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13 März 2007

USA Geheimsdienste machtvolle esoterik spinner

Militärhellseher im Kalten Krieg: Projekt "Star Gate"

Markus Kompa 12.03.2007

Die bizarre Geschichte der "remote viewers"


Militärhellseher im Kalten Krieg: Projekt "Star Gate"

John Mulholland und die CIA
Projekt Star Gate

Sommer 1983. Ein Mann geht auf eine Wand zu, als wäre sie nur ein Hologramm - und stößt sich die Nase. Er ist frustriert, weiß er doch, dass Atome zu 99,9% aus leerem Raum bestehen. Zwischen den Wandatomen und seinen eigenen hätte doch ausreichend Platz bestanden, sodass die Materien sich gegenseitig locker hätten durchdringen können. Und wieder hat es nicht geklappt, obwohl es doch anderen gelingt! Auch beim Schweben blieb ihm der Erfolg versagt. Und so sehr er sich auch bemühte, er wurde einfach nicht unsichtbar.

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Diese Szene spielte sich nicht in einer Nervenheilanstalt ab. Auch nicht in einem Douglas Adams-Roman oder einem Monty Python-Film. Den Mann gab es wirklich, er meinte es ernst, und er bekleidete eine Position, in der man ihm die Entscheidung über Leben und Tod übertragen hatte. Es handelte sich um Major General Albert Stubblebine III., der von 1981 bis 1984 als Commanding Officer of the U.S. Army Intelligence and Security Command (INSCOM), das Kommando über 16.000 Soldaten des höchsten militärischen Geheimdienstes der USA führte.

Er glaubte auch an psychokinetisches Heilen, das er für das Militär nutzbar machen wollte. Bei einem Vortrag vor Kommandeuren von Spezialeinheiten reichte er zum Beweis für die Existenz psychokinetischer Techniken verbogenes Besteck herum. Er wollte die Spezialeinheiten darin unterrichten lassen, wie man durch Konzentration das Herz des Feindes zum Stillstand bringen könne. Stubblebine meinte zu spüren, dass die Militärs ihn wohl nicht ernst nahmen.

Mit seinen Vorschlägen über Astralleibprojektionen fing er daher gar nicht erst an. Nachdem man die Stubblebine-Jahre lange totgeschwiegen hatte, wurden inzwischen die kuriosen Akten offiziell freigegeben. Als ihn der Journalist Jon Ronson auf seinen Vortrag ansprach, bedauerte der General, nie persönlich mit Uri Geller gearbeitet zu haben. Von den Spezialeinheiten, vor denen er damals referiert hatte, fühlte er sich verkannt. Was Stubblebine nicht wusste: Seine Zuhörer hatten ihn durchaus ernst genommen. Sie hielten seine Ideen sogar für exzellent. Und setzten sie um.


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Die Folgen, welche esoterische Forschung im Bereich des Übersinnlichen bei den US-Geheimdiensten anrichteten, gehören zu den bizarrsten Geschichten des so genannten Kalten Kriegs überhaupt. In diesem Beitrag soll nur die Rede von den friedlichen Hellseh-Spionen sein. Wer sich für die Psychic Warriors der US-Army interessiert, die ihre Feinde wie Yedi-Ritter durch Geisteskräfte besiegen wollten, sei u.a. auf das Buch The Men Who Stare at Goats (2004) von Jon Ronson verwiesen.



Bereits 1952 interessierte sich das US-Verteidigungsministerium für die okkulten Aktivitäten der Nazis, die mit Astrologen und Hellsehern experimentiert hatten. Wohl wegen Hanussens überzeugenden Hellsehdarbietungen hatten die Naziwissenschaftler nach fähigen Telepathen gesucht, über die man mit getauchten U-Booten kommunizieren wollte, was unter Wasser per Funk nicht möglich ist.

Der neue CIA-Chef Allen Dulles war Derartigem ebenfalls aufgeschlossen und wollte 1954 entsprechende Hellseher testen lassen. Hierzu beauftragte er den Zauberkünstler John Mulholland, den er bereits für die CIA unter Vertrag genommen hatte, um im Rahmen des berüchtigten Projekts MK Ultra Agenten unauffälliges Vergiften missliebiger Zeitgenossen beizubringen (freigegebene MK Ultra-Akten).


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Trickspezialist Mulholland, der in Tradition zum Spiritismuskritiker Harry Houdini Hellseher u.ä. für Hokuspokus hielt, untersuchte widerwillig für die CIA Testpersonen und ungewöhnliche Vorfälle, konnte jedoch in keinem einzigen Fall ein positives Ergebnis vermelden. Dennoch entsandte Dulles offenbar bis in die 60er Jahre Agenten zu Séancen, um ggf. fähige Hellseher zu rekrutieren. Die CIA ging 1962 in einem Bericht davon aus, dass es zwar Psi-Phänomene gäbe, diese derzeit jedoch nicht beherrschbar seien.

SRI: New Age meets CIA

Den gesamten Kalten Krieg über verstanden es Militärs und Geheimdienste, durch Verweis auf angebliche Aktivitäten des "Empire of Evil" Genehmigung und Finanzierung von "Gegenmaßnahmen" zu erwirtschaften. Als man mit Gerüchten aufwarten konnte, denen zufolge die Sowjets jährlich 60 Millionen Rubel in die Forschung mit Hellsehern investierten, bewährte sich dieser Mechanismus aufs Neue. Eigene Hellseher hätte die CIA bestens brauchen können, denn hinter dem "eisernen Vorhang" war sie nahezu blind.

Andererseits wären russische Geheimdiensthellseher wohl auch eine willkommene Erklärung dafür gewesen, dass die Gegenseite über die US- und NATO-Geheimnisse umfassend im Bilde war (nämlich aufgrund von Verrätern in höchsten Positionen). Die CIA suchte Anfang der 70er Jahre geeignete Wissenschaftler und stieß dabei auf den Parapsychologen Harold "Hal" Puthoff, der praktischerweise ein ehemaliger Geheimdienstler der NSA (s.u.) gewesen war, dem für Abhören und Dechiffrieren zuständigen US-Geheimdienst.

Puthoff arbeitete als Laserspezialist am renommierten Stanford Research Institute International (SRI), Kalifornien. Mit verdeckter Finanzierung der CIA testete Puthoff mit dem Plasmaphysiker Russel Targ in den Labors allerhand Hellseher. Unter dem Codewort "Scanate" (scanning by coordinate) sollten Testpersonen anhand mitgeteilter geographischer Koordinaten erraten, was sich an entsprechender Stelle verbirgt.

Eine der (im wahrsten Sinne des Wortes) vielversprechendsten Testpersonen war der bekannte Hellseher Ingo Swann, der sich den Forschern auf deren Ausschreibung hin als Testperson anbot. Swann will über die Fähigkeit verfügt haben, in Kisten versteckte Gegenstände erraten zu können. Zudem will er bei einer "Out-of-body"-Reise Jupitermonde etc. gesehen haben, bevor diese von Sonden nachgewiesen wurden. Swann spielte eine Schlüsselrolle in der Scientology-Church. Bis heute hält sich hartnäckig das werbewirksame Gerücht, Scientologe Swann habe die CIA so beeindruckt, dass diese um ihre Geheimnisse gefürchtet und daher die "Scientology Church" unterwandert habe, um diese zu diskreditieren. Targ und Puthoff prägten für Swanns hellseherische Kräfte den pseudowissenschaftlichen Begriff "remote viewing" (fernes Sehen). Swann verlor nach acht Monaten zunächst das Interesse an der Zusammenarbeit, da er sich eher in der Rolle des Machers als des Versuchskaninchens sah.

Ein weiterer szenebekannter Kandidat war der Ex-Streifenpolizist Pat Price. CIA-Direktor Stansfield Turner persönlich rühmte die angeblich überzeugenden Ergebnisse nach Price überraschendem Tod später sogar öffentlich. Derartiges Lob ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, neigen doch Geheimdienstchefs ähnlich wie gewöhnliche Politiker dazu, ihre naturgemäß nur bedingt nachprüfbare Arbeit zu glorifizieren und Niederlagen zu bagatellisieren. Der 1996 freigegebene Geheimbericht des Militärphysikers Dr. Kenneth A. Kress von 1977 bewertete die Ergebnisse nüchterner.

Prominentester Proband der CIA-finanzierten SRI-Forschung war 1973 ein gewisser Uri Geller, dessen übersinnliche Kräfte Scientologe Puthoff bis heute für authentisch hält. 1975 stellte die CIA die Finanzierung ein. Die während des "MK Ultra"-Projekts begonnene Zusammenarbeit mit Hellsehern wurde 1976 im Zuge der Watergate-Affäre erstmals der Öffentlichkeit bekannt. Targs und Puthoffs esoterische Forschung mit Swann, Price und Geller hat Parapsychologiekritiker James Randi in seinem Klassiker "Flim-Flam!" (1982) ein eigenes Kapitel mit dem charmanten Titel The Laurel and Hardy of Psi gewidmet, wobei in Bezug auf das SRI die Rolle der CIA allerdings damals noch geheim geblieben war.

Als Sponsor für die parapsychologische Grundlagenforschung am SRI sprang die Air Force ein, die für Feindaufklärung per coordinate viewing zu haben war, und Puthoff, Targ und letztlich wieder Swann blieben beschäftigt.

Alarm bei der Army

Als Targ und Puthoff ihren reichlich unwissenschaftlichen Klassiker "Mind Research: Scientists Look at Psychic Abilities" (1977, dt.: "Jeder hat den 6. Sinn" (1977)) veröffentlichten, beunruhigte dies den Abwehrspezialisten Lieutenant Fred Holmes Atwater vom "Army's Missile Research and Development Command", der das Buch in einer Sitzung vorwurfsvoll auf den Tisch knallte.

Wenn es also "remote viewing" gab, wie sollte der bedauernswerte Atwater künftig nun die Militärgeheimnisse der USA schützen?!? Obwohl der Sicherheitsspezialist gerade zu der ehrenvollen Aufgabe abkommandiert worden war, für die Sicherheit des Pentagon zu sorgen, wurde er kurzfristig zurückgepfiffen: Für den weitsichtigen Soldaten hatte man eine wichtigere Verwendung.

Psychic Spies: Code "Center Lane"

Mit dem Lesen fremder Gedanken - wenn auch vorzugsweise mittels Elektrotechnik - befasste sich seit 1952 die von der CIA organisatorisch getrennte "National Security Agency" (NSA), der gigantische Abhör- und Dechiffrierungsgeheimdienst der USA ([local] No Such Agency). Schon allein die Existenz der NSA, inzwischen der personell weitaus größte Geheimdienst der Welt, war jahrzehntelang ein Staatsgeheimnis gewesen. Der NSA insoweit untergeordnet war der oberste militärische Geheimdienst "US Army Intelligence and Security Command" (INSCOM), der für die NSA weltweit die Abhöranlagen betrieb.

INSCOM betraute 1977 Atwater mit der Koordination parapsychologischer Forschung in der damals geheimen NSA-Stadt "Crypto City" am Stützpunkt Fort Maede, Maryland. Zur Einschätzung des potentiellen Schadens durch russische Hellseher beschloss Atwater, ein halbes Dutzend eigene "remote viewers" trainieren zu lassen. Unter der Codebezeichnung "Center Lane" ließ er Targ und Puthoff in Fort Maede geeignete Militärs auswählen. Atwaters "Remote Viewing Unit" bemühte sich, meditativ alle aktuellen Krisenherde abzutasten, etwa die Botschaft in Teheran, sowjetische Aktivitäten auf Kuba und verdächtige Gebäude in Ostberlin. Die Ergebnisse hielten sich in Grenzen, und selbst die remote viewer räumten ein, dass ihre Arbeit zumindest keinen konkreten Nutzen stiftete.

Die Geheimdienstgemeinde spaltete sich in Spötter und Schwärmer. Bürokraten, die sich nicht für Esoterik erwärmen konnten oder gar aus konservativ-christlicher Überzeugung das Treiben der remote viewer für ein Werk des Teufels hielten, strichen immer wieder Mittel für entsprechende Forschungsprogramme, jedoch waren die Mitglieder der Einheit wegen tadelloser Karrieren unkündbar. Nachdem die Militärhellseher lange laviert hatten, fanden sie schließlich 1982 im INSCOM-Kommandanten Major General Stubblebine einen mächtigen Esoterik-Enthusiasten, der trickreich Kontrolle und Finanzierung der staatlichen Zauberer organisierte.

Stubblebine glaubte, wie Uri Geller psychokinetisch Löffel verbogen zu haben, die er zu verschiedenen Anlässen stolz präsentierte. (Auf entsprechenden Seminaren, die in den USA ähnlich wie etwa Kurse fürs "Feuerlaufen" angeboten werden, verbiegen die Teilnehmer Löffel mit ihren Händen, wobei sie glauben, dies gelänge nur aufgrund besonderer Kräfte.)

Insbesondere Joe McMoneagle sollen erstaunliche Sichtungen gelungen sein: So erkannte er den damals hochgeheimen US-Abrams-Panzer, sagte ein riesiges russisches U-Boot voraus usw. Ob man McMoneagles Fähigkeiten bei INSCOM jemals mit wissenschaftlichen Methoden verifiziert hatte, darüber schweigen sich die Berichte jedoch aus.

Vizepräsident George Bush, der bereits während seiner Zeit als CIA-Direktor ein Dossier über die KGB-Hellseher in Auftrag gegeben hatte, wurde von der Existenz der coordinate remote viewer unterrichtet und soll sich interessiert gezeigt haben. Neue Mitglieder der Einheit wie den späteren Stargate-Chronisten Paul H. Smith plagten zwei Ängste: Welche Probleme er wohl bekäme, falls er kein Hellsehtalent habe - und mit welchen mitunter feindlichen Reaktionen er rechnen müsse, wenn seine Ergebnisse "zu gut" wären? Beide Sorgen waren jedoch unbegründet: Permanentes Versagen ist im Geheimdienst nichts ungewöhnliches, sondern der Normalfall. Und die Befürchtung, die Ergebnisse könnten zu positiv ausfallen, war dann doch etwas optimistisch.

Die Psi-Spione erhielten von vielen US-Geheimdiensten Aufträge, die sich Informationen in aktuellen Fällen erhofften. Aus Gründen der Geheimhaltungen erhielten sie jedoch kein Feedback, erfuhren also tragischerweise nie, ob sie mit ihren Einschätzungen richtig lagen.

Esoterische Lehrpläne

Starhellseher Swann unterrichtete die remote viewers am SRI mit pseudowissenschaftlichen science fiction-Ausdrücken und coolen Abkürzungen. Auf dem Lehrplan der Militärgeheimdienstler stand auch theosophisches und anthroposophisches Gedankengut. Swann lehrte die "akashic records", das himmlische Gedächtnis, das sich bereits Madame Blavatsky offenbart hatte. Dass Madame Blavatsky bei Täuschungsversuchen erwischt worden war, etwa bei der Verwendung von Handattrappen, um die Kontrolle ihrer Hände durch ihre Sitznachbarn während Dunkel-Séancen vorzugaukeln, erwähnte der Hellseher nicht. Auch indianisches Geheimwissen wurde den Geheimdienstlern vermittelt.

Nachdem der Guru Swann wieder nach New York übergesiedelt war, folgten ihm die Mitglieder der Hellsehereinheit. Diese verstanden sich so gut, dass sie ihre Freizeit gemeinsam verbrachten und gemeinsam vor allem Science Fiction-Filme ansahen. Von der Parapsychologiekomödie "Ghost Busters" waren die esoterischen Spione so begeistert, dass sie sich T-Shirts mit dem durchgestrichenen Geisteremblem kauften und voller Stolz trugen. Einige interessierten sich auch für UFOs, die Prophezeiungen des Nostradamus und Weltuntergangsszenarien. Viele Mitglieder waren ausgesprochen religiös. So gehörten dem Team mehrere Mormonen an sowie ein "wiedergeborener Christ", der an einem Buch über die heilige Jungfrau Maria arbeitete. Mit dem Widerspruch, eigentlich Teufelswerk zu beforschen, konnte man sich jedoch arrangieren.

Zu der Gruppe stieß der Psi-begabte Lyn Buchanan, der auf seinem Stützpunkt in Augsburg dafür verantwortlich gemacht worden war, mit seinen psychokinetischen Fähigkeiten eine Computeranlage außer Kraft gesetzt zu haben. Der Para-Spion war von Stubblebine persönlich rekrutiert worden, da er sich auch auf die Kunst des Handlesens verstand.

Duell der Magiere: General Noriegas Abwehrzauberer

Subblebine setzte seine Psi-Spione in Panama auf den EX-CIA-Partner General Manuel Noriega an, nachdem normale Agenten beim Versuch, Wanzen zu legen, ertappt worden waren. Doch Noriega war nicht beizukommen, vielleicht weil ihm sein Voodoo-Zauberer ein Amulett mit einem magischen Stein gegeben hatte, das allgemein vor Geheimagenten zu schützen versprach.

Stubblebine entsandte Hunderte von INSCOM-Militärs zu offiziell als Führungs-Seminare deklarierten Kursen in das obskure Monroe-Institut, die dort in der Kunst der Out-of-body-experiences unterrichtet wurden. Einer der INSCOM-Wahrsager begann eines Tages, eine Kollegin unter Drohgebärden als Doppelagentin zu beschuldigen und wurde daraufhin in die Psychiatrie eingeliefert. Als der Patient dort erzählte, er sei Teilnehmer eines Hellseh-Lehrgangs für Geheimagenten, wirkte sich das auf seine psychiatrische Diagnose nicht allzu positiv aus. Wie in jedem Großbetrieb funktioniert auch im Geheimdienst nichts so zuverlässig wie der "Flurfunk", sodass der Vorfall zu einer Legende wurde und den Kritikern des Spökenkieker-Programms in die Hände spielte.

Mitte der 80er Jahre bekam der legendäre Enthüllungsjournalist Jack Anderson, der schon Hoover und Nixon das Leben schwer gemacht hatte, Wind von der parapsychologischen Forschung des US-Militärs. Der Druck auf Stubblebine seitens kritischer Geister in NSA und Militärgremien nahm zu, sodass der verkannte General für seine esoterischen Programme keine realistische Chance mehr sah und 1984 seinen Ruhestand einreichte.

Zu den ersten Amtshandlungen seines Nachfolgers gehörte die Beendigung von "Center Lane". Doch die psychic spies hatten sich in der US-Geheimdienstgemeinde zahlreiche Freunde geschaffen. Mehrere Dienste inklusive der CIA boten an, die Einheit zu übernehmen. Die Defense Intelligence Agency (DIA), der Sammel- und Auswertungsdienst der US-Militärgeheimdienste, führte die Forschungsarbeiten unter dem Code "Sun Strait" fort.

Während des Golfkrieges von 1989 wurden die Hellseher in Saudi-Arabien stationiert, wo sie aus relativ kurzer Distanz zu Bagdad den Aufenthaltsort von Saddam Hussein ermitteln sollten - vergeblich. Die DIA-Oberen waren mit den Ergebnissen unzufrieden, abermals meldete sich Enthüllungsjournalist Anderson zu Wort und wieder stand die Einheit zur Disposition.



Ein Gremium von Senatoren, das mit Geheimdienstangelegenheiten befasst war, hatte jedoch einen Narren an dem Projekt gefressen. Nach organisatorischen Änderungen wurde es unter dem Namen "Star Gate" weitergeführt (die Bezeichnung hat nichts mit dem gleichnamigen späteren Kinofilm zu tun). Smith wurde unter anderem von der Drogenfahndung konsultiert, für die er mittels Wünschelrute Container mit versteckten Drogen gefunden haben will. (Schon der Varieté-Hellseher Erik Jan Hanussen hatte in Österreich im 1.Weltkrieg das Militär im Wünschelrutengehen unterrichtet.) Das Star Gate-Projekt wurde von der Affäre eines schon früher zu Kriminalität neigenden Mitglieds überschattet, das Militäreigentum unterschlug und sich eine Affäre mit einer verheirateten Frau leistete, was in den puritanischen USA zu disziplinarischen Maßnahmen führte.

Aus unerfindlichen Gründen wollten die Militärbürokraten noch immer nicht die Leistungen der tüchtigen esoterischen Feindaufklärer anerkennen. Inzwischen hatten ausgeschiedene Mitglieder eine private Firma namens Psi Tech gegründet, die ihre Hellsehdienste anbot. Man versuchte, den Fall des Mordverdächtigen O.J. Simpson durch Intuition zu lösen und suchte nach einer verschollenen sowjetischen Weltraumsonde (wozu auch immer). Einträglicher dürften wohl eher die Kurse im Hellsehen gewesen sein, die man entsprechend aufgeschlossenen Zeitgenossen anbot.

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Nach 18 Jahren, welche die amerikanischen Steuerzahler 20 Millionen Dollars gekostet hatten, beauftragte man eine Statistikerin vom "American Institute of Research" mit der Evaluation der Daten. Diese attestierte den Hellsehern einen Erfolg von stolzen 15%. Die Dame hatte ihr Handwerk allerdings am SRI erlernt, dem James Randi seinerzeit indiskutable Forschungsmethoden nachgewiesen hatte. Die CIA konsultierte 1995 den Psychologen Ray Hyman vom Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal (CSICOP), dem von Randi gegründeten Skeptiker-Komitee zur Überprüfung von paranormalen Phänomenen. Die von Hyman ermittelte signifikante Abweichung der Star Gate-Ergebnisse von Zufallstreffern betrug 0 %. Star Gate schloss die Tore.

Esoterischer Fehlalarm

Man könnte geneigt sein, die Bemühungen der Zauber-sehnsüchtigen Geheimdienstler als harmloses Sandkastenspiel anzusehen, wäre da nicht das Risiko esoterisch gewonnener Desinformation gewesen, die eine Eigendynamik hätte entwickeln können. Welche Brisanz derartiges gewinnen kann wird deutlich am peinlichsten Skandal des Star Gate-Programms: Die remote viewers hatten sich an Weihnachten mit dem UFO-Fan aus dem Team, Ed Dames, einen Scherz erlaubt und von einem sich vom Nordpol her nähernden fliegenden Objekt orakelt - traditionell vermeldet auch NORAD als Pressegag jährlich die Ankunft des Weihnachtsmanns in seinem fliegenden Schlitten von ebendort. Der gefoppte remote viewer deutete diese Sichtung jedoch als sich im Anflug befindliche Atomraketen und versuchte, den höchsten Sicherheitsalarm auszulösen.

Jener unglückliche Ex-Agent Ed Dames selbst enthüllte in einer TV-Show die Geschichte des Star Gate-Programms, was nicht nur für großes Aufsehen in den US-Medien sorgte, sondern Dames auch ein gutes Auskommen als Ausbilder für "technical remote viewing" (TRV) bescherte. Viel wird er davon jedoch nicht haben, falls eines seiner zahlreichen Weltuntergangsszenarien zutrifft wie verseuchte Milch, im Wüstensand versteckte schwangere Marsianer sowie ein Pflanzenvirus, das durch den Kometen Hale-Bopp eingeschleppt worden sein soll. Dames und seine Hellsehkollegin Silvia Browne gehören zu James Randis gegenwärtigen Lieblingsfeinden. Während Dames Randis "1 Million Dollar-Herausforderung" wegen angeblich unfairen Testbedingungen ablehnt, hatte Browne zwar Anfang 2001 zugesagt, sich bis jetzt jedoch noch immer nicht bei Randi blicken lassen.

Auch die anderen Psi-Veteranen veröffentlichten ihre Heldentaten in einer Reihe seltsamer Bücher, die den Leser auf eine harte Geduldsprobe stellen. Die wenigen Indizien, welche die Autoren als Beleg für ihre Fähigkeiten anführen, sind mitleidserregend bis unfreiwillig komisch. Die Erfolge, derer sich die remote viewers rühmten, kann man u.a. bei Globalsecurity.org nachlesen. Die US-Geheimdienste beeilten sich mit der Feststellung, dass keine der Psi-Informationen letztlich Verwendung gefunden hätte. Demgegenüber hatte allerdings CIA-Direktor Richard Helms seinerzeit den Projektstatus von "Research" (Forschung) auf "Practise" (Praxis) geändert.

Dass es der Gruppe gelungen war, zwei Jahrzehnte im Biotop "Geheimdienst" zuzubringen, ohne auch nur den geringsten Beweis für den Sinn ihrer Tätigkeit zu erbringen, mag Außenstehenden erstaunlich vorkommen. In Militär und Geheimdienst scheint das Festhalten an Sinnlosem jedoch der Normalfall zu sein, solange nur die Form gewahrt und die patriotische Gesinnung hinreichend zelebriert wird. Was geheim ist, das kann auch niemanden stören.

2003 wurden 99 % der Akten, welche interessante Innenansichten erlauben, freigegeben. Die ehemals staatlichen Hellseher gründeten die Remote Viewers Association und feiern sich noch heute. Die Scientology-Church rühmt sich werbewirksam der Zusammenarbeit ihres Personals mit den US-Geheimdiensten, hat sich aber mit Swann (oder dessen operierenden Thetan) überworfen. Parapsychologe Puthoff hatte sogar Geheimdienstmethoden in die "Wissenschaftskirche" integriert, indem er sich an der Konstruktion von Polygrafen ("Lügendetektoren") als sog. E-Meter zur Messung innerer Reinheit bei Verhören ("Auditing") beteiligte.

2005 erschien eine umfassende Dokumentation mit dem spektakulären Titel "Reading the Enemynd. Inside Star Gate - Americaychic Espionage Program" (2005), in dem Veteran Paul H. Smith auf über 500 Seiten nicht eine einzige wirklich interessante Information bietet. Anders, als man vom Titel her vermuten könnte, bemühten sich die remote viewers nicht um das Lesen feindlicher Gedanken, sondern um Informationsgewinnung durch Meditation.

Ausgerechnet Enthüllungsjournalist Jack Anderson steuerte ein erstaunlich wohlwollendes Vorwort bei. Die Erklärung hierfür mag darin zu suchen sein, dass Anderson wie Autor Smith ein gläubiger Anhänger der Mormonen ist, zu deren Weltbild ohnehin allerhand Wundersames um den umstrittenen Gründer Joseph Smith Jr. aus dem 18. Jahrhundert gehört.

Return of the remote viewers

Dem investigativen Journalisten Jon Ronson zufolge wurden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sämtliche psychic spies wieder vom Geheimdienst kontaktiert, der sie dazu aufgefordert habe, jegliche Vision zu melden. Selbst Uri Geller behauptete Ronson gegenüber, von US-Behörden reaktiviert worden zu sein. Auch Großbritannien soll ein entsprechendes Programm aufgebaut haben, um [local] Bin Laden mit "Remote Viewing" in seinem Versteck zu entdecken?

Es ist jedoch anzunehmen, dass die Legende von hellsehenden Militärs bewusst als Desinformation zur psychologischen Kriegsführung im Irak eingesetzt werden sollte. Ein weiterer Informant wusste Ronson zu berichten, die Beendigung von "Star Gate" sei nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, um eine zweite ultrageheime Einheit zu tarnen. Deren Mitglieder seien nicht nur remote viewers, sondern - nach Art des Militärs - auch remote killers.

Was im ersten Moment nach einem Trashfilm klingt, hat jedoch einen durchaus plausiblen Hintergrund: Der New Age-begeisterte Colonel John B. Alexander, der bis heute freundschaftlichen Kontakt mit Uri Geller pflegt, hatte tatsächlich in den 70ern in einem utrageheimen Programm Krieger für spezielle Aufträge mit übermenschlichen Fähigkeiten trainieren lassen: Unsichtbarkeit, Levitation und tödlicher Psychokinese. Der Mann ist noch heute als visionärer Berater im Einsatz, entwickelte tatsächlich vom Militär eingesetzte neue Kampfmethoden und verfasste 1999 das viel beachtete Sachbuch "Future War" über neue Kampftechnologien und nichttödliche Waffen.

Politische Hellseher

Während der Glanzzeit der remote viewers wurde tatsächlich die Politik auf höchster Ebene esoterisch beeinflusst: Präsident Ronald Reagans "chief of staff" Donald Regan schildert in seinen Memoiren, dass alle wichtigen Schritte und Entscheidungen mit der Astrologin Joan Quigley abgesprochen wurden, die unter anderem den Termin zur Unterzeichnung des Abkommens über die nukleare Abrüstung von 1987 bestimmte.

Der amtierende italienische Staatschef Romano Prodi hatte 1978 versucht, die Herkunft einer brisanten Information übersinnlich zu erklären: Als Industrieminister der Regierung Andreotti hatte Prodi an einer spiritistischen Sitzung teilgenommen, bei der ihm der Aufenthaltsort des damals entführten Politikers Aldo Moro in "Gredoli" bekannt gegeben worden sei. Eine Suche im Ort "Gredoli" verlief erfolglos, jedoch befand sich das Versteck tatsächlich in einer "Via Gredoli". Eine Erklärung für die dürftig lancierte unvollständige Information vermuten manche in der inzwischen bewiesenen Tatsache, dass seinerzeit italienische Geheimdienstkreise in den Entführungsfall verwickelt waren und insoweit Prodi eine Indiskretion zugespielt worden sein dürfte. Prodi hält bis heute ausdrücklich an seiner Version mit der Geisterbeschwörung fest.

Der britische Premierminister Tony Blair, der in anderem Zusammenhang von UN-Waffeninspektor Hans Blix 2004 als "Geisterbeschwörer" beschimpft wurde, steht okkultem tatsächlich nicht fern: Blairs Gattin veranstaltet regelmäßig Séancen, konsultiert prominente Hellseher und lässt sich von Uri Geller persönlich die Löffel biegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erzählte der BILD-Zeitung, Horoskope zu lesen, sich aber nicht danach zu richten. Ob sich auch der Bundesnachrichtendienst bei seiner Informationsbeschaffung esoterischer Quellen bedient, wird von Experten für unwahrscheinlich gehalten. Nationalsozialistische Geheimdienstler hatten mit Hanussens Prophezeiungen genug schlechte Erfahrungen gesammelt, sodass man hierzulande ausschließlich traditionelle Spionagemethoden bemüht.