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05 Januar 2011

Lesenwerter Artikel vom Geld

Geld - Mythos und Macht (Teil 1 und 2)

Jens Berger 29.12.2010

Für viele Menschen scheint Geld eine der wichtigsten Sachen der Welt zu sein. Geld macht Macht, Geld macht Politik. Was Geld eigentlich ist, wird dabei immer wieder gerne vergessen.
Seit Menschen Handel treiben und ihre Gesellschaft eine höhere Arbeitsteilung aufweist, brauchen sie Tauschmittel, die universell akzeptiert werden. Es wurde im Laufe der Zeit vieles ausprobiert: Waffen, Kunstgegenstände, Muscheln, Gewürze, Silber, Gold und schließlich Papiergeld. Eine geldlose Gesellschaft ist heute mithin unmöglich, schließlich würde kein Arbeitnehmer eine Bezahlung in Butter, Käse, Automobilbezugsscheinen oder Benzinkanistern akzeptieren. Für die Geldfunktion als Tauschmittel ist es allerdings irrelevant, welche Art von Geld verwendet wird. Dem Arbeitnehmer ist es prinzipiell egal, ob er Goldmünzen, Papierscheine oder elektronische Verrechnungseinheiten für seine Arbeitsleistung bekommt - wichtig ist, dass dieses Tauschmittel in der Tat universell ist und von jedermann akzeptiert wird.

Ein universelles Tauschmittel

Um Geld zu einem universellen Tauschmittel zu machen, verleihen Staaten einem bestimmten Tauschmittel die Funktion eines gesetzlich verpflichtenden Zahlungsmittels. Dabei ist Geld jedoch eine reine Recheneinheit, die eine Forderung repräsentiert. Das Geld selbst ist jedoch prinzipiell wertlos, sieht man vom reinen Materialwert von Münzen oder Papiergeld einmal ab. Elektronisches Geld verfügt noch nicht einmal über Materie, der man einen Wert beimessen könnte. Für die Tauschmittel ist die Frage des Materialwerts des Geldes jedoch nicht von Belang. Der einzige Wert, der hinter der Recheneinheit Geld steckt, ist Vertrauen - Vertrauen in den Umstand, dass man für eine Recheneinheit von einem potentiellen Tauschpartner einen fest kalkulierbaren Gegenwert in materieller oder ideeller Form bekommt. Der mögliche Wertverlust dieser Recheneinheit in Zukunft ist dabei nicht von Belang, berührt er doch lediglich die Aufbewahrungsfunktion und nicht die Funktion als Tauschmittel. Entscheidend für die Tauschmittelfunktion ist allein die generelle, wenn möglich gesetzlich garantierte, Akzeptanz des Tauschmittels.

Hier unterscheidet sich Geld beispielweise von werthaltigen Tauschmitteln, die nicht gesetzlich garantiert sind. Wer eine Unze Gold sein eigen nennt, wird zwar unter Umständen einen Tauschpartner finden, der ihm dafür eine Ware aushändigt - die allermeisten Tauschpartner werden sich jedoch weigern, dieses Tauschmittel anzunehmen und darauf verweisen, dass der Kunde sein Gold doch bitte vorher in die gesetzliche Währung umtauscht und mit Geld bezahlt. Seit der Einführung des Papiergeldes ist Gold auch nur noch eine Ware, deren Wert in Geld bemessen wird, und die in der Recheneinheit Geld gehandelt wird. Es gibt schließlich auch noch das sogenannte "Regio-Geld", das nur von bestimmten - meist regional konzentrierten - Akzeptanzstellen angenommen wird. Regio-Geld mag eine nette PR-Aktion sein, um Kunden für die eigenen Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen, eine Alternative zum echten Geld ist es jedoch nicht, da niemand eine gesetzliche Garantie für dieses "Geld" ausgegeben hat.

Beständige Werte? Aber nicht beim Geld

So einfach die Tauschmittelfunktion zu fassen ist, so kompliziert wird es, wenn man die zweite kardinale Geldfunktion betrachtet: Geld soll - in der Theorie - seinen Tauschwert auf Dauer behalten. Diese Funktion erfüllt unser modernes Geld jedoch nur sehr eingeschränkt. Alte Kurantmünzen waren beispielsweise stets so viel wert, wie das Metall, aus dem sie bestehen. Als reine Wertaufbewahrung ist jedoch auch ein solches Geldmodell nicht optimal geeignet, ist man als Besitzer der Münze doch von Angebot und Nachfrage des betreffenden Metalls und der Prägefreudigkeit des "Münzherren" abhängig.

Inflation - der eingebaute Entwertungsfaktor

Modernes Geld hat bereits ein implizites Verfallsdatum, das besser unter dem Namen Inflation bekannt ist. Zentralbanken haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass der Tauschwert des Geldes erhalten bleibt, oder - wenn möglich - kalkulierbar abnimmt. Dieser Wertverlust soll von den Zentralbanken durch eine Geldmengensteuerung erreicht werden. Durch Ausweitung oder Verknappung des Angebots an Krediten lässt sich theoretisch - und oft auch praktisch - die kursierende Geldmenge in einem Maß erhöhen, das den Tauschwert des Geldes verringert. Die EZB definiert zwar die "Preisstabilität" als Ziel, damit ist allerdings ein Wertverlust von etwas unter 2% pro Jahr gemeint, der als Inflationsziel vorgegeben ist. Kritiker dieses monetaristischen Ansatzes sehen sogar ein höheres Inflationsziel als wünschenswert.

Der Zins als Triebfeder des Wirtschaftens

Warum will der Staat den Wert des Geldes nicht stabil halten? Wenn die Bürger ihr Geld nicht mehr ausgeben, sondern unter ihrem Kopfkissen horten würden, würde dieses Geld auch nicht in der Volkswirtschaft kursieren und damit den Wirtschaftskreislauf schwächen. Der Nachfragetheoretiker Keynes sprach in diesem Zusammenhang von Geldhortung und Liquiditätspräferenz. Nebenbei ist der Zins auch eine Triebfeder, die Geldbesitzer motiviert, ihr Geld einer Bank anzuvertrauen. Wer seine Ersparnisse oder sein Vermögen einer fremden Person leihen soll, hat ein berechtigtes Interesse daran, dass er nicht nur eine Risikoprämie für den potentiellen Verlust des Geldes bekommt, sondern auch einen Inflationsausgleich. Wer sein Geld zinslos verleiht, macht damit automatisch Verlust. Selbst wenn der Kredit in voller Höhe zurückgezahlt wird, ist das Geld zum Zeitpunkt der Kredittilgung nur nominell so viel wert wie beim Zeitpunkt der Kreditvergabe - dazwischen liegt die Inflation. Was Finanzesoteriker - meist Jünger des Sozialreformers Silvio Gesell - lautstark als "umlaufgesichertes Geld", "Freigeld" oder "Schwundgeld" fordern, ist de facto seit Beginn der gesteuerten Inflation längst Realität.

Zins und Inflation sind ein Garant dafür, dass Banken ordnungsgemäß funktionieren können, da der Bürger seinen Spargroschen und Geld, das er im Moment nicht benötigt, vor dem Wertverlust schützen will, indem er es seiner Bank gibt, die dieses Geld weiterverleiht und damit einen Zinsgewinn erzielt. In der Theorie verleihen die Banken die Kundeneinlagen mit einem variablen Risikoaufschlag und "Bearbeitungsgebühren" an Investoren. In der Praxis hat sich jedoch herausgestellt, dass die Banken diese Kernaufgabe kaum mehr wahrnehmen und stattdessen verschiedene "Innovationen" entwickelten, die streng genommen der Geldschöpfung aus dem Nichts entsprechen. Dem Missbrauch des Bankensystems durch sich selbst wurden Tür und Tor geöffnet.

Die größten Zinsgewinne (und -verluste) werden nicht mehr in der Realwirtschaft, sondern in einer synthetischen Geldwirtschaft erzielt, die meist nur rudimentär auf realwirtschaftlichen Vorgängen basiert und sich ansonsten verselbstständigt hat. Banken geben ihre Einlagen entweder gar nicht oder aber zu inakzeptablen Bedingungen an Kreditnehmer weiter, "drucken" dafür umso lieber synthetisches Geld auf Basis der Kundeneinlagen, mit dem sie an synthetischen Märkten spekulieren. Der Status quo ist zweifelsohne unbefriedigend, hat jedoch nur wenig mit dem Zins an sich zu tun.

Geld ist nicht gleich Vermögen

Die Gleichsetzung von Geld und Vermögen wird immer wieder gerne vorgenommen, obgleich sie sinnlos ist, da Geld lediglich eine Recheneinheit für liquide Mittel ist - im Positiven, wie im Negativen. Ein Haus, das komplett abbezahlt ist und für keinen Kredit als Sicherheit eingetragen wurde, taucht beispielsweise so lange in keiner Geldbilanz auf, bis es beliehen oder verkauft wird. Wer auf seinem Girokonto 1.000 Euro hat und zusätzlich ein Haus besitzt, das auf dem Markt 100.000 Euro wert wäre, besitzt nicht 101.000 Euro, sondern 1.000 Euro. Ganz gleich welche Geldmenge (M1, M2 oder M3) man betrachtet, das Haus taucht dort nicht auf. Wer sich also über die wundersame Geldmengenvermehrung der letzten Jahre wundert, sollte nicht dem Irrglauben verfallen, dass dies irgendetwas mit der Vermehrung von Vermögen zu tun hätte - es wurden lediglich mehr Sachwerte durch Verkauf oder Beleihung zu Geld gemacht. Dabei haben die Staaten im Rahmen der gigantischen Privatisierungswelle eine gehörige Rolle gespielt. Die Wasserleitung eines öffentlichen Wasserversorgers, die bereits abgeschrieben ist, taucht ebenso wie das abbezahlte Haus der Privatperson in keiner Geldmengenrechnung auf. Wird die Wasserleitung allerdings als Vermögensbestandteil der Wasserversorgung per Kredit an einen privaten Investor verkauft oder verliehen, so vermehrt sich die Geldmenge um den bilanzierten Wert plus Zinslast.

Geld ist Schuld?

Spätestens seit der Finanzkrise wuchern diverse - meist esoterisch angehauchte - Geldtheorien im Internet. Zu den populärsten Theorien gehört dabei der vom ehemalige BILD-Vize Paul C. Martin erdachte Debitismus. Der Debitismus sieht das "wahre Wesen" des Geldes nicht in seiner Tausch- oder Wertaufbewahrungsfunktion, sondern in einer religiös verquasten Schuld (Urschuld). Aus akademischer Sicht ist diese Theorie jedoch eine realitätsferne metaphysische Theorie, die sich eher auf religiös-philosophischem als auf wissenschaftlichem Terrain bewegt. Kann man einem Gläubigen seinen Glauben ausreden? Der Erfolg des Debitismus im deutschsprachigen Internet lässt sich wohl vor allem semantisch erklären: Schuld steht im Deutschen sowohl für Geldschulden als auch für die ethisch-philosophische und die juristische Bedeutung des Begriffs. Im Englischen trennt man zwischen "Guilt" und "Debt" und vermeidet so eine fundamental-calvinistische Vermischung der Begrifflichkeiten.

Es ist in der Tat so, dass Geld durch Kreditnahme generiert wird. Dahinter steckt kein schurkischer Masterplan, um die Welt zu versklaven, sondern die wesentlich unmysteriösere Grundlage der kaufmännischen Buchführung. Geld ist eine Recheneinheit, die einer Forderung gegen Privatpersonen, Unternehmen oder dem Staat entspricht. Für jede Forderung muss es jedoch zwingend auch eine Verbindlichkeit geben. Es ist natürlich eine Binse, dass Geld immer eine Forderung auf einen realen Gegenwert darstellt. Auf den ersten Papiergeldnoten der Bank of England stand damals noch in handgeschriebener Schrift der Satz "Ich gelobe, dem Inhaber auf Verlangen einen Betrag in Höhe von ... auszuzahlen" - Geld bedeutete schon immer eine dokumentierte Eigentumsforderung. Daran hat auch das moderne "Fiat money" (kreditgeschöpftes Geld) nichts geändert. Da unser modernes Geld nicht durch Werte, sondern durch Vertrauen in die Volkswirtschaft gedeckt ist, hat diese Forderung im Falle eines Zusammenbruchs des Geldsystems jedoch keinen praktischen Nutzen.

In Teil II geht es um den Goldstandard, die öffentliche Geldschöpfung und die Frage, warum der Staat seine Anleihen überhaupt über Banken emittiert.


Warum der Goldstandard nicht realisierbar ist und die öffentliche Geldschöpfung neu aufgestellt werden sollte

Der Goldstandard war lange Zeit ein Erfolgsmodell. Bei ihm ist der Wert einer Währungseinheit direkt oder indirekt an den Handelspreis für Gold gekoppelt. Die Zentralbanken sind verpflichtet, die Gegenmenge des ausgegebenen Geldes in Gold vorzuhalten. Da Gold nicht beliebig vermehrbar ist, können goldgedeckte Währungen auch nicht beliebig vermehrt werden. Geld gleich Gold - diese Formel wurde lange Zeit als Zauberformel gegen eine unkontrollierbare Inflation angesehen. Doch wer nun einen Goldstandard als Inflationsversicherung sieht, liegt ebenfalls daneben. Die Geschichte zeigt, dass Staaten den Goldstandard bei jeder sich bietenden Gelegenheit Goldstandard sein lassen und die Forderungen auf die "garantierte" Goldmenge streng genommen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Als die Franzosen beispielsweise 1971 ihre Dollar-Reserven zu Gold machen wollten, lehnte Präsident Nixon kühl lächelnd ab - damit war nicht nur der Goldstandard gestorben, sondern auch gleich das gesamte Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse, das implizit auf die Golddeckung des US-Dollars aufbaute.

Bei einem strengen Goldstandard würde paradoxerweise auch nicht die wirtschaftliche Entwicklung, sondern die Fördermenge des Edelmetalls Gold die Geldmenge bestimmen. So hat beispielsweise der legendäre Goldraub der Conquistadores in der "neuen Welt" dazu geführt, dass die "alte Welt" in einem Wirtschaftschaos versank - die Kolonialmacht Spanien musste in einem Jahrhundert ganze dreizehn Staatsbankrotte erklären. Warum eine moderne Volkswirtschaft ein so wichtiges Instrument wie das Geld von bergbaulichen Detailfragen abhängig machen sollte, ist ohnehin nicht ersichtlich. Da könnte man die Geldmenge auch an die Schneemenge, die jeden Winter auf unser Land niederfällt, koppeln - der Zusammenhang erschließt sich nämlich genauso wenig.

Gold ist knapper als Geld

Dass Goldhändler und Goldanleger die Frage des Goldstandards grundsätzlich anders beantworten, liegt auf der Hand. Technisch betrachtet, ist heute eine Rückkehr zum Goldstandard undenkbar. Da die globale Geldmengenvermehrung in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Globalisierung und der Privatisierung massiv zugenommen hat, gibt es überhaupt nicht so viel Gold, dass man einer Recheneinheit Geld einen realistischen Goldgegenwert zuweisen könnte. Weltweit gibt es rund 155.000 Tonnen Gold. Dem stehen alleine rund [extern] 13,5 Billionen US-Dollar gegenüber - eine Feinunze müsste somit für den schwindelerregenden "Gegenwert" von mehr als 27.000 US$ stehen. Und dies betrifft nur die kursierende Dollarmenge - ein weltweiter Goldstandard würde den Goldpreis wahrscheinlich in die Höhe eines Einfamilienhauses pro Feinunze bringen. Wer da nicht Omas Goldbrosche verscherbelt, ist selber schuld.

Diese Zahlen belegen, dass eine Wiedereinführung des Goldstandards nicht realisierbar ist. Sie wäre auch komplett unsinnig, da Geld je eben nicht für einen Wert an sich, sondern für eine Forderung steht, und die Menge der in Anspruch genommenen Kredite eine reine Recheneinheit ist, der man keinen materiellen Gegenwert zuordnen kann. Schlimmer noch: Ein Goldstandard würde nicht nur den Zentralbanken, sondern auch dem Staat die Hände binden. Wenn ein Staat in Phasen der Depression beispielsweise die Wirtschaft durch kreditfinanzierte Ausgaben ankurbeln will, müsste er sich erst einmal darum kümmern, die Goldreserven zu erhöhen, um frisches Geld in Umlauf zu bringen. Da ein Rechtstaat das Gold freilich nicht "im nationalen Interesse" requirieren kann, müsste er es in einem solchen Falle am Markt einkaufen. Der Preis würde steigen, jedes Währungsäquivalent wäre nun unterdeckt und der Staat müsste entweder Geld vernichten oder abermals Gold kaufen. Dass dies weder möglich noch sinnvoll ist, sollte auch jedem Goldhändler aufgehen, der mit Panikmache sehr viel Geld verdient.

Das Paradoxon der öffentlichen Geldschöpfung

Dass die öffentliche Geldschöpfung über einen Goldstandard nicht sinnvoll möglich ist, sollte einleuchten. Warum der Staat öffentliche Gelder auf beinahe die gleiche Art wie Lieschen Müller schöpft, ist jedoch ein selten angesprochenes Paradoxon der modernen Geldpolitik. Wenn Lieschen sich bei ihrer Freundin Erna einen Euro leiht, haben die beiden die Geldmenge ([extern] Forderung und Verbindlichkeit) um einen Euro erhöht - sie haben also "Geld gedruckt". Die oft gehörte Irrlehre, der Staat habe ein Monopol auf das "Gelddrucken", ist natürlich falsch. Die staatlichen Zentralbanken haben zwar ein Monopol auf die Geldschöpfung, das sie über die Geschäftsbanken bis in den Privatbereich weitergeben - der "Gelddrucker" ist jedoch immer derjenige, der sich bei wem auch immer Geld leiht.

Die Lizenz, Geld zu drucken

Die faktische Geldschöpfung obliegt in der Eurozone der EZB und in den USA der FED. Während die Amerikaner nach der Finanzkrise dazu übergegangen sind, in Krisenzeiten ihre neuen Staatsanleihen direkt bei der FED zu platzieren, nehmen Europas große Volkswirtschaften ihr Geld immer noch über den freien Markt - und damit das Geschäftsbankensystem - auf. Damit folgt man dem neoliberalen Dogma, das Geld vor der politischen Willkür zu schützen, da - so die Theorie - ein Staat sich das Geld nicht einfach zu einem unrealistisch niedrigen Zins von der EZB leihen kann. Der Preis für diese selbst auferlegte Enthaltsamkeit ist jedoch hoch - das Bankensystem macht nicht nur prächtige Gewinne mit dem Handel von Staatsanleihen, es kann sie neuerdings sogar selbst kaufen und als 1:1-Sicherheit als Einlage bei der EZB hinterlegen.

Eine Bank kann sich also 1.000 Euro für 1% von der EZB leihen, kriegt vom Staat 2,5% Zinsen und macht 1,5% Zinsgewinn. Wer glaubt, für 1,5% steht ein Herr Ackermann noch nicht einmal auf, der irrt - neue Regularien erlauben es den Banken, die Anleihen als Einlage bei der EZB zu hinterlegen. Herr Ackermann bekommt also 1,5% Zinsgewinn, ohne dass er auch nur einen Euro investieren musste - ein Bombengeschäft, wenn man einmal die unwahrscheinliche Bedrohung eines deutschen Staatsbankrotts außer Acht lässt. Gegen einen solchen Fall kann sich eine Bank jedoch für kleines Geld versichern - fraglich ist nur, wer nach einem deutschen Staatsbankrott noch so solvent ist, dass er die Versicherungssumme erstatten könnte. Solche Fragen interessieren die Banker aber nicht, bieten sie doch selbst die Versicherungen an, mit denen letztlich nur jedes noch so kleine Risiko aus den Büchern herausgerechnet wird, um mehr Kredite vergeben zu können.

Da stellt sich unweigerlich die Frage, warum der Staat seine Schulden nicht direkt für 2,5% - oder gar zu einem niedrigeren Zinssatz - bei der EZB aufnimmt oder warum er sich nicht wenigstens über einen öffentlichen Staatsfinanzierer wie die KfW refinanziert, deren Gewinne ins Staatssäckel zurückfließen? Etwas anderes als eine verdeckte Subventionierung der Geschäftsbanken auf Kosten der Steuerzahler kann man in dieser Praxis nicht sehen. Rund 40 Milliarden Euro (mit steigender Tendenz) muss der Bund Jahr für Jahr für den Zinsdienst bereitstellen. Wäre es nicht wunderbar, wenn der Staat diese Zinsen an sich selbst zahlen würde?

Moderne "Geldsystemkritik"

Auch wenn die Analysten der Banken aus verständlichem Grund Zeter und Mordio schreien würden und zumindest Hyperinflation, wenn nicht sogar den Untergang des Abendlandes prognostizieren würden, würde sich de facto bei einer Umstellung der Staatsfinanzierung herzlich wenig ändern - außer, dass der Staat langfristig mehr Geld zur Verfügung hätte und handlungsfähiger wäre. Eben diese Handlungsfähigkeit ist bei Finanzlobbyisten aber nur dann erwünscht, wenn es darum geht, immer neue Schutzschirme für die Finanzbranche aufzuspannen.

Volkswirtschaftliche Themen spielen seit der Finanzkrise auch in der täglichen Diskussion eine immer wichtigere Rolle. Vor allem die Argumente der sogenannten "Geldkritiker" werden immer dabei schriller und erstaunlicherweise von immer mehr Menschen geglaubt. Waren es früher noch "Verschwörungstheoretiker", die sich neben dem Geldsystem vor allem mit Ufos und den Bilderbergern beschäftigen, ist die Kritik am Geldsystem mittlerweile salonfähig geworden. Doch die gutgläubigen Geldkritiker an der Basis sind dabei selbst nur Bauern in einem Schachspiel, das sie nicht verstehen.

Die Österreichische Schule ist eine Schule der Nationalökonomie, die den Markt als heiligen Gral verehrt und deren natürlicher Feind der Staat ist. Ökonomen wie Friedrich von Hayek und Ludwig von Mises waren bereits die geistigen Väter einer Ideologie, die uns als Neoliberalismus bekannt ist. Die - teils kruden - Geld- und Konjunkturtheorien der Marktfundamentalisten waren seit jeher überaus skeptisch gegenüber einem ungedeckten Papiergeldsystem. Es liegt natürlich im Interesse jedes Marktfundamentalisten, den Staat aus immer mehr Bereichen des Lebens und der Wirtschaft zurückzudrängen, um diese Bereiche durch den Markt regulieren zu lassen. Ein ungedecktes Papiergeldsystem verschafft dem Staat allerdings genau diesen Handlungsspielraum, den Marktfundamentalisten verteufeln.

Die Finanzkrise hat den "Österreichern" Auftrieb gegeben. Undifferenzierte Kritik am Staat fällt in Zeiten, in denen die freien Märkte den Staat bereits an den Rand der Handlungsunfähigkeit getrieben haben, natürlich nicht nur in libertären Kreisen, sondern bei allen denkbaren politischen Splittergruppen am äußersten Rand auf fruchtbaren Boden. Sobald ein Analyst eines großen Bankhauses etwas vom "Zusammenbruch des Geldsystems" erzählt, sind ihm tausende Links in Foren und Blogs sicher. Schreibt er auch noch ein Buch, kann er sich zur Ruhe setzen. Der beste Schutz vor derlei Propaganda und Scharlatanerie ist jedoch Wissen. Nur wer tatsächlich glaubt, dass der Staat ein Geldmonopol habe, ein Goldstandard hilfreich sei und eine kreditunabhängige Geldreform uns dem Himmelreich auf Erden näher bringen wird, lässt sich von Politikern wie Ron Paul oder der Geldelite ins Dickicht ziehen. Die Frage, ob ein Staat oder eine marktmächtige Elite besser für das Volk ist, muss allerdings jeder für sich selbst beantworten.

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Na toll.

Warum nicht Silvio Gesell lesen? Bernard Lietaer als mp3 download anhoeren?

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