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14 Januar 2011

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Von der perversen Logik des Staatsterrorismus

Marcus Klöckner 13.01.2011

Martin Maurer über seinen Polit-Thriller "Terror" und seine Recherchen über Gladio und die Strategie der Spannung

Es geht um Staatsterrorismus und die geheimen Armeen der NATO, kurz: Gladio. Maurer, der eigentlich Drehbuchschreiber ist, hat fünf Jahre lang zum Thema recherchiert und seine Rechercheergebnisse in dem Buch "Terror" verarbeitet, das gerade im Dumont Buchverlag erschienen ist. Seine Romanfigur Marc Burth hat einen eigenen Blog. Dort findet man Maurers Recherchematerial sowie Interviews, die er für eine bis jetzt noch nicht realisierte Fernseh-Doku geführt hat.

Herr Maurer, Ihr Polit-Thriller "Terror" ist sehr düster und beschreibt einen extrem brutalen und menschenverachtenden Terroranschlag. Warum so eine verstörende Geschichte?

Martin Mauer: Die historischen Fakten, die ich während meinen Recherchen zusammengetragen habe, sind durch und durch verstörend. Der italienische Rechtsterrorist Vinciguerra, der Kontakt zu Gladio hatte, hat vor Gericht folgende Aussage gemacht: "Man musste Zivilisten angreifen ... Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen ... Der Grund war ganz einfach. Man wollte diese Menschen ... dazu bringen, sich an den Staat zu wenden, um höhere Sicherheit zu fordern. Dies ist die politische Logik, die hinter all den Massakern und Bombenattentaten steht..." An anderer Stelle spricht Vinciguerra von einem "Krieg, den die Techniker in den Generalstäben "nicht orthodox" nennen. Der Krieg, der das Ziel hat, das Hirn, das Bewusstsein, das Herz und die Seele der Menschen zu treffen, nicht Territorien".

Es ist diese perverse Logik, die ich versucht habe, im Roman zu veranschaulichen. Was mich persönlich bei den Recherchen aber meisten verstört hat, war die Tatsache, dass diese Dinge durchaus bekannt sind, dass aber trotzdem kaum jemand darüber Bescheid weiß.


 Q:  Erzählen Sie doch bitte mal etwas mehr vom eigentlichen Plot.

Martin Mauer:  Der Berliner Kameramann Marc Burth möchte mit Frau und Tochter in Italien überwintern. Kurz nach ihrer Ankunft in einem ligurischen Dorf wird Marc Zeuge eines Überfalls. In einem Haus in der Nachbarschaft wird ein Mann, ein Marokkaner, brutal zusammengeschlagen. Der Marokkaner behauptet, die Schläger seien Polizisten gewesen und bittet Marc um Hilfe. Marc geht der Sache nach, und dann beginnt der Albtraum.

Der geheime Krieg wurde vermutlich auch in Deutschland geführt

-- Der Protagonist in ihrem Buch ist ein ganz normaler Mensch, der plötzlich mit einem für ihn zunächst undurchsichtigen staatlichen Terrornetzwerk konfrontiert wird, dass Jahrzehnte zurückreicht und dessen Spuren auch nach Deutschland führen.

Martin Mauer: Als ich vor fünf Jahren begann, mich mit dem Thema Gladio und Staatsterrorismus zu befassen, lebte ich in Italien, wo das Thema viel besser aufgearbeitet worden ist. Es gab parlamentarische Untersuchungskommissionen und unzählige Gerichtsverfahren, Aussagen, Dokumente. Und diese Dokumente belegen, knapp formuliert, den geheimen Krieg westlicher Geheimdienste gegen den Kommunismus in Italien.

Einige der Dokumente legen den Schluss nahe, dass dieser geheime Krieg auch in Deutschland geführt worden ist. Nur ist Gladio in Deutschland nie parlamentarisch untersucht worden, weshalb es auch kaum Dokumente gibt, was aber natürlich nicht heißt, dadurch sei bereits erwiesen, dass es dieses Phänomen in Deutschland nicht gegeben habe.

Es ist einfach bis jetzt nur nicht ordentlich untersucht worden, was zum Beispiel ganz deutlich wird, wenn man sich mit den Hintergründen des Oktoberfestattentats 1980 befasst. Mittlerweile ist hinreichend belegt ist, dass damals nicht ordentlich ermittelt worden ist. Der Journalist Tobias von Heymann hat die Akten ausgewertet, die die Stasi zum Oktoberfest-Attentat angelegt hatte, und seine Erkenntnisse 2008 in dem Buch "Die Oktoberfest-Bombe" veröffentlicht. Die Stasi berichtet beispielsweise von einer auffallenden Konzentration von Kräften des Verfassungsschutzes in der Region 22 Stunden vor dem Attentat in München.

Von Heymann beschließt sein Buch mit folgendem Fazit: "Alle bekannten Indizien sprechen aus meiner Sicht heute dafür, dass Gundolf Köhler kein Einzeltäter gewesen ist." Trotzdem wird das Ermittlungsverfahren nicht wieder aufgenommen. Die Chance, durch ein solches Verfahren an belastbare Dokumente zu kommen, besteht also auch im Falle Oktoberfest-Attentat nicht. So kam es zu meinem Entschluss, Interviews mit Zeitzeugen zu führen. Diese Interviews sollten Grundlage für eine Fernsehdokumentation werden.

 Q: Mit wem haben Sie denn für die Doku gesprochen?

Martin Maurer: Wir haben unter anderen mit Daniele Ganser (NATO Geheimarmeen in Europa) gesprochen, mit dem leider inzwischen verstorbenen Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer, der sich 1990 für ein parlamentarische Untersuchung der deutschen Gladiostrukturen eingesetzt hatte, mit dem ehemaligen Innenminister Gerhard Baum, mit Michael "Bommi" Baumann (Bewegung 2. Juni), mit Karl-Heinz Hoffmann, dem Gründer und Chef der Wehrsportgruppe Hoffmann, mit Rechtsanwalt Werner Dietrich, der die Interessen der Opfer des Oktoberfest-Attentats vertritt.

-- Wie haben Ihre Interviewpartner reagiert, was haben sie gesagt?

Martin Mauer: Die Offenheit war groß. Es gab und gibt das Bedürfnis, das Thema tiefer im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Das hat jeweils verschiedene Gründe. Die Attentats-Opfer fühlen sich natürlich alleingelassen. Es ist das Zweifeln und Verzweifeln am eigenen Staat, das am Eindrücklichsten wohl Michael Buback in seinem Buch "Der zweite Tod meines Vaters" beschrieben hat. Auch die Angehörigen der Opfer des Oktoberfest-Attentats mussten die Erfahrung machen, dass eine ordentliche Aufklärung nicht gewollt ist.

Mit Michael Baumann und Karl Heinz Hoffmann hatten wir ja jeweils einen Vertreter des Extremismus von links und von rechts vor der Kamera. Interessant war, wie sehr sich ihre Aussagen glichen. Beide hatten das Gefühl missbraucht worden zu sein. Beide berichteten, dass ihr Umfeld von Anfang an von Verfassungsschutzmitarbeitern unterwandert war. Wer sich dafür interessiert: Die meisten der von uns geführten Interviews sind auf [extern] Marcs Blog zu sehen.

Ganz am Anfang einer historischen Aufarbeitung

-- Und der WDR wollte das Thema nicht realisieren? Kennen Sie die Gründe?

Martin Mauer: Als ich 2005 angefangen habe, mich mit dem Thema zu befassen, war es in der Öffentlichkeit noch kaum präsent. Das hat sich inzwischen geändert, durch wichtige Publikationen, auch auf Deutsch (Daniele Gansers Buch beispielsweise ist 2005 auf englisch erschienen und 2008 erst auf deutsch). 2008 erschienen die bereits erwähnten Bücher "Der zweite Tod meines Vaters" von Michael Buback und "Die Oktoberfest-Bombe" von Tobias von Heymann. Der Fall Verena Becker war zeitweise durch das Gerichtsverfahren präsent und ist auch vom renommierten Sozialwissenschaftler Wolfgang Kraushaar eingehend untersucht worden ("Verena Becker und der Verfassungsschutz").

Das heißt, der Gedanke, es könnte in der bundesdeutschen Geschichte tatsächlich etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein und das könnte eventuell etwas mit Machtpolitik, Geheimdiensten und deren Strategien zu tun haben, klingt heute nicht mehr ganz so verwegen, wie vor ein paar Jahren noch. Wann dies jedoch zu einem Thema für einen öffentlich-rechtlichen Sender wird, ist eine andere Frage. Es bleibt ein heikles Thema und ich habe, offen gesagt, Verständnis dafür, dass einer Redaktion das zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu heiß ist. Ich werde trotzdem weiterhin versuchen eine Redaktion zu finden, die bereit ist, sich darauf einzulassen.

-- In Ihrem Buch gibt es eine Szene, in der sich der Protagonist mit einem Informanten trifft, der in dieses staatliche Terrornetzwerk eingebunden war und reden möchte. Dabei sagt er: "Ich spreche aus einem einzigen Grund mit Ihnen…ich habe eine Verantwortung gegenüber diesem Land. Deutschland befindet sich mitten im War on terror. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob sie die Strategie der Spannung einsetzen, um einen Krieg zu verhindern, oder ob sie mit dieser Strategie einen Krieg rechtfertigen. Die Leute müssen wissen, was gelaufen ist und was immer noch läuft, sonst kommt es zur Katastrophe. Davon bin ich überzeugt."

An einer anderen Stelle im Buch sprechen Sie von einer Zahlung eines ehemaligen Bundesverteidigungsministers über 100.000 Euro, die möglicherweise aus  einem Etat des BND stammen, und an die Aginter Press (eine unter dem Etikett Presseagentur in den 50er und 60er Jahren fungierende Tarnorganisation westlicher Geheimdienste), gezahlt worden sein soll. Der Verteidigungsminister in Ihrem Buch trägt den fiktiven Namen Rudolf Hochhausen, gleichzeitig sprechen sie wenige Zeilen zuvor von einem real existierenden deutschen Rüstungsunternehmen. Welchen Realitätsgehalt haben diese Szenen und Inhalte, was basiert auf Ihrer schriftstellerischen Freiheit?

Martin Mauer: In der Szene mit dem Informanten, gegen Ende des Buchs, werden die Handlungsstränge des Romans zusammengefügt. Diese Szene ist fiktiv. Hier wird ein mögliches Bild entworfen. Die von Ihnen genannte zweite Stelle im Buch basiert hingegen auf Fakten, die zum Teil aus rechtlichen Gründen (Persönlichkeitsrechte) verändert werden mussten.

Der Erzählstrang, der 2010 in Italien und Berlin spielt, ist fiktiv. Alles, was Marc über die historischen Ereignisse herausfindet ist das Ergebnis meiner Recherchen, das, wie gesagt, auch auf Marcs Internetblog zu sehen ist.

-- Möchten Sie mit dem Buch etwas erreichen?

Martin Mauer: Wenn es gelänge, das Thema in der Öffentlichkeit präsenter zu machen, würde ich mich sehr freuen. Wir sind im Moment noch ganz am Anfang einer historischen Aufarbeitung. Man muss sich erst einmal darauf einigen, dass die Geschichte des Terrorismus in Deutschland alles andere als abschließend untersucht worden ist.