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10 Oktober 2010

Neues von Buback Geheimdienst Terror Prozess

GEHEIM Nr. 4/2009 - 4. Dezember 2009

RAF-Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback
Geliebter Verrat, ungeliebte Verräterin
Geld, Akten, Vermerke: Niemand stellte den Fall Buback/Becker in den historischen Kontext

Von Ingo Niebel

War sie's oder was war sie? Die beiden Fragen beziehen sich auf ein und dieselbe Person: Verena Becker. Die Deutsche ist verdächtig, 1977 am Mord an Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter beteiligt gewesen zu sein. Deshalb sitzt sie seit drei Monaten in U-Haft.(*) Ihr Anwalt hat Mitte November 2009 Haftverschonung beantragt. In den Monaten bis zu Beckers Festnahme drehte sich die Berichterstattung einzig und allein um die Frage "War sie's oder war sie's nicht?" Bis dato wurde das ehemalige Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) noch nie wegen des Buback-Attentats angeklagt.

Die zweite Frage - nach dem "Was war sie?" - kommt auf, wenn man zwischen den Zeilen der freien deutschen Presse liest und einige Versatzstücke aus den unterschiedlichen Artikeln zusammenträgt. Kombiniert man diese dann mit der Arbeitsweise von Geheimdiensten und historischen Fakten, ergibt sich ein interessantes Bild, das so gar nicht in die heile Welt des realexistierenden Bundessicherheitsstaates und Exporteurs demokratischer Grundrechte passen will.

1. Nebelkerze: Die Aktenfrage

Zu den Fakten zählt, dass sich Becker nach ihrer Verurteilung in die Obhut des deutschen Inlandsgeheimdienstes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), begab. Die Liaison zwischen der Aktivistin und den Schlapphüten brachte Bubacks Sohn Michael auf Plan, der nach wie vor wissen will, wer seinen Vater erschoss. Aufschluss könnten die V-Schutz-Akten geben, aber die rückt das Bundesinnenministerium nicht raus - angeblich um seine Quellen zu schützen. In dem rechtlichen Hin und Her über die Aktenfreigabe und ihren Gebrauchswert im laufenden Verfahren spielt die bürgerliche Presse eine besondere Rolle. Allen voran positioniert sich hier die Süddeutsche Zeitung (SZ).

In der Ausgabe vom 12. September 2009 berichtete ihr Spezialist für dieses Metier, Hans Leyendecker: "Beckers Verteidiger will Geheimdienstakte". Kryptisch heißt es in dem Artikel: "Kenner der Akten sagen vertraulich, die Unterlagen taugten keineswegs für die Auflösung des Buback-Falles, sie seien eher für Historiker interessant." Und die müssen laut Archivgesetz mindestens bis 2027 auf die Freigabe der Papiere warten. Aber es geht auch weniger um Beckers Aussagen zum Buback-Anschlag, sondern darum, ob und wie lange sie für das BfV gearbeitet hat.

2. Nebelkerze: Das Honorar - 5000 oder 100.000 DM?

Dieser Frage möchten der Staat und die ihn unterstützenden Medien tunlichst ausweichen. Also erlaubt das BfV seinem ehemaligen "RAF-Chefauswerter" Winfried Ridder, sich von diversen Medien interviewen zu lassen. Seinen ersten wichtigen Auftritt hatte er in der ARD-Dokumentation "Bubacks Mörder - auf der Spur eines ungeklärten Verbrechens" des Journalisten Egmont R. Koch. Dort wird bekannt, dass Becker für ihre Aussagen Geld erhielt. Von 100.000 DM (50.000 Euro) ist die Rede. Der Spiegel reduziert die Summe auf 5000 Mark. Die Debatte um die Höhe der Summe ist eine weitere Nebelkerze, die den Blick auf das Wesentliche verstellen soll. Denn bereits einige Tage vor der Ausstrahlung von Kochs Film hatte Leyendecker einen Aktenvermerk des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Deutschen Demokratischen Republik angesprochen, der so gar nicht ins heile Bild vom bundesdeutschen Rechtsstaat passt.

Angriff ist die beste Verteidigung

Am 2. September veröffentlichte die SZ "Die Notizen des Stasi-Majors Siegfried J." zum Casus Becker. Während Leyendecker den Nachnamen des Offiziers anonymisiert, ist dieser auf dem abgebildeten Aktenausschnitt als "Jonas" zu identifizieren. Aber viel interessanter an dem von der SZ publizierten Aktenvermerk des MfS ist folgende Passage und wie Leyendecker damit umgeht. Am 2. September 1978 hielt der Major fest:

"Es liegen zuverlässige Informationen vor, wonach die B. seit 1972 von westdeutschen Abwehrorganen wegen der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten wird. Diese Informationen wurden durch Mitteilungen der HVA (Hauptverwaltung Aufklärung, IN) vom (sic) 1973 und 1976 bestätigt."

Folgerichtig schlussfolgert der SZ-Redakteur:

"Schon als blutjunge Anarchistin, dann als Mitglied der RAF, soll die im Juli 1952 geborene frühere Terroristin heimlich mit dem westdeutschen Verfassungsschutz kooperiert haben." Und "unter Kontrolle halten", heißt im MfS-Deutsch, laut Leyendecker: "eigentlich Zusammenarbeit". Auch dem ist zuzustimmen. Aber das führt den SZ-Journalisten gezwungenermaßen zu der Erkenntnis: "Da Verena Becker nach dem Mordanschlag auf den früheren Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dessen beide Begleiter im April 1977 die Bekennerbriefe in der Hand hatte, wären deutsche Nachrichtendienste quasi mit einer Quelle dabei gewesen. 'Mord im Staatsauftrag' würde die weitere Fortsetzung dieser wüsten Verschwörungstheorie lauten". Leyendeckers Wortwahl lässt vermuten, dass das nicht sein kann, weil es nichts sein darf, also konstatiert er weiter: "Die These erscheint ebenso unsinnig wie viele der Theorien über den Buback-Mord, die in den vergangenen Wochen verbreitet wurden." Der Rest des umfangreichen Artikels dient, um diese Aussage zu belegen, denn gemäß Leyendecker hatte sich der MfS-Major "missverständlich ausgedrückt". Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel sekundierte am 7. September, als es zum Aktenvermerk des MfS festhielt: "Das aber bedeutet wohl nur, dass der Verfassungsschutz sie im Visier hatte."

Leyendecker blieb bei der eingeschlagenen Linie und begann seinen Artikel "Kölner Geheimnisse" in der Ausgabe vom 5/6. September 2009 mit der Feststellung: "Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat in einem auch der Bundesregierung vorliegenden Bericht ausgeschlossen, dass es zwischen dem Frühjahr 1972 und dem Frühjahr 1980 irgendeine Form der Zusammenarbeit mit der ehemaligen RAF-Terroristin Verena Becker gegeben hat."

Diese Behauptung stützt auch der Spiegel in der bereits zitierten Ausgabe, indem er die Aussage des "RAF-Chefauswerters beim Verfassungsschutz" Ridder hinterher schiebt: "Wenn irgendein Nachrichtendienst Becker schon damals als Quelle gewonnen hätte, hätten wir das auf jeden Fall gewusst."

Damit haben die beiden wichtigsten als liberal geltenden Medien Deutschlands den Glauben an den Rechtsstaat und die Rechtschaffenheit seines Inlandsgeheimdienstes wiederhergestellt. Wieder einmal siegt der "Rechtsstaat BRD" über den "Unrechtsstaat DDR". Die Journalisten hätten ja auch dumm ausgesehen, wenn das BfV den Aktenvermerk des MfS bestätigt hätte. Oder ihren eigenen Glauben in Frage gestellt, wenn sie bei Ridder mal nachgefragt hätten, welche anderen Geheimdienste sich für Becker und die anderen RAF-Aktivisten interessiert haben könnten.

Was man nicht sehen möchte

Der offensive Umgang mit den unangenehmen Fakten und deren einseitige Interpretation haben nur einen Zweck: den Blick in eine Richtung zu lenken und zwar hin zu Becker und ihrer aktuellen Situation, weg vom Geheimdienst und dem in Westeuropa praktizierten "Anti-Terror-Kampf". Es ist keineswegs "unsinnig", wie Leyendecker behauptet, mal ein paar Gedanken darauf zu verschwenden, ob es dem BfV nicht doch gelungen ist, möglicherweise mit Becker die RAF und andere Strukturen zu infiltrieren. Dieser Gedanke ist umso berechtigter, weil es zur Methodik eines Nachrichtendienstes gehört, feindliche Organisationen zu unterwandern. Es nicht zu tun, wäre unnatürlich und unprofessionell. Es mag ja sein, dass man glauben möchte, das BfV habe aus irgendwelchen Gründen weder die Gruppe 2. Juni noch die RAF infiltriert. Aber diese Annahme widerspricht den historischen Fakten. Die NATO-Staaten unterhielten eine hochgeheime Armee-Struktur namens Gladio. Die in diesem Rahmen eingesetzten Beamten und Militärs hatten keine Hemmungen, wie das italienische Beispiel zeigt, "linke" Strukturen zu infiltrieren, um ihnen Attentate unterzuschieben. Das diente der indirekten Einflußnahme auf die öffentliche Politik.

Die erste und zweite Generation der RAF brachten den Bonner Staat dazu, mit seinen "Anti-Terror-Maßnahmen" einen nicht erklärten Ausnahmezustand zu verhängen. Und da soll ausgerechnet der Inlandsgeheimdienst nicht versucht haben, die RAF von innen "aufzuklären"?

In der Öffentlichkeit wird eher von den Pannen eines Dienstes gesprochen als von seinen Erfolgen. Und wenn Becker einer dieser verschwiegenen Erfolge war, was die Infiltration der RAF betraf? Das bedingt nicht, dass die Geheimen für das Attentat auf Buback per se verantwortlich waren, wohl aber ergibt sich die Frage, warum sie es nicht verhindern konnten. Kam es zu einer Panne? Wurde vielleicht eine Warnung nicht rechtzeitig weitergeben? Welche Rolle spielten die US-Geheimdienste im Bonner Anti-RAF-Kampf? Italien lehrt auch, der Frage nachzugehen, ob jemand zwischen Bonn und Washington einen deutschen Aldo Moro für seine Zwecke brauchte? Seit den 90er Jahren ist belegt, dass Italiens Gladio-Struktur in die Entführung des Vorsitzenden der italienischen Christdemokraten involviert war und Rom nichts für seine Freilassung tat, wie der GEHEIM-Autor Gerhard Feldbauer in zahlreichen Artikeln und Büchern nachgewiesen hat.

Wem nutzt es?

1977 beschrieb der Hamburger Politologe Wolfgang Kraushaar die Folgen des Anschlags auf den Generalbundesanwalt so: "Die Chance, nach der Abhöraffäre (um den Atomwissenschaftler, IN) Traube eine öffentliche Debatte über den Verfassungsschutz zu initiieren, wurde durch den Mord an Buback und seinen Begleitern gründlich vertan; der Mord führte ganz im Gegenteil zur Quasi-Legitimation illegaler Geheimdienstpraktiken".

Das Zitat entstammt dem Werk "Das RAF-Phantom". Seit 1992 gehen die Journalisten Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker in mehreren Neuauflagen der Feststellung nach, die sie in ihrem Untertitel formuliert haben: "Wozu Politik und Wirtschaft brauchen". Sie kommen zu dem Schluss, dass 1982 mit der Verhaftung von Christian Klar das letzte bekannte Mitglied der zweiten RAF-Generation von der Bildfläche verschwand. Andere RAF-Angehörige hatten sich in die DDR geflüchtet und dort integriert. Von 1981 bis 1982 packte Becker beim V-Schutz aus. Sieben Personen tauchten 1984 ab. Ob sie etwas mit den ihnen zur Last gelegten Attentaten zu tun haben, ist nicht bekannt. Aber jenes "Jahr markiert mit den zum Teil gescheiterten Attentaten auf US-Einrichtungen den Beginn des Terrors der phantomhaften Dritten Generation" der RAF, schreibt das Journalisten-Trio. Des Weiteren hält es über die Rolle der Geheimdienste fest: "Der Anteil ihrer V-Leute und Mitarbeiter am Konzept des Terrors reicht von Bespitzelung, Unterwanderung, Provokation und Waffenbeschaffung bis hin zu Entwürfen, wie Terrorgruppen in Staatsregie zu gründen seien".

Zeugenschutzprogramme

Die Nähe deutscher Dienste in und um die RAF wurde im April 2008 noch einmal deutlich, als das Springer-Blatt Bild fragte: "Versteckt der Staat seit 25 Jahren einen RAF-Terroristen?" Dabei handelt es sich um Gerhard Müller, der 1971 einen Polizisten erschossen und damit den ersten Mord der RAF begangen haben soll. Obwohl es damals kein Kronzeugenprogramm gab, kam der Aktivist in den Genuss eines Zeugenschutzprogrammes - nachdem er umfangreich ausgesagt hatte. Müllers Informationen haben zu den Verurteilungen im Stammheimer Prozeß geführt, schreibt Helmut Kerscher am 7. April 2008 in der SZ. Abschließend heißt es dort: "Müller wird vom RAF-Experten Butz Peters als "Chefeinkäufer" von Sprengstoffmaterial geschildert. Er habe im Jahr 1972 säckeweise Chemikalien gekauft, insgesamt 500 Kilogramm Ammoniumnitrat und 250 Kilogramm Calium. Peters bezieht sich auf das ausführliche Protokoll einer Vernehmung Müllers durch das Bundeskriminalamt im April 1976. Darin nannte er auch einen RAF-Mann als Mörder, der wegen dieser Tat später verurteilt wurde". In diesem Fall war es die Bundesanwaltschaft, die dementierte, sie hätte Müller vor Strafverfolgung geschützt und Unterlagen über den Polizistenmord beiseite geschafft.

Aktenfreigabe

Vor diesem Hintergrund dürften die Becker-Akten der BfV-Auswerter sehr wohl interessant sein. Noch wichtiger sind aber die Unterlagen der operativen Abteilung des Geheimdienstes, die ab einem bestimmten Zeitpunkt die Aktivistin und ihr Umfeld überwachte. Nach ihnen muss gefragt werden, ebenso wie nach den Akten, die die verschiedenen Staatsschutzstellen der Polizeien des Bundes und der Länder angelegt haben. Wer von den bundesdeutschen Geheimdiensten jener Zeit spricht, darf deren Sippschaft aus Übersee nicht vergessen: allen voran die CIA und in ihrem Tross die übrigen Nachrichtendienste der USA. Auch diese haben "den Alltag der Bundesrepublik unmerklich unterwandert und durchwirkt", heißt es im "RAF-Phantom".

Wenn Becker nicht so vorausschauend war, sich gegen unangenehme Eventualitäten wie die aktuelle U-Haft abzusichern, wird der deutsche Staat die "ungeliebte Verräterin" als Bauernopfer benutzen, um sich und sein Image als Rechtsstaat zu schützen. Das Einfachste für ihn wäre, Becker mit neuen DNA-Proben erneut für lange Zeit wegzuschließen. Damit wäre dann auch die erste Frage dieses Artikels mit einem "Sie war's" fürs erste beantwortet.

(*) Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Am 23.12.2009 wurde Verena Becker aus der Untersuchungshaft entlassen.
Mit der Anklageerhebung wird bis Ende März 2010 gerechnet.


Verena Becker (* 31. Juli 1952 in Berlin-Wilmersdorf) ist ein ehemaliges Mitglied der Bewegung 2. Juni und schloss sich später der Rote Armee Fraktion (RAF) an.

Zum ersten Mal wurde Verena Becker verhaftet, weil sie 1972 nach dem .Bloody Sunday. einen Bombenanschlag auf den Berlin British Yacht Club in Berlin-Gatow verübt hatte. Dabei starb der Club-Bootsmann Erwin Beelitz. Wegen dieser Tat wurde sie 1974 zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt

Nach der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz durch Mitglieder der Bewegung 2. Juni am 27. Februar 1975 wurde sie zusammen mit Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heißler und Rolf Pohle in die Demokratische Volksrepublik Jemen ausgeflogen. Peter Lorenz wurde daraufhin freigelassen.

Becker wurde am Morgen des 3. Mai 1977 zusammen mit Günter Sonnenberg in Singen einer Personenkontrolle im .Café Hanser. unterzogen. Als sie sich nicht ausweisen konnten, wurden sie zu ihrem Fahrzeug begleitet. In der Singener Fußgängerzone kam es anschließend zu einem Schusswechsel zwischen den Terroristen und zwei Singener Polizisten. Sonnenberg und Becker waren am Vorabend mit dem Zug von Bonn nach Singen gereist und wollten über die grüne Grenze in die Schweiz fliehen. Beide Polizisten wurden beim Schusswechsel verletzt, der Beamte Wolfgang Seliger lebensgefährlich, nachdem Sonnenberg neunmal aus kurzer Entfernung auf ihn schoss, bis das Magazin seiner Pistole leer war. Die beiden Polizisten gaben bei dem ganzen Vorfall keinen einzigen Schuss ab.[2] Die Terroristen konnten durch Kapern eines vorbeifahrenden Opel Ascona kurzzeitig fliehen. Nach einer Verfolgungsjagd mit der Polizei durch Singen lenkten sie ihr Fahrzeug auf einen Feldweg und versuchten zu Fuß zu fliehen. Die Terroristen wurden jedoch nach einem weiteren Schusswechsel, bei dem Sonnenberg in den Hinterkopf und Becker in den Unterschenkel getroffen wurde, festgenommen. Es wurde hierbei die Waffe sichergestellt, die bei dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen beiden Begleitern Wolfgang Göbel und Georg Wurster benutzt wurde.

Am 28. November 1977 begann in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen Verena Becker. Einen Monat später wurde sie wegen der Schießerei bei ihrer Festnahme zu lebenslanger Haft verurteilt.[4] Nach zwölf Jahren Haft wurde sie von dem damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker begnadigt. Sie verließ am 30. November 1989 . dem Tag des RAF-Bombenattentats auf Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen . ohne öffentliches Aufsehen die Justizvollzugsanstalt Willich. Heute lebt Verena Becker unter neuem Namen.

Erst am 21. April 2007 wurde bekannt, dass Verena Becker bereits in den 1980er Jahren ausgesagt habe, RAF-Mitglied Stefan Wisniewski sei bei der Ermordung Siegfried Bubacks der Todesschütze gewesen.[5] Vermutungen, eine Frau sei hingegen am Anschlag beteiligt gewesen, kamen bereits früh auf. 2007 wurde dies erneut von Michael Buback[3] wie vom SWR geäußert.[6]

Seit April 2008 ermittelte die Bundesanwaltschaft erneut gegen Verena Becker. Eine erste DNA-Probe hatte sie zunächst von diesem Verdacht entlastet.[7] Am 20. August 2009 wurde seitens der Bundesanwaltschaft das Auffinden von DNA-Spuren Beckers am Bekennerschreiben zum Mord an Generalbundesanwalt Buback bekannt gegeben. Daraufhin wurde ihre Wohnung durchsucht.[8] Am 27. August 2009 wurde Verena Becker aufgrund des dringenden Tatverdachts, am Mordanschlag auf Siegfried Buback beteiligt gewesen zu sein, festgenommen und in ein Berliner Untersuchungsgefängnis eingeliefert. Am 28. August 2009 wurde ein Haftbefehl gegen sie erlassen.[9][10] Im Zuge der neu aufgenommenen Ermittlungen bestätigten sich frühere Berichte, dass Verena Becker als Informantin für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig gewesen war.[11] Am 23. Dezember 2009 wurde der Haftbefehl aufgrund ihrer Haftbeschwerde vom 11. November 2009 vom Bundesgerichtshof aufgehoben und Becker aus der Untersuchungshaft entlassen.[12] Die BGH-Richter bewerten Beckers Tatbeteiligung eher als Beihilfe, zwingend erforderliche Haftgründe zur Anordnung der Untersuchungshaft seien nicht mehr vorhanden.[13] Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft angekündigt, Becker bis Ende März 2010 wegen ihrer Beteiligung am Buback-Attentat anzuklagen.[12] Am 8. April 2010 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie seit März auf fast alle gesperrten Akten des Bundesverfassungsschutzes zu dem Buback-Attentat zugreifen könne.[14] Am 28. Juli 2010 teilte das Oberlandesgericht Stuttgart mit, dass das Hauptverfahren eröffnet worden sei.[15] Zur Last gelegt wird der Angeklagten unter anderem, dass sie bei den konkreten Tatplanungen 1976/1977 permanent dafür eingetreten sei, den Mordanschlag durchzuführen. Mit zwei weiteren RAF-Terroristen habe sie am 6. April 1977 den Ort des geplanten Attentats in der Karlsruher Innenstadt ausgespäht.[16] 33 Jahre nach dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback hat am 30. September 2010 vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim die Hauptverhandlung im Prozess gegen Verena Becker erneut begonnen

07.10.2010

Heute ist Tag 2 im Stuttgarter .Buback-Verfahren.. Einziger Zeuge: Kriminalhauptkommissar (KHK) H vom Bundeskriminalamt (BKA). Sein Thema: Ermittlungen zur Person der Angeklagten . also Verena Becker . und Erkenntnisse über das, was .objektiv. am Tattag, dem 07. April 1977, in Karlsruhe passiert ist. Also ein leichter Auftakt? Nein, keineswegs. Und das hat mehrere Gründe:

Erstens boten die Ermittlungen zu Verena Becker, die der Zeuge referierte, durchaus Anlass zum Staunen (über Verena Becker). Zweitens konnte man auch bei den Feststellungen zum Jahr 1977 ins Staunen kommen. Und drittens gaben Verteidigung und Nebenklage erste Einblicke in ihre Auffassungen des Prozesses.

Um mit der Angeklagten zu beginnen: Wie schon bekannt war, hat Verena Becker nach ihrer Haftentlassung (aufgrund Begnadigung durch den Bundespräsidenten) eine Ausbildung zur Heilpraktikerin gemacht (ein unter Terroristen nicht unüblicher Plan, wie ich hier berichtet habe) und hat dafür auch ihre .Bestallung. erhalten. Doch gearbeitet hat sie in dem Beruf offenbar nie. Zwar fand das BKA im Internet eine Art .Telefonbucheintrag. mit der Telefonnummer ihrer Schwester, doch sonst gibt es keinen Hinweis auf eine Tätigkeit in ihrem Beruf. Stattdessen fand das BKA zahlreiche Hinweise auf Sozialleistungen und eine zeitlich befristete Rente für Frau Becker bei Berliner Behörden. Auch einen Mietzuschuss in Höhe von 319 Euro (warm) bekam sie . für den Wohnbereich, den ihr ihre Schwester zur Verfügung stellt.

Das mag alles seine Richtigkeit haben, denn nach den Regeln des Rechtsstaates stehen Sozialleistungen grundsätzlich auch Menschen zu, die früher das .System. beseitigten wollten. Doch das BKA fand noch mehr: Verena Becker scheint inzwischen einiges vom System gelernt zu haben und hat sich offenbar intensiv mit Geldanlagen beschäftigt: .Möglichst viel Rendite.

ANMERKUNG: 100000 schweigegeld dass sie fuer BND/CIA als agent provocateur arbeitete fuer die (wikipedia:) "Strategie der Spannung"

wolle sie für ihr Erspartes erhalten, notierte sie in ihrem Computer. Mit dem .Anlageberater. ihrer Schwester wolle sie darüber sprechen (früher wäre der Mann wohl eher als Opfer in Betracht gekommen) und das Geld solle evtl. auf ein noch zu gründendes Konto bei der Postbank eingezahlt werden . auf den Namen ihrer Schwester. Eine weise Entscheidung, wenn man Sozialleistungen bezieht. Erkenntnisse über den Umgang mit dem Sozialstaat, die auch schon in anderen Terrorismusverfahren weitere Ermittlungsverfahren der Sozialbehörden nach sich gezogen haben.

Bei den Erkenntnissen zum Jahr 1977 referierte KHK H die .Aktenlage., wie er mehrfach betonte: Was haben er und seine Kollegen in den . soweit noch vorhandenen .Akten zum Fall Buback als objektive Erkenntnisse gefunden? Eine Fleißaufgabe, die der Beamte durch einen dicken .Sachstandsbericht. löste. Wer hatte 1977 ff. was zu welcher Frage ermittelt? Leider geriet die Präsentation dieses Berichtes zu einer reichlich mühsamen Angelegenheit. Zahlreiche, durchaus grundsätzliche Fragen waren dem Zeugen nur auf Vorhalt präsent. Andere Dinge schien er zu verwechseln, wieder andere Dinge, wie die Umbenennung einer Straße am Tatort in den vergangenen 30 Jahren, waren ihm trotz Ortsbegehung bislang nicht aufgefallen. Der Vorsitzende Richter bewies Geduld, Nebenklage und Verteidigung fragten akribisch nach und die Formulierung .da müssen Sie mir helfen. wurde zur meistgebrauchten des Tages.


Trotzdem gab es neue Erkenntnisse: Offenbar plante die RAF parallel zur Flucht mit einem silbernen Alfa eine zweite Fluchtmöglichkeit mit Damenfahrädern, die zwei Männer im Karlsruher Wald bereitstellten. Dabei benahmen sie sich so auffällig, dass einem Zeugen sogar auffiel, dass die Männer Handschuhe trugen und beim Abstellen Spuren verwischten. Die Damenfahrräder wurden 1977 bei Hertie und Quelle in Karlsruhe gekauft, offenbar von Günter Sonnenberg und Angelika Speitel.

Michael Buback kam auf eine mysteriöse Hubschrauberlandung am Tatort gleich nach dem Anschlag zu sprechen. Ob Herr KHK H diese bestätigen könne? Er konnte. Ob es ein dienstlicher oder ein privater Hubschrauber gewesen sei? Herr H vermochte es nicht zu sagen. Ob die Passagiere bekannt seien? Nein.

(das GLADIO team?)


Während sich die ca. 30 Zuschauer wahrscheinlich höchst unterschiedliche Gedanken über den Grund der rätselhaften Hubschraubermission machten, meldete sich Oberstaatsanwältin beim BGH Ritzert zu Wort: Bei den Hubschrauber habe es sich laut Akten um einen Notarzt des Vincentius-Krankenhauses Karlsruhe gehandelt. Aha. Oder doch nicht? Michael Bubacks Gesichtsausdruck zeigte Zweifel.

Und auch sonst ließ er nicht locker: mit zahlreichen, sehr detaillierten Fragen zu einem bzw. eigentlich zwei Schraubendrehern, die zum Tatmotorrad gehören könnten / sollen / müssten gab er einen Ausblick auf die Detailprobleme, die dieses Verfahren noch mit sich bringen wird. Das Gericht reagierte höflich, aber bestimmt: All diese Fragen würden noch behandelt. Nun ginge es erst einmal um den Überblick und die objektiven Feststellungen. Für Michael Buback ist das schwer. Monate der Recherche und zahllose Fragen an die Ermittler liegen ihm auf den Lippen. Die Strafprozessordnung ist da für ihn zweitrangig.

Doch auch Rechtsanwalt Walter Venedey, Verteidiger von Verena Becker, schlug erste Pflöcke ein: Immer wieder betonte er, es müsse sich erst einmal zeigen, was den objektiv schon feststehe (.ob das so stimmt, wissen wir ja alle noch nicht.). Einen etwas albernen Auftritt nach Art von Manfred Krug in .Liebling Kreuzberg. leistete er sich nach der Pause: Das Gericht hatte eine Lagekarte der Polizei aus dem Jahr 1977 an einem ca. 1,60 Meter hohen, rollbaren Kasten befestigt. .Ich kann den Senat nicht sehen., monierte Venedey und rollte den Kasten durch den Saal. .Nun können Sie mich nicht mehr sehen., konterte Bundesanwalt Hemberger.

Verena Becker konnte darüber lächeln. Es war ein Moment, an dem sie keine Sonnenbrille trug. Doch kurz darauf wurden Tatortfotos der Polizei angesehen . und Verena Becker setzte die Sonnenbrille auf.

Insgesamt war es ein zäher Tag. Am Ende, kurz vor 17:00 Uhr, waren gerade noch eine Handvoll Zuschauer im Saal. Das lag am Zeugen, der oft mit seinen Antworten passen musste . und sich mehrfach korrigieren (lassen) musste. Einmal sogar auf nachdrückliche Nachfragen von Bundesanwalt Hemberger . der ihn ja indirekt mit den Ermittlungen beauftragt hatte. Es lag auch an den beharrlichen Nachfragen aller Seiten . ein Vorgeschmack auf die kommenden Wochen. Und es lag schließlich an der ungeheuren Komplexität des Verfahrens.

Aber immer wieder gab es Kleinigkeiten, die trotz des angeblich immensen Ermittlungsaufwandes des BKA nicht zu klären waren: Eine Karte über die Ringalarmfahndung 1977, mit der in den Minuten nach der Tat nach den Tätern gesucht wurde, zeigten einen .Kontrollpunkt Nußbaum.. Ein Ort? Oder .eine isoliert stehende Erscheinung der Natur., wie der Beisitzer, Richter am OLG Dr. Grübl den Zeugen in bestem OLG-Richter-Sprech fragte. Der musste aber wiederum passen.

Am Ende wurde klar: DNA-Spuren von Verena Becker sind an zwei Stellen der insgesamt 10 Bekennerschreiben und mindestens drei Umschläge der Schreiben eindeutig nachzuweisen. Weitere konkrete Zuordnungen zu anderen Personen gibt es durch die neuen Ermittlungen nicht.

Weiter geht es am kommenden Dienstag um 09:15 Uhr.