13 Oktober 2011
NZZ -- Paul Woolley hat mit Finanzgeschäften ein Vermögen gemacht. Jetzt lässt er an der London School of Economics erforschen, warum die Märkte verrückt spielen – und was man dagegen unternehmen kann. Im Interview nimmt er Stellung zum Sinneswandel: "Die Investoren setzen auf kurzfristige Bewegungen am Markt und glauben, damit höhere Rendite erwirtschaften zu können, als wenn sie langfristig anlegen würden. Das bringt nur den Akteuren der Finanzindustrie etwas. Sie generieren Gebühren, weil ihr Bonus daran gemessen wird. Aber die Renditen, die etwa Pensionskassen mit kurzfristigem Verhalten erzielt haben, lagen in den letzten zehn Jahren nahe null! … Die Marktpreise für Aktien, Obligationen, Rohstoffe oder Immobilien stimmen nicht mehr mit den realen Werten der Anlagen überein. Sie sind völlig verzerrt. Entweder schießen sie über und es gibt Preisblasen, oder sie kollabieren fast ohne ersichtlichen Grund. … Seit Investmentfonds in Rohstoffe investieren, stellen sie einen riesigen Flurschaden an. Plötzlich haben große Anleger kumuliert 500 Milliarden Dollar in Rohstoffe geleitet, die sie gar nicht brauchen. Für die Investmentfonds ist es nur ein Spiel. Sie lösen damit aber riesige Preisschwankungen aus, und die verzerrten Preise wiederum geben falsche Signale an Produzenten und Konsumenten der Rohstoffe. … In Großbritannien krempeln Pensionskassen, die eigentlich einen langen Anlagehorizont haben sollten, ihr Portefeuille einmal pro Jahr komplett um. In den 25 Jahren, in denen Ihr Vorsorgevermögen angelegt ist, wird es 25 Mal ausgewechselt. Das verursacht enorme Kosten und dient nur den Banken und Fondsmanagern, welche die Wertpapiere verkaufen und kaufen. Die werden reich, nicht Sie! … Die Finanzindustrie hat verstanden, dass mit dem System unendlich viel Geld zu verdienen ist. Dabei bestünde ihre Kernaufgabe nur darin, eine Infrastruktur für die Realwirtschaft zu bieten. Geld soll von den Sparern dahin gelenkt werden, wo es gut investiert werden kann. Heute aber schöpft die Finanzbranche enorm hohe Renditen ab und bereichert sich auf Kosten der Realwirtschaft. Das gefährdet das System. Die Finanzindustrie ist eine zerstörerische Kraft geworden."
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