmee Verästelungen überall in Europa hatte. Nachdem diese Informationen bekannt geworden waren, gab es eine politische Krise in Italien. Nur dank den Nachforschungen des Richters Felice Casson besitzt man heute die Kenntnis über die Geheimarmeen der Nato.
Als in Deutschland die Sozialisten der SPD 1990 erfahren hatten, dass auch in ihrem Land, wie in allen andern europäischen Ländern, eine geheime Armee existierte und dass ihre Strukturen mit dem deutschen Geheimdienst verbunden waren, wollten sie einen Skandal heraufbeschwören und klagten die konservative Partei der CDU an. Diese Partei reagierte folgendermassen: Falls ihr uns anklagt, werden wir dem Volk sagen, dass die SPD während der Regierung von Willy Brandt ebenfalls in diesen Komplott verwickelt gewesen war. Weil all das mit den ersten Wahlen im vereinigten Deutschland zusammenfiel, welche die SPD zu gewinnen hoffte, begriffen die Führer der SPD, dass dieses Thema 1990 kein Wahlkampfthema sein konnte. Schliesslich waren sie einverstanden damit, dass diese geheimen Armeen reingewaschen und gerechtfertigt wurden.
Im europäischen Parlament wurden im November 1990 viele Stimmen laut, die sagten, dass diese geheimen Armeen nicht toleriert werden dürften. Auch ginge es nicht an, diese Terrorakte, deren wirkliche Herkunft nicht aufgehellt sei, ohne Erklärung zu lassen. Die Hintergründe müssten erforscht werden. Darauf hat das europäische Parlament bei der Nato und bei Präsident Busch Senior schriftlich protestiert. Aber nichts geschah. Nur in Italien, der Schweiz und in Belgien wurde mit öffentlichen Untersuchungen begonnen. Von allen Ländern haben nur diese drei ein wenig Ordnung in diese Affäre gebracht und einen Bericht über ihre geheimen Armeen herausgegeben.
Silvia Cattori: Was ist heute? Sind diese geheimen Armeen immer noch aktiv? Gibt es geheime staatliche Strukturen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen?
Daniel Ganser: Für einen Historiker ist es schwierig, auf diese Frage zu antworten. Wir verfügen, wie ich schon sagte, nicht über Berichte zu allen Geheimarmeen aus den verschiedenen einzelnen Ländern. Zudem verweigern sowohl die CIA als auch die NATO jeden Kommentar. In meinen Werken analysiere ich die Tatsachen, die ich nachweisen kann. Aber weil es schon für die Vergangenheit schwierig ist, die Strategie der Spannung historisch nachzuweisen, ist es für die Gegenwart noch einiges anspruchsvoller.
Was Italien betrifft, gibt es einen Bericht, der aussagt, dass die geheime Armee Gladio aufgelöst worden ist. Über die Existenz der Geheimarmee P26 in der Schweiz gibt es ebenfalls einen Bericht des Parlaments vom November 1990. Folglich sind hier diese geheimen Armeen aufgelöst, ebenso die Waffen- und Sprengstofflager, welche diese Armeen an geheimen Orten in den jeweiligen Ländern angelegt hatten, auch in Italien und auch in der Schweiz.
Aber in den anderen Ländern hat man nichts getan. In Frankreich versicherte Präsident Mitterand, dass alles der Vergangenheit angehöre. Im Nachhinein hat man erfahren, dass diese geheimen Strukturen immer noch wirksam waren, als nämlich Giulio Andreotti zu verstehen gab, dass der französische Präsident gelogen hatte. Andreotti sagte in etwa: „Sie sagen, dass die geheimen Armeen nicht mehr existieren würden, aber beim geheimen Zusammentreffen im Herbst 1990 wart ihr Franzosen auch dabei, sagen Sie also nicht, dass diese nicht mehr existieren würden.“ Mitterand wurde ziemlich wütend über Andreotti, weil er nach dieser Enthüllung seine Aussage berichtigen musste.
Später hat der ehemalige Chef der französischen Geheimdienstes, Admiral Pierre Lacoste, zugegeben, dass diese geheimen Armeen auch in Frankreich existierten und dass sie auch in Frankreich in terroristische Attentate verwickelt waren.
Es ist also schwierig zu sagen, ob dies alles längst vergangen ist. Sogar wenn alle alten stay-behind Armeen aufgelöst worden wären, wäre es ein leichtes gewesen, neue Strukturen zu schaffen, und sich weiter dieser Techniken der Strategie der Spannung und der False flag Operationen zu bedienen, egal unter welchem neuen Namen.
Silvia Cattori: Wäre es denkbar, dass die Vereinigten Staaten und die Nato nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Strategie der Spannung und die False flag Operationen an anderen Fronten weiterentwickelt haben?
Daniele Ganser: Meine Nachforschungen haben sich auf die Periode des kalten Krieges in Europa konzentriert. Aber man weiss, dass es anderswo False flag Operationen gegeben hat, bei denen die Verantwortlichkeit von Staaten nachgewiesen werden konnte. Beispiel: die Attentate im Iran 1953, die zuerst den iranischen Kommunisten zugeschrieben wurden. Nun aber hat es sich herausgestellt, dass der CIA und der MI6 sich Provokateure bedient haben, welche sich als Kommunisten ausgaben und Terroranschläge ausübten. Das strategische Hauptziel war es damals, die Regierung Mohammed Mossadeghs zu stürzen, was gelang. Dies geschah im Zusammenhang mit dem Krieg um die Kontrolle des Erdöls. Anderes Beispiel: die Attentate1954 in Ägypten, die man zuerst den Muslims unterstellt hatte. Es hat sich in der Folge herausgestellt, dass die Agenten des Mossads die Urheber waren. Das ist unter dem Begriff Affäre Lavon [8] bekannt geworden. Hier ging es Israel strategisch darum, dass die britischen Truppen Ägypten nicht verliessen um als Puffer zwischen Agypten und Israel den Schutz Israels zu gewährleisten. Also, es gibt historische Beispiele, die zeigen, dass die Strategie der Spannung und der false flag Operationen von den USA, von Grossbritannien und Israel angewendet worden waren. Wir müssen die Nachforschungen in diesem Bereich weiter verfolgen, haben doch auch andere Länder in ihrer Geschichte diese Strategie angewendet.
Silvia Catori: Diese geheimen Strukturen der Nato, die nach dem zweiten Weltkrieg – von den USA initiiert - geschaffen wurden, um die europäischen Länder mit einer leistungsfähigen Guerilla auszustatten, die fähig war, einer sowjetische Invasion zu widerstehen, haben letztlich dazu gedient, kriminelle Operationen gegen europäische Bürger zu führen. Alles deutet darauf hin, dass die Vereinigten Staaten ganz andere Dinge anvisierten.
Daniele Ganser: Sie haben recht, diese Frage aufzuwerfen. Die Vereinigten Staaten waren an einer politischen Kontrolle interessiert. Diese politische Kontrolle ist ein wesentliches Element der Strategie von Washington und London. General Geraldo Serravalle [9], Chef der Italienischen stay-behind Geheimarmee Gladio, gibt davon ein Beispiel in seinem Buch. Er erzählt, dass die Vereinigten Staaten nicht an der Vorbereitung dieser Guerilla für den Fall einer sowjetischen Invasion interessiert waren. Er merkte, was die Agenten der CIA wirklich interessierte, die bei den von ihm geleiteten Trainingsübungen der geheimen Armee in Italien dabei waren. Sie wollten sich versichern, ob diese Geheimarmee zum Beispiel auch militante Kommunisten kontrollieren konnten. Washington fürchtete, dass die Kommunisten in Ländern wie Griechenland, Italien und Frankreich an die Macht gelangen könnten. Das war es also, wozu die Strategie der Spannung dienen musste: Die Politik gewisser Länder Westeuropas zu beeinflussen und eine bestimmte Richtung zu geben.
Silvia Cattori: Sie haben vom emotionalen Element gesprochen als wichtigem Faktor in der Strategie der Spannung. Also sollte der Terror, dessen Herkunft für die Menschen im Unklaren bleibt und die Angst, die er hervorruft, zur Manipulation der Meinung dienen. Nimmt man heute nicht an ähnlichen mafiösen Prozessen teil? Gestern schürte man die Angst vor dem Kommunismus, heute schürt man nicht die Angst vor dem Islam?
Daniel Ganser: Ja es gibt eine sehr deutliche Parallele. Während der Vorbereitungen zum Krieg gegen den Irak im Jahre 2002 und 2003 hat man gesagt, dass Saddam Hussein biologische Waffen besitze, dass es eine Verbindung zwischen dem Irak und dem Attentat vom 11. September gebe oder dass eine Verbindung zwischen dem Irak und den Terroristen von Al Qaida existiere. Aber all das war nicht wahr. Mit diesen Lügen wollte man die Welt glauben machen, das die Muslime den Terrorismus überall verbreiten wollten, dass dieser Krieg notwendig sei, um den Terror zu bekämpfen. Nun aber war der wahre Grund für den Krieg die Kontrolle über die Energieressourcen. Aus geologischen Gründen konzentrieren sich die Reichtümer von Gas und Erdöl in den muslimischen Ländern. Wer sich ihrer bemächtigen will, muss sich hinter solchen Manipulationen verstecken.
Man kann der Welt nicht sagen, dass es nicht mehr genug Erdöl hat, weil das Produktionsmaximum auf der Welt, der „peak oil“, vermutlich vor 2020 erreicht wird und deshalb das Erdöl des Iraks geraubt werden müsse. Die Leute würden sagen, dass man wegen des Erdöls keine Kinder töten dürfe. Und sie haben recht. Man kann ihnen auch nicht sagen, dass es unter dem Kaspischen Meer enorme Reserven habe und dass man darum eine Pipeline zum Indischen Ozean bauen wolle. Man kann auch nicht sagen, dass man vom Kaspischen Meer über den Osten vorstossen und darum Turkmenistan und Afghanistan kontrollieren müsse, weil man die Pipeline nicht durch den Iran im Süden und auch nicht durch Russland im Norden legen könne. Aus diesem Grunde muss man die Muslime als Terroristen bezeichnen. Das sind grosse Lügen, aber wenn man tausendfach wiederholt, dass die Muslime Terroristen seien, beginnen es die Leute am Ende zu glauben und beginnen zu denken, dass diese Kriege gegen die Muslime nützlich wären. Sie beginnen auch zu vergessen, dass es viele Formen des Terrorismus gibt und dass die Gewalt nicht zwangsweise eine muslimische Spezialität ist.
Silvia Cattori: Im Grunde hätten diese geheimen Strukturen aufgelöst werden können, aber die Strategie der Spannung wurde fortgesetzt?
Daniele Ganser: Dies ist richtig. Man kann Strukturen auflösen und daneben neue aufbauen. Es ist wichtig zu erklären wie in der Strategie der Spannung die Taktik und die Manipulation funktioniert. Dies alles ist illegal.
Aber für die Staaten ist es viel leichter die Menschen zu manipulieren als ihnen zu sagen, dass man versuchen will die Hand über das Erdöl anderer zu legen. Natürlich sind nicht alle Attentate auf die Strategie der Spannung zurückzuführen. Aber es ist schwierig zu wissen welche Terroranschläge durch wirkliche Terroristen ausgeführt werden und welche durch die Geheimdienste manipuliert sind. Sogar jene die wissen dass manche Terroranschläge durch Staaten manipuliert werden um politische Feinde zu diskreditieren, können an eine psychologische Barriere gelangen. Nach jedem Anschlag haben die Menschen Angst, sie sind durcheinander. Es ist sehr schwer zu akzeptieren, dass die Strategie der Spannung, und die Strategie des False flag eine Realität sind. Es ist einfacher die Manipulation zu akzeptieren und sich zu denken: ’Seit dreissig Jahren informiere ich mich und ich habe nie von diesen kriminellen Geheimarmeen gehört. Die Muslime greifen uns an und aus diesem Grunde bekämpfen wir sie.’
Silvia Cattori: Von 2001 an hat die EU Anti-Terror Massnahmen ergriffen. Es hat sich dann gezeigt, dass diese Massnahmen der CIA erlaubte Menschen zu entführen, sie an geheime Orte zu transportieren und zu foltern. Sind die europäischen Staaten nicht ein wenig Opfer ihrer Unterwerfung der USA geworden?
Daniele Ganser: Die europäischen Staaten haben nach den Attentaten des 11. Septembers 2001 gegenüber den USA eine schwache Haltung eingenommen, wie Vasallen. Nachdem sie erklärt hatten, dass geheime Gefägnisse illegal sind, liessen sie es geschehen. Das gleiche mit den Gefangenen von Guantanamo. In Europa wurden Stimmen laut die sagten: ‚Man kann Gefangenen nicht den anwaltlichen Beistand verweigern.’ Als Frau Angela Merkel diese Frage wegen Guantanamo aufbrachte haben die USA ihr klar gemacht, dass Deutschland im Irak mitverwickelt sei, dass ihre Geheimdienste mitgeholfen hatten den Krieg vorzubereiten und deshalb zu schweigen hätte.
Silvia Cattori: In diesem Kontext, in dem es noch viele ungeklärte dunkle Stellen gibt, stellt sich die Frage welche Sicherheit kann die Nato den Völkern, die sie beschützen sollte, noch geben, wenn sie den Geheimdiensten erlaubt, die Bevölkerung zu manipulieren?
Daniele Ganser: Was die manipulierten terroristischen Attentate durch die Geheimarmeen des Netzes Gladio während des Kalten Krieges angeht, ist es wichtig klar bestimmen zu können ob und wie die Nato daran mitbeteiligt war und zu wissen was wirklich geschah. Waren es isolierte Anschläge oder Taten die durch die Nato geheim organisiert worden waren? Bis zum heutigen Tag weigert sich die Nato über die Strategie der Spannung und über den Terrorismus während des Kalten Krieges Auskunft zu geben; die Nato weist alle Fragen über Gladio zurück.
Heute missbraucht man die Nato als Angriffsarmee, obwohl diese Organisation nicht dazu gegründet wurde. Man hat sie am 12. September 2001, unmittelbar nach den Attentaten von New York, aktiviert. Die Mitglieder der Nato bestätigen, dass der Grund ihrer Teilnahme am Krieg gegen die Afghanen der Kampf gegen den Terrorismus sei. Aber die Nato riskiert diesen Krieg zu verlieren. Es wird eine grosse Krise ausbrechen mit Debatten. Wir müssten wissen, ob die Nato, wie sie es behauptet, einen Krieg gegen den Terrorismus führt, oder ob es sich um eine Situation wie im Kalten Krieg handelt und Geheimarmeen wie Gladio den Terrorismus manipulieren. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Nato sich in ihrer Geschichte an ihren Auftrag hielt, die europäischen Länder und die USA im Falle eines Angriffes der UdSSR zu verteidigen - was nie geschah – denn dafür wurde sie gegründet. Oder ob die Nato mit Geheimarmeen im Kalten Krieg den Terror manipulierte und die Angst vor den Kommunisten schürte. Ganz sicher wurde die Nato nicht gegründet um sich des Erdöls oder des Erdgas der arabischen Länder zu bemächtigen.
Silvia Cattori: Man könnte noch verstehen, wenn Israel, das Interesse an einer Ausbreitung der Konflikte in arabischen und muslimischen Ländern hat, die USA in diesem Sinne ermutigt. Aber wo liegen die Interessen der europäischen Länder sich mit Truppen in einem Krieg wie in Afghanistan zu engagieren, und das unter dem Kommando des Pentagon?
Daniele Ganser: Ich denke Europa ist verwirrt. Die USA sind in einer Position der Stärke und die Europäer haben die Tendenz zu denken das Beste sei sich dem Stärkeren anzuschliessen. Aber man müsste ein wenig weiter denken. Die europäischen Parlamentarier weichen schnell dem Druck der USA, die immer mehr Truppen fordern an dieser oder jener Front. Je mehr die europäischen Länder weichen, je mehr sie sich untergeben, desto mehr werden sie mit immer grösseren Problemen konfrontiert. In Afghanistan stehen die Deutschen und Briten unter amerikanischem militärischem Kommando. Strategisch gesehen ist dies für die Länder keine interessante Position. Jetzt verlangen die USA von den Deutschen Soldaten auch in den Süden von Afghanistan zu verlegen, in Gebiete wo der Krieg viel rüder ist. Wenn die Deutschen ja sagen, riskieren sie durch afghanische Kräfte massakriert zu werden die jede Besetzung ablehnen. Deutschland müsste sich ernsthaft überlegen ihre 3000 Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Aber für die Deutschen, die ein wenig die Vasallen der USA sind, ist es ein schwieriger Schritt den Befehlen der USA gegenüber ungehorsam zu sein.
Silvia Cattori: Was wissen unsere Autoritäten die uns heute regieren von den Strategien der Spannung? Können diese weiter zulassen dass Kriegstreiber Staatsstreiche anstiften, Entführungen und Folter betreiben ohne zu reagieren? Haben sie noch die Möglichkeit kriminelle Aktivitäten zu unterbinden?
Daniele Ganser: Ich weiss es nicht. Als Historiker beobachte ich, und dokumentiere vor allem die Geschehnisse. Als politischer Berater sage ich, dass man den Manipulationen, die Angst erzeugen und allen weismachen wollen, dass die ‚Terroristen’ immer die Muslime sind, nicht nachgeben darf; ich sage dass es um den Kampf über die Kontrolle der Energiereserven geht; man muss Mittel finden die Energieknappheit zu überwinden ohne in Richtung einer Militarisierung zu gehen. Man kann die Probleme nicht auf diese Art lösen: man verschlimmert sie damit.
Silvia Cattori: Wenn man die Verteufelung der Araber und der Muslime, ausgehend vom Israel-Palästina Konflikt beobachtet, denkt man dies hätte nichts mit dem Erdöl zu tun?
Daniele Ganser: Ja, in diesem Fall ja. Aber aus der Perspektive der Vereinigten Staaten handelt es sich um den Kampf die Kontrolle über die Energiereserven zu übernehmen, über diesen Eurasischen Teil der in der „Strategischen Ellipse“ die von Aserbeidschan, über Turkmenistan und Kasachstan bis nach Saudi-Arabien, Irak, Kuwait und den Persischen Golf reicht. Das ist genau da, in dieser Region wo sich dieser angebliche Krieg „ Gegen den Terrorismus“ entwickelte wo sich die wichtigsten Öl- und Gasreserven gehäuft befinden. Meiner Meinung nach handelt es sich um nichts anderes als um ein geostrategisches Machtspiel in dem die europäische Union nur verlieren kann. Denn, wenn die USA die Kontrolle über diese Reserven übernehmen und die Energiekrise sich verschlimmert werden die USA uns Europäern sagen:“ Sie wollen Gas, sie wollen Erdöl? –Sehr gut, im Gegenzug wollen wir dafür dies oder das“. Die Vereinigten Staaten werden das Erdöl und das Gas den europäischen Ländern nicht umsonst geben. Wenige Menschen wissen, dass der „ peak-oil“, das Produktionsmaximum, in der Nordsee bereits erreicht wurde und dass damit die Erdölproduktion in Europa – die Produktion in Norwegen und in Grossbritannien – sich im Niedergang befindet.
An dem Tag an dem die Menschen realisieren werden, dass die Kriege gegen den Terrorismus manipuliert sind und dass die Beschuldigungen gegen die Moslems, ein Teil der Propaganda sind, werden sie überrascht sein. Die europäischen Staaten müssen aufwachen und verstehen, wie die Strategie der Spannung strategisch funktioniert. Sie müssen auch lernen den USA „nein“ zu sagen. Auch in den USA gibt es viele Menschen, die diese Militarisierung der internationalen Beziehungen nicht wollen.
Silvia Cattori: Sie haben auch Forschungen zu den Attentaten des 11. September 2001 gemacht und als Co-Autor mit anderen Intellektuellen die über Ungereimtheiten und Widersprüche in der offiziellen Sicht der Ereignisse und den Ergebnissen der von Herrn Bush eingesetzten Untersuchungskommission beunruhigt sind, ein Buch geschrieben? Haben Sie nicht die Befürchtung als „Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet zu werden?
Daniele Ganser: Meine Studenten und andere Leute haben mich immer gefragt: Wenn es bei diesem „Krieg gegen den Terrorismus“ wirklich um Erdöl und Erdgas geht, könnten die Attentate des 11. Septembers nicht auch manipuliert worden sein? Oder ist es ein Zufall, dass die Muslime von Oussama ben Laden genau in dem Augenblick zugeschlagen haben als die Länder des Westens begannen zu verstehen, dass sich eine Erdölkrise ankündigte? Da habe ich begonnen mich zu interessieren was über den 11. September geschrieben wurde. Vor allem habe ich den offiziellen Untersuchungsbericht zu den Terroranschlägen studiert, der im Juni 2004 veröffentlicht wurde. Wenn man als Historiker in dieses Thema eintaucht, sieht man von vornherein, dass es eine grosse globale Debatte gibt, rund um das was sich wirklich am 11. September 2001 abgespielt hat.
Die Information die wir haben ist nicht sehr genau. Wichtige Fragen und Ereignisse werden im sechshundertseitigen Untersuchungsbericht überhaupt nicht erwähnt, darunter zum Beispiel der Einsturz des so genannten „dritten Turmes“,. Die Kommission spricht in ihrem Bericht nur vom Einsturz von zwei Türmen, den „Twin-Towers“. Das ist ungenau, denn es gab noch einen dritten Turm mit einer Höhe von 170 Metern, der am 11. September in New York eingestürzt war; der Turm heisst WTC 7. Einige spätere US Regierungsberichte sagen, ein kleines Feuer habe das WTC7 zum Einsturz gebracht. Aber ich habe mit Professoren gesprochen, die die Struktur der Gebäude gut kennen; sie sagen dass ein kleines Feuer die Struktur einer so grossen Dimension nicht zerstören kann. Die offizielle Geschichte des 11. Septembers, die Schlussfolgerungen der Kommission, sind nicht glaubwürdig. Dieser Mangel an Klarheit bringt die Forscher in eine schwierige Situation. Verwirrung herrscht auch über das was sich wirklich im Pentagon ereignet hat. Man sieht auf den vorhandenen Videobildern nicht wie darauf ein Flugzeug hätte stürzen sollen.
Silvia Cattori: Das Parlament von Venezuela hat die Vereinigten Staaten gebeten umfangreichere Erklärungen zu bringen, um den Ursprung der Attentate zu erhellen. Sollte das nicht ein nachahmenswertes Beispiel sein?
Daniele Ganser: Es gibt über den 11. September viele Unsicherheiten. Die Parlamentarier, die Universitäten, die Bürger haben das Recht auf Antworten was wirklich stattgefunden hat. Ich denke es ist wichtig sich weiter darüber Gedanken zu machen. Es ist ein Ereignis blich, dass man fünf Jahre später immer noch nicht genau weiss wdass niemand vergessen kann; jeder erinnert sich wo er sich in jenem Moment befand. Es ist unglauas damals geschah.
Silvia Cattori: Man bekommt den Eindruck, dass alle offiziellen Körperschaften die öffentliche Darstellung nicht in Frage stellen wollen. Haben sie sich manipulieren lassen durch die Desinformation, organisiert durch die Strategen der Spannung und des „False flag“?
Daniele Ganser: Wenn man Angst hat ist man manipulierbar; Angst die Arbeit zu verlieren, Angst den Respekt der Menschen die einen lieben zu verlieren. Man kann die Spirale der Gewalt und des Terrors nicht verlassen, wenn man die Angst siegen lässt. Angst zu haben ist normal, man muss offen darüber sprechen und auch über die Manipulationen die sie nähren. Niemand kann den Konsequenzen entfliehen. Dies ist umso schlimmer als politisch Verantwortliche oft unter dem Eindruck dieser Angst handeln. Man muss die Kraft finden zu sagen : „ ja, ich habe Angst, dass die Lügen Menschen leiden machen; ja, ich habe Angst zu denken, dass es bald nicht mehr viel Erdöl hat; ja, ich habe Angst, dass dieser Terrorismus von dem man spricht die Konsequenz von Manipulationen ist, aber ich werde mich nicht einschüchtern lassen“.
Silvia Cattori: Bis zu welchem Punkt beteiligen sich Länder wie die Schweiz an dieser Politik der Spannung?
Daniele Ganser: Ich denke in der Schweiz gibt es keine Strategie der Spannung. Dieses Land kennt keine terroristischen Anschläge. Aber was wahr ist, ist, dass die Politiker in der Schweiz wie anderswo, die Vereinigten Staaten mit deren Stellung der Macht fürchten und die Tendenz haben sich zu sagen: Es sind gute Freunde, wir haben kein Interesse uns mit ihnen anzulegen.
Silvia Cattori: Diese Art zu denken und Lügen zu decken die aus der Strategie der Spannung herrühren, macht sie nicht jeden zum Komplizen der Verbrechen die daraus entstehen? Bei den Journalisten und den politischen Parteien angefangen?
Daniele Ganser: Persönlich denke ich, dass jedermann – Journalisten, Akademiker, Politiker –über die Verwicklungen der Strategie der Spannung und des False flags nachdenken sollte.
Da stehen wir. Es ist wahr, in Anbetracht der Phänomene, die unser Verständnis übersteigen. Deshalb muss man sich jedes Mal, wenn es terroristische Attentate gibt fragen und zu verstehen versuchen was dahinter steckt. Erst ab dem Tag, wo man offiziell zugibt, dass die „false Flag“ tatsächlich existieren, wird man eine Liste der „false Flag“ erstellen die in der Geschichte stattgefunden haben und sich darüber einigen, was zu tun wäre.
Das Streben nach Frieden ist das Thema, das mich interessiert. Es ist wichtig die Debatte über die Strategie der Spannung in Gang zu bringen und festzustellen, dass es sich um ein reales historisches Phänomen handelt. Denn solange man die Existenz der Strategie der Spannung nicht anerkennt kann man nicht handeln. Aus diesem Grund ist es wichtig zu erklären, was die Strategie der Spannung wirklich bedeutet. Und wenn man sie einmal verstanden hat lässt man sich nicht mehr durch Angst oder Hass gegen eine Gruppe einnehmen,
Man muss dabei sagen, dass es sich nicht nur um ein einzelnes Land handelt, dass darin verwickelt ist; dass es nicht nur die Vereinigten Staaten, Italien, Israel oder der Iran sind, sondern dass sich das überall abspielt, auch wenn bestimmte Länder daran intensiver teilnehmen als andere.
Man muss verstehen ohne dieses Land oder jene Person anzuklagen. Angst und Hass helfen uns nicht weiter, sondern lähmen die Diskussion. Ich erlebe viele Anklagen gegen die Vereinigten Staaten oder auf der anderen Seite gegen den Iran und Syrien. Aber die Friedensforschung lehrt uns, das man sich nicht zu Beschuldigungen nationalistischer Art hinreissen lassen sollte und dass weder Hass noch Angst notwendig sind, dass das wichtigste ist aufzuklären.
Dieses Verständnis würde uns allen helfen.
Silvia Cattori: Warum wurde ihr Buch – das im Original auf englisch erschienen ist und die Geheimarmeen der Nato beschreibt - auf italienisch, auf türkisch, auf slowenisch übersetzt, und bald auch auf griechisch, jedoch noch nicht auf französisch?
Daniele Ganser: Ich habe noch keinen Verlag in Frankreich gefunden. Falls ein Herausgeber daran interessiert ist mein Buch auf Französisch zu übersetzen und zu veröffentlichen würde mich das freuenhttp://www.voltairenet.org/article144708.html
Silvia Cattori Schweizer Journalistin