7 von 17 Meilern - Atom-Merkel - Uran CDU
Energiepolitik der neuen Koalition
01.10.2009, 17:45
Ein Kommentar von Markus Balser
Die neue Koalition setzt auf eine überholte Technologie, was ein großer Fehler ist. Denn die neue Atomdebatte bremst den chancenreichen Wandel bei der Energieversorgung.
FOTO Atomkraftwerk Grabenrheinfeld,
Ein Wort hat derzeit Konjunktur in der Hauptstadt: Aufbruch. Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle nutzten es gerne im Wahlkampf. Es steht für die Gegenwart und mehr noch für die Zukunft, für Bewegung und Wandel.
Aufbruch: Das wollen die Wähler in schweren Zeiten hören. Doch ausgerechnet bei einem der wichtigsten Zukunftsthemen haben sich die neuen Regierungsparteien Stillstand verordnet. In der Energie- und Klimapolitik halten Union und FDP an einer Technik von gestern fest: der Kernkraft. Sie wollen den Ausstieg aus dem Ausstieg.
Merkel, Westerwelle und ihre Getreuen folgen dabei bereitwillig den Argumenten der Energieindustrie. Die Konzerne versichern, mit längeren Laufzeiten ließen sich Milliarden verdienen, von denen sie wiederum einen Teil in die Entwicklung anderer Energiequellen stecken könnten.
Streit nur um die Modalitäten
Und so wird gar nicht erst um das Für und Wider der Kernenergie gestritten, sondern nur um die Modalitäten des Wiedereinstiegs - also nicht um das Ob, sondern nur um das Wie, Wann und Wieviel. Spitzenmanager der Energiebranche lassen sich bereits strahlend als die echten Wahlsieger feiern. Denn eigentlich ringen die Parteien nur noch darum, welche Meiler für eine Laufzeitverlängerung in Frage kommen.
Dabei spricht mehr denn je gegen die Renaissance der Kernenergie: ethisch, technisch und wirtschaftlich. Zu viel Atomkraft steht vor allem dem Ausbau erneuerbarer Energien im Weg.
Seit klar ist, dass Ökoenergie viel mehr leisten kann, als gedacht, wächst in deutschen Stromnetzen ein ernster Konflikt heran. Sonne, Wind und Wasser liefern bereits 15 Prozent des deutschen Stroms- doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Mit dem technischen Fortschritt grüner Branchen wird sich ihr Ausbau beschleunigen.
Vergrätzte Investoren
Damit prallen zwei unvereinbare Welten aufeinander: stark schwankender Ökostrom und die unflexible Atomenergie. Immer mehr Großkraftwerke wie Krümmel oder Biblis werden in den nächsten Jahren überflüssig.
Stattdessen müssten kleine dezentrale Kraftwerke her, die die Versorgung sichern, wenn kein Wind bläst. Doch die neue Atomdebatte bremst den Wandel bei der Energieversorgung, mögliche Investoren werden vergrätzt.
Stadtwerke können nicht mehr darauf vertrauen, dass sich neue kleine Kraftwerke rechnen. Bleiben Krümmel und Co. am Netz, wird mehr Strom produziert als kalkuliert. So schafft die Laufzeitverlängerung sich ihre eigene Berechtigung. Das Kalkül der Energiekonzerne geht auf.
Sieben der 17 deutschen Atomkraftwerke müssten die Energiekonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall in dieser Legislaturperiode eigentlich vom Netz nehmen. Doch mit allen Mitteln kämpfen die Versorger für die Kernkraft.
Dank der längeren Laufzeiten könnten sie sehr viel Geld verdienen. Denn ein abgeschriebenes Atomkraftwerk verdient an jedem Betriebstag mehr als eine Million Euro. Die Extra-Gewinne würden somit mindestens 40 Milliarden Euro betragen, wenn die Meiler 40 Jahre statt der gesetzlich festgelegten 32 Jahre laufen dürfen.
Das Geld können die Konzerne im Kampf um Macht und Märkte gut gebrauchen. Sie sind in Bedrängnis, seit der Wettbewerb auf den Energiemärkten europaweit in Schwung kommt und die EU-Kommission ihnen immer mehr zusetzt. Zudem hat der Klimaschutz die Produktion des Kohlestroms drastisch verteuert.
Grüner Anstrich für die Kernkraft
Von den längeren Laufzeit soll das Volk nun auch finanziell überzeugt werden. Die künftige Regierung will die Gewinne der Konzerne zum Großteil abschöpfen. Politik und Wirtschaft wollen mit dem Geld erneuerbare Energien fördern und Stromverbraucher entlasten.
Dieser Deal würde darauf hinaus laufen, der Kernkraft einen grünen Anstrich zu geben. Dabei ist Atomenergie alles andere als ökologisch. Eine gewaltige Menge Atommüll türmt sich weltweit auf. Dieser Müll, alles in allem mehrere Hunderttausend Tonnen, wird noch Hunderttausende Jahre lang strahlen. Wohin damit, das weiß niemand.
Auch 55 Jahre, nachdem in Obninsk bei Moskau das erste Kernkraftwerk auf der Erde in Betrieb ging, existiert kein einziges Endlager für die hochgefährlichen Abfälle der Meiler. Nirgendwo. Schon gar nicht in Deutschland.
Tricksereien in der Endlager-Debatte
Statt einer Lösung für Gorleben gibt es viele zahllose Fragen. Das zeigen auch Dokumente aus der Regierungszeit von Helmut Kohl, die jüngst aufgetaucht sind und belegen, wie in der Endlager-Debatte getrickst wurde.
Die Atomkraft hat ihre Zukunft hinter sich. Dass sie als autarke, saubere Energieproduktion gilt, ist Jahrzehnte her. Mit immer neuen Pannen hat sich die Branche selbst entzaubert. Die Hälfte der Deutschen hat kein Vertrauen mehr in die Kernenergie. Dass nun gerade jene alten Meiler am Netz bleiben sollen, die nicht mehr dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen, wird zu neuen gesellschaftlichen Konflikten führen.
"Wir werden noch gebraucht", behauptete die Atomlobby unlängst im Wahlkampf. Ganz abschalten lassen sich die Meiler für einige Übergangsjahre tatsächlich nicht. Doch den Beweis, dass es auch mit weniger Kernkraftwerken geht, hat die Branche in den vergangenen Monaten selbst erbracht.
Sieben Kernkraftwerke standen vor einigen Wochen gleichzeitig still, wegen Pannen, Nachrüstungen und Wartungen. So viele müssen in dieser Legislaturperiode auch vom Netz. Damit fehlte die Hälfte der Leistungskapazitäten aller deutschen Atomkraftwerke. Stromausfall? Fehlanzeige.
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