Der gescheiterte Staat - - von Noam Chomsky
„Der gescheiterte Staat“ von Noam Chomsky
Noam Chomsky hat ein neues Buch geschrieben ...
... und wer dessen „Der gescheiterte Staat“ nicht liest, ist selber schuld
„Ein Intellektueller zu sein ist eine Berufung für jedermann: Es bedeutet,
den eigenen Verstand zu gebrauchen, um Angelegenheiten voranzubringen, die
für die Menschheit wichtig sind“, verlautet Noam Chomsky, Amerikas
führender Intelle
„Der gescheiterte Staat“
„Ein Intellektueller zu sein ist eine Berufung für jedermann: Es bedeutet,
den eigenen Verstand zu gebrauchen, um Angelegenheiten voranzubringen, die
für die Menschheit wichtig sind“, verlautet Noam Chomsky, Amerikas
führender Intellektueller. Chomsky, der sich offen zu den Ideen des
Anarchismus bekennt, veröffentlicht wie eine Maschine intelligente
Politanalysen.
Der anarchistische Linguist
Dabei ist der 77 Jahre alte Chomsky vor allem als Linguist bekannt, der
Anglistik- und Germanistikstudenten mit seinen trockenen Lehrtexten an den
Rand der Verzweiflung oder Erleuchtung treibt, je nachdem. Sein
politisches Engagement begann in den Sechzigern, angetrieben vom
Vietnamkrieg und den Umschwüngen in der amerikanischen Politik – mitten in
einer Zeit, in der die USA am Rande des Bürgerkriegs standen.
Heute gilt diese Epoche als wichtiger Umbruch in der Geschichte dieser
Nation. Ein bekennender Anarchist wie Chomsky wird hier dennoch einen
anderen Schluss ziehen, sieht er doch seit genau diesem Zeitpunkt – dem
Krieg in Vietnam – alle amerikanischen Präsidenten als Kriegsverbrecher,
wenn wir die Genfer Konventionen und den Nürnberger Fall genau betrachten
und anwenden würden. Doch Geschichte schreiben die Sieger.
Das Ende der Welt?
Es ist also ein negatives Fazit, das Chomsky bereits an den Beginn seines
neuesten Werkes – „Der gescheiterte Staat“ – stellt. Dabei genügt ihm ein
Blick zurück ins Jahr 1955, als die beiden Wissenschaftler Bertrand
Russell und Albert Einstein die Welt aufriefen, auf Atomsprengköpfe zu
verzichten, um nicht die Menschheit auszulöschen. Mittlerweile – nach
Kubakrise und Ende des Kalten Krieges – steht die Welt wieder nahe am
Abgrund.
So formuliert Chomsky aggressiv: „Im Brustton der Selbstgerechtigkeit
verlangen die Vereinigten Staaten von anderen Ländern die Einhaltung des
Völkerrechts (...) betrachten sie aber für sich selbst als unerheblich.“
Von diesem Fazit ausgehend analysiert Chomsky, wie die Welt – dank einer
beklagenswerten Führung durch die Regierung der USA – langsam wieder den
Punkt der atomaren Auslöschung erreicht hat. Um diesen negativen Punkt zu
unterstreichen, braucht man aber gar nicht Chomsky alleine Gehör zu
schenken, der in den USA aufgrund seiner offenen Sympathien für das linke
Lager nicht nur Freunde hat. So stehen etwa konservative Politgrößen und
Intellektuelle, wie der ehemalige amerikanische Außenminister Robert
McNamara oder Josh Friedman, ebenso auf der Seite des zurzeit wohl
wichtigsten Intellektuellen der USA.
Schurkenstaat USA
Auf knapp vierhundert Seiten hat Chomsky Zeit, die Welt ein wenig von
ihrer Schuld – nicht aber ihrer Verantwortung für die derzeitige Situation
– freizusprechen, um den Fokus seiner Arbeit auf die USA zu lenken. Mit
gutem Recht fragt sich der Leser, welche internationale Legitimation eine
Regierung hat, die den „Krieg gegen den Terror“ erklärt, selbst aber
verurteilte ausländische Terroristen begnadigt und für „höhere Aufgaben“
in den Dienst stellt. Etwa die Begnadigungen von Massenmördern wie
Emmanuel Constant oder des Terroristen Luis Posada Carilles. Sobald ein
nicht genehmes Regime enthoben werden kann, lässt die Regierung Bush II.
alle christlichen Werte fahren.
Da scheint es beinahe wie ein Treppenwitz der jüngeren politischen
Geschichte zu sein, wenn George W. Bush seinen Kandidaten Alberto Gonzalez
für das Justizministerium nicht durchsetzen kann, da dieser seiner
Parteibasis zu liberal erscheint. Gonzalez trat für die Abschaffung der
„Genfer Konventionen“ ein und half bei der Ausformulierung von
Genehmigungen und Verboten bei Folter auf Guantanmo Bay mit.
Wahnsinn mit Methode
„Der gescheiterte Staat“ ist allerdings nur oberflächlich gesehen ein
aggressives und wütendes Pamphlet. So sehr sich Chomsky in der ersten
Hälfte mit der US-Politik auseinandersetzt, so sehr versucht er den guten
Glauben in die Demokratisierung seines Landes zu erwecken. Wie sein
ungleich populistischerer Kollege Michael Moore fordert er die Regierung
und die Bevölkerung auf, an die Demokratie zu glauben und diese auch zu
fördern, anstatt sie konsequent zu untergraben.
Natürlich bleibt Chomsky dabei auf seinem sprachlich hohen Niveau und wird
vielleicht gerade deshalb – wieder einmal – „nur“ von politischen Jüngern
und Gegnern gelesen. Dabei ist „Der gescheiterte Staat“, nach etwas
schwächeren Werken wie „Media Hybris“, wieder ein Muss in jeder Bibliothek.
Rezension von Patrick Dorner patrick@CHiLLi.cc
http://www.chilli.cc/index.php?id=64-1-56
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