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13 August 2009

Privatisierung der Politik

"Das ist die Privatisierung der Politik"

Ministerien lassen sich bei der Formulierung von Gesetzen von großen Anwaltskanzleien helfen - Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen

Von unserer Korrespondentin Ulla Thiede

Auftragsvergabe an Privatanwälte: Wirtschaftsminister Guttenberg, hier auf einem Wahlkampfplakat.Berlin. Freshfields Bruckhaus Deringer ist eine der weltweit größten Anwaltskanzleien für Wirtschaftsrecht. Mit Büros nicht nur in London, Washington und Hongkong, sondern auch in Köln, Düsseldorf und Berlin.

2 600 Rechtsanwälte beraten Konzerne, Banken und Regierungen rund um den Globus. Auch das Bundesfinanzministerium hat die Arbeit der hoch spezialisierten Juristen in Anspruch genommen, als es darum ging, den Zusammenbruch der Kreditinstitute im Herbst zu verhindern.

Interessenkonflikte? Kosten für den Steuerzahler? Das Ministerium schweigt sich darüber aus. Und der Regierungssprecher verweist darauf, dass die Einbindung von Anwaltskanzleien in die Ausarbeitung von Gesetzen gängige Praxis sei - "in allen westlichen Demokratien".

Lobbykritische Vereinigungen fordern seit längerem, solche Beratertätigkeit bei Gesetzentwürfen transparent zu machen. Einen unabhängigen Überblick, in welchem Umfang Bundesministerien private Kanzleien bei der Ausarbeitung von Gesetzestexten herangezogen haben, gibt es nicht. Nach Auskunft des gemeinnützigen Kölner Vereins "LobbyControl" wirken externe Kanzleien erst seit einigen Jahren an der Formulierung von Gesetzestexten mit. Ulrich Müller, Geschäftsführender Vorstand von "LobbyControl", hält diese Entwicklung für verheerend: "Da läuft etwas falsch in der Organisation der Ministerien. Das Schreiben von Gesetzen ist Aufgabe der demokratischen Institutionen."

Im Zentrum der Kritik steht seit kurzem Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CSU-Politiker hatte sich von der Kanzlei Linklaters, mit 2 400 Anwälten fast ebenso groß wie Freshfields, einen Entwurf für ein Gesetz über die Zwangsverwaltung von Banken im Insolvenzfall schreiben lassen.

Nach Presseberichten stand auf der 28-seitigen Vorlage, die an alle Bundesministerien verschickt wurde, noch das Logo von Linklaters drauf - für das SPD-geführte Justizministerium der Beweis, dass Linklaters den Entwurf komplett allein verfasst habe. Guttenbergs Sprecher weist den Vorwurf als "absurd" zurück. Die inhaltlichen Vorgaben seien von Staatssekretär Walther Otremba gekommen. Allein wegen der Dringlichkeit des Gesetzes und notwendiger Expertise habe man die Kanzlei hinzugezogen.

Was die Kosten angeht, ist bisher nur eine Zahl bekannt: Nach Auskunft des zuständigen Bundesinnenministeriums hat die Bundesregierung von 2005 bis März 2009 mindestens 2,5 Millionen Euro für externe Beratung bei der Abfassung von Gesetzen und Verordnungen gezahlt. Allerdings haben die Antworten, die auf eine Anfrage der Linken-Fraktion erfolgten, Lücken: Was das Bundesfinanzministerium Freshfields für die Hilfe beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz und den Folgegesetzen zahlte, ist unbekannt - "mit Rücksicht auf geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse", erklärt das Innenministerium. Dort, wo die Honorare offengelegt wurden, sind dagegen die beauftragten Kanzleien unbekannt.

Aus der Antwort der Regierung geht hervor, dass das Bundesumweltministerium von 17 aufgeführten Beratungsfällen die meisten Aufträge vergab. Das höchste Einzelhonorar zahlte das Bundesverkehrsministerium - über eine Million Euro für den Gesetzentwurf zur Bahnprivatisierung. Wolfgang Neskovic, Rechtsexperte der Linken im Bundestag, sagt: "Es liegt auf der Hand, dass die Übertragung solcher Aufgaben auf Anwaltskanzleien, die gleichzeitig auch große Unternehmen beraten, zu demokratieunverträglichen Interessenkonflikten führen kann." Das sei nicht vergleichbar mit anderen Privatisierungen: "Das ist die endgültige Privatisierung der Politik selbst."

Erstaunlich ist, dass die Regierung das Beauftragen von Anwaltskanzleien für unproblematisch hält, während externe Berater, die in Bundesministerien arbeiten, ausdrücklich von der Mitwirkung an Gesetzen ausgeschlossen sind. Das regelt eine seit einem Jahr gültige Verwaltungsvorschrift. Nach Ansicht von "LobbyControl" hat aber das Hinzuziehen von Kanzleien "noch einmal eine neue Qualität". Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann aus Mainz sagt: "Ich gehe davon aus, dass mir ein Ministerium ein Gesetz vorlegt und keine Firma. Ich will keine Mogelpackung."

Um mehr Transparenz herzustellen, fordert "LobbyControl" die Einrichtung eines Lobbyregisters. In den USA existiert ein solches bereits beim Kongress, umfasst aber nicht nur die Lobbyisten, die im Parlament ein- und ausgehen, sondern auch solche mit Kontakten zum Weißen Haus. Anders als das freiwillige Lobbyregister bei der EU-Kommission ist die Eintragung im US-Verzeichnis verpflichtend. Bei Verstößen gegen die Transparenzvorschriften drohen Geld- und sogar Haftstrafen.

Auf Schätzungen, wie viel Freshfields für die Mitarbeit am Bankenrettungsfonds bekommen hat, wollte sich Müller von "LobbyControl" nicht einlassen. Sein Rat: "Die Regierung sollte von vornherein festlegen, dass das vereinbarte Honorar veröffentlicht wird."
Artikel vom 13.08.2009

http://news.google.com/news?q=guttenberg+london+linklaters

Zypries hatte der «Berliner Zeitung» (Mittwoch) gesagt: «Es ist unverantwortlich, eine große Wirtschaftskanzlei zu beauftragen, statt den vorhandenen Sachverstand innerhalb der Bundesregierung zu nutzen.»

Auslöser ist der Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium zur staatlichen Zwangsverwaltung maroder Banken. Der Text stammt von der britischen Anwaltskanzlei Linklaters. Guttenbergs Sprecher Steffen Moritz wies Darstellungen zurück, wonach das Gesetz komplett von der Kanzlei erstellt worden sei. «Es ist wirklich blanker Unsinn, dass dieses Gesetz ausschließlich von einer Kanzlei geschrieben sein soll.» Die inhaltlichen Vorgaben seien aus dem Ministerium gekommen, das Stufenmodell sei von Wirtschaftsstaatssekretär Walther Otremba entwickelt worden: «Die Kanzlei war lediglich beratend tätig bei der Umsetzung dieses Modells in einen Gesetzestext.»

Die Einbindung externer Berater ist nach den Worten von Wilhelm seit Jahrzehnten gängige Praxis - nicht nur in Deutschland. Sie komme in jeder westlichen Demokratie vor - vor allem, wenn kurzfristig Sachverstand gefragt sei. Die Grenze sei, «dass natürlich nicht die externen Experten sich selbst interessensgerecht einen Gesetzentwurf schreiben». Die Vorgaben und inhaltliche Erwartungen lägen bei der Regierung. Er gehe davon aus, dass auch im jüngsten Fall diese Grenze eingehalten worden sei, stellte Wilhelm klar. Große Kanzleien wie Linklaters arbeiten auch für Banken und Unternehmen.

Die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bundestagswahl, Fraktionschefin Renate Künast, forderte von Guttenberg Auskunft über die Kosten. «Für mich ist das ein Fall für den Rechnungshof.» FDP-Generalsekretär Dirk Niebel nannte in der «Leipziger Zeitung» (Donnerstag) Guttenbergs Vorgehen Steuergeld-Verschwendung. Die Kernarbeit der Gesetzestexte habe im Ministerium stattzufinden. Wolfgang Nekovic, Fraktionsvize der Linken, sprach von einem «Bankrottbekenntnis der Ministerien». Die Gesetzgebung sei ureigenste Aufgabe des Parlaments und der Bundesregierung.